Einleitungsreferat von Axel Bartels, Hamburg*

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Transkript:

Einleitungsreferat von Axel Bartels, Hamburg* I. Einleitung Ich beginne zur Einleitung mit dem Zitat einiger Presseüberschriften: Verfluchtes Schiedsgericht, Milliardenverhandlungen im Geheimen, Wie Konzerngerichte den Rechtsstaat zerstören, Schattenjustiz im Namen des Geldes, Geheimjustiz im Nobelhotel Justitia verzieht sich ins Hinterzimmer, Profit als höchstes Rechtsgut, Schiedsgerichte hebeln die Demokratie, das Recht aus. Es ist wirklich erstaunlich, wie in der letzten Zeit durch CETA und TTIP, ein paar spektakuläre Fälle, in denen völlig unabhängig von TTIP die Bundesrepublik als Beklagte von einem ausländischen Unternehmen in einem Schiedsverfahren auf Milliardenzahlung in Anspruch genommen wird (z.b. von Vattenfall) oder die Bundesrepublik als Klägerin selbst gegen ein Unternehmen im Schiedsverfahren vorgeht (gegen den Mautbetreiber Toll Collect), und nicht zuletzt auch durch zum Teil täglich wechselnde Kommentare von Politikern aller Couleur die friedliche Schiedsverfahrenswelt unter Beschuss gerät. Die Pfeile der Kritik zielen nicht, bzw. jedenfalls nicht allein, auf die eigentlichen verantwortlichen politischen Entscheidungsträger für den geplanten bzw. bereits in mehreren Fällen praktizierten Einsatz von privaten Schiedsgerichten zum Schutz von privaten ausländischen Investoren gegen den Staat. Nach der Formulierung der Überschriften der eingangs zitierten Presseartikel wird zumindest der Eindruck vermittelt, das eigentliche Übel seien die Schiedsgerichte. Die private Schiedsgerichtsbarkeit gerät so in den Strudel der Investitionsschutzproblematik. Die zum Teil reißerisch plakatierten Vorwürfe werden nicht etwa in der Bildzeitung, sondern in der seriösen überregionalen Tagespresse produziert. Was soll man nun als in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit sei es als Parteivertreter, sei es als Schiedsrichter * Vors. Richter am LG a.d. 1/8

verwurzelter Beschuldigter angesichts dieser aufgeheizten Stimmung tun? Schweigen im Walde oder sich gegen die Angriffe zur Wehr setzen? Schweigen ist gefährlich. Wenn Schweigen auch grundsätzlich Gold wert ist und rechtlich nicht als Zustimmung gilt, könnte es in der Lebenswirklichkeit anders gesehen werden. Na ja, dann ist vielleicht ja doch etwas dran, wenn nicht einmal die Schiedsrichter widersprechen. So sieht es wohl auch Risse in seinem lesenswerten Beitrag im letzten Heft der SchiedsVZ 2014, 265 ff., mit dem er sich an die Schiedsrichter mit dem Aufruf wendet: Wehrt Euch endlich! Wenn auch nach dem Grundsatz Semper aliquid haeret einmal gestreute negative Thesen schwer völlig auszuräumen sind, wollen wir dennoch mit dieser Veranstaltung versuchen, die aus den Fugen geratene Diskussion zu versachlichen. In meinem Einleitungsreferat geht es mir darum, zu belegen, dass die eingangs zitierten Presseüberschriften Zerrbilder der privaten Schiedsgerichtsbarkeit vermitteln, die mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmen. Um das zu erreichen, werde ich versuchen, den einzelnen Punkten der Pressekritik die wesentlichen Fakten der privaten Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber zu stellen, bitte allerdings um Verständnis, wenn es mir nicht immer gelingt, völlig emotionslos zu argumentieren. II. Im Einzelnen 1. Mit dem plakativen Titel Geheim-, bzw. Schattenjustiz im Nobelhotel werden unterschwellig mehrere negative Bilder vermittelt: Da finden unkontrollierte, das Licht der Öffentlichkeit scheuende Mauscheleien im rechtsfreien Raum statt und das noch, was sich kein normaler Bürger leisten kann, bei Champagner und Kaviar. Wie sehen die Fakten aus? Um dies zu beantworten, werde ich kurz auf die wesentlichen Pfeiler der privaten Schiedsgerichtsbarkeit eingehen, auch wenn für viele von Ihnen das nichts Neues sein wird. a) Die Schiedsgerichtsbarkeit ist keine neumodische Erfindung. Sie hat eine lange Tradition, auch in Deutschland, insbesondere in Hamburg. In einem dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg von der Commerzdeputation am 13.01.1815 erstatteten Gutachten heißt es: Entscheidungen kommen im ganzen der mutmaßlichen Absicht der Parteien und folglich der Wahrheit näher, wenn das Recht von Kaufleuten ausgesprochen wird, die den inneren Gang des Handels kennen und nach 2/8

den Handelsusancen besser aus Erfahrungen beurteilen können, wohin die eigentliche Meinung der Parteien gegangen ist. Für die internationale Verbreitung der Schiedsgerichtsbarkeit ist von wesentlicher Bedeutung die inzwischen von 150 Staaten ratifizierte New York Convention von 1958, in der festgelegt worden ist, dass grundsätzlich in jedem Vertragsstaat ein Schiedsspruch eines anderen Vertragsstaats anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen werden muss. In Deutschland hat die private Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere die internationale, durch die Neufassung des Zehnten Buches der ZPO, die weitestgehend auf dem UNCITRAL-Modellgesetz von 1985 beruht, einen enormen Aufschwung erlebt, wie die seit 2005 für ihren Bereich veröffentlichte Eingangszahlen- und Streitwert-Statistik der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit belegt. Diese Statistik erfasst indes nicht die zahlreichen von der DIS nicht administrierten Schiedsverfahren in Deutschland, die nach meiner Einschätzung die Anzahl der Eingänge bei der DIS erheblich übersteigen. In Hamburg, seit Langem eine Hochburg der Schiedsgerichtsbarkeit, gibt es z.b. zig Branchenschiedsgerichte, die sich großer Anerkennung erfreuen. Ein gutes Beispiel für die einzigartige Erfolgsgeschichte der privaten Schiedsgerichte ist die auf die maritime Wirtschaft spezialisierte German Maritime Arbitration Association (GMAA) 1983 von einem kleinen Kreis Hamburger und Bremer Seerechtsjuristen gegründet, hat sie sich inzwischen zu einer bedeutenden, im Schifffahrtsbereich international anerkannten Institution entwickelt. Für die Unternehmen, die sich unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit für die Schiedsgerichtsbarkeit entscheiden, sind u.a. folgende Gesichtspunkte maßgebend: kürzere Verfahrensdauer, da es normalerweise nur eine Instanz gibt; fachliche Kompetenz der Schiedsrichter; Vertraulichkeit; geringere Kosten, es sei denn das Verfahren findet in London statt; und ganz wichtig in internationalen Verfahren: bessere und leichtere Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs statt eines staatlichen Urteils im Ausland. Und bei internationalen Disputen ist es verständlich, dass unter dem Gesichtspunkt der Neutralität ein privates Schiedsgericht unter Umständen international besetzt einem nationalen staatlichen Gericht vorgezogen wird. Wie die gesetzliche Regelung, sogar in einem besonderen Buch der ZPO, dem Zehnten, zeigt, ist das Schiedsverfahren kein Verfahren außerhalb der Rechtsordnung, sondern vielmehr ein ausdrücklich anerkanntes, dem staatlichen gleichwertiges Gerichtsverfahren. Dass ein Schiedsgericht überhaupt statt eines staatlichen Gerichts zu einer Entscheidung befugt ist, setzt voraus, dass dies von den Konfliktparteien vereinbart worden ist. Einen rechtsfreien Raum gibt es nicht. Das Schiedsgericht hat 3/8

nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Nur, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbaren, darf das Schiedsgericht nach Billigkeit entscheiden. Das kommt so gut wie nie vor. Grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie rechtliches Gehör und Gleichbehandlung der Parteien sind im Zehnten Buch der ZPO festgeschrieben. Schiedsrichter unterliegen wie staatliche Richter den gleichen Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit und können wie die staatlichen Richter abgelehnt werden. Letztlich besteht eine Kontrolle durch staatliche Gerichte. Danach kann ein Schiedsspruch bei Vorliegen von im Einzelnen gesetzlich genannten gravierenden Mängeln aufgehoben oder seine Vollstreckung versagt werden. b) Mauscheleien im rechtsfreien Raum sind also weder nach der Gesetzeslage noch nach der Interessenlage der Konfliktparteien realistisch. Beide Parteien verfolgen schon im eigenen wirtschaftlichen Interesse eine sachgerechte Streitbeilegung, sei es durch ein Settlement, sei es durch eine streitige Entscheidung, die nicht aufgehoben und gegebenenfalls vollstreckt wird. c) Mit dem Vorwurf der Geheim- oder Schattenjustizjustiz wird weiter der Eindruck vermittelt, da geschehe etwas Unkontrolliertes im Geheimen: Schiedsverfahren sind in der Tat im Unterschied zu staatlichen Verfahren grundsätzlich nicht öffentlich, sondern vertraulich. Das heißt, Schiedsverfahren werden in nicht öffentlicher Verhandlung durchgeführt. Interessierte Dritte und Medien haben keinen Zutritt zur mündlichen Verhandlung. Eine Kontrolle des Verfahrensablaufs und des Ergebnisses des Verfahrens durch die Presse oder die öffentliche Meinung findet nicht statt. Genau das ist einer der Vorteile gegenüber dem staatlichen Gerichtsverfahren, den beide Parteien bei der Wahl des Schiedsverfahrens auch gewollt haben, weil beide Seiten z.b. vermeiden möchten, dass geschäftliche Interna öffentlich erörtert werden, und in vielen Fällen auf diese Weise erreichen wollen, dass die Geschäftsbeziehung so wenig wie möglich gestört wird. Das ist keine unzulässige Geheimbündelei. In der privaten Handelsschiedsgerichtsbarkeit stehen sich zwei private Unternehmen bzw. Personen des Privatrechts als Konfliktparteien gegenüber. Es ist ihr Konflikt. Er gehört ihnen. Wie er beigelegt werden soll, ist ihre Entscheidung. Daraus irgendwelche Mauscheleien im rechtlosen Raum herzuleiten, ist absurd, zumal das überhaupt nicht im Interesse beider Parteien 4/8

liegt. Denn im eigenen wirtschaftlichen Interesse verfolgt jede von ihnen wie im staatlichen Gerichtsverfahren eine Entscheidung zu ihren Gunsten, und zwar eine Entscheidung, die Bestand hat und, falls nötig, auch vollstreckt wird. Für die Durchführung von Verfahren, in denen eine Partei der Staat ist, dürfte allerdings Vertraulichkeit ungeeignet sein. Denn der Staat kann sich nicht wie ein privates Unternehmen auf Vertraulichkeit berufen, da der Staat der Öffentlichkeit gegenüber zur Information über die Rechtmäßigkeit seines Handelns verpflichtet ist. Aber: Die Vertraulichkeit im Schiedsverfahren ist verhandelbar. Sie ist, worauf Risse in dem von mir eingangs erwähnten Aufsatz hinweist, kein Wesenselement der privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Das bedeutet, auch ein Schiedsverfahren könnte genauso öffentlich geführt werden wie ein staatliches Verfahren. Das ist ein interessanter Gesichtspunkt. Die Frage ist allerdings, ob dieser Gesichtspunkt reicht, den Einsatz der privaten Schiedsgerichtsbarkeit zum Investitionsschutz eines ausländischen Investors als Kläger gegenüber dem Staat als Beklagten verfassungsrechtlich zu legitimieren eine spannende Frage im Rahmen der folgenden verfassungsrechtlichen Erörterung. Vereinbaren allerdings in einem solchen Verfahren beide Parteien, also auch der Staat, Vertraulichkeit für die Verfahrensdurchführung, obwohl dies nicht zwingend geboten ist, dann verdient jedenfalls nicht die Institution der privaten Schiedsgerichtsbarkeit die Kritik mangelnder Transparenz des Verfahrens. Nach meinem Eindruck wird das bei der kritischen Berichterstattung über die Schiedsgerichtsbarkeit häufig nicht richtig eingeordnet. Eine der wesentlichen Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit ist, dass es sich eben nicht um ein statisches, sondern flexibles rechtsstaatliches Streitbeilegungsverfahren handelt, das den jeweils gebotenen rechtlichen und tatsächlichen Erfordernissen, so z.b. bezüglich der Transparenz, des anwendbaren Rechts, des Verfahrensorts, der Sprache etc. gemäß den entsprechenden Parteivereinbarungen angepasst werden kann. So ist überhaupt nicht zwingend oder, wenn man die kürzlich veröffentlichen Leitlinien für die Verhandlungen über TTIP zwischen EU und USA liest, etwa ausgemacht, dass ein Schiedsverfahren nach den Regeln der ICSID-Convention vereinbart werden soll. Ob nun stattdessen sinnvoll ist, was kürzlich Gabriel für den Investitionsschutz ins Spiel gebracht hat, nämlich die Gründung eines UN-Handelsgerichts, mag bezweifelt 5/8

werden. Allerdings bietet sich das für Hamburg an. Denn wir haben bereits den UN- Seegerichtshof, der in einem wunderschönen, großen Gebäude an der Elbchaussee tagt, wenn er mal tagt. Dort wäre sicher noch Platz für ein weiteres UN-Gericht. Spaß beiseite: Der Vorwurf der Geheim- oder Schattenjustiz ist jedenfalls kein Argument gegen die Schiedsgerichtsbarkeit als solche. d) Denjenigen, der meint, Schiedsgerichtsverhandlungen vollziehen sich gleichsam wie Luxus-Events in Nobelhotels, würde ich gerne einmal bei der Planung und Durchführung von mündlichen Verhandlungen in internationalen Streitigkeiten hinzuziehen, um allein den dafür üblichen enormen logistischen Aufwand zu demonstrieren. Da geht es ganz nüchtern darum, geeignete Räume mit ausreichendem Fassungsvermögen und den notwendigen technischen Einrichtungen zu organisieren und den Ablauf der mündlichen Verhandlung mit allen Beteiligten sicherzustellen. Mit Luxus-Events im Nobelhotel hat das alles nichts zu tun. 2. Absurd ist angesichts der gesetzlichen Regelung und der praktischen Durchführung von Schiedsverfahren auch die Bezeichnung Konzerngericht. Das Schiedsgericht setzt sich normalerweise aus drei Schiedsrichtern zusammen, von denen beide Parteien jeweils einen bestellen, die dann einen dritten als Vorsitzenden wählen. Jeder, der als Schiedsrichter bestellt wird, muss seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit versichern. Auf die Möglichkeit der Ablehnung habe ich bereits hingewiesen. Es ist somit abgesichert, dass das Schiedsgericht ein unabhängiges, neutrales und nicht etwa ein konzerngesteuertes Gremium ist. 3. Soweit mit Vorwürfen wie Schattenjustiz im Namen des Geldes, Profit als höchstes Rechtsgut die Neutralität des Schiedsgerichts und seine Bindung an Recht und Gesetz in Frage gestellt werden, verweise ich auf die gesetzlichen Regelungen im Zehnten Buch der ZPO, die internationalem Standard entsprechen, ferner auf die große Anerkennung der privaten Schiedsgerichtsbarkeit im Handelsverkehr und ihren weltweiten Erfolg, der undenkbar wäre, träfen die genannten Vorwürfe nur im Ansatz zu. Statt das Recht auszuhebeln, tragen gerade private Schiedsgerichte entscheidend dazu bei, dass das Recht zur Geltung kommt. 6/8

4. Folgender weiterer Kritikpunkt ist Gegenstand hochrangig besetzter Diskussionsrunden: Die angebliche Verdrängung der staatlichen Justiz durch die private Schiedsgerichtsbarkeit. So heißt es in einem Bericht der DAV-Depesche von Dezember 2014: Es muss sichergestellt werden, dass die staatliche Justiz nicht mit negativen Folgen für die Allgemeinheit verdrängt wird. Das sei Fazit einer am 3. Dezember 2014 vom DAV mit der Landesvertretung Niedersachsen veranstalteten Podiumsdiskussion. Dazu ist anzumerken: - Wenn auch die Schiedsgerichtsbarkeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, im Vergleich zu den jährlichen Eingängen bei den deutschen Zivilgerichten spielen die in Deutschland jährlich eingeleiteten Schiedsverfahren zahlenmäßig indes kaum eine Rolle. - Der deutsche Gesetzgeber hat ausdrücklich, sogar in einem Extra-Buch, dem zehnten in der ZPO, schiedsrichterliche Verfahren als gleichwertige Gerichtsverfahren anerkannt. - Wenn befürchtet wird, dass die staatlichen Gerichtsverfahren gegenüber den Schiedsverfahren an Bedeutung verlieren, dann wird es nötig sein, wie Calliess es beim 70. Deutschen Juristentag im September 2014 in seinem Beitrag Der Richter im Zivilprozess Sind ZPO und GVG noch zeitgemäß? gefordert hat, dass dem durch eine Steigerung der Attraktivität des Zivilprozesses entgegen gewirkt wird. - Oder sollen etwa stattdessen Schiedsverfahren kontingentiert werden? Ich gehe davon aus, dass die Äußerung der BGH-Präsidentin, mit den Schiedsgerichten entwickele sich eine private Paralleljustiz, was Aufgabe und Funktion staatlicher Gerichte zu entwerten drohe, nicht darauf abzielt. - In Hamburg jedenfalls sieht man das gelassener und im Interesse der zu erfüllenden Rechtsprechungsaufgaben realistisch. Nach meinem Eindruck besteht hier ein gutes Verhältnis zueinander, wie auch die Zusammenarbeit im Verein Rechtsstandort Hamburg e.v. zeigt. III. Fazit Die sachliche Überprüfung der erörterten Kritikpunkte ergibt, dass diese nicht mit den Fakten vereinbar sind. Für Verdrängungsängste der staatlichen Justiz besteht kein Anlass. Weiter ist deutlich geworden, dass die reißerisch formulierten Titel zur Schiedsgerichtsbarkeit nicht die Wirklichkeit beschreiben, sondern diffamierende Zerrbilder vermitteln. 7/8

Im Interesse einer Versachlichung der Diskussion um TTIP und CETA und den geplanten besonderen Investitionsschutz wäre es wünschenswert, auf derartige Zerrbilder zu verzichten. Denn dann müsste allen, gleichgültig, ob TTIP-und CETA-Gegnern oder Befürwortern, auch klar werden, dass die erörterten Angriffe auf die Schiedsgerichtsbarkeit unberechtigt sind. 8/8