Die Schiffdorfer Mühle

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Transkript:

Sonderausgabe

Die Schiffdorfer Mühle Allgemeines über Getreideverarbeitung Sesshaft gewordene nomadisierende Jäger und Sammler betrieben in Niedersachsen schon in der jüngeren Steinzeit (3000 v. Chr.) Ackerbau. Bodenfunde belegen das Ackerbau ist in jener Zeit gleichbedeutend mit Getreideanbau. Für den Verbrauch des Getreides für Menschen und Tiere musste es zerkleinert werden. Auf einem flachen, großen Stein wurde es mittels eines kleineren zerrieben. Die nächste Stufe der Entwicklung stellen die Mörser dar, die auch noch durch Menschenhand betrieben wurden. Die weitere Entwicklung führt zur Göpelmühle. Der Oberstein (Läufer) wird von Tieren angetrieben. Menschen machen sich die Naturkräfte Wasser und Wind zunutze. Von Italien drang das System der Wassermühlen nach Norden vor (370 n. Chr. an einem Nebenfluss der Mosel, bis 800 in den Nordseeraum). Die Herkunft der Windmühle ist umstritten. Im Jahre 870 wurde sie in England, 1105 in Frankreich zum ersten mal erwähnt. Vorgeschichte unserer Mühle Die ersten Windmühlen waren Ständer- oder Bockwindmühlen. Der ganze Holzbau wird mit Hilfe des Steerts" in den Wind gestellt - Bockwindmühle in Speckenbüttel -. Eine solche Bockwindmühle war auch die Vorgängerin der jetzigen Holländer-Windmühle. Diese Bockwindmühle hat hier in Schiffdorf wahrscheinlich dort gestanden, wo sich heute die Grünanlage des Mühlengrills" befindet. Diese Bockwindmühle genügte zuletzt nicht mehr den Ansprüchen. 1

Der Gemeindevorsteher Nikolaus Tietjen berief den Gemeindeausschuss ein: da von vielen Seiten Beschwerde gegen die hiesige Kornmühle geführt, und da es sich um das wichtigste Lebensbedürfnis handelt." Als Begründung steht in der Niederschrift von dieser Sitzung: Die Mühle steht so niedrig, dass sie nur bei günstiger Luft ihre Leistungsfähigkeit anwenden kann. Sie hat nur einen Graupen- und nur einen Mehlgang. Über diesen läuft das Mengkorn, das für die Haustiere bestimmt ist, aber auch der Weizen und das Brotkorn (Roggen). Die beiden letzteren verlieren dadurch an Güte, werden wertloser und schlechter. Deshalb wünscht man, dass die Konzession zum Neubau einer zweiten Kornmühle auf Ansuchen höheren Ortes genehmigt würde. Am 17.05.1864 fassten die acht Ausschussmitglieder folgenden Beschluss: Dass unsere Ansicht zu wünschen sei, den Hausleuten und Mühleninteressenten Wierich Harrje und Johann Nikolaus Harrje zu Schiffdorf auf der Stelle und Grund ihrer bisherigen Bockwindmühle zu Schiffdorf eine sogenannte holländische Kornwindmühle errichten dürfen, höheren Orts genehmigen zu lassen, da Anlage und Platz für den Mahlkreis geeignet ist. 2

Beschreibung der Mühle 1864 ließen W. Harrje und die Witwe des J. N. Harrje durch die Mühlenbauer Wegener aus Wulsdorf und Speckmann aus Lehe auf dem Grundstück der Familie Harrje die neue Kornwindmühle errichten, einen Galerieholländer mit Steert als Durchfahrtsmühle. Mit dem dreigeschossigen Backsteinunterbau, dem oberen reitgedeckten Achtkant und der Kappe ist die Mühle 22,68 m hoch. Die Segelflügel haben einen Durchmesser von 23 m. Kappe mit Flügelkreuz und Steert bzw. Windrose Die Mühlenkappe ruht auf einem starken eisernen Zahnkranz und kann samt Flügelkreuz mit dem Steert gedreht werden. Der Steert ist dem Flügelkreuz gegenüber an der Kappe angebracht. Er ist ein senkrecht hängender langer Balken mit mehreren Verstrebungen an der Kappe. Das Ende des Steerts reicht bis auf die Galerie. Von hier wird mit Hilfe einer Winde die Kappe in den Wind gedreht. - Noch heute an der Dedesdorfer Mühle zu sehen. - Später wurde der Steert durch eine Windrose ersetzt. Dieses achtflügelige Windrad, gegenüber dem Flügelkreuz an der Haube angebracht, dreht sich so lange, bis das Flügelkreuz gegen den Wind steht. Galerie In etwa 10 m Höhe umgibt eine Galerie das Mauerwerk, von der aus (Steert) die Bremse bedient und die Besegelung der Flügel vorgenommen wird, daher der Name Galerieholländer. 3

Flügelbremse Die Flügel werden durch eine Bremse (Fang) in Ruhestellung gehalten. Sie ähnelt einer Backenbremse, die aus Holz gefertigt ist und sich ringförmig um das Kammrad legt. Mit dem unterhalb der Windrose herausragenden Bremsbalken, von dem ein starkes Tau herabhängt, kann die Bremse von der Galerie aus gelöst oder festgesetzt werden. Der Sichter Wie das Räderwerk arbeitet In der Kappe ist die mächtige Flügelwelle (Rutenwelle) gelagert, die durch die Flügel gedreht wird. An der Welle ist das große hölzerne Kammrad fest verbunden, es steht fast senkrecht auf dem Bunkler, ein waagerechtes Rad, das an der Königswelle sitzt. Die Zähne (Kämme) des Kammrades greifen in die des Bunklers (Kronengetriebe) und drehen die Königswelle. Am unteren Ende dieser Welle ist das riesige Stirnrad angebracht. In das Stirnrad greifen 4 Spindelräder (Korbräder), die über die Mahlspindeln die Mahlgänge antreiben. Durch seitliches Verstellen können die Spindelräder einzeln vom Stirnrad abgekuppelt werden, so dass der Leerlauf einzelner Mahlgänge oder der gesamten Mühle möglich ist. 4

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Sackaufzug Der Sackaufzug wird durch Windkraft betrieben. Mit der Königswelle dreht sich eine Holzscheibe (Storchennest). Durch einen Seilzug kann eine Welle, an der die Aufzugskette befestigt ist, auf die sich drehende Scheibe gedrückt werden. Die Welle wird dadurch in Drehung versetzt und rollt die Kette auf, wodurch sie das Mahlgut auf den gewünschten Boden befördert. Den Sackaufzug kann man von jedem Boden aus bedienen. Sackboden (1. Stockwerk) Gleich neben dem Treppenaufgang befindet sich der Trichter der elektrisch getriebenen Mischmaschine zum Einfüllen der Säcke, die an den Schuh" befestigt werden. An der Holzwand ist eine Sackrutsche angebracht, auf der die vollen Säcke vom 2. Stockwerk (Absack- oder Mehlboden) in den 1.Stock gelangen können. Die Werkstatt für den Müller ist hier eingerichtet. Mehlboden (2. Stockwerk) Auf dem Absack- oder Mehlboden enden die Mehlpfeifen des Sichters und der 4 Mahlgänge, von denen die Bodensteine (Unterlieger) in der Decke zu sehen sind. An den Sackschuhen am Ende der Mehlpfeifen sind Säcke befestigt, in denen das Mahlgut abgefüllt wird. Neben dem Walzenquetschstuhl ist eine Hebelvorrichtung im Original von 1864 zu sehen, mit der an dem darüber liegenden Mahlgang die Feinheit des Mahlgutes (Schrot) durch Heben und Senken des Läufersteines eingestellt werden kann. Bei den anderen Mahlgängen ist diese Einrichtung erneuert worden. Außerdem befindet sich hier der elektrische Antrieb für 2 Mahlgänge, der 1934 in der Mühle eingebaut wurde. Dadurch ist es möglich, unabhängig vom Wind zu mahlen. 6

Steinboden (3. Stockwerk) Beeindruckend sind die 4 Mahlgänge und das hölzerne Räderwerk, von dem sich das Stirnrad durch seine Größe besonders heraushebt. Die 4 Spindelräder (Korbräder) am Kopf der Mahlspindel können von den Kämmen des Stirnrades in Drehung versetzt werden, wenn sie eingekuppelt sind. Die Spindeln wiederum drehen den Läuferstein. Über einen Hilfsantrieb, den auch das Stirnrad antreibt, werden Schälmaschine, Sichter und noch andere Hilfsmaschine betrieben. Die Reinigungsmaschine für das Saatgetreide befindet sich hier auf dem Steinboden. Mahlgang Der Mahlgang besteht aus dem festliegenden Bodenstein (Unterlieger) und dem beweglichen Läuferstein. Der Läufer" ist auf einer durch den Bodenstein ragenden Welle (Fußspindel) gelagert und durch Hebel oder Handrad in der Höhe verstellbar. Der Läufer wird durch die Mahlspindel angetrieben. Durch die Öffnung (Steinauge) im Läufer fällt das Korn, das von oben eingefüllt wird, in den Mahlgang. Die Mahlsteine sind von einer Ummantelung (Bütt) umgeben. Oberhalb dieser Verkleidung sind Trichter und Rüttelschuh angebracht. Durch einen Vierkant am Ende der Mahlspindel wird der Schuh zum Rütteln" gebracht, wodurch das Getreide gleichmäßig in das Steinauge rinnt. Der Durchsatz des Getreides kann durch Verstellen des Rüttelschuhes reguliert werden. Zwischen den Steinen und der Bütt befindet sich im Boden eine Öffnung (Schluckloch) durch die das gemahlene Gut in die Mehlpfeifen gelangt. 7

Mühlsteine Ursprünglich kamen die Steine aus dem Rheinischer Schiefergebirge, die rheinischen Blauen" genannt. Später treten die härteren Franzosen aus der Champagne an ihre Stelle, - siehe Firmenschild am Läufer des Mahlganges hinten rechts! - Schließlich wurden auch diese durch Kunststeine ersetzt. In den Mahlsteinen sind Furchen eingeschlagen, die vom Mittelpunkt des Steines bogenförmig nach außen verlaufen. Die zwischen den Furchen stehengebliebenen Erhöhungen, die Mahlbalken, zerreiben das Getreide. Nach einer bestimmten Betriebszeit werden Steine durch Abrieb stumpf. Zum Schärfen der Steine, ein Läufer wiegt bis zu 2000 kg, werden sie, nachdem die Spindel herausgezogen und die Bütt abgebaut ist, mit dem Steinkran gehoben und gedreht. Mit dem Billhammer werden die Furchen und Mahlbalken nachgearbeitet. Das ist eine besonders schwere Arbeit, da die Steine sehr hart sind. Die Steinschärfe ist für eine maximale Umdrehung des Läufers von 120 in der Minute ausgelegt. Das Mahlgut wird dadurch nicht zu warm, da die Mahlflächen gut gekühlt werden. Vom Korn zum Mehl Die Mahlgäste (Bauern) fahren mit ihren Fahrzeugen zum Abladen der Kornsäcke in die Mühle (Durchfahrtsmühle). Die Getreidesäcke werden vom Sackaufzug durch die Luken, die von selbst wieder zufallen, auf den Steinboden gezogen und gewogen. Auf jedem Boden befinden sich ebenerdige Dezimalwaagen. Die Sackkarre ist hier das Transportmittel. Das Mahlgut wird vor und nach dem Mahlen gewogen. Der gewünschte Mahlgang wird eingelegt, die Spindel an das Stirnrad gedrückt und festgekeilt. Die Bremse wird gelöst. Das Getreide wird in den Trichter des Mahlganges geschüttet. Von dort gelangt es über 8

den Rüttelschuh durch das Steinauge zwischen die Mahlsteine. Der Läufer wird abgesenkt. Das Korn wird in der gewünschten Feinheit zermahlen (schroten). Durch das Schluckloch fällt das Mahlgut durch die Pfeifen in den am Schuh befindlichen Sack auf den Mehlboden. Hier wird er wieder gewogen und nach unten auf den Sackboden befördert. Herstellung von Backmehl Der mittlere der 3 Mahlgänge auf der rechten Seite dient zum Herstellen von Mehl zum Backen. Das gemahlene Getreide (Schrot) fallt durch ein extra Schluckloch und wird von unten durch einen Elevator in den Sichter (Beutelkiste) gehoben. Sichter und Elevator werden durch Wind angetrieben. Im Sichter befinden sich verschiedene Siebe aus Seidengaze, die aus dem Schrot Mehl, Kleie und Grieß trennen. Durch 3 Pfeifen, eine für Mehl, eine für Grieß und eine für Kleie, wird das Mahlgut unten auf den Mehlboden abgesackt. Der Sack mit dem Grieß - nicht ausgemahlenes Korn - wird wieder im Trichter des Mahlganges ausgeleert und nachgemahlen. Durch die Siebe am Sichter kann man etwa Mehl Typ 1050 herstellen. Technische Daten der Mühle Leistung an den Flügeln bei Windstärke 6 und 80 qm Segelfläche ca. 40 PS / 29 kw Leistung an den Mahlwerken ca. 20 PS / 15 kw Leistung des Elektromotors ca. 16 PS/l2kW Steindurchmesser vom 1. Mahlgang (Futterschrot) 1800 mm 2. Mahlgang (Futter- und Backschrot) 1600 mm 3. Mahlgang (Backschrot) 1400 mm 4. Mahlgang (Backschrot) 1300 mm Theoretische Leistung der 4 Mahlgänge bei 24stündigen, ununterbrochenem Betrieb: Schrot aus Menggetreide oder Roggen 18,0 t Schrot aus Weizen 1,5 t Backmehl aus Weizen oder Roggen 1,5 t. Zu etwa 90% wurde mit Windkraft gearbeitet 9

Mühlenverein Schiffdorf. e.v. (gegr. 1977) 1977 erfolgte die Gründung des Mühlenvereins auf Initiative des Maklers Herbert Klöker. Der Müllermeister Otto Frank hatte zu dieser Zeit seinen Betrieb aus Altersgründen bereits aufgegeben. Die reparatur- und sanierungsbedürftige Mühle wurde vom Verein zum Preis von 90.000 DM käuflich erworben. Den Kaufpreis teilen sich die Gemeinde Schiffdorf und der ehemalige Landkreis Wesermünde, da der Verein die Sanierung und die Unterhaltung des Bauwerks zur Aufgabe gemacht hatte. Bisher durchgeführte Arbeiten: Grundsanierung des Mauerwerks; Erneuerung von Galerie, Reitbedachung, Flügelkreuz und Windrose; Instandsetzung von Räder- und Mahlwerk, Bremse und Kappe; Pflasterung der Mühlenzufahrt mit alten Steinen, Neuanlage des Obstgartens; Umbau des Lagerraumes zu einem Veranstaltungsraum für Versammlungen und Ausstellungen. Bis 1998 beliefen sich die Kosten für diese Arbeiten auf etwa 380.000. Davon sind rund 200.000 durch die Vereinsmitglieder aufgebracht worden. Der Restbetrag von 180.000 finanziert sich aus Zuschüssen folgender Geber: Landkreis Cuxhaven, Land Niedersachsen, Gemeinde Schiffdorf, Kreissparkasse Wesermünde-Handeln, Volksbank Schiffdorf/Wehdel, Mühlenrat der Männer vom Morgenstern und die EU. Die Mühle ist heute wieder in einem voll funktionsfähigen Zustand. Die notwendigen Unterhaltungskosten an der Mühle bedeuten auch in Zukunft eine erhebliche finanzielle Belastung für den Verein. Die Vereinsmitglieder freuen sich daher über jede Unterstützung durch Spenden: Mühlenverein Schiffdorf e. V. WESPA IBAN: DE94292500000107 120 305, BIC: BRLADE21BRS Der Mühlenverein Schiffdorf e.v. zählt heute etwa 450 Mitglieder. Neben seinem eigentlichen Zweck, der Sanierung und Unterhaltung des Bauwerkes, hat der Verein weitere, in der Bevölkerung besonders beliebte Aufgaben übernommen. Hierzu sind zu nennen: Darstellung der Funktion der Windmühle durch öffentliche Mahltage und Führungen; Nutzung des Veranstaltungsraumes für Plattdeutsche Leseabende, Vorträge zum Thema Korn und Brot, Diavorträge, Ausstellungen von Künstlern u.ä. Durch diese Art der Öffentlichkeitsarbeit ist die Schiffdorfer Mühle weit über die Ortsgrenze hinaus ein bekannter Anziehungspunkt im Elbe - Weser - Dreieck geworden. Horst Poppe. 10

So sah sie 1977 aus! Foto: H. Schröder www.muehlenverein-schiffdorf.de