Mikrobielle Ökologie: Standorte und Prozesse

Ähnliche Dokumente
Mikrobielle Ökologie: Standorte und Prozesse

Einführung in die Marinen Umweltwissenschaften

fi Mikrobiologie > Teaching Vorlesung Allgemeine Biologie 21., 23., : Heribert Cypionka

Einführung in die Mikrobielle Ökologie

Einführung in die Umweltwissenschaften

Einführung in die Mikrobielle Ökologie

VL 03 Biogeochemische Kreisläufe von C, N, S, Abbau organischer Substanz

Fach Ökologische Mikrobiologie

[Grundlagen der] Physiologie der [Mikro-]organismen

Mikrobielle Diversität

Grundlagen der Mikrobiologie

Fach Ökologische Mikrobiologie

Mikrobielle Ökologie

Vorlesungsthemen Mikrobiologie

Vorlesung Allgemeine Mikrobiologie

ist die Vorlesung MIKROBIOLOGIE 2 (SS 2 SWS)

Gradienten und Aktivitäten

Vorlesung Allgemeine Mikrobiologie

Einführung in die Mikrobielle Ökologie

Trinkwassermikrobiologie: Ökologisches Verständnis treibt praktische Anwendungen

Einführung in die Mikrobielle Ökologie

4 Eukaryotische Mikroorganismen...37 Algen Pilze Protozoen... 42

Mikrobiologie Wissenschaft von unsichtbaren Lebewesen Aufbau der Zelle der Grundbedarf des Lebendigen

Einführung in die Mikrobielle Ökologie

Einführung in die Mikrobiologie (WS 04/05) Volker Müller Institut für Molekulare Biowissenschaften Campus Riedberg, N 240, R 1.06

Vorlesungsthemen Mikrobiologie

Die tiefe Biosphäre Mikrobiologie der Erdkruste

Mikrobielle Ökologie VL 5 Biogeochemische Kreisläufe

Brock Mikrobiologie kompakt (Pearson Studium - Biologie) 2015

Cytologie. Dr. Ilse Zündorf Institut für Pharmazeutische Biologie N Tel.:

Wissenschaftliche Informations-Quellen:!

Mikrobielle Ökologie. Mikrobielle Ökologie. Terrestrische Mikrobiologie. SS 2006 Martin Könneke

Mikrobiologie des Abwassers

Stoffwechseltypen von Mikroorganismen. (chemische Reaktion / Licht) (anorganisch / organisch) / organisches Material) (CO 2. Chlorella sp.

2. Äquivalenzliste Master Mikrobiologie

Mikrobielle Ökologie. Mikrobielle Ökologie

Mikrobiologische Vielfalt im Pansen eines Wiederkäuers

Vorwort zur 3. Auflage

Mikrobiologische Charakterisierung der Verockerung in Berliner Brunnen

Professur Radiochemie Sommersemester 2009

Robert Koch-Gymnasium Deggendorf GRUNDWISSENKARTEN. Biologie. 10. Jahrgangsstufe

Natürliche ökologische Energie- und Stoffkreisläufe

Versuchsübersicht Mikrobiologische Wasseruntersuchungen

Vorlesungsthemen Mikrobiologie

Kurztitel. Präsentation Kathrin Schlüter. Vorstellung Grundlagen Ziele Versuchsaufbau Ergebnisse Zukünftige Arbeiten.

Biologische Meereskunde

th edition 1184 Seiten ISBN ca. 173,- Sept aktualis. Aufl Seiten ISBN ca. 72,-

Interaktionen unter- und oberirdischer Biodiversität

Archiv der Jahrestagungen der VAAM

Allgemeine Bemerkungen

Diversität der Prokaryoten & Bakteriophagen

1 Ökologie. 1.1 Begriffe. 1.2 Arbeitsbereiche. 1.3 Arbeitsmethoden. 1.4 Bedeutung

Mikrobiologie Version 03/2008

th edition 1184 Seiten ISBN ca. 173,- Sept aktualis. Aufl Seiten ISBN ca. 72,-

Vorlesung Ökologie II Biozönosen Jean Charles MUNCH Lehrstuhl für Bodenökologie Helmholtzzentrum München, Neuherberg

DIE ROLLE VON MIKROORGANISMEN IM STOFFKREISLAUF UND IN DER NATUR

Entwicklung und Anwendung von Methoden zur Differenzierung von Funktionen und Strukturen bakterieller Populationen des Bodens

Lithotrophe Organismen II

Biofilmaktivität in Scheibentauchkörpern - Grundlagen, Anpassung und Anwendung des Dehydrogenasentests

Angewandte Mikrobiologie und Biotechnologie Teil 1

Einführung in die Mikrobielle Ökologie

Arbeitsgemeinschaft Badeseen und Schwimmteiche - ABS

Molekulargenetische Charakterisierung von SO 4. -reduzierenden Bakterien (SRB) aus Bergbaustandorten

Inhaltsverzeichnis. 1 Einleitung Was sind Mikroorganismen und wie sind sie entstanden... 5

Mikrobiologisches Grundpraktikum: Ein Farbatlas

0 Einleitung 0.1 Vorbemerkungen

MicroPro GmbH Microbiological Laboratories. Magdeburger Straße 26b Gommern

Eukaryotische Zellen II und Archaea

Hefewachstum. Peter Bützer

Die Stickstoff-Fixierung: Enzymatik

Inhaltsverzeichnis. Vorwort. Stoffe in Zellen 1 Wasser

Aufnahme der Nährstoffbausteine vom Darm in die Blutbahn durch Diffusion und aktiven Transport

Das Leben kommt auf alle Fälle aus einer Zelle, doch manchmal endet's auch in einer solchen - bei Strolchen. Heinz Erhardt

Grundlagen der Mikrobiologie

Kompaktwissen Biologie. Mikrobiologie. Bearbeitet von Martin Lay, Olaf Fritsche

Für effiziente Methanproduktion von Bakterien lernen

Ökologie. basics. 103 Abbildungen 52 Tabellen. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart

1. niedere Protisten = Procaryotae (Prokaryonten) Bakterien (alt: Schizophyten) Eubakterien (gram+, gram-, Cyanobakterien) Archaebakterien

Literatur zur Geschichte der Molekularbiologie!! - Horace Freeland Judson: 'The eighth day of creation'!! - James Watson: ' The double helix'!

1.4.2 Die Algengemeinschaften von Seen Zusammensetzung der Algengemeinschaften Ökologische Relevanz der Individuengröße 105

Bakterienformen. Stäbchen. Zellgröße: 0,1 5 µm

Abbau organischer Verbindungen. Lara Hamzehpour Windthorststraße 1a Mainz

4 Kompetenzen und Inhalte (Leistungskurs)

Bakteriologie. Erarbeitet und vorgestellt von Leopold Böhm, Sebastian Hanswille, Gianluca Nowoczyn, Rolf Rempel

Mikro- und molekularbiologische Methoden zur quantitativen und qualitativen Erfassung von Einflussgrößen der biologischen Methanoxidation

Stickstofffixierung Ökologie. Von Deborah Leaney und Viola Tacke

Was bisher geschah...

Interaktionen im Boden. Vorlesung Univ. Doz. Dr. Sophie Zechmeister-Boltenstern

Vorwort zur ersten Auflage. 1 Globale Umwelt. Klima und Mikroorganismen 1

Was versteht man unter Vergärung?

Antibakterielle Naturstoffe in der medizinischen Chemie

Limnoökologie. Winfried Lampert und Ulrich Sommer. 2., überarbeitete Auflage 119 Abbildungen in 178 Einzeldarstellungen

Grundlagen des Stoffwechsels

Angewandte Mikrobiologie

Mikrobiologisches Grundpraktikum: Ein Farbatlas

Doppel Isotopen-Tracer Studie zur Validierung der Barometrischen Prozessseparation (BaPS)

Transkript:

Vorlesung Mikrobielle Ökologie: Standorte und Prozesse Henrik Sass Bert Engelen h.sass@icbm.de b.engelen@icbm.de www.icbm.de/pmbio WS 2003/2004 Di. 13 15-14 00, Raum W 4-1-162 Termine: 14.10.03 Einleitung HS 21.10.03 Allg. Mikrobielle Ökologie Grenzen des Lebens, Ökologische Bandbreite HS 28.10.03 Biogeochemische KreisläufeI Kreisläufe von C, N, S, Fe, Mn, Anaerober Abbau HS 04.11.03 Biogeochemische KreisläufeII Gradienten, Aktivitäten, Methoden HS 11.11.03 Sedimentmikrobiologie Abbau, Sedimentbildung HS 18.11.03 Marine Mikrobiologie Primärproduktion und mikrobielles Nahrungsnetz BE 25.11.03 Marine Mikrobiologie Mikrobielles Nahrungsnetz II BE 02.12.03 Limnische Mikrobiologie Geschichtete Seen BE 09.12.03 Subsurface microbiology Mikrobiologie der Erdkruste HS 16.12.03 Ökonomische Aspekte Erdöllagerstätten, Biokorrosion, Erzlaugung HS 06.01.04 Verdauungssysteme Mensch, Pansen, Termite, Interaktionen HS 13.01.04 Leben im Mangel Starvation, Wachstum HS 20.01.04 Bodenmikrobiologie Struktur und Nischenbildung BE 27.01.04 Mikrobiologie des Abwassers Kläranlage (Belebtschlamm und Faulturm) BE 03.02.04 Biofilme Bildung und Aufbau BE Literatur: Atlas R.M., Bartha R., Microbial Ecology, Cummings 1993 (ca. 82 Euro) Atlas R.M., Principles of Microbiology, Mosby 1995 Brock T.D. et al., Biology of Microorganisms, Prentice Hall, 10. Aufl., 2000 (ca. 126 Euro) Cypionka, Grundlagen der Mikrobiologie, Springer 2002 (ca. 20 Euro) Ehrlich H. L. (1996) Geomicrobiology, Marcel Dekker, New York Lengeler JW, Drews, G, Schlegel HG, Biology of the Prokaryotes, Thieme 1999 (ca. 68 Euro) Schlegel H.G., Allgemeine Mikrobiologie, 7. Aufl., Thieme (ca. 28 Euro) Dixon B, Der Pilz, der John F. Kennedy zum Präsidenten machte, Spektrum, 1994 Postgate J.R., Mikroben und Menschen, Spektrum 1995

Mikrobielle Ökologie ist eine junge Wissenschaft Man hört und liest ja so viel von ihnen (den Bakterien), in der Regel aber nur Bruchstücke, die das Verständnis oft hemmen. Gibt es doch Menschen, die keinen Glauben an diese Bakterien haben. Wie wenn es sich um Glauben handeln könnte. Reitz, Die Bakterien, 1912 Mikrobielle Ökologie stand lange Zeit im Schatten der Medizinischen Mikrobiologie und der angewandten Mikrobiologie, der sie ihren Aufschwung ab den 1950 er Jahren verdankt. - Bioproduktion (Aceton, Citronensäure, Enzyme, Antibiotika, u.a.) - Lebensmittelindustrie - Abwasserreinigung - Erdölindustrie - Landwirtschaft (Stickstofffixierung, Pflanzenpathogene) Bakterien sind sehr klein... Bakterium ca. 1 µm x 2 10 6 Mensch ca. 2 m x 2 10 6 4000 km (Gibraltar - Nordkap) Oder anders ausgedrückt: für ein Bakterium erscheint 1 cm 3 wie ein Würfel mit 20 km Kantenlänge für uns

Wieviele Mikroorganismen kommen in einem Tropfen Wasser vor? Phasenkontrast-Mikroskopie Zählkammer (Thoma, Petroff-Hausser,...) Nur für Flüssigkulturen (und evtl. Wasserproben) und geeignet. Perry & Staley, Microbiology Dynamics and Diversity

Perry & Staley, Microbiology Dynamics and Diversity Lebendzellzahlen werde von den Inkubationsbedingungen beeinflusst: - Temperatur MPN Zahlen in Wattenmeersediment 10 C 4.0 10 5 cm 3 20 C 8.2 10 6 cm 3 30 C 4.0 10 5 cm 3 - Wachstumssubstrat MPN Zahlen in Wattenmeersediment Aminosäuren 1.9 10 7 cm 3 Fettsäuren 4 10 6 cm 3 - Oxisch oder anoxische Bedingungen MPN Zahlen in Wattenmeersediment Oxisch 1.0 10 7 cm 3 Anoxisch 4 10 5 cm 3 - Zusatz von Vitaminen und anderen Supplementen

Analyse von Zellbestandteilen verschiedene Zellbestandteile mit unterschiedlicher phylogenetischer Spezifität. (Chlorophyll a, Fettsäuren, DNA, Lipide, Amine, u.a.) Indirekte Methoden analysieren integrale Parameter, für die Abschätzung von Zellzahlen werden Konversionsfaktoren benötigt. Diese hängen aber vom physiologischen Zustand der Zellen ab. Perry & Staley, Microbiology Dynamics and Diversity Filtration von Wasserproben für die Epifluoreszenzmikroskopie (Partikelfreies Wasser für das Nachspülen verwenden!)

Bert Engelen Phasenkontrast Mikroskopische Bestimmung der abundanz von Eubakterien DAPI-Färbung Bakterien sind sehr klein......aber es sind ungeheuer viele. Beispiele (Whitman et al., Proc Natl Acad Sci USA 95:6578-6583, 1998) - Verdauungssysteme 0,05 10 29 - Ozeane, ca. 10 6 ml -1 10 29 - Böden 2,6 10 29 - Limnische Systeme 0,002 10 29 - Sedimente 0,2 10 29 - Subsurface 40-60 10 29 Insgesamt leben auf der Erde etwa: 5 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 (5 10 30 ) Mikroorganismen

5 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 (5 10 30 ) Mikroorganismen Bei einem Volumen von 10-15 l pro Bakterienzelle entspricht das einem Biovolumen von 10 15 l. Die Menschheit kommt hingegen nur auf 5 10 11 l. Vergleich der Atmungsraten Atmungsrate Körpergewicht [mol O 2 kg -1 h -1 ] [kg] E. coli 2.7 10-15 Rattus norvegicus 0,0308 1-2 Mensch 0,0088 75 Elefant 0,00326 4000 Atmungsrate für Bakterien etwa 300 fach höher als für Mensch. Betrachtet man die Verteilung der Biomasse wird klar das der größte Teil der Biologischen Aktivität Mikroorganismen zuzuordnen ist.

Viele Reaktionen können nur durch Prokaryonten katalysiert werden: - Stickstoffkreislauf (N 2 -Fixierung, u.a.) - Schwefelkreislauf (Sulfatreduktion) - Methanogenese u.a. Im Prinzip jedes Biotop von Mikroorganismen besiedelt. Kein Ökosystem ohne Mikroorganismen. Methodische Probleme der Mikrobiellen Ökologie: - Geringe morphologische Unterscheidbarkeit - Oft geringe Kultivierbarkeit (mit klass. Meth. nicht nachweisbar) Wieviel Bakterienarten gibt es eigentlich? Gültig beschriebene Arten: 5000 Prokaryonten (Bakteria und Archaea) 1 700 000 Eukaryonten Schätzung zu der bakteriellen Artenzahl in 30 g Waldboden 3000 (Torsvik et al 1990, Appl Environ Microbiol 58:782-787) 500 000 (Dykhuizen 1998, Antonie van Leeuwenhoek 73:25-33) (basierend auf dem selben Datensatz)

Synökologie Gesamtumsatz im Ökosystem, z.b. Produktion, heterotrophes Potential Biogeochemie Demökologie Umsatz von Populationen, z.b. Grüne Schwefelbakterien, Methanogene Autökologie Ökologische Untersuchungen an Reinkulturen, Extrapolation auf das Ökosystem. (Koch sche Postulate) Aktivitätsbestimmung Analyse des Einbaus von 3 H-Thymidin oder 14 C-Leucin zur Abschätzung der DNA-, bzw. Proteinsynthese-Aktivität (und der Zahl wachsender Zellen). Analyse des Aufnahme von 14 C-Glucose (Assimilation), bzw. 14 CO 2 (Dissimilation) 14 CO 2 - Fixierung Konversionsfaktoren!

Unterschiede der Lebensbedingungen am natürlichen Standort gegenüber Laborkulturen: Substratlimitation (oligotrophe Standorte, Selektion k+r Strategen) Meist mehr als ein Substrat vorhanden Mehrere Organismentypen, Konkurrenz, Kooperation Räumliche Heterogenität, schon auf kleinstem Raum Selten stabile Bedingungen, zeitliche Varianz, diurnal, annual