Schutz für die letzten schwedischen Urwälder

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Transkript:

Schutz für die letzten schwedischen Urwälder Foto: Frédéric Forsmark 16 Nr. 115/4.12

Foto: Hans Sundström Effizienz und Produktionssteigerung sind bei der von großen Forstkonzernen geprägten Wirtschaftspraxis in Schweden oberste Maxime seit Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute. Die Bilanz dieser Jahrzehnte, die durch großflächige Kahlschläge geprägt sind: Nur knapp zehn Prozent der wirtschaftlich nutzbaren Wälder haben heute noch einen halbwegs naturnahen Charakter, bei nur etwa fünf Prozent sind urwaldartige Strukturen erhalten geblieben und nur rund drei Prozent stehen unter gesetzlichem Schutz. Etwa 1.800 Tier- und Pflanzenarten, deren Existenz allein auf den Lebensraum Wald angewiesen ist, stehen daher auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Schwedische Naturschutzorganisationen sprechen von einer dramatischen Krise der Biodiversität in ihrem Land. Die schwedische Regierung schaut dem Zerstörungswerk zu und verspricht der Weltöffentlichkeit, den Erhalt der Biodiversität bis zum Jahr 2020 umgesetzt zu haben. Übrigens stammt 20 Prozent des Papiers, das in Deutschland verbraucht wird, aus Schwedens Wäldern. Nr. 115/4.12 17

Foto: László Maráz Es ist nicht so sehr die Großflächigkeit der Einschläge, es ist die Zerstörung der wenigen noch existierenden natürlichen Waldstandorte, die den Zorn der UmweltschützerInnen hochkochen lässt. Hier im Lill-Gravberget-Waldgebiet stand ein alter, noch unberührter, von Fichten geprägter Wald mit einer der höchsten Artenvielfalten, die je im Norden Schwedens dokumentiert wurde. Vierundzwanzig seltene, vom Aussterben bedrohte Arten wurden hier gefunden. Im Winter 2008 hat der Zellstoffkonzern SCA den Wald trotz vorangegangenem Protest und FSC-Zertifikat eingeschlagen. 18 Nr. 115/4.12

Foto: Frédéric Forsmark Gerettet! Der vieltausendfache Protest von ROBIN WOOD- Mitgliedern und -UnterstützerInnen zeigt erste Wirkung. Der bereits geplante Einschlag des etwa 200 Hektar großen Kraktjärn-Fichtenwaldes wird von SCA gestoppt. Der Wald mit seinen vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten bleibt erhalten. Nr. 115/4.12 19

Foto: Olli Manninen Vielfalt in schwedischen Urwäldern, wie im Fichtenurwald Klippfäbobarna (Bild ganz unten): Clavaria purpurea, purpurnes Zystidenkeulchen (Pilz), (links oben), Perisoreus infaustus, Unglückshäher (rechts oben), Calypso bulbosa, die Norne, eine Orchideenart (Mitte links). Auf dem Bild in der Mitte rechts sind zwei Lungenflechten zu sehen, die beide Rote-Listen-Arten für Schweden und Indikatoren für alte Wälder sind. Bei der grünen Flechte handelt es sich um Lobaria pulmonaria, bei der blauen um Lobaria scrobiculata Foto: Hans Sundström Foto: Olli Manninen 20 Nr. 115/4.12

Wir müssen wieder ran! In den achtziger Jahren regten sich erste Proteste in Schweden gegen die Zerstörung der letzten Urwälder. Doch erst Anfang der neunziger Jahre formierte sich ein großer gemeinsamer Aufstand der schwedischen Umweltbewegung. Dieser Protest fand schnell internationale Unterstützung. Selbst Unternehmen in Deutschland zum Beispiel der Axel-Springer-Konzern und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger verlangten von ihren schwedischen Lieferanten den Verzicht auf diese zerstörererische Praxis. ROBIN WOOD hat diesen Kampf um die schwedischen Urwälder von Anfang mitgekämpft von der Gründung des internationalen Netzwerks, dem Taiga Rescue Network, bis hin zu den Aktionen der Taiga Terminator-Kampagne. Mitte der neunziger Jahre ließen sich dann die großen Forstkonzerne auf Verhandlungen mit den Umweltverbänden ein. Sie einigten sich 1998 auf ein forstwirtschaftliches Regelwerk nach den Richtlinien der von Umweltverbänden mitgestalteten internationalen Zertifizierungsorganisation Forest Stewardship Council (FSC). Ein großer Erfolg, so schien es. Denn alle wesentlichen Forderungen der schwedischen Umweltverbände waren berücksichtigt, und fast alle großen Forstkonzerne, die knapp die Hälfte aller schwedischen Wälder besitzen, waren dabei. Schwedische Umweltorganisationen wollen gemeinsam mit ROBIN WOOD ihre Kampagne zum Schutz der letzten Urwälder in die Verbraucherländer von schwedischem Holz tragen Foto: Mirjam Lööf Green Doch in den folgenden Jahren zeigte sich, dass diese Konzerne mitnichten zu Urwaldschützern geworden waren. Schützenswerte Waldstandorte, sogenannte Schlüsselhabitate, verschwanden auch weiterhin, ohne dass es in den weiten, einsamen Wäldern Nordschwedens immer gleich bemerkt wurde. Da die meisten dieser Habitate noch gar nicht in offiziellen Kartenwerken dokumentiert sind, werden sie gerne bei der vom Konzern selbst durchgeführten Kartierung einfach übersehen. Ein anderer Trick: Waldgebiete, die nach den Regeln des FSC nicht eingeschlagen werden dürfen, werden einfach an nicht FSC-zertifizierte Waldbesitzer verkauft, die dann diesen Naturwald straflos und profitabel kahlschlagen dürfen. Die Listen mit den Verstößen der zertifizierten Konzerne sind in den letzten Jahren immer länger geworden. Fünf schwedische Umweltorganisationen, darunter auch unser Kooperationspartner Naturskyddsföreningen (SSNC), der größte schwedische Umweltverband, sind daher heute ohne Hoffnung, dass der FSC im Kampf um die letzten ursprünglichen Waldgebiete in Schweden hilfreich ist. Ihre Forderungen richten sich nun an den Staat, der den Waldbesitzern unter dem Slogan Freiheit und Verantwortung in ihrem Umgang mit den Wäldern bislang zu wenig Grenzen gesetzt hat. Rudolf Fenner, Waldreferent, Hamburg wald@robinwood.de, Tel.: 040/38089211 ROBIN WOOD findet, dass es Zeit ist den Kampf um die letzten naturnahen Wälder in Schweden wieder aufzunehmen. Unser Protestbrief an den Forstkonzern SCA, der von rund 5.000 UnterstützerInnen unterschrieben wurde, hat nicht nur den Kraktjärn-Wald vor der Abholzung bewahrt. Er hat vor allem deutlich gemacht, dass Kritik aus Deutschland an der Forstwirtschaft in Schweden ein großes Echo in den schwedischen Medien findet. Es hat schon lange nicht mehr so viele durchaus kritische Berichte, Reportagen und Filme über die eigene Forstwirtschaft in den schwedischen Medien gegeben wie in den letzten beiden Jahren. Die Zeit ist reif! Unterstützen Sie bitte auch die zweite Phase unsere Kampagne zum Erhalt der letzten Naturwaldgebiete in Schweden! Schwerpunkt dieser Kampagne wird es sein, zusammen mit unseren schwedischen Kooperationspartnern den Protest aus Deutschland und Europa noch macht- und damit wirkungsvoller der schwedischen Regierung vor Augen zu führen. Lesen Sie mehr über die Situation in Schwedens Wälder: www.robinwood.de/schweden Nr. 115/4.12 21