3 Kurze Beschreibung und Zustand des nordrhein-westfälischen Rheinabschnittes

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Transkript:

3 Kurze Beschreibung und Zustand des nordrhein-westfälischen Rheinabschnittes 3.1 Hydrographie Der nordrhein-westfälische Rheinabschnitt mit einer Lauflänge von rd. 220 km (die genaue Abgrenzung der Fischereirechte ist in Kap. 2.2 angegeben) umfasst neben einem kurzen Abschnitt an der Landsgrenze zu Rheinland-Pfalz, der noch dem Mittelrhein zuzuordnen ist, im Wesentlichen den hydrographischen Abschnitt des Niederrheins. In dieser Strecke weist der Rhein ein durchschnittliches Gefälle von 0,16 auf und die Fließgeschwindigkeiten (in der Strommitte) schwanken je nach Wasserführung zwischen 10 und 2,2 m/s (und sind damit höher als im Oberrhein). Die wichtigsten Zuflüsse im Verlaufe des Niederrheins sind rechtsrheinisch die Sieg, die Wupper, die Emscher, die Ruhr und die Lippe, linksrheinisch mündet lediglich ein bedeutenderes Fließgewässer, die Erft, ein. Im Verlauf des Niederrheins können aus hydrografischer und gewässermorphologischer Sicht und im Hinblick auf den potenziell natürlichen Zustand verschiedene Stromabschnittstypen unterschieden werden: 1. Mittelgebirgsgeprägter Typ des Niederrheins Dieser Abschnitt von Bad Honnef bis Leverkusen (Wuppermündung) im Austrittsbereich des Rheinischen Schiefergebirges ist naturräumlich zwar schon der Ökoregion Zentrales Flachland zuzuordnen, ist aber noch deutlich durch den Einfluss des Mittelgebirges überprägt: Es herrschen gestreckte bis schwach gewundene Einbettgerinne mit vorherrschend schnell fließender Strömung vor. Das Querprofil ist flach und breit mit unregelmäßigen, buchtenreichen Ufern. Die Stromsohle wird von Kies (Mittel- bis Grobkies) dominiert, daneben kommt noch ein erhöhter Schotteranteil vor. Sand- und Schlammablagerungen sind auf die strömungsberuhigten Uferbuchten beschränkt. Auengewässer sind nur gering ausgebildet. Prägende Strukturen sind Stromspaltungen und Kolke. 2. Nebengerinnearmer Typ des Niederrheins Dieser Abschnitt von Leverkusen bis Duisburg (von der Wuppermündung bis zur Ruhrmündung) stellt den Übergang von einem mittelgebirgsgeprägten Strom zu einem Strom des Tieflandes dar. Er ist durch einen gewundenen bis mäandrierenden, überwiegend unverzweigten Verlauf gekennzeichnet. Nebengerinne werden nur vereinzelt ausgebildet. Die Strömung ist überwiegend schnell fließend, langsam fließende Gewässerbereiche finden sich in Flachwasserbereichen des Ufers, in Gleithangbereichen sowie in den Nebengerinnen. In der aufgeweiteten Aue finden sich einige Auengewässer unterschiedlicher Verlandungsstadien. Die Stromsohle wird von Kies und Sand (Mittel- bis Grobkies) dominiert, Feinsand- und Schlammablagerungen sind auf die strömungsberuhigten Uferbereiche und Nebengerinne beschränkt. Prägend sind zahlreiche Kiesbänke in Form von Ufer- oder Mittenbänken. 3. Nebengerinnereicher Typ des Niederrheins Dieser Abschnitt von Duisburg bis Kleve-Bimmen (von der Ruhrmündung bis zur Stromspaltung in Waal und Nederrijn) entspricht dem Bild eines typischen Tieflandstroms. In einer sehr breiten Aue mäandriert der Rhein in weiten Bögen unter Ausbildung von zahlreichen Nebengewässern. Das Gefälle ist gering, langsam fließende Abschnitte herrschen vor. In der Aue sind zahlreiche Kap. 3 Kurze Beschreibung und Zustand des NRW-Rheinabschnitts Kap. 3 - Seite 5

Auengewässer verschiedener Verlandungsstadien ausgebildet. Die Stromsohle wird durch Sand und Kies dominiert, ausgedehnte Sandbänke finden sich an den Ufern und auf der Stromsohle. Als wichtigstes organisches Substrat kommt Totholz vor. Auf Grund des hohen Verlagerungspotenzials sind Mäanderdurchbrüche und Abschnürung von Altarmen prägend für diesen Rheinabschnitt. Diese ursprüngliche natürliche Zonierung ist durch die anthropogenen Einflüsse weitgehend verloren gegangen und heute in erster Linie noch durch die allgemeine Laufentwicklung des weitgehend uniformen Hauptgerinnes erkennbar. (Quelle: IKSR-Bericht Nr. 147) 3.2 Hydrologie Das Abflussregime des Niederrheins ist typischerweise durch das Auftreten von zwei Hochwasserperioden im Jahresverlauf gekennzeichnet (Abb. 3.1). Die hydrologischen Bedingungen werden in erster Linie durch die erhöhten Niederschlagsmengen während der Wintermonate in den Einzugsgebieten der größeren Zuflüsse im Ober- und Mittelrheingebiet (Neckar, Main, Mosel) geprägt. Sie verursachen die größeren, typischerweise in den Wintermonaten und im zeitigen Frühjahr auftretenden Hochwässer. Die Schneeschmelze in den Alpen dagegen ist verantwortlich für die im späten Frühjahr und in den Sommermonaten auftretenden und in aller Regel wesentlich kleineren und kurzzeitigeren Abflussspitzen. Im Anschluss an die kleineren Sommerhochwässer treten regelmäßig Niedrigwasserperioden mit den geringsten Abflüssen auf. Die in Nordrhein-Westfalen einmündenden Zuflüsse haben keinen wesentlichen Einfluss auf die Wasserführung des Niederrheins. -Stabw Mittelwert +Stabw MW 800 700 Dekade 1990-1999 40,06 39,06 600 38,06 [cm] Pegel Köln 500 400 300 37,06 36,06 35,06 Wasserstand [m NN ] 200 34,06 100 33,06 0 J F M A M J J A S O N D 32,06 Abb. 3.1 Abflussverhältnisse im Niederrhein am Pegel Köln als Jahresganglinie (Mittelwert ± Standardabweichung für die Dekade 1990-1999) Kap. 3 Kurze Beschreibung und Zustand des NRW-Rheinabschnitts Kap. 3 - Seite 6

Die Abflussverhältnisse haben einen großen Einfluss auf die Fischfauna, da die Verfügbarkeit und Qualität von Laichgebieten ganz wesentlich von Zeitpunkt und Dauer der Abflusserhöhungen abhängen. In Folge der Abflusssteuerungen durch die Stauhaltungen und die Hochwasserschutzmaßnahmen im oberliegenden Einzugsgebiet laufen Hochwasserspitzen heute wesentlich schneller wieder ab. Dies hat zur Folge, dass häufig die Überflutungsdauer in Reproduktionsarealen für eine erfolgreiche Entwicklung nicht ausreicht und Laich und Brut durch Trockenfallen verloren gehen. 3.3 Gewässerstruktur Der Rhein hat in Wechselwirkung mit seinem Umland rheintypische Flusslandschaften geschaffen. Hierzu gehören Engtalstrecken im Rheinischen Schiefergebirge, Terrassenlandschaften und breite Flachlandauen. Die aktuelle Laufentwicklung zeichnet sich am Niederrhein durch eine gestreckte bis mäandrierende Linienführung und eine vollständig unterbundene laterale Verlagerung aus. Letztere ist am gesamten Fluss durch Uferbefestigungen mittels Steinschüttungen, Buhnenausbau, massiver Ufermauern sowie Eindeichungen bedingt. Lediglich Laufabschnitte am Oberen Niederrhein zwischen Rolandseck und Leverkusen weisen eine vergleichsweise leitbildkonforme Laufform bei gleichzeitiger Befestigung auf. Hingegen wurde der Untere Niederrhein durch zahlreiche Laufverkürzungen hinsichtlich des Windungsgrades stark überprägt. Querbänke existieren entgegengesetzt zum Leitbildzustand nicht mehr. Die Diversität in Strömung und Tiefe des Gewässerbettes ist generell gering. Anthropogene Wanderhindernisse wie Wehre und Schleusen sind am Rhein in NRW jedoch nicht vorhanden. Die Substratzusammensetzung der Sohle ist gegenüber dem potenziell natürlichen Zustand insgesamt nur wenig verändert. Sie entspricht auch heute dem eines kiesgeprägten Tieflandstroms, allerdings hat eine Vergröberung des Sohlenmaterials durch Transportsortierung stattgefunden (Austragen der feineren Komponenten durch Sohlenerosion, fehlender Eintrag feinerer Komponenten durch Verbau der Ufer und Nebengewässer). Sohlenverbau tritt lokal häufig in Form von Grundschwellen, Kolkverbau und Stromsohlenaufhöhungen auf. Für den gesamten Rheinlauf stellt die ständige Unterhaltung der Schifffahrtsrinne aus ökologischer und morphologischer Sicht eine starke Belastung dar. Ebenso ist der massive Buhnenausbau ein die Sohle schädigender Faktor, da die Konzentration des Abflusses zu einem vergleichsweise uniformen Längs- und Querprofil führt. Beim Querprofil ist auf der gesamten Stromstrecke eine erhebliche Eintiefung zu verzeichnen, so dass die Profilleistungsfähigkeit leicht erhöht und die Ausuferungshäufigkeit reduziert ist. Die Breitenentwicklung wird durch Verbau und Eindeichung unterbunden. Besonders häufig finden sich Profile mit Buhnenausbau sowie regelprofilierte Ufer am Rhein. Nur in Laufbögen mit ausgedehnten Gleitufern finden sich kleinräumig etwas naturnähere Querprofile. Der Uferverbau ist sehr unterschiedlich in seiner Ausprägung. Die Spanne reicht von massiven Betonmauern und Spundwänden bis hin zu lockeren Steinschüttungen. Besondere Uferstrukturen gibt es nur in Form von kleinräumig begrenzten Uferabbrüchen und naturnahen Gleitufern, die auf kurzen Laufstrecken nicht verbaut worden sind. Bei der Aggregierung der Bewertungsparameter Bereiche Sohle, Ufer und Umland zu einer Gesamtstrukturgüteklasse bewegt sich die Strukturgüte des Rheins in Nordrhein-Westfalen innerhalb der Klassen 5 bis 7 (stark bis vollständig verändert), bei Vorherrschen der Klasse 6. (Quelle: LUA (2005): Gewässerstrukturgüte in Nordrhein-Westfalen. Bericht 2005, Essen) Kap. 3 Kurze Beschreibung und Zustand des NRW-Rheinabschnitts Kap. 3 - Seite 7

Im Hinblick auf die Strukturbedingungen für die Fischfauna, für die insbesondere die Uferstrukturen relevant sind, lassen sich im Hauptstrom des Niederrheins heute folgende Habitattypen unterscheiden und bezüglich ihrer Bedeutung für die Fischfauna und insbesondere das Jungfischaufkommen bewerten: Steinschüttungsstrecken Die geradlinigen und monotonen Blocksteinschüttungen befinden sich i.d.r. an stark strömenden Flussabschnitten und in Prallhängen Sie bestehen aus einer Abdeckung aus größeren Wasserbausteinen, die meist mehrere Meter sehr steil abfallen. Die Schifffahrtsrinne verläuft i.d.r. in unmittelbarer Nähe zu den Blocksteinschüttungen, so dass hier auch starker, schifffahrtsbedingter Wellenschlag auftritt. Dieser Habitattyp ist für keine Fischart als Laichhabitat geeignet und es kommen nur Jungfische weniger Arten in geringer Dichte vor. Aufgrund des umfangreichen Lückensystems in den Schüttungen grober Wasserbausteine stellen so befestigte Uferabschnitte insbesondere an strömungsexponierten Standorten jedoch das bevorzugte Habitat von Aalen dar, die hier besonders hohe Bestandsdichten aufweisen. Buhnenfelder Die Buhnenfelder (Bereiche zwischen mehr oder weniger ufersenkrechten Buhnenleitwerken) weisen unbefestigte, sandige oder kiesige, mehr oder weniger flach auslaufende Ufer auf. Die Buhnenleitwerke bestehen i.d.r. aus einer Schüttung von Wasserbausteinen und ragen mehr oder weniger rechtwinklig in den Strom hinein. Sie werden am stromseitigen Ende relativ stark umströmt, so dass sich häufig tiefere Auskolkungen hinter den Buhnenköpfen ausbilden, die bevorzugte Standplätze für adulte Individuen zahlreicher Fischarten darstellen. Größere Buhnenfelder können sich nur zwischen längeren Leitwerken (> 50 m) in größerem Abstand (>100 m Uferlinie) ausbilden. Die Buhnenfelder sind kaum durchströmt, Schiffsbewegungen verursachen jedoch eine Brandung, die eine Strömung in ufersenkrechter Richtung mit einem ständigen Richtungswechsel bedingt. In Buhnenfeldern kommt es über längere Zeiträume häufig zu Auflandungen von Schlamm, Sand oder Kies, so dass sich in Abhängigkeit vom Wasserstand in bestimmten Buhnenfeldern reich gegliederte Flachwasserzonen ausbilden, oft auch mit einer Entwicklung von Helophyten-Beständen auf Inseln und Uferbänken. Bei höheren Wasserständen werden teilweise auch vegetationsbestandene Uferbänke und Deichvorländer überschwemmt. Wasserstandsabhängig können in großen Buhnenfeldern entsprechend der gegebenen Substratbedingungen wertvolle Laich-, Larven- und Jungfischhabitate für eine Vielzahl von Fischarten entstehen. In kleineren Buhnenfeldern zwischen kurzen Buhnenleitwerken können strömungsberuhigte Flachwasserzonen kaum entstehen. Häufig sind auch die Ufer der kleineren Buhnenfelder mit Blocksteinschüttungen befestigt. Kleine Buhnenfelder sind als Laichhabitat indifferenter Arten von untergeordneter Bedeutung und es kommen i.d.r. nur artenarme Jungfischgemeinschaften mit geringen Individuendichten vor. Die Übergänge zwischen kleinen und großen Buhnenfeldern sind jedoch fließend, die Bedeutung als Laich- und Jungfischhabitat nimmt mit der Größe der Buhnenfelder zu. Unverbaute Kiesufer Unbefestigte, naturnahe Uferbereiche, die durch das Vorherrschen von Kies- oder Grobkiessedimenten gekennzeichnet sind, befinden sich ausschließlich in den Gleithängen erhalten gebliebener Mäanderbögen des Stromes. Hier existieren noch sehr breite Uferbänke Kap. 3 Kurze Beschreibung und Zustand des NRW-Rheinabschnitts Kap. 3 - Seite 8

mit extrem flacher Hangneigung, an denen sich ein breiter Gradient von nur schwach überströmten Kiesflächen im Flachwasser des Uferbereichs hin zu zunehmend tieferen und stärker überströmten Kiesstrecken mit größerer Uferdistanz ausbildet. Die Uferlinie ist häufig stark gegliedert, so dass auch strömungsberuhigte Buchten entstehen. Im Bereich der Gleithänge verläuft die Schifffahrtsrinne i.d.r. am gegenüberliegenden Prallhang, so dass sich schifffahrtsbedingter Wellenschlag nur abgeschwächt auswirkt. Derartige Kiesstrecken weisen einen breiten Gradienten von Habitatbedingungen auf, so dass ausschließlich hier nebeneinander Laichplätze, Larven-, Jungfisch- und Adultfischhabitate von rheophilen, kieslaichenden Arten zu finden sind. Die Jungfischgemeinschaften an derartigen Kiesufern sind i.d.r. sehr arten- und individuenreich. Kiesstrecken und andere unbefestigte Uferabschnitte außerhalb von Gleithängen sind i.d.r. sehr kurz und durch einen steilen Böschungswinkel charakterisiert. Die Uferbänke sind hier sehr schmal und es existieren kaum Flachwasserbereiche, so dass schon in unmittelbarer Ufernähe eine stärkere Strömung angreift. An derartigen Kiesstrecken kommen i.d.r. nur artenund individuenarme Jungfischgemeinschaften vor. 3.4 Gewässergüte und Wasserqualität Die Ergebnisse der Gewässergüteüberwachung durch die zuständigen Behörden werden regelmäßig in Berichten veröffentlicht. Der Niederrhein weist heute durchgängig die biologische Gewässergüteklasse II (mäßig belastet) auf. Die Gewässergüte und allgemeine chemischphysikalische Parameter (z.b. Sauerstoffgehalt) stellen somit heute keinen limitierenden Faktor für die Fischfauna dar, selbst anspruchsvoll Arten finden eine ausreichende Wasserqualität vor. (Quelle: Gewässergüteberichte des LUA NRW, früher auch Rheingüteberichte des LUA NRW) Frühere Probleme wie z.b. eine außerordentlich hohe Schwermetallbelastung existieren heute nicht mehr. Sie können aber in Form von Altlasten nachwirken, beispielsweise in abgelagerten Flusssedimenten. Dies stellt heute ein Problem dar, weil es Renaturierungs- und Gestaltungsmaßnahmen, bei denen größere Erdmassen in der Aue bewegt werden müssen und die Gefahr einer Mobilisierung hochkontaminierten Materials besteht, erheblich erschweren und behindern. Punktuelle Altlasten oder eine diffuse Hintergrundbelastung haben heute noch zur Folge, dass Fische erhöhte Rückstände an Umweltchemikalien aufweisen können. So sind im nordrhein-westfälischen Rheinabschnitt insbesondere Aale mit Dioxinen, PCB s und HCB s oberhalb der kritischen Grenzwerte belastet, so dass sie nicht verzehrsfähig sind. Darüber hinaus dürften sich diese Belastungen nachteilig auf den Gesundheitszustand (und die Qualität der Laichfische) auswirken. Die eingeleiteten kommunalen und industriellen Abwässer enthalten auch eine unüberschaubare Anzahl von chemischen Verbindungen, deren Auswirkungen auf das aquatische Ökosystem zum Teil gar nicht bekannt sind. So besteht der begründete Verdacht, dass sich die erhöhten Konzentrationen hormonell wirksamer Substanzen in Abwässern auf das Geschlechterverhältnis und somit das Reproduktionspotenzial der Fischbestände auswirken. Kap. 3 Kurze Beschreibung und Zustand des NRW-Rheinabschnitts Kap. 3 - Seite 9