Nachhaltig Bauen vor Ort Die Passivhaus-Siedlung aus städtischer Sicht Angela Theurich, Stadt Bocholt - Umweltreferat, Berliner Platz 1, 46395 Bocholt 1 Stillstand ist Rückschritt Die Stadt Bocholt ist darum bemüht, ihren Bürgerinnen und Bürgern Hilfestellung und Anreize bei der Realisierung moderner Bauweisen zu geben. Denn die Reduzierung des Einsatzes fossiler Energieträger bedeutet immer auch eine Reduzierung des CO 2 - Ausstoßes und damit einen Beitrag zum Klimaschutz. Im Jahr 2000 gab der Ausschuss für Umwelt und Grün der Stadt Bocholt darum grünes Licht für den Bau von 10 Doppelhaushälften in PAS- SIVHAUS- BAUWEISE. Diese zukunftsfähige Bauweise beinhaltet die Nutzung von Sonnenenergie, sowohl passiv als auch aktiv. In bevorzugter Wohnlage stellte die Stadtverwaltung Bocholt, im Ortsteil Biemenhorst, ausgewählte PASSIVHAUS- GRUNDSTÜCKE zur Verfügung. Zwei Hauszeilen des neuen Wohngebietes "Auf dem Takenkamp" wurden für individuell geplante und realisierte PASSIVHÄUSER verschiedenster Bauart vorgesehen. Inzwischen sind drei Einfamilienhaus- Grundstücke hinzugekommen. Passivhaus-Gebiet Bocholt, Ortsteil Biemenhorst Der erste Bocholter PASSIVHAUS- Bauherr startete im März 2001 sein Bauvorhaben. Mittlerweile wurden 8 Doppelhaushälften und ein Einfamilienhaus in Passivhausbauweise fertiggestellt. Zwei Doppelhaushälften und zwei Einfamilienhäuser befinden sich derzeit noch im Bau.
2 Die Baufrauen/Bauherren selber bestimmten das Erscheinungsbild ihres Hauses und legten selbst fest, ob sie eine Ausführung als Massiv- oder Holzhaus wünschten. Neben der in Bocholt üblichen Bauform "Massivbau mit Gauben, Klinkerfassade und Satteldach", entstanden auch Passivhäuser mit Putzfassade, Pultdach oder Gründach. Das PASSIVHAUS- PROJEKT- BIEMENHORST ist somit direkt auf Bocholter Verhältnisse zugeschnitten. Es favorisiert einerseits modernste Bautechnik, lässt dem zukünftigen Bauherren aber andererseits jede nur erdenkliche Freiheit. PASSIVHAUS - PROJEKT - BOCHOLT Hoher Wohnkomfort Gesundes und behagliches Gebäudeklima Gute Raumluftqualität Ideal für Allergiker Minimale Heizkosten 2. In welcher Weise wurde der Bau von Passivhäusern unterstützt? 2.1. Vorrang bei der Vergabe städtischer Grundstücke 13 von 90 Wohnbaugrundstücken in Bocholt- Biemenhorst wurden vorrangig für den Bau von PASSIVHÄUSERN vergeben, deren Heizwärmebedarf nur noch 15 kwh pro qm und Jahr beträgt. (Dies sind nur etwa 10% des herkömmlicher Weise notwendigen Verbrauchs.) Konkret bedeutete dies, dass auch Interessenten Grundstücke erhalten konnten, die sonst nach den Kriterien der städtischen Warteliste (Wartezeiten/soziale Komponeneten) noch nicht an der Reihe gewesen wären. Voraussetzung: Sie waren bereit, ein qualitätsgeprüftes Passivhaus zu bauen. 2.2 Fachliche und finanzielle Unterstützung Die Unterstützung der Stadt Bocholt bezog sich neben der Bevorzugung bei der Grundstücksvergabe auch auf die fachlich informative und die finanzielle Seite. Passivhäuser während der Bauphase Für den Bau der Passivhäuser und die Installation thermischer Solaranlagen stellte der Rat der Stadt Bocholt rund 50.000,- zur Verfügung. Einige Bauherren erhielten Fördermittel des Landesinstitutes für Bauwesen NRW.
3 Fachliche Hilfestellung für die PASSIVHAUS - BAUHERREN und die örtliche Handwerkerschaft war sowohl während der Planungsphase, als auch während der Bauausführung gegeben. Dafür sorgten Informationsabende, Exkursionen, Ausstellungen sowie die Einbindung eines externen Beratungsinstitutes. Sämtliche vom Umweltreferat initiierten Veranstaltungen konnten mit hohen Besucherzahlen aufwarten. Das gleiche gilt auch für den Tag der offenen Tür am 16. September 2001. 3. Qualitätssicherung Als Gegenleistung mussten sich die Bauherren vertraglich zur Einhaltung bestimmter Qualitätsanforderungen verpflichten. Diese betrafen die Vermeidung von Wärmebrücken, die Luftdichtheit des Gebäudes, die Lüftungsanlage und den Heizwärmebedarf des Wohnhauses. Die Qualitätssicherung erfolgte in 2 Schritten. Das erste Zertifikat betraf die Planung und mußte bereits vor dem Abschluss des Kaufvertrages vorgelegt werden. Das zweite Zertifikat betraf die Bauausführung. Diese wurde vor Ort überprüft. Neben der Kontrolle dienten die Ortstermine vor allem aber der Beratung und Hilfestellung. Diese Schutzfunktion für den Bauherren wurde vom Kunden erkannt und positiv bewertet. Bei mehreren Kunden war dies für die Kaufentscheidung wahrscheinlich maßgebend (Wegfall der Schwellenangst ). Mit der Qualitätssicherung der Bocholter PASSIVHÄUSER beauftragte die Stadt Bocholt das Niedrig-Energie-Institut in Detmold (NEI). Das Niedrig-Energie-Institut Detmold ist bundesweit in Sachen Niedrigenergie- und Passivhäuser tätig und hat bereits mehrere Projekte zusammen mit der Landesregierung und der Energieagentur NRW durchgeführt. Die Bocholter Erfahrungen mit dem Büro sind ebenfalls sehr positiv. Ausstellung zur Haustechnik von Passivhäusern
4 Ebenfalls wurde dem Kaufvertrag als Anlage ein Baudatenblatt beigefügt, das die wichtigsten Parameter der Gebäudehülle und der Lüftungsanlage festschrieb. Die Käufer verpflichteten sich, das Gebäude entsprechend dieser Angaben zu errichten ( 3). Änderungen der Architektur und /oder des konstruktiven Aufbaus nach Vertragabschluss bedurften der schriftlichen Zustimmung durch die Stadt Bocholt. 7 des Grundstückskaufvertrages schließlich regelte die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen. Diese bestehen einerseits in einem Wiederkaufsrecht der Stadt Bocholt, andererseits in einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,- bei Abweichung von der vertraglich festgelegten Architektur und/oder dem konstruktiven Aufbau entsprechend dem Baudatenblatt. 4. Regelungen im Rahmen des Kaufvertrages Im Rahmen des Kaufvertrages verpflichtete sich die Käuferin/der Käufer das auf dem Grundstück zu errichtende Gebäude in Passivhaus-Bauweise gemäß festgelegten Anforderungen zu errichten ( 1). Diese betrafen den baulichen Wärmeschutz, die Vermeidung von Wärmebrücken, die Luftdichtheit und die Be- und Entlüftung des Gebäudes. Als Nachweis für die Einhaltung der Anforderungen hatte der Grundstückskäufer der Stadt BOCHOLT zwei positive Testate des Niedrig-Energie- Institutes GbR Detmold vorzulegen, welches im Auftrag und auf Kosten der Stadt BOCHOLT die Prüfung der Passivhaus- Bauweise durchführte. Das erste Testat über die Einhaltung der Passivhaus-Anforderungen in der Planung war vor Abschluss des Kaufvertrages vorzulegen, das zweite Zertifikat, über die Einhaltung der Passivhaus- Anforderungen in der tatsächlichen Bauausführung, war bis 3 Monate nach Bezug einzureichen. 2 des Vertrages regelte die Berechnung nach dem Passivhaus-Projektierungs-Paket `99. Die bedeutsamen Abschnitte wurden dem Kaufvertrag in Form einer Urkunde beigefügt. Passivhaus in Holzbauweise mit begrüntem Pultdach
5 5. Hilfestellung auch außerhalb des Projektes Die positiven Erfahrungen mit dem Bau von PASSIVHÄUSERN in BO- CHOLT- Biemenhorst haben dazu geführt, dass die Stadt Bocholt diese moderne Bauweise auch weiterhin voran bringen möchte. Außerhalb des Baugebietes Bocholt- Biemenhorst unterstützt die Stadt Bocholt den Bau von Passivhäusern daher neuerdings ebenfalls durch fachliche Beratung sowie Förderberatung. Interessierte Baufrauen/Bauherren können beim Umweltreferat zwei "Beratungsgutscheine" erhalten. Einen für die Planungsphase vor Baubeginn und einen zweiten für die Bauphase selbst. Kompetente Antworten liefert das von der Stadt Bocholt beauftragte Niedrigenergie-Institut Detmold per Telefon. Jeder Gutschein beinhaltet ein Kontingent für 2 Std. Beratung, das in mehreren Telefongesprächen oder auch im Rahmen eines persönlichen Beratungsgespräches in Detmold zusammen mit dem jeweiligen Architekten oder Bauunternehmen genutzt werden kann. Für Bocholter Bürgerinnen und Bürger ist dieser Service kostenfrei. Die Paxis hat gezeigt, dass der Bau eines PASSIVHAUSES immer noch viele Fragen aufwirft. In BOCHOLT werden sowohl Bauherren, als auch Handwerker und Architekten hiermit nicht alleine gelassen. 6. FAZIT Durch eine gezielte Unterstützung von Bauherren, Handwerkern und Architekten kann auf lokaler Ebene eine Menge bewegt werden. Wie das vorgestellte Beispiel zeigt, geht die motivierende Wirkung über Stadtgrenzen hinaus. Die Akzeptanz der PASSIVHAUS- Bauweise wird deutlich erhöht, das generelle Interesse an nachhaltigen Bauweisen gesteigert. Nach anfänglicher Skepsis haben inzwischen sogar Handwerksfirmen und Architekten aus den benachbarten Orten das Thema PASSIVHAUS aktiv aufgegriffen. Dem Wunsch nach individueller Bauweise (ohne Bauträger) sollte nachgegeben werden, um die Baukosten zu senken und die Identifikation mit dem Projekt zu erhöhen. Eigenleistung ist bei fachlicher Betreuung und engagierten Baufamilien sehr gut möglich. Durch die Auswahl geeigneter Grundstücke, möglichst mit Nord- Süd- Ausrichtung und ein Qualitäts- Sicherungsverfahren kann das Bauergebnis positiv beeinflußt werden. Wie sich in BOCHOLT zeigte ist die Bauausführung gut, die Wohnqualität und das Innenklima in den realisierten Gebäuden komfortabel. Die Räume sind durch die Südorientierung hell und freundlich und die Bocholter Baufrauen/ Bauherren sehr zufrieden. Weitere Informationen: Stadt Bocholt- Umweltreferat, Angela Theurich Tel. 02871/953-137, Fax 02871/953-192 atheuric@mail.bocholt.de oder über Internet www.bocholt.de Stichwort Rathaus/ Planen, Umwelt, Bauen/ Passivhaus-Projekt-Biemenhorst