Ethik-Gutachten Delphine zur Unterhaltung

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Transkript:

1 Ethik-Gutachten Delphine zur Unterhaltung 1. Zusammenfassung Die Gefangennahme, der Import und die Haltung von Delphinen in Delphinarien sind aus ethischer Sicht nicht zu legitimieren. Die auch im Gesetz verankerten Kriterien der Tierwürde und des Wohlergehens werden schwerwiegend verletzt. Es ist nicht zu legitimieren, dass Delphine für nicht-existenzielle menschliche Bedürfnisse (Unterhaltung) instrumentalisiert werden. Ein Nutzen für die Tiere und ihre Populationen ist nicht erkennbar. Das Argument der Ungleichbehandlung verschiedener Zootiere ist weniger stark zu gewichten als die Verletzung der Tierwürde. Das Argument der Ungleichbehandlung hat Totschlagcharakter. Jede Neuerung beginnt mit kleinen Schritten, die oft Ungleichheit erzeugen und diese kann problemlos angegangen werden. Dieses Gutachten ist im Auftrag von OceanCare entstanden (www.oceancare.org). 2. Hintergrund In der Schweiz leben in einem Delphinarium noch drei Delphine nachdem innert vier Jahren acht gestorben sind. Da Nachzuchten in Gefangenschaft generell nicht die gefangen gehaltenen Delphinpopulationen unterhalten können und im aktuellen Fall in der Schweiz auch eine Inzestproblematik besteht, werden immer wieder Tiere importiert. Nachdem sich der Nationalrat in der Frühjahrssession für ein Halteverbot für Delphine und der Ständerat für ein Importverbot für Delphine ausgesprochen haben wird der Nationalrat in der kommenden Sommersession eine Differenzbereinigung in dieser Angelegenheit vornehmen. Zugleich wird auch über die Motion 12.3051 abgestimmt werden, in welcher es um ein sofortiges Importverbot für Cetacea (Wale und Delfine) geht. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrates hat sich bereits für ein Importverbot ausgesprochen. Dieses Ethik-Gutachten beleuchtet die Haltung von Delphinen in Gefangenschaft aus einem tierethischen Blickwinkel. 3. Ethik als Legitimation meiner Handlung Die ethische Perspektive einnehmen, bedeutet, dass ich meine Interessen nicht höher werte als andere Interessen und dass ich bereit bin für mein Handeln und Nichthandeln gute Gründe anzugeben. Oder anders gesagt: Ich darf nicht ungefragt auf Kosten von anderen handeln. Diese Einwilligung einholen nennt man Legitimation. Legitimität entsteht da, wo ich in Übereinstimmung mit dem Willen von Betroffenen handle. Existentielle Bedürfnisse (basic needs) haben absoluten Vorrang vor nicht-existentiellen Bedürfnissen. Ob es heutige oder zukünftige Bedürfnisse sind ist dabei nicht relevant. Für Lebewesen, die ihre Bedürfnisse nicht zum Ausdruck bringen können, sei es, weil sie Tiere, Kinder oder Lebewesen in der Zukunft sind, müssen sich AnwältInnen einsetzen. Ethik gibt dabei keine fertigen Antworten, sondern bemüht sich um gute Argumente und vertritt die Schwächsten. Als Ethiker beziehe ich also auch Position und versuche diese mit guten Gründen zu legitimieren. Aus ethischer Sicht kann Legitimation weder allein mit Tradition, Geld, Markt, Demokratie/ Mehrheiten oder Natur begründet werden. Legitimität erreicht man nicht mit Berufung auf

2 Traditionen und Gewohnheiten. Weil man etwas früher schon so gemacht hat, macht eine Handlung nicht vertretbar. Auch das ökonomische Argument, dass man Geld verdienen und Arbeitsplätze erhalten muss, kann alleine keine Legitimität begründen. Das gleiche gilt für den Markt. Ebenso bringt eine Mehrheitsmeinung nicht zwangsläufig legitime Entscheide hervor, auch wenn sie legal sind. Auch der Bezug zur Natur erzeugt nicht zwangsläufig Legitimität. Es braucht zusätzliche gute Gründe. Ethik muss also immer dem Willen der am stärksten Betroffenen am meisten Gewicht geben. Das sind hier die Delphine in Gefangenschaft. Delphine können uns keine Antwort geben, ob sie ihre Gefangenschaft und die Unterhaltungsshows gut finden und ob sie einem Importverbot zustimmen würden. Das bedeutet dreierlei: 1. Wir müssen alle Informationen über die Biologie, das Sozialverhalten und die natürliche Umgebung einholen. So können wir versuchen abzuschätzen, was dem Willen der Delphine entspricht und ob das Leben in Gefangenschaft artgerecht ist. 2. Keine Wissenschaft kann uns mit absoluter Sicherheit den Willen der Delphine benennen. Es bleibt also eine grosse Unsicherheit. Mangelndes Wissen oder Nichtwissens verlangen nach höchster Vorsicht und im Zweifelsfall bedeutet das ein Unterlassen der Handlung, bzw. ein Engagement für die schwächste Partei. 3. In der Regel, so auch bei den Delphinen, müssen wir verschiedene Interessen gegeneinander abwägen. Die Gewichtung darf weder von Macht, Tradition oder Geld dominiert werden. Die ethische Perspektive einnehmen, bedeutet, dass ich mich in einen Delphin hineinfühle, hineinversetze und überlege, ob ich mit einer Gefangenschaft einverstanden wäre. Was würde ich als Delphin zur Gefangenhaltung in Delphinarien und zur Unterhaltungsshow sagen? Was würde ich als Delphin zum Importverbot sagen? 4. Gesetzeslage Vor dem Gesetz sind Tiere keine Sachen mehr. Das TSchG betont, dass die Würde und das Wohlergehen der Tiere zu schützen ist (Art. 1). a) Würde: Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss. Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tief greifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen oder es übermässig instrumentalisiert wird; b) Wohlergehen: Wohlergehen der Tiere ist namentlich gegeben, wenn: 1. die Haltung und Ernährung so sind, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört sind und sie in ihrer Anpassungsfähigkeit nicht überfordert sind, 2. das artgemässe Verhalten innerhalb der biologischen Anpassungsfähigkeit gewährleistet ist, 3. sie klinisch gesund sind, 4. Schmerzen, Leiden, Schäden und Angst vermieden werden; (TSchG Art. 3)

3 5. Gesetz und Ethik Gesetz und Ethik sind nicht identisch. Gesetze werden laufend weiter entwickelt und der Zeit angepasst. Gesetze bilden die mehrheitsfähigen Überzeugungen in einer Gesellschaft. Ethik, welche über diese Überzeugungen nachdenkt, geht der Gesetzgebung voraus. Waren Tiere vor 100 Jahr kaum Gegenstand der Gesetze so sind sie das heute, weil wir sie nicht mehr als Sachen, sondern als Lebewesen mit einer eigenen Würde verstehen. Gesetze sind zwar demokratisch breit abgestützt, können aber nicht immer ethische Legitimität beanspruchen. Von Zeit zu Zeit müssen die Gesetze den aktuellen mehrheitsfähigen Überzeugungen angepasst werden. 6. Normative Vorgaben der Tierethik Tiere waren lange Zeit kein Thema der Ethik. Dass sich das geändert hat, zeigt sich an unserer Verfassung, welche Tiere nicht mehr als Sachen sieht, sondern die Würde der Kreatur hochhält. Hinter diesen Gesetzen steckt die Erkenntnis, dass höhere Tiere leidensfähig sind. Wenn wir genau beobachten, merken wir, dass höhere Tiere mit einem Zentralnervensystem ähnliche Ziele wie wir verfolgen: sie wollen sich ernähren, in Sicherheit leben, soziale Kontakte pflegen, Anerkennung finden, ihre Fähigkeiten und Potenziale ausleben und sich vermehren. Wenn wir diese Ziele für uns in Anspruch nehmen, ist es schwer zu begründen, den Tieren dieselben Ziele zu verwehren. Es geht also nicht nur darum, den Tieren keine Schmerzen zuzufügen, sondern auch keine Leiden. Soziale Isolation oder nicht-artgerechte Haltung erzeugen zwar nicht direkt Schmerzen, aber grosses Leiden. Das können wir mit dem eigenen Leben bestätigen. Aus dieser kurzen Zusammenfassung ergeben sich folgende normative Vorgaben: Würde der Kreatur bedeutet, dass wir den Eigenwert der Tiere respektieren und ihnen keine übermässigen Leiden zufügen. Tiere dürfen nicht instrumentalisiert, also für unsere Zwecke gebraucht, werden. Übermässig sind Leiden, die nicht durch stärker gewichtete Ziele begründet werden können. Stärker gewichtete Ziele gibt es z.b, bei Versuchstieren für lebenswichtige Medikamente. 7. Delphine und Delphinarien a. Delphine in ihrer Welt Delphine sind freiheitsliebende Bewegungstiere, die in der freien Wildbahn auf einer Fläche von bis zu 300 km 2 leben. Sie beleben einen äusserst komplexen Lebensraum in den Meeren und Flüssen. Sie leben in grossen Populationen und das soziale Zusammenleben ist weit entwickelt. Die Gefangennahme von einzelnen Tieren kann das Sozialgefüge stark durcheinanderbringen. Es ist also ein Stress nicht nur für die gefangenen Tiere. Sie habe haben ein ausgeklügeltes Sonarsystem, was sie für Lärm sehr empfindlich macht. Man geht sogar davon aus, dass einige Delphinarten ein Ichbewusstsein haben und sich in einem Spiegel erkennen können. b. Delphine in Delphinarien Sie leben in kahlen Betonbecken mit Salzwasser, welche mit Chlor oder anderen Mitteln sauber

4 gehalten werden. Die Becken sind im Vergleich zu den natürlichen Platzansprüchen der Tiere viel zu klein und es fehlt die Vielfalt und Komplexität der Meeresunterwelt. Delphine werden in neue soziale Gruppen gezwungen, was Stress erzeugt. In Delphinarien allgemein wie auch in der Schweiz werden Delphine zur Unterhaltung eingesetzt. 8. Ethische Argumentationen a. Ist eine Gefangennahme zu rechtfertigen? Die Gefangennahme und der Transport von Delphinen setzen diese Tiere in Dauerstress und beeinträchtigt ihr Wohlbefinden. Zudem sterben viele Tiere dabei. Es gibt keine höhergewichtigen Ziele, welche dieses Leiden legitimieren könnten. b. Können Delphine tiergerecht gehalten werden? Die Haltung in Becken ist niemals ein Ersatz für die freie Wildbahn und ist ein massiver Eingriff in die Würde der Tiere. Die gesamte Anlage ist auf die Ansprüche einer Show ausgerichtet und nicht auf die Bedürfnisse der Tiere. Neben einer völlig artfremden Umwelt und viel zu kleinen Becken zeigen Verhaltensstörungen und häufige Erkrankungen, dass sie nicht tiergerecht gehalten werden. c. Dürfen wir Cetacea zum Objekt der Unterhaltung machen? Delphine werden ungefragt zur Unterhaltung eingesetzt und sie werden gezwungen, begleitet von Musik sich dem Publikum zu zeigen, Kunststücke zu vollbringen, die sie nie freiwillig machen würden. Unterhaltung ist zwar ein verbreitetes menschliches Bedürfnis, aber kein existentielles, weshalb die Verletzung der Tierwürde nicht zu legitimieren ist. Delphine werden ungefragt für menschliche Interessen eingesetzt und somit instrumentalisiert. d. Sind Bildung und Erziehung sinnvoll? Dass in den Delphinarien die Menschen über diese Meeressäuger informiert und sensibilisiert werden, könnte ein Argument für die Haltung sein. In der Regel ist aber die Sensation und Unterhaltung im Zentrum und nicht die vertiefte Auseinandersetzung mit den Tieren, ihrem Sozialverhalten und ihrem Lebensraum. Auch wenn dies so wäre, würde die Verletzung der Tierwürde schwerer wiegen als ein Bildungsauftrag. Denn es gibt sinnvolle und gute Alternativen wie z.b. dolphin-watching auf dem offenen Meer. e. Beitrag zum Artenschutz? Dass Delphinarien zum Artenschutz beitragen ist sehr kritisch zu hinterfragen. Die willkürlichen Gefangennahmen können den sozialen Zusammenhalt in den Herkunftspopulationen stören. Die Vermehrung in Gefangenschaft ist nicht erfolgreich genug, um den Erhalt der Populationen in Gefangenschaft zu gewährleisten. Auswilderungsprogramme gibt es nicht. Es ist also nicht ersichtlich, was die Gefangennahme und -haltung zum Artenschutz beitragen sollte. f. Recht auf Forschungsfreiheit? Forschungsfreiheit ist ein hohes Gut, rechtfertigt aber keineswegs eine Gefangenhaltung und die Verletzung der Tierwürde.

5 g. Warum nur Import von Cetacea verbieten? Die Ungleichbehandlung von Importen von Zootieren ist ein berechtigter Einwand. Das Argument der Gleichbehandlung würde ich jedoch geringer gewichten als die Verletzung der Tierwürde. Zudem hat das Argument der Ungleichbehandlung Totschlagcharakter. Jede Neuerung beginnt mit kleinen Schritten, die oft Ungleichheit erzeugen und diese kann problemlos angegangen werden. Es ist niemandem verwehrt sich für eine Gleichbehandlung einzusetzen und Initiativen für Importverbote für andere Zootiere zu lancieren. h. Warum dieser Aufwand für drei Tiere Man kann natürlich utilitaristisch einwenden, dass das Tierleid der drei Delphine im Vergleich zum Leiden aller Versuchs- und Nutztiere zu vernachlässigen sei. Argumentativ ist es problematisch Leiden aufzurechnen und ein Leiden mit einem noch grösseren anderen Leiden zu rechtfertigen. i. Ökonomische Interessen Hinter dem Delphinimport und den Delphinarien stehen mehrheitlich ökonomische Interessen. Es gibt aber keine Gründe das Wohlergehen und die Würde der Tiere den ökonomischen Interessen unterzuordnen. 9. Stellungnahme und Begründung Es ist aus folgenden Gründen nicht legitim, Cetacea zu importieren und in Gefangenschaft zu halten: Gefangennahme, Transport und die Haltung in Delphinarien verletzt in hohem Umfang die Würde der Tiere und ihr Wohlergehen. Der Nutzen für die Tiere und ihre Populationen ist nicht erkennbar. Noch viel weniger kann es ihrem Willen entsprechen. Es gibt für uns Menschen keine existentielle Notwendigkeit für einen Import und die Gefangenhaltung. Wir haben sowohl für die Forschung wie auch für den Artenschutz gute Alternativen. Das Argument der Ungleichbehandlung verschiedener Zootiere ist weniger stark zu gewichten als die Verletzung der Tierwürde, denn diese Ungleichbehandlung kann problemlos angegangen werden. Thomas Gröbly - Ethiker MAE - Baden 21. Mai 2012