ABSTRACT zu Privatisierung des Krieges Problemverortung Nach dem Untergang der Sowjetunion und dem daraus resultierenden Ende des Kalten Krieges konnte man erstmals wieder Ansätze eines neuen Weltoptimismus vernehmen. Die Hoffnungen auf eine Ära des internationalen Friedens wurden aber sehr bald zunichte gemacht, denn die bewaffneten Konflikte endeten nicht wie erwartet mit dem Fall der Berliner Mauer und der Bestätigung der Überlegenheit westlicher Markt- und Staatssysteme gegenüber dem Kommunismus. Im Gegenteil, die seit Jahrzehnten durch den Ost-West- Konflikt verdeckten, nicht beachteten und oftmals auf archaische Weise ausgetragenen Konflikte an der Peripherie der westlichen Wohlstandszone rückten zusehends in den Mittelpunkt des Weltinteresses. So waren die 1990er Jahre letztendlich von einer anhaltenden Verschiebung hin zu innerstaatlichen Konflikten und einem Anstieg internationaler, vor allem aber westlicher Interventionen in derartigen Krisenszenarien geprägt. Angesichts dieser politisch relevanten Entwicklungen und deren Bedeutung für den internationalen Frieden entbrannte schließlich ein, die Welt umspannender, wissenschaftlicher Diskurs um das Wesen und die Bedeutung dieser neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Charakteristisch für die bisherigen Auseinandersetzungen ist aber eine vorherrschende Unschärfe der Begriffe, die in weiterer Folge zu einer beinahe inflationären Anwendung des Kriegsbegriffes führte. Eine derart undifferenzierte Betrachtung der Konflikte und deren Subsumierung unter dem Schlagwort neue Kriege unterbindet letztendlich aber eine objektive Beurteilung einzelner Konflikte und kann somit dem Anspruch von Wissenschaftlichkeit nicht gerecht werden. Ein eindeutiges und fundiertes Verständnis vom Kriegsbegriff ist aber nicht nur aus theoretischer, sondern vor allem auch aus praktischer Sicht von entscheidender Bedeutung. Unklarheiten und eine fehlende Schärfe hinsichtlich des Krieges haben zwangsläufig eine Auswirkung auf die Sicherheitspolitik und in weiterer Folge auch für die nationalen Streitkräfte. Obwohl die Thematik anfänglich noch als sehr abstrakt und theorielastig empfunden wird, kann letztendlich dennoch ein Bezug zum österreichischen Bundesheer und zum Tätigkeitsfeld des Berufsoffiziers hergestellt werden. Für einen zukünftigen Offizier ist es nicht nur von entscheidender Bedeutung, dass er sein alltägliches Handwerk versteht, sondern auch über die theoretischen Grundlagen seines Arbeitsumfeldes Bescheid weiß. Dies ist umso bedeutender, als der Offizier aufgrund des Wesens seiner Arbeit im Spannungsfeld der Politik und in weiterer Folge der internationalen Politik steht. Der Offizier sollte daher, zugunsten eines
umfassenden Wissens, neben den philosophischen auch die rechtlichen Aspekte hinsichtlich des Krieges kennen und diese auf geschichtliche sowie gegenwärtige Szenarien übertragen können. In diesem Zusammenhang soll auch auf das Phänomen der Privatisierung des Krieges und mögliche Erscheinungsformen des Privatisierungsprozesses eingegangen werden. Kaum ein anderes Thema steht seit dem Bekanntwerden von Fehltritten privater Militärfirmen im Irak so sehr im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses wie die privatisierte Kriegsführung. Demgemäß gilt es auch hier, anhand theoretischer Grundlagen sowohl in philosophischer als auch rechtlicher Hinsicht und mit Hilfe geschichtlicher Beispiele zu verallgemeinerungsfähigen Erkenntnissen über die Privatisierung militärischer Aufgaben zu gelangen. Forschungsleitende Fragestellungen Um eine gediegene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kriegsthematik gewährleisten zu können, wurde der Zugang zur Thematik so gewählt, dass nicht nur ein theoretisches Fundament sowohl in philosophischer als auch rechtlicher Hinsicht geschaffen, sondern darüber hinaus der Afghanistankrieg als geschichtliches Beispiel für einen empirisch manifesten Krieg einer Betrachtung unterzogen wurde. Zum Zwecke einer profunden Bearbeitung wurden folgende forschungsleitenden Fragestellungen festgelegt: Entsprechen die rechtlich gefassten Kriegsbegriffsbestimmungen in den internationalen Rechtskatalogen dem philosophischen Kriegsverständnis? Hat das internationale Recht die Privatisierung militärischer Aufgabenbereiche als Phänomen des 21. Jahrhunderts erkannt und private Militärfirmen als neue Akteure in die bestehenden Rechtskataloge aufgenommen? Sind die philosophischen und rechtlichen Erkenntnisse auch auf den Afghanistankrieg von 1979-89 übertragbar und kann dieser Krieg tatsächlich als ein privatisierter Krieg im Sinne des heutigen Auslagerungsprozesses militärischer Aufgaben an private Akteure verstanden werden? Methodik und Operationalisierung Um die forschungsleitenden Fragestellungen in umfassender Weise beantworten zu können, wird im Verlauf der Arbeit auf die qualitative Methode der Text- und Dokumentenanalyse zurückgegriffen. Die dabei gewonnenen Informationen sollen schließlich in Relation zum
Afghanistankrieg gesetzt und schlussendlich soll über die Methode der Hermeneutik zu neuen Erkenntnissen gelangt werden. Hypothesen: Neben der Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellungen wurde der Fokus auf folgende Hypothesen gerichtet: Die Philosophie sollte theoretisches Fundament rechtlicher Bestimmungen und internationaler Rechtsgrundlagen sein. Das Recht hat die Erkenntnisse der philosophischen Reflexion nicht vollends berücksichtigt und übernommen. Das Recht hat neue Tendenzen so etwa auch die Privatisierung zumindest rudimentär in die bestehenden Rechtskataloge aufgenommen. Die Erkenntnisse der philosophischen, rechtlichen und geschichtlichen Betrachtung des Afghanistankrieges unterscheiden sich zum Teil doch wesentlich voneinander. Diese Hypothesen konnten im Verlauf der Abhandlung verifiziert werden. Der folgende Kurzabriss soll dies verdeutlichen. Kurzabriss Im Rahmen der Bearbeitung wurde die Kriegsdebatte aus philosophischer, rechtlicher und geschichtlich konkreter Sicht einer wissenschaftlichen Beurteilung unterzogen. Im Zuge der geistigen Auseinandersetzung hat sich ergeben, dass die Philosophie Grundlage für die Betrachtung in einzelwissenschaftlicher und daher auch rechtlicher sowie geschichtlicher Hinsicht sein muss, da sie das unveränderliche Wesen der Dinge und demgemäß die Begriffe derselben bestimmt. So bietet sie auch die für diese Teamdiplomarbeit notwendigen begrifflichen Grundlagen hinsichtlich der politischen Grundkategorien Freiheit, Staat, Macht und Gewalt. Die Bearbeitung der Thematik hat aber gezeigt, dass die philosophischen Erkenntnisse nur in unzureichender Weise in die bestehenden internationalen Rechtskataloge aufgenommen wurden. Demgemäß leiden die im Völkerrecht festgelegten Definitionen, so etwa auch die des bewaffneten Konfliktes, unter einer signifikanten Definitionsschwäche. Daraus resultieren nicht selten Unklarheiten hinsichtlich der Einschätzung bewaffneter Konflikte sowie der Anwendung rechtlicher oder sonstiger Maßnahmen. Neben der rechtlichen Erfassung bestehender Konflikte leidet auch die empirisch analytische Betrachtung kriegerischer Auseinandersetzungen unter der fehlenden Rückbindung an
qualitative, systematische Begriffsableitungen. Auch hier wird ohne die Berücksichtigung der philosophischen Erkenntnisse das Wesen der Konflikte oftmals nicht richtig gedeutet. Im rechtlichen Teil der Arbeit wurde auf die Unterscheidung der Arten eines Konfliktes, die das humanitäre Völkerrecht kennt, eingegangen. Es wurde festgestellt, dass nach dieser Rechtsnorm Konflikte in den innerstaatlichen Konflikt, den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt und den internationalen bewaffneten Konflikt eingeteilt werden. Der nichtinternationale und der internationale bewaffnete Konflikt werden nach den Arten der Beteiligung der Völkerrechtssubjekte beurteilt. Beim internationalen bewaffneten Konflikt handelt es sich um einen Konflikt, der zwischen zwei oder mehreren Staaten ausgetragen wird. Der nicht internationale bewaffnete Konflikt hingegen ist die Auseinandersetzung zwischen einem Staat und einer Gruppe, die nicht als Völkerrechtssubjekt im Sinne von Staaten qualifiziert werden können. Bei diesen Gruppen handelt es sich meist um separatistische Bewegungen, die sich gegen den Staat aufgrund von Unabhängigkeitstendenzen auflehnen. Diese Unterscheidung der Konflikte sowie die Normen, die aufgrund dieser Konflikte zur Anwendung gelangen, sind in der Lage, auch die unterschiedlichen Konfliktszenarien, die im 21. Jahrhundert auftreten, abzudecken und zu beschreiben. Es ergibt sich demnach, dass die Normen des 20. Jahrhunderts für die unterschiedlichen Konflikte noch immer, zur Anwendung gelangen können. Ein vergleichbares Bild hat sich bei der Bearbeitung der Frage ergeben, inwiefern das Völkerrecht das relativ junge Phänomen der privaten Akteure im bewaffneten Konflikt behandelt. Es konnte hier festgestellt werden, dass das humanitäre Völkerrecht ex verbis die privaten Militärfirmen nicht behandelt und normiert; jedoch kann aus den einschlägigen Bestimmungen des Rechts abgeleitet werden, dass private Akteure sich den rechtlichen Bestimmungen nicht entziehen können. Nach der philosophischen und rechtlichen Abhandlung der Thematik wurde der Afghanistankrieg in den Jahren 1982 bis 1987 als Beispiel eines empirisch manifesten Krieges geschichtlich erfasst und anschließend aus politisch philosophischer und rechtlicher Sicht beurteilt. Aufgrund des waffenstarrenden Friedens zur Zeit des Kalten Krieges war eine direkte Konfliktaustragung zwischen den Großmächten nicht möglich. Der US-sowjetische Antagonismus trat daher oftmals in Drittländern, etwa in Form von Stellvertreterkriegen, zum Vorschein. Die Bearbeitung der Thematik in geschichtlicher Hinsicht sollte dabei klären, ob und inwieweit der Afghanistankrieg der Sowjetunion tatsächlich als ein Stellvertreterkrieg zu werten ist. Im Zuge der empirisch-analytischen Betrachtung des Kriegsverlaufes wurde
schließlich festgestellt, dass es sich lediglich für die USA um einen Stellvertreterkrieg handelte, da diese eine bestimmte Seite der Konfliktpartei, nämlich die Mudschaheddin, unterstützen und somit selbst nicht unmittelbar in den Konflikt eingegriffen haben. Für die UdSSR hingegen war der Afghanistankrieg aufgrund ihrer direkten Beteiligung kein Stellvertreterkrieg. Ein weiteres Ergebnis der geschichtlichen Betrachtung war die Erkenntnis, dass die USA ihre Beteiligung am Afghanistan privatisierte. Die Privatisierung des Afghanistankrieges wurde letztendlich durch den enormen Aufwand der USA begründet, da dies sicherlich die größte mittelbare militärische Erscheinung von einer externen Macht im Wege der Unterstützung einer Kampfhandlung seit dem Zweiten Weltkrieg war. Die philosophisch politische Beurteilung des Afghanistankrieges weicht hier leicht von den Ergebnissen der empirisch-analytischen Betrachtung ab. Aus Sicht der USA handelte es sich hier nicht um einen Stellvertreterkrieg im klassischen Sinn oder einen privatisierten Krieg nach heutigem Verständnis, sondern um einen verdeckten Kampf gegen die UdSSR. Ziel der USA war es dabei, nicht als offensichtlicher oder gar offizieller Kriegsakteur aufzutreten, sondern über die Instrumentalisierung der Mudschaheddin die Sowjetunion an der Verfolgung ihrer Staatsinteressen zu hindern. Für die rechtliche Bewertung des Afghanistankrieges kann zusammengefasst werden, dass es sich um einen internationalen bewaffneten Konflikt handelt, der aber aufgrund einer fehlenden UN-Resolution als nicht legitim zu beurteilen ist. Beide Parteien, die USA und die UdSSR, haben also gewaltsam in eine res interna des Staates Afghanistan eingegriffen. Der grundsätzlichen Unterscheidung der Konflikte folgend, kann dieser Krieg aber auch nicht als privatisiert qualifiziert werden, da es sich bei den Konfliktparteien eines internationalen bewaffneten Konflikts um Staaten handelt. Resümee Mit der anhaltenden Verschiebung des Krieges hin zu innerstaatlichen Kriegen wird der Diskurs um die rechtliche Erfassung des Kriegsgeschehens immer bedeutender werden. Ohne die Berücksichtigung des Kriegsbegriffes wird hier die Lücke zwischen Kriegen im faktischen Sinn und anwendbaren rechtlichen Bestimmungen zwangsläufig weiter auseinanderklaffen. Auch die geschichtliche Beurteilung des Krieges leidet unter mangelnden Kenntnissen zum Kriegsbegriff, was sich letztendlich in unzureichenden Analysen über die Vergangenheit äußert. Die Behauptung etwa, dass der zwischenstaatliche Krieg sich dem Ende nähert, ist letztlich empirisch nicht haltbar und Resultat falsch angewandter Beurteilungskriterien.