Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

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Transkript:

Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Erste Verordnung zur Änderung der Unbilligkeitsverordnung Vom... Auf Grund des 13 Absatz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -, in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), verordnet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Artikel 1 Änderung der Unbilligkeitsverordnung Die Unbilligkeitsverordnung vom 14. April 2008 (BGBl. I S. 734) wird wie folgt geändert: 1. 6 wird wie folgt gefasst: 6 Hilfebedürftigkeit im Alter Unbillig ist die Inanspruchnahme, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch werden würden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 Prozent der bei Erreichen der Altersgrenze ( 7a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) zu erwartenden monatlichen Regelaltersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. 2. Der bisherige 6 wird 7. Artikel 2 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2017 in Kraft.

- 2 - Begründung A. Allgemeiner Teil I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen Die Nachrangigkeit der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegenüber anderen Sozialleistungen ist ein Kernelement der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsberechtigte in der Grundsicherung für Arbeitsuchende haben alle vorhandenen oder erzielbaren Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt unabhängig von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) zu bestreiten. Leistungsberechtigte sind deshalb insbesondere verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist ( 12a Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II -). Dazu zählen grundsätzlich auch Renten wegen Alters. Von diesem Grundsatz gelten Ausnahmen ( 12a Satz 2 SGB II). Nach 12a Satz 2 Nummer 1 SGB II sind Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres nicht verpflichtet, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus wurden mit der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung) in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung weitere Ausnahmen geregelt, bei deren Vorliegen keine Verpflichtung zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente besteht (Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld, bevorstehende abschlagsfreie Altersrente, bevorstehende Erwerbstätigkeit). Bei Erreichen des 63. Lebensjahres sind Leistungsberechtigte in wachsender Anzahl von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach 12a SGB II verpflichtet worden, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen, sofern keiner der bisher geregelten Unbilligkeitsgründe vorlag. Sofern Leistungsberechtigte dieser Verpflichtung nicht nachkommen, können die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach 5 Absatz 3 SGB II einen entsprechenden Antrag für die leistungsberechtigte Person stellen. Das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 19. August 2015 (B 14 AS 1/15 R) und 23. Juni 2016 (B 14 AS 46/15 R) bestätigt, dass die Unbilligkeitsverordnung die Ausnahmetatbestände abschließend regelt, bei deren Vorliegen Leistungsberechtigte nicht zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente verpflichtet sind. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass eine etwaige künftige Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten bei Bezug der Altersrente keinen bei der Ermessensentscheidung nach 5 Absatz 3 SGB II atypischen Fall begründet. Dennoch haben Leistungsberechtigte gegen die Aufforderung zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente vielfach eingewandt, dass sie durch die bei der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente entstehenden Abschläge bei der Rentenhöhe künftig, das heißt nach Erreichen der Regelaltersgrenze, dauerhaft auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) angewiesen wären. Zudem müssten, sofern die abschlagsgeminderte Altersrente ggf. zuzüglich ergänzenden Wohngeldes nicht zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit ausreicht, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Leistungen der Sozialhilfe nach dem Dritten Kapitel des SGB XII beantragt werden, bei denen deutlich geringere Vermögensfreibeträge als beim Bezug von Arbeitslosengeld II gelten.

- 3 - Die Verpflichtung zur vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente hat sich aus zwei Gründen als ungünstig erwiesen. Zum einen kann eine Unbilligkeit darin begründet sein, in der Zeit zwischen der Vollendung des 63. Lebensjahres und der Regelaltersgrenze hilfebedürftig zu sein, deshalb eine vorgezogene Altersrente beantragen zu müssen und in der Folge durch die wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme entstehenden Abschläge nach Erreichen der Regelaltersgrenze bis zum Lebensende hilfebedürftig zu bleiben. Zum anderen entsteht dadurch ein erhebliches Maß an unnötiger Bürokratie, weil die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Nachgang bis zum Lebensende jährlich neu beantragt werden müssen. Unnötige Bürokratie ergibt sich aber auch dann, wenn die Altersrente bereits ohne Abschläge nicht zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit ausreicht. In diesem Fall erfolgt durch die Inanspruchnahme lediglich ein (früherer) Wechsel der Leistungsträger, ohne dass die Hilfebedürftigkeit überwunden wird. Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende müssen zur Antragstellung auffordern, die tatsächliche Antragstellung überwachen und ggf. selbst einen Antrag stellen. Die Arbeitsgruppe Flexible Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag hat deshalb im Rahmen ihres Abschlussberichtes vorgeschlagen, die Pflicht zur Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrenten durch Einführung eines zusätzlichen Unbilligkeitsgrundes in der Unbilligkeitsverordnung zu entschärfen. Mit dieser Änderungsverordnung wird der Vorschlag umgesetzt. II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs Durch die Verordnung wird ein neuer Tatbestand für die Annahme der Unbilligkeit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente geschaffen. Damit wird vermieden, Leistungsberechtigte zu zwingen, eine vorzeitige geminderte Altersrente in Anspruch zu nehmen, wenn sie dadurch ggf. bis zu ihrem Lebensende auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen wären. III. Alternativen Ein vollständiger Verzicht auf die Verpflichtung zur vorzeitigen Inanspruchnahme vorzeitiger Altersrente in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der die in Rede stehenden Problematik ebenfalls lösen würde, kommt nicht in Betracht, weil damit die Nachrangigkeit der Grundsicherung für Arbeitsuchende insgesamt in Frage stehen würde. IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen Der Verordnungsentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen vereinbar. V. Gesetzesfolgen 1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung Die Änderungen führen zu einer erheblichen Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Die Rechtsvereinfachung liegt in der künftig einfach ausgestalteten pauschalierten Unbilligkeitsprüfung in den in Rede stehenden Fällen. Durch die Änderung entfällt ein Teil der bisherigen Aufforderungen der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende an Leistungsberechtigte zur Antragstellung auf vorzeitige Al-

- 4 - tersrenten einschließlich ggf. erforderlicher Widerspruchs- und Klageverfahren. Zudem entfällt dadurch in der Folge die eigene Antragstellung durch die Jobcenter, falls die Leistungsberechtigten ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Außerdem werden bei den Jobcentern und Rentenversicherungsträgern deutlich weniger Erstattungsverfahren nach 40a SGB II zu bearbeiten sein, da die Anspruchsberechtigung nach dem SGB II künftig in der Regel in den von der Änderung erfassten Fällen nicht mit dem Beginn des Rentenbezuges, sondern automatisch bei Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Zudem entfallen darüber hinaus eine erhebliche Anzahl an Anträgen auf Sozialhilfe nach dem Dritten Kapitel SGB XII, und eine noch höhere Anzahl an Anträgen nach dem Vierten Kapitel SGB XII, die ggf. bei Inkaufnahme der Rentenabschläge von der Altersgrenze bis zum Lebensende einmal jährlich zu stellen wären. 2. Nachhaltigkeitsaspekte Die vorgesehenen Änderungen entsprechen dem Grundsatz der Nachhaltigkeit. Die Regelungen zielen darauf ab, den Verwaltungsaufwand in den Jobcentern und den Grundsicherungsämtern zu reduzieren und das Verwaltungsverfahren insgesamt zu vereinfachen. Die Regelungen haben keine negativen Auswirkungen auf künftige Generationen. 3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand Die Verordnung führt zu erheblichen Verschiebungen leistungsberechtigter Personen zwischen den Leistungssystemen mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen: Wurden Leistungsberechtigte bislang mit Vollendung des 63. Lebensjahres zur Rentenantragstellung aufgefordert und haben in der Folge Altersrente und ggf. zusätzlich Sozialhilfe bezogen, kann künftig bei Vorliegen des neuen Unbilligkeitstatbestandes in vielen Fällen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Arbeitslosengeld II bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen werden. In der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) entstehen im Jahr 2017 Mehrausgaben in Höhe von voraussichtlich 47 Millionen Euro. Davon entfallen 35 Millionen Euro auf den Bund und 12 Millionen Euro über die Kosten für Unterkunft und Heizung auf die Kommunen. Im Jahr 2018 belaufen sich die Mehrausgaben auf 133 Millionen Euro, davon 100 Millionen Euro für den Bund und 33 Millionen Euro für die Kommunen. Im Jahr 2019 betragen die Mehrausgaben 219 Millionen Euro, davon 164 Millionen Euro für den Bund und 55 Millionen Euro für die Kommunen. Im Jahr 2020 betragen die Mehrausgaben 227 Millionen Euro, davon 170 Millionen für den Bund und 57 Millionen für die Kommunen. In der Sozialhilfe (SGB XII, 3. Kapitel) ist von den folgenden Minderausgaben aufgrund der Neuregelung auszugehen: Im Jahr 2017 23 Millionen Euro, im Jahr 2018 64 Millionen Euro, im Jahr 2019 104 Millionen Euro und im Jahr 2020 110 Millionen Euro. In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) wird es aufgrund der Neuregelung voraussichtlich ab 2019 zu finanziellen Minderausgaben kommen, deren Höhe jedoch ungewiss ist. In der gesetzlichen Rentenversicherung ist davon auszugehen, dass sich aufgrund der Neuregelung zunächst Entlastungen ergeben werden, da der Rentenbeginn herausgeschoben wird. Kurzfristig ist je 1 000 betroffenen Personen mit einer Entlastung von 8 Millionen Euro je Jahr zu rechnen. Für das Jahr 2017 ist demzufolge mit Minderausgaben von 48 Millionen Euro zu rechnen, für die Jahre 2018, 2019 und 2020 in Höhe von 136 Millionen, 224 Millionen Euro und 224 Millionen Euro. Diesen Entlastungen stehen später höhere Renten gegenüber, sodass die Entlastungen langfristig wieder ausgeglichen werden. 2017 2018 2019 2020

- 5 - In Mio. Euro Mehrausgaben des Bundes in der Grundsicherung für Arbeitsuchende 35 100 164 170 davon Bundesanteil Kosten für Unterkunft und Heizung 7 19 31 32 Mehrausgaben der Kommunen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Leistungen für Unterkunft und Heizung) 12 33 55 57 Minderausgaben der Kommunen in der Sozialhilfe -23-64 -104-110 Minderausgaben in der gesetzlichen Rentenversicherung -48-136 -224-224 Saldo öffentliche Haushalte -24-67 -109-108 Aufgrund der schrittweisen Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre steigt sowohl die Anzahl der Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die von der Regelung profitieren werden, wie auch deren Verbleibdauer in der Grundsicherung für Arbeitsuchende. In der Folge ist davon auszugehen dass die aus der Neuregelung resultierenden Mehrausgaben in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ebenso wie die Minderausgaben im SGB XII in der Sozialhilfe wie auch in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sukzessive aufwachsen werden. 4. Erfüllungsaufwand Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger Durch die Neuregelung entsteht eine Entlastung der Bürger im Jahr 2017 von rund 2 700 Stunden. Die Belastung durch die Einreichung der Rentenauskunft wird durch die Entlastung durch den Wegfall von Widerspruchsverfahren überkompensiert. Ab dem Jahr 2019 kommt es schrittweise zu weiteren Entlastungen der Bürger, da aufgrund der Neuregelung weniger Personen auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sind und demzufolge weniger Anträge auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu stellen sind. Dafür müssen aber weiterhin Weiterbewilligungsanträge auf Leistungen nach dem SGB II gestellt werden. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft Die Wirtschaft ist von der Neuregelung nicht betroffen. Erfüllungsaufwand der Verwaltung Der Erfüllungsaufwand der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende reduziert sich im Jahr 2017 im Saldo um 0,39 Millionen Euro (davon 0,33 Millionen Euro Bund und 0,06 Millionen Euro Kommunen). Der zusätzliche Erfüllungsaufwand durch die einfache, pau-

- 6 - schalierte Unbilligkeitsprüfung anhand der Rentenauskunft und die Bearbeitung der jährlichen Leistungsanträge im SGB II wird durch die reduzierte Anzahl der Aufforderungen zur Rentenantragstellung, die geringere Anzahl an Widerspruchsverfahren sowie die geringere Zahl an Erstattungsverfahren nach 40a SGB II überkompensiert, sodass der Erfüllungsaufwand im Ergebnis sinkt. Für die Träger der Sozialhilfe sinkt der Erfüllungswand im Jahr 2017 durch die reduzierte Anzahl der zu bearbeitenden Leistungsanträge um 0,1 Millionen Euro. Für die Träger der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung entsteht eine Reduzierung des Erfüllungsaufwandes ab dem Jahr 2019, wenn aufgrund der Neuregelung weniger Anträge auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gestellt werden, da wegen der nicht abschlagsgeminderten Altersrente weniger Personen auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sind. Für die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung reduziert sich der Erfüllungsaufwand im Jahr 2017 ebenfalls aufgrund der geringeren Anzahl an Erstattungsverfahren um 0,36 Millionen Euro. Aufgrund der schrittweisen Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre wird der Erfüllungsaufwand in der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Zeitverlauf weiter reduziert. Gleichzeitig wird der Erfüllungsaufwand in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zunehmen, da jährlich mehr Leistungsanträge zu bearbeiten sein werden. 5. Weitere Kosten Keine. Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. 6. Gleichstellungspolitische Auswirkungen Die Auswirkungen dieser Verordnung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern wurden geprüft. Durch die mit dieser Verordnung vorgesehenen Änderungen sind keine für Frauen und Männer unterschiedlichen Auswirkungen zu erwarten. B. Besonderer Teil Zu Artikel 1 Zu 6 Satz 1 Satz 1 formuliert das Ziel der Neuregelung, Hilfebedürftigkeit im Alter zu vermeiden, die allein durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente und die damit verbundenen Abschläge in der Höhe der Altersrente resultiert. Zu 6 Satz 2 Satz 2 enthält ein Regelbeispiel für die Annahme der Unbilligkeit. In der Regel ist die Unbilligkeit mit der Vollendung des 63. Lebensjahres zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt kann nicht genau beurteilt werden, ob bei Erreichen der Altersgrenze Hilfebedürftigkeit nach den Vorschriften des Vierten Kapitels SGB XII besteht. Zudem wäre diese Prüfung durch die Träger der Grundsicherung für Arbeit vorzunehmen. Für diese stellt sich die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach dem SGB XII sehr aufwändig dar. Deshalb ist in Satz 2

- 7 - eine pauschalierte Prüfung vorgesehen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen wird Unbilligkeit angenommen. Unbilligkeit ist daher insbesondere anzunehmen, wenn der Betrag in Höhe von 70 Prozent der bei Erreichen der Altersgrenze ( 7a SGB II) zu erwartenden monatlichen Altersrente niedriger ist als der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit maßgebende Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II. Das Wort insbesondere verdeutlicht dabei, dass auch weitere Fallkonstellationen denkbar sind, bei denen Unbilligkeit wegen Hilfebedürftigkeit im Alter einzelfallbezogen eingewandt werden kann. Liegt der Rentenvergleichsbetrag zum Beispiel nur geringfügig oberhalb des aktuellen Bedarfes und ist nach der nächsten Fortschreibung der Regelbedarfe des SGB II Unbilligkeit anzunehmen, kann auf die Aufforderung zur Antragstellung im Rahmen des Ermessens nach 5 Absatz 3 SGB II verzichtet werden. Für die Prüfung ist zunächst die zu erwartende monatliche Altersrente zu ermitteln. Sie ist aus der letzten aktuellen Rentenauskunft zu entnehmen, die nach 109 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nach Vollendung des 55. Lebensjahres erteilt wird. In der Regel wird die Prüfung daher auf der Grundlage der Rentenauskunft vorgenommen werden können, die bei Vollendung des 61. Lebensjahres erteilt wird. Die Beschaffung einer aktuelleren Auskunft ist nicht erforderlich. Liegt der leistungsberechtigten Person diese Rentenauskunft nicht mehr vor, ist sie ggf. aufzufordern, eine aktuelle Rentenauskunft im Rahmen der Mitwirkungspflicht zu beschaffen. Die Rentenauskunft enthält eine Prognose über die Höhe der zu erwartenden Regelaltersrente ( 109 Absatz 3 Nummer 3 SGB VI). Von dieser Bruttorente werden bei einem Rentenbezug noch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Abschläge für die vorzeitige Inanspruchnahme abgesetzt. Deshalb ist lediglich der Betrag in Höhe von pauschaliert 70 Prozent der zu erwartenden Regelaltersrente für die Prüfung heranzuziehen. Der sich ergebende Betrag ist mit dem Bedarf der leistungsberechtigten Person nach dem SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung zu vergleichen. Ist der Bedarf höher, liegt Unbilligkeit mit der Folge vor, dass keine Pflicht zur vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente besteht. Für die Prüfung ist lediglich der Bedarf der leistungsberechtigten Person heranzuziehen, nicht jedoch der Bedarf weiterer Personen, die mit der leistungsberechtigten Person in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Beispiel: Eine Leistungsberechtigte ist am 17. September 1954 geboren und erreicht die Altersgrenze nach 7a SGB II daher am 17. Mai 2020. Das 63. Lebensjahr vollendet sie mit Ablauf des 16. September 2017. Sie lebt mit ihrem Ehemann in einer Bedarfsgemeinschaft und hat einen Regelbedarf in Höhe von 364 Euro (Stand 2016). Die angemessenen Gesamtaufwendungen der Bedarfsgemeinschaft für die Unterkunft und Heizung betragen 550 Euro. Ihr aktueller Gesamtbedarf beträgt daher 639 Euro (= persönlicher Regelbedarf + 50 Prozent individueller KdU-Bedarf). Das Jobcenter fordert sie am 3. April 2017 zur Vorlage der aktuellen Rentenauskunft auf. Die Auskunft wird am 14. April 2017 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache vorgelegt. Aus der Rentenauskunft geht eine zu erwartende monatliche Regelaltersrente in Höhe von 907 Euro hervor. Die Aufforderung zur Inanspruchnahme der Regelaltersrente entfällt wegen Unbilligkeit, weil 70 Prozent der zu erwartenden Regelaltersrente (634,90 Euro) geringer sind als der aktuelle Bedarf nach dem SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Unbilligkeit (639 Euro). Die bestehende Pflicht, eine Altersrente zu dem regulär vorgesehenen Zeitpunkt, also nicht vorzeitig im Sinne des Rentenrechts und ohne Abschläge, in Anspruch zu nehmen, bleibt unberührt.

- 8 - Zu Artikel 2 Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.