Im Münchner Süden konzentrieren sich die gesellschaftlichen Leitmilieus

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Transkript:

Autor: Elmar Huss Grafiken und Tabellen: Ronald Bauch Im Münchner Süden konzentrieren sich die gesellschaftlichen Leitmilieus Eine Gemeinde-bezogene Milieustruktur des Münchner Umlands und im Großraum Ein Blick auf die thematische Karte auf der Seite 3 zeigt eine dunkelblaue Zone in zumeist engster, südlicher Nachbarschaft, halbkreisförmig um die Stadt, die u. a. durch S-Bahnen und Bayerische Oberlandbahn optimal mit der City verbunden ist. Andere Untersuchungen dieser Reihe haben die starke Pendlerverflechtung dieses Gebietes und die dort weit überdurchschnittlich lokalisierte Kaufkraft nachgewiesen. Dort konzentrieren sich auch überproportional viele Haushalte, die Milieus angehören, die wegen ihrer Zuordnung zu gehobenen und höheren sozialen Schichten, bei gleichzeitiger progressiver Grundeinstellung, von Sozialwissenschaftlern zu den gesellschaftlichen Leitmilieus gerechnet werden. Im folgenden werden Methode und das Verfahren der Untersuchung dargestellt und der Großraum München aufgrund seiner Milieustruktur charakterisiert. Lebensstile und Lebenswelten im Großraum München Die seit vielen Jahren, in erster Linie zur kleinzelligen Markt Segmentierung verwendeten MOSAIC Milieus der Firma microm 1), Neuss, werden in jüngster Zeit auch von der planenden Verwaltung für raumrelevante Analysen soziodemographischer und sozioökonomischer Strukturen genutzt. Auch das erfolgreiche Anwendungsbeispiel im Vorfeld der Münchner Bildungsplanung zeigt das breite Nutzungsspektrum dieser Daten, die einen Einblick in die ähnlichen oder unterschiedlichen Lebensstile und Lebenswelten räumlich zusammenlebender Menschen vermitteln. Dabei prägt das Milieu die Menschen und lässt sie ihre jeweilige Umwelt, wie das berufliche Umfeld oder auch die Wohngemeinde in bestimmter Weise wahrnehmen und nutzen 2). Im Vorliegenden bilden die Gemeinden des Münchner Umlands und des Großraums (schließt auch die Europäische Metropolenregion München ein) das Raster für die von microm bereitgestellten Basisdaten der Milieus. Was hinter den Bezeichnungen für die derzeit 10 Milieus steht, die für die Bundesrepublik ermittelt wurden, ist im 4. Quartalsheft des Jahrgangs 2006 dieser Reihe schon erläutert, so dass wir uns hier kurz fassen können. Prinzipiell geht es darum, Bevölkerung und Gesellschaft nicht ausschließlich nach den von der amtlichen Statistik zur Verfügung gestellten Kriterien und Merkmalen zu beschreiben, sondern tiefer und kulturell differenzierter in die heterogenen Lebenswelten einzudringen. Das ist nur mit einer Vielzahl weiterer Informationen über gruppenspezifische Aktivitäten (z. B. Konsumgewohnheiten, Freizeitverhalten, Bildungsverhalten) und daraus folgende, messbare Aktionen möglich, die im Rahmen gängiger Speicherung, Sammlung und Weiterverarbeitung von privaten Anbietern auf den Markt gebracht werden. Ergänzt durch ständige und wiederholte repräsentative Befragungen geben diese Informationen dann den Ausschlag für die Zuordnung von Gruppen von Haushalten in einem Koordinatensystem, das jeweils soziale Lage schichtspezifisch und Grundorientierung von traditionell bis Neuorientierung in Beziehung setzt. Die folgende Kurzcharakteristik der Milieus stammt von der Firma Sinus Sociovision 3), ebenso wie deren Gruppierung. 1) microm,micromarketing-systeme und Consult GmbH, Neuss. 2) Vgl. Hradil, Stefan (Hrsg.) (1992): Zwischen Bewußtsein und Sein. Opladen, S. 161ff. 3) Sinus Sociovision GmbH, Heidelberg. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 1

Gesellschaftliche Leitmilieus Etablierte Postmaterielle Moderne Performer Das selbstbewusste Establishment: Erfolgs-Ethik, Machbarkeitsdenken und ausgeprägte Exklusivitätsansprüche. Das aufgeklärte Nach-68er-Milieu: Liberale Grundhaltung, postmaterielle Werte und intellektuelle Interessen. Die junge, unkonventionelle Leistungselite, intensives Leben beruflich und privat, Multi-Optionalität, Flexibilität und Multimedia-Begeisterung. Traditionelle Milieus Konservative Traditionsverwurzelte DDR- Nostalgische Das alte deutsche Bildungsbürgertum: konservative Kulturkritik, humanistisch geprägte Pflichtauffassung und gepflegte Umgangsformen. Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegsgeneration: verwurzelt in der kleinbürgerlichen Welt bzw. in der traditionellen Arbeiterkultur. Die resignierten Wende-Verlierer: Festhalten an preußischen Tugenden und altsozialistischen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Solidarität. Mainstream Milieus Bürgerliche Mitte Konsum- Materialisten Der statusorientierte moderne Mainstream: Streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen. Hedonistische Milieus Die stark materialistisch geprägte Unterschicht: Anschluss halten an die Konsum-Standards der breiten Mitte als Kompensationsversuch sozialer Benachteiligungen. Experimentalisten Hedonisten Die extrem individualistische neue Bohème: Ungehinderte Spontaneität, Leben in Widersprüchen, Selbstverständnis als Lifestyle-Avantgarde. Die spaßorientierte moderne Unterschicht/untere Mittelschicht: Verweigerung von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft. Die klassischen Bezeichnungen einzelner Milieus haben nach Auffassung von Wissenschaftlern nur noch illustrativen Charakter, weil sie gesellschaftlichem Wandel und Entwicklung nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden. Sie geben dennoch einen Einblick in die unterschiedlichen gesellschaftlichen Lebensstile und Situationen. Das Ausgangsmaterial, bestehend aus einer mittleren Wahrscheinlichkeit je Gemeinde (1 206) für diese 10 Milieus, wurde anhand einer Clusteranalyse verdichtet mit dem Ziel, Gemeinden mit ähnlichen Milieustrukturen zu gruppieren. Es wurde eine 6-Clusterlösung gewählt, die der Differenzierung der Raumstruktur am ehesten gerecht wird. Anschließend wurden für die Cluster Durchschnittswerte für die Einwohnerzahl, die Kaufkraft je Einwohner in Euro, den Kaufkraftindex 2006, sowie die Zweitstimmenanteile der letzten Bundestagswahl (2005) in Prozent berechnet. Die einzelnen Cluster sind wie folgt geprägt (siehe Tabelle 1, Seite 3). 2 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München

Tabelle 1 Mittelwerte der 10 MOSAIC-Milieus bei einer 6 Clusterlösung Sinus-Milieus Cluster Alle 1 2 3 4 5 6 Gemeinden Etablierte 10,6 11,1 10,7 11,1 11,4 12,4 11,1 Postmaterielle 13,3 11,1 9,9 9,8 9,2 13,3 10,4 Moderne Performer 11,2 10,0 9,6 9,1 8,3 11,5 9,6 Konservative 4,9 5,4 5,3 5,9 6,3 6,0 5,7 Traditionsverwurzelte 12,7 14,3 15,1 15,8 16,7 12,9 15,1 DDR-Nostalgische 1,9 1,8 2,1 2,0 2,0 1,3 1,9 Bürgerliche Mitte 13,6 15,0 15,5 15,8 16,1 13,3 15,3 Konsum-Materialisten 10,1 11,0 11,6 11,4 11,5 9,8 11,2 Hedonisten 12,5 12,4 12,6 12,0 11,7 11,5 12,2 Experimentalisten 9,2 7,9 7,5 7,1 6,8 7,9 7,5 Anzahl der Gemeinden 49 323 269 388 118 59 1 206 Überdurchschnittliche Werte. MOSAIC-Milieus der Gemeinden des größeren Münchner Einzugsgebiets 2007, dargestellt anhand von 6 Clustern Daten: MICROM 2007, eigene Berechnungen Regensburg Ingolstadt Passau Landshut Augsburg München Kempten Rosenheim Cluster 1 Cluster 2 Cluster 3 Cluster 4 Cluster 5 Cluster 6 Gemeindegrenzen Landkreisgrenzen Gemeindefreie Gebiete: Seen und Forste bzw. außerhalb des Untersuchungsgebietes Statistisches Amt München Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 3

Urban geprägte Gemeinden Tabelle 2 49 Gemeinden, das ist die kleinste Gruppe, versammeln sich unter Cluster 1 Neben dem Zentrum, München, mit einigen, vor allem nördlich benachbarten Gemeinden, umfasst der Cluster vor allem die größeren Städte des Untersuchungsgebiets (Augsburg, Rosenheim, Passau, Regensburg, Landshut, Freising, Neu-Ulm, Landsberg am Lech, Erding, Ingolstadt, Dachau). Generell ist die Konzentration des Clusters im engeren Münchner Einzugsgebiet unverkennbar. Hierzu zählen auch weitere Kreisstädte wie Miesbach, Weilheim, Ebersberg und Kempten. Auffallend ist ferner die Nachbarschaft und Verzahnung des Clusters 1 mit dem Cluster 6, der neben der ebenfalls starken Komponente der Postmateriellen noch überdurchschnittliche Anteile Etablierter enthält und ausschließlich im südlichen Münchner Umland auftritt. Schließlich ist auch die Häufung ähnlich strukturierter Gemeinden entlang der Achse nach Freising bemerkenswert (Unterföhring, Ismaning, Oberschleißheim, Unterschleißheim, Eching, Neufahrn). Mit dem höchsten Anteilswert Postmaterieller, sowie deutlich überdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit bei modernen Performern haben wir es mit einer städtisch geprägten Milieugesellschaft zu tun, in der vor allem auch Experimentalisten und Hedonisten überproportional vertreten sind. Konservative und traditionsverwurzelte Haushalte sind dagegen eher unterrepräsentiert. Die Kaufkraft ist hoch, der Index übertrifft das Mittel des Untersuchungsgebiets um reichlich 10% (siehe Tabelle 2) und wird nur im Cluster 6 übertroffen. Es geht um einen Typ, in dem die CSU bei der letzten Bundestagswahl das schlechtestes Ergebnis im Clustervergleich erzielte, die Grünen und die FDP hingegen ihr Bestes (siehe Tabelle 3). Durchschnittswerte innerhalb der Cluster Kennwerte Cluster 1 2 3 4 5 6 Alle Einwohnerzahl 2006 55 419 6 881 4 489 2 431 1 789 7 288 6 410 Kaufkraft je Einwohner in Euro 21 752 18 483 16 945 16 870 16 128 25 438 19 517 Kaufkraftkennziffer 2006 111,5 94,7 86,8 86,4 82,6 130,3 100,0 Anzahl der Gemeinden 49 323 269 388 118 59 1 206 Tabelle 3 Stimmanteile der Zweitstimmen bei den Bundestagswahlen 2005 in Prozent Partei Cluster Alle 1 2 3 4 5 6 Cluster Bayern CSU 42,3 53,6 57,2 59,3 60,7 47,4 51,0 49,2 SPD 27,4 22,1 21,1 19,0 19,0 21,6 23,2 25,5 FDP 11,3 9,9 8,3 8,5 7,4 14,9 10,1 9,5 GRÜNE 12,0 7,1 5,1 5,4 4,5 11,4 8,4 7,9 sonst. Parteien 7,0 7,4 8,3 7,8 8,3 4,7 7,3 7,9 Kennzeichen des Suburbanisierungsraums Das Zentrum des Großraums umschließen ringförmig die 323 Gemeinden des Cluster 2. Das ist die zweitgrößte Gruppe, und die gewählte Farbe hellgrün soll bereits die inhaltliche Nachbarschaft zu Cluster 1 verdeutlichen. Tatsächlich finden wir in etwas abgeschwächter Form dieselben Milieuschwerpunkte wie im Cluster 1. Wir haben es mit mittelgroßen Gemeinden zu tun, deren Verteilung im Umfeld aller größeren Städte auch auf starke Pendlerverflechtung hindeutet. Von der Milieustruktur her gesehen ist der Verstädterungsprozess in diesem Raumtyp in vollem Gang. Die Kaufkraft der Haushalte hat gegenüber Cluster 1 deutlich abgenommen, ist bereits unter dem Durchschnitt des Untersuchungsgebietes. Die CSU hat hier mit 53,6% bereits überdurchschnittlich gepunktet, die SPD hat gegenüber Cluster 1 fünf Prozentpunkte eingebüßt und lag bei 22,1%. Die Grünen erreichten nur mehr 7,1% (alle Cluster: 8,4%), die FDP kommt mit 9,9% noch nahe an ihr Durchschnittsergebnis heran. 4 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München

Auch die Verteilung der Gemeinden aus Cluster 3 (Farbe rosa) im Untersuchungsgebiet zeigt ein klares Muster. Sie konzentrieren sich vor allem im Osten des Münchner Großraums. Hier haben sie häufig an den hellgrünen Bereich (Cluster zwei) angedockt und erstrecken sich ziemlich geballt bis zur Staatsgrenze zu Österreich. Zwischen der Kernstadt und den Nachbarstädten Regensburg und Ingolstadt trifft man diesen Gemeindetypus seltener. Hier, wie auch nach Westen über Augsburg in Richtung Neu-Ulm, existieren Achsen aus Cluster-2-Gemeinden, so dass der dritte Cluster nur dispers und in Verbindung mit anderen Typen auftritt. Im Süden und Südosten Münchens scheint rosa nur sehr vereinzelt auf. Vor allem mit Gemeinden der Clustern 4 und 5 gemischt, tritt Cluster 3 schließlich im südwestlichen und nordwestlichen Quadranten des Großraums auf, wobei ganz anders als im Osten keine klar erkennbaren Zonen oder Ballungen auftreten. Dieser Typ umfasst insgesamt 269 Gemeinden mit einer durchschnittlichen Einwohnerzahl von 4 500 Personen (siehe auch Tabelle 2). Das Milieu der Konsummaterialisten erreicht hier den Spitzenwert der extrahierten Cluster, dabei ist die Abweichung zum Mittelwert aller Gemeinden verhältnismäßig gering. Gleiches gilt für die Bürgerliche Mitte und das hedonistische Milieu: überdurchschnittlich vertreten aber nicht signifikant. Die Milieukombination des Clusters 3, der mit deutlich unterdurchschnittlicher Kaufkraft zu Buche steht, umfasst weite Teile des ländlich geprägten östlichen Oberbayerns und Niederbayerns, wo hohe CSU-Quoten Tradition haben. Mit 57,2% Zweitstimmenanteil bei der vergangenen Bundestagswahl distanziert diese Partei alle anderen. Hier dominiert die CSU In den Clustern 4 und 5 allerdings geht es noch höher mit den Anteilen der Christsozialen und mit den konkurrierenden Parteien noch weiter nach unten. Die Milieuverteilung spiegelt diese eher konservative Grundhaltung. In beiden Clustern sind die Traditionsverwurzelten zusammen mit der bürgerlichen Mitte am stärksten vertreten, zu den Konsummaterialisten werden leicht überdurchschnittliche Haushaltsanteile gerechnet und auch die verhältnismäßig hohen Anteile der Konservativen sind nicht zu übersehen. Milieus der Neuorientierung sind dagegen grundsätzlich unterrepräsentiert, minimale Quoten der modernen Performer, Experimentalisten und Hedonisten an der Tagesordnung. Die Kaufkraft entspricht nicht mehr der des engeren Münchner Umlands. Wenn wir 100 als Basis für die gesamte Bundesrepublik annehmen, gelten 86,4 als Index für den Cluster 4 und nur 82,6 für die Haushalte die im Cluster 5 beheimatet sind. Von der Bevölkerungszahl her haben wir es mit kleinen (Cluster 4, 269 Gemeinden mit durchschnittlich 2 400 Einwohnern) und kleinsten Gemeinden zu tun (Cluster 5, 118 Gemeinden mit durchschnittlich 1 800 Einwohnern). Bei der räumlichen Verteilung innerhalb des Untersuchungsraums fällt die Konzentration von gelb (Cluster 4) und braun (Cluster 5) mit Ausnahme einer Zone von Augsburg bis Neu-Ulm im gesamten Regierungsbezirk Schwaben auf. Sie ist auch im nordwestlichsten Oberbayern jenseits von Ingolstadt und im bayerischen Grenzland zu Tschechien anzutreffen. In guter Gemengelage mit den anderen Clustern findet man 4 und 5 im Südwesten Münchens jenseits von Starnberger und Ammersee bis zur Landesgrenze, nicht jedoch im zentralen Süden und Südosten der Metropole, die von Cluster 2 dominiert werden. In unserer unmittelbaren südlichen Nachbarschaft liegt ein Halbkreis von Gemeinden des Clusters 6 (dunkelblau), wobei nur 3 der 59 Gruppenmitglieder, Bad Wiessee, Tegernsee und Rottach-Egern, etwas außerhalb der geschlossenen Zone liegen. Zu deren geläufigsten Repräsentanten zählen von West nach Ost die Ammerseegemeinden Utting, Schondorf, Eching, Inning, sämtliche Anrainer des Starnbergersees, also Seeshaupt, Tutzing, Feldafing, Pöcking, Berg, Münsing und die Kreisstadt selbst. Nördlich davon liegen Wörthsee, Wessling, dann folgen die Würmtalgemeinden Gauting, Krailling, Planegg, Gräfelfing. Statistisches Amt der Landeshauptstadt München 5

Konzentration der gesellschaftlichen Leitmilieus Topwohnlagen ziehen insbesondere Etablierte an Es schließen sich die Orte im Isartal, Pullach, Baierbrunn, Schäftlarn und Icking auf der Westseite, sowie Grünwald und Straßlach östlich der Reißenden an. Ebenfalls im Landkreis München gelegen folgen Oberhaching, Unterhaching, Taufkirchen, Ottobrunn und Sauerlach. Aying, Zorneding, Vaterstetten, Anzing und Forstinning schließlich, im Umland des Ebersberger Forsts, komplettieren die Liste der auch überregional bekanntesten Gemeinden vom Typ Cluster 6. Wer in dieser Auswahl ein Who is Who der gehobensten Wohnlagen der Münchner Region wieder zu finden meint, liegt bestimmt nicht falsch. Tatsächlich bestätigen die Anteile der Sinusmilieus eine gesellschaftliche Struktur, die das Attribut gehoben durchaus verdient. Prägend in diesem Cluster sind die drei gesellschaftlichen Leitmilieus, mit klar überdurchschnittlichen Anteilen an Postmateriellen und modernen Performern. Während diese beiden aber auch beim Cluster 1 eine bedeutende Rolle spielen (s. o.), finden wir hier den mit Abstand höchsten Anteil Etablierter. Dieses Milieu des selbstbewussten Establishments realisiert in dieser räumlichen Wohnsituation seine ausgeprägten Exklusivitätsansprüche. Dazu wird es durch eine enorm überdurchschnittliche Kaufkraft in die Lage versetzt. Jedem Einwohner von Cluster 6 steht eine jährliche Kaufkraft von 25 438 Euro zur Verfügung, ein Betrag der 30% über der Kaufkraft eines durchschnittlichen Bürgers des Großraums liegt. Eine leicht überdurchschnittliche Wahrscheinlichkeit des konservativen Elements passt zu der Milieustruktur von Cluster 6. Man kann sich gut vorstellen, dass eine Lebenswelt, für die nicht nur gepflegte Umgangsformen sondern auch die tradierten Werte des Bildungsbürgertums eine Rolle spielen, gut mit Erfolgsethik und Machbarkeitsdenken des etablierten Establishments harmonieren. Auch das Wahlverhalten im Cluster 6 hat eine spezielle Note. Man hat anlässlich der letzten Bundestagswahl so oft FDP gewählt wie in keinem vergleichbaren Raumtyp. Bei einem Mittel von 10,1% im Untersuchungsgebiet bedeuten die errechneten 14,9% im Cluster 6 eine signifikante Abweichung. Mit der beschriebenen Definition im Cluster und der Lokalisierung ist die, in Heft 4/06 dieser Reihe, gestellte Frage nach dem Verbleib der in der Kernstadt nur unterdurchschnittlich vertretenen Etablierten beantwortet und die geäußerte These bestätigt. Man findet sie vor allem in den exklusiven Wohnsituationen des südlichen Münchner Umlands und in einigen Gemeinden des Voralpenlands mit einschlägigem Nobelimage. Mit ihnen konzentrieren sich hier die Postmateriellen und Modernen Performer, die von der Wissenschaft ebenfalls zu den gesellschaftlichen Leitmilieus gerechnet werden. Künftig wird zu beobachten sein, wie sich die hinter den gezeigten Raummustern stehende Segregation von Milieus weiterhin entwickelt und welche Mobilitätsprozesse in diesem Zusammenhang von Bedeutung sind. 6 Statistisches Amt der Landeshauptstadt München