KIRCHLICHE ARBEIT BIETET DER GESELLSCHAFT EINEN MEHRWERT

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Transkript:

KIRCHLICHE ARBEIT BIETET DER GESELLSCHAFT EINEN MEHRWERT Stellungnahme des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK zur Studie Dienstleistungen, Nutzen und Finanzierung von Religionsgemeinschaften in der Schweiz des Projektes Finanzanalyse Kirchen FAKIR im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 58, «Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft»

Die FAKIR-Studie analysiert Bereiche der Religion, die nicht als erste in den Sinn kommen, wenn man an Kirche denkt: Geld und Nutzen. Nun hätte dieses Vorhaben dazu führen können, dass die vielfältigen Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften in der Schweiz auf eine Zahl, einen volkswirtschaftlich störenden Faktor reduziert werden. Dies ist nicht geschehen. Stattdessen haben die Autoren ihren innovativen, wissenschaftlichen Fokus auf einen neuen Forschungsbereich gelegt, aus dem ein konstruktiver Dialog zwischen Öffentlichkeit, Staat und den Kirchen entstehen kann. Die Institution Kirche wurde in ihren Tätigkeiten so dargestellt, dass ihre wichtige soziale Rolle in Zahlen nachvollziehbar wird. Die Auswahl der drei untersuchten Landeskirchen ist aus Sicht des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes sehr gelungen. Die föderale Tradition der Schweiz spiegelt sich in den verschiedenen kantonalkirchlichen Organisationsformen wider. So wie sich die Kirchen seit Gründung der Eidgenossenschaft immer in den politischen Prozess eingebracht haben, so haben sie sich auch institutionell an die jeweiligen Verfahrensweisen angepasst. Die gewählten Beispiele geben diesen Schweizer Pluralismus wieder. Ein untersuchter Bereich der Studie sind die Kirchensteuern. Aus reformierter Perspektive und aus Sicht der Landeskirchen generell hat sich gezeigt, dass die Kirchen in hohem Masse von der staatlich geregelten Teilfinanzierung profitieren. In Kantonen wie Neuchâtel oder Genf, in denen es keine verpflichtende Kirchensteuer gibt, sind die Einnahmen der Kirchen und damit ihr Aktionsradius deutlich geringer, als in den Kantonen mit einer gesicherten steuerlichen Finanzierung. Eine der Forschungsfragen des Projektes war die Rechtfertigung der besonderen Stellung der Landeskirchen im Zusammenhang mit dieser Finanzierung. Hier liefert die Studie aus Sicht des Evangelischen Kirchenbundes eine eindeutige Antwort: Gesamtgesellschaftlich betrachtet sind die Kirchensteuern in der derzeitigen Form sowohl die Kirchensteuern privater, wie auch die Kirchensteuern juristischer Personen gerechtfertigt. Das untersuchte Beispiel aus dem Kanton Bern, wo im interkantonalen Vergleich die öffentlichen Zuwendungen am höchsten sind, macht deutlich: Der gesellschaftliche Nutzen, der pay-off, entspricht fast genau den Kosten, welche die Kirchen der öffentlichen Hand verursachen. 97% der öffentlichen Zuwendungen 1, also der Kirchensteuern juristischer Personen und der weiteren öffentlichen Finanzierung an die beiden Landeskirchen, kommen direkt in Form sozialer Dienstleistungen an die Gesellschaft zurück. Im Kanton St. Gallen, in dem es keine Kirchensteuerpflicht juristischer Personen gibt, kommen gar 151% der öffentlichen Gelder in Form sozialer Dienstleistungen zurück. 2 Die Kirchenmitglieder bezahlen hier durch ihre Mitgliedsbeiträge gemeindienliche Dienstleistungen in nicht unbeträchtlicher Höhe. 3 Wie in der Studie bereits angemerkt ist darauf hinzuweisen, dass in der Kosten-Nutzen- Rechnung nicht alle Tätigkeiten der Kirchen aufgeführt sind, welche einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert bedeuten. So konnte der Unterhalt von historischen Gebäuden oder die Dienstleistungen der gesamtkirchlichen Dienste nicht quantifiziert werden. Bei Berechnung aller sozial wirksamen kirchlichen Leistungen fiele die Bilanz noch positiver aus. Somit 1 106 Mio. CHF öffentliche Leistungen stehen sozialen Dienstleistungen in Höhe von 103 Mio. CHF gegenüber (vgl. Ecoplan (2010): FAKIR - Finanzanalyse Kirchen: Gesellschaftliche Nutzen und Kosten ausgewählter Religionsgemeinschaften Synthesebericht. Projekt im Rahmen des NFP58: Religion, Staat und Gesellschaft des Schweizerischen Nationalfonds. Bern: Ecoplan, S. 43). 2 37.9 Mio. CHF öffentliche Leistungen stehen sozialen Dienstleistungen in Höhe von 57.4 Mio. CHF gegenüber (vgl. Ecoplan (2010, S. 44). 3 Vgl. Ecoplan (2010), S. 44. Seite 2 von 5

kann der Vorwurf entkräftet werden, die vorherrschende Gesetzeslage vermenge durch die Aufrechterhaltung des Kirchensteuersystems den Grundsatz des Laizismus und weiche die Trennung zwischen Kirche und Staat auf. Die Zuwendungen der öffentlichen Hand kommen der Kirche als Sozialdienstleister, und damit der gesamten Gesellschaft, zu Gute. Kirchensteuern sind keine einseitige staatliche Leistung oder Bevorzugung der etablierten Religionsgemeinschaften. Die kultischen Aufgaben der Kirchen werden durch die Kirchensteuern der Mitglieder gedeckt. 4 Die Zahlen der FAKIR-Studie belegen, dass die Mitgliederbeiträge zur Deckung dieser Ausgaben ausreichen. Und selbst in diesem Tätigkeitsfeld profitieren nicht nur die Kirchenmitglieder - die spirituelle Gestalt der Kirche steht in ihrer Bedeutung den Sozialdienstleistungen nicht nach. Die Umfrageergebnisse der Studie zeigen, dass sowohl Kirchenmitglieder wie auch Konfessionslose die kultischen Dienstleistungen der Kirche praktisch durchwegs als wichtig einschätzen. 5 Eine greifbare Zahl wie bei den Sozialdienstleistungen lässt sich daraus aber nicht ableiten. Die monetäre Messbarkeit dieser Leistungen ist nicht gegeben. Darauf weisen die Autoren der Studie zu Recht an verschiedenen Stellen hin. 6 Der Begriff der Dienstleistung wird hier unscharf. Die Leistungen der Kirche sind in diesem Bereich nicht in Geld messbar, und doch erfahren sie eine rege Nachfrage. Der Wert einer notfallseelsorgerlichen Unterstützung ist nicht bezifferbar, ebenso wenig der Wert einer Taufe oder einer Hochzeit. Durch diese Arten der Unterstützung und rituellen Konstanten leisten die Kirchen zusätzlich zu ihren sozialen Dienstleistungen einen wichtigen Beitrag für die ganze Gesellschaft. Um bei der ökonomischen Sprache zu bleiben: Kirchen bieten einen Rahmen, in dem das Bedürfnis nach Glauben gestillt wird. Damit ist die Bilanz der sozialen Dienstleistungen für die Gesamtgesellschaft nicht nur kostenneutral (oder sogar positiv), sondern die Tätigkeiten der Kirche erfahren eine gesamtgesellschaftliche Wertschätzung. In der Studie wird kurz auf die Konsequenz der Abschaffung der öffentlichen Finanzierung sozialer Dienstleistungen der Kirche eingegangen: Würden sie nicht erbracht, müsste der Staat diese auf anderem Wege einkaufen, beispielsweise über die Einstellung von Sozialarbeitern oder Drittorganisationen. 7 Die Konsequenz wäre die Öffnung des Marktes für diese Dienstleistungen und, so erhoffen sich die Befürworter, durch den einsetzenden Wettstreit um knappe öffentliche Ressourcen 8 eine steigende Effizienz. Doch die Kirche ist als soziale Dienstleisterin abgesehen von ihrem nicht bezifferbaren Nutzen im Bereich der Glaubensausübung mitnichten einfach ersetzbar. Dies ergibt sich zum einen aus ihrer bereits erwähnten gesellschaftlichen Stellung. Neben der Tatsache, dass sie als Marke bereits seit Jahrhunderten im sozialen Sektor etabliert ist, kann auch ihr Distributionsnetz als konkurrenzlos bezeichnet werden. Kirchgemeinden gibt es in jedem Dorf, der Zugang zu den ange- 4 Dies wurde nachgewiesen für den Kanton Bern: Die Gesamteinnahmen der reformierten Kirche Bern (230.4 Mio. CHF) abzüglich der erbrachten Sozialdienstleistungen (83.8 Mio. CHF) entsprechen fast genau den Kirchensteuern privater Personen (147.9 Mio. CHF) (vgl. Ecoplan (2010), S. 43, S.55). 5 Vgl. Ecoplan (2010), S. 38. 6 Z.B. Ecoplan (2010), S. 8, S. 48. 7 Vgl. Ecoplan (2010), S. 42. 8 Ecoplan (2010), S. 53. Seite 3 von 5

botenen Dienstleistungen ist denkbar einfach und nah. Dass sich die Kirche dieser Alleinstellungsmerkmale durchaus bewusst ist, zeigt ein Slogan der St. Galler Kirche: Nahe bei Gott nahe bei den Menschen. 9 Angesichts dieser Marktstellung erscheint es fragwürdig, ob privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen unter vergleichbarem Kostenaufwand die gegenwärtige Qualität der Leistungen aufrecht erhalten könnten. Die in der Studie untersuchte Freiwilligenarbeit verdient aus unserer Sicht eine differenziertere Betrachtung. Die vorgestellten Zahlen stellen die geleistete Freiwilligenarbeit der Landeskirchen derjenigen der Freikirchen gegenüber. Hierbei zeigt sich, dass die Mitglieder der Freikirchen ein Vielfaches der unbezahlten Arbeit der reformierten und römisch-katholischen Kirchen leisten. 10 Die Vergleichbarkeit zwischen den grossen Kirchen und den kleinen Gruppierungen scheint dabei nur sehr eingeschränkt gegeben zu sein. Die reformierte Gemeinde in Bern ist rund 20-mal grösser als die verglichenen Freikirchen in Bern (durchschnittlich rund 3100 Mitglieder bei den reformierten Gemeinden im Vergleich zu rund 160 Mitgliedern bei den Freikirchen). Die Struktur dieser beiden Institutionen bietet daher unterschiedliche Voraussetzungen: Es gibt nicht unbegrenzt viele Möglichkeiten, sich im Umfeld der Kirche ehrenamtlich zu engagieren. Wenn die Kirchenräte besetzt und gleichzeitig die karitativen und missionarischen Aktivitäten in Hilfswerken ausgelagert und professionalisiert sind, ergeben sich pro Mitglied in der Landeskirche weniger Opportunitäten für Freiwilligenarbeit als für die Mitglieder in den kleineren Freikirchen. Wo die Freikirchen nur ein sehr geringes Kontingent an fest angestellten Mitarbeitern haben, werden in den Landeskirchen durch die stärkere Professionalisierung und Spezialisierung viele Aufgaben, die in den Freikirchen ehrenamtlich erledigt werden, von Angestellten wahrgenommen. Um zu einem substanziellen Vergleich der Freiwilligenarbeit zu kommen, wäre daher ein Vergleich mit den durch die verschiedenen landeskirchlichen Einrichtungen erbrachten Leistungen notwendig. Sollte sich dabei ergeben, dass die Landeskirchen eingerechnet ihrer Werke und festen Stellen, welche gemeindienlichen Aufgaben nachgehen, immer noch unter dem Engagement der Freikirchen liegen, könnte man den nahegelegten Schluss ziehen, die Freikirchen leisteten mehr Arbeit. Die heutige ausdifferenzierte Gestalt kirchlicher Einrichtungen ist ein Resultat der langen kirchlichen Erfahrungen im sozialen Bereich: Dort, wo freiwillige oder durch kirchliche Mitarbeitende erbrachte Leistungen Erfolge zeigten, wurden Institutionen formalisiert, Stellen geschaffen und ausgebaut. Die Landeskirchen können mit der Gewissheit, dass ihre Mitglieder eine sozial engagierte und gegenüber Innovationen aufgeschlossene Gruppe sind, für die Herausforderungen der kirchlichen Arbeit in Zukunft an diese Tradition anknüpfen. Aus Sicht der reformierten Kirche ist es den Autoren der FAKIR-Studie gelungen, die verschiedenen Dimensionen kirchlicher Dienstleistungen adäquat abzubilden. Die Studie unterzieht die Kirche einer zahlenmässigen Analyse. Dieser Blick ist neu. Die dadurch entstehende Transparenz kirchlicher Tätigkeiten ist aus unserer Sicht erfreulich. Sie versetzt 9 Vgl. Ev.-Ref. Kirche St. Gallen (2008): St. Galler Kirche 2015. nahe bei Gott nahe bei den Menschen. Auftrag Visionen Leitziele. Abrufbar unter http://www.refsg.ch/anzeige/projekt/200/507/st_galler_kirche_2015_von_der_synode_genehmigt.pdf (04.11.2010) 10 Vgl. Ecoplan (2010), S. 27. Seite 4 von 5

uns in die Lage über das Gute, das wir tun, fundiert berichten zu können. Die ökonomische Betrachtungsweise hat aus unserer Sicht zwei wichtige Ergebnisse hervorgebracht: 1. Die Kirchen leisten einen wichtigen Beitrag zum Sozialstaat, ohne der Öffentlichkeit auf der Tasche zu liegen. Die staatlichen Unterstützungen an die Kirchen kommen nicht nur den Kirchenmitgliedern, sondern allen Bürgern zu Gute. 2. Die kirchliche Arbeit hat in ihrer kultischen Dimension eine gesellschaftliche Bedeutung, die zwar nicht ökonomisch messbar ist, aber auch über Kirchenzugehörigkeiten hinweg als wichtig erachtet wird. Die Kirchen werden in der öffentlichen Diskussion über Finanzierung und Kürzung von Budgets von der vorliegenden Studie profitieren. Sie fasst in nüchterne Zahlen und macht transparent, wovon wir überzeugt sind: Die kirchliche Arbeit stellt einen Mehrwert für die Gesellschaft dar. Autor: Chr. Lucas Zapf Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK Bern, 23. November 2010 info@sek.ch www.sek.ch Seite 5 von 5