Sucht, Gewalt und die Frauen

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Transkript:

Forschung, Entwicklung, Recherchen, Ausbildung Formation, évaluation, recherche, apprentissage Formation, Evaluation, Research, Acquisition of Knowledge Sucht, Gewalt und die Frauen Margret Rihs-Middel Janosch Weibel, Karin Luks Zur Anzeige wird der QuickTime Dekompressor TIFF (Unkomprimiert) benötigt. 1

Übersicht 1. Wo sind die grössten Probleme? 2. Wie gewaltverstärkend wirken verschiedene Substanzen und Suchtformen? 3. In welcher Form äussert sich Gewalt? 4. Langzeitwirkungen von Gewalt auf Opfer und Täter 5. Gefahren beim Ausbruch aus der Gewaltfalle 2

1. Wo sind die grössten Probleme? Definitionen: Gewalt Gewalt: spezifische Form von Aggression Ziel: Verletzung Schädigung Zerstörung Von: Personen Tieren Sachen 3

1. Wo sind die grössten Probleme? Definitionen: Gewalt Ausrichtung: Selbstgerichtet Interpersonal Zwischen Gruppen Staatlich Zwischen Staaten Erscheinungsformen: Psychische Gewalt Religiöse Gewalt Kulturelle Gewalt Körperliche Gewalt Sexuelle Gewalt Ökonomische Gewalt 4

1. Wo sind die grössten Probleme? Gründe für Gewaltausübung Macht unterstreichen Narzistische Verletzung rächen Fehlende Impulskontrolle Ohnmachtsgefühle überwinden Sprachlosigkeit - Taten statt Worte sprechen lassen Kommunikationsprobleme durchhauen Fehlende Konfliktlösungskompetenz überspielen Selbstwertgefühl stärken Kontrollverlust kompensieren 5

1. Wo sind die grössten Probleme? Situative Komponenten Situation Entzug und Beschaffung Gewaltanwendung Eigene Gewalt - und Missbrauchserfahrung Posttraumatisches Stresssyndrom Soziale Belastungen, Stress Fehlende Perspektiven Agressionssteigernde Wirkung Hohe Delinquenztoleranz Eskalation - Rausch Opferhaltung, Abstumpfung Scheinbar zufällige Eruptionen ( flash back ) Demütigungen abbauen, Dampf ablassen Erregung, Abenteuer 6

1. Wo sind die grössten Probleme? Täter- Opfer- Verstärkende Faktoren Täter Opfer Verstärkende Faktorne Männer Frauen Familiäre Bindung gering Eltern, Lehrer, Kinder Opfer verdinglicht Jugendliche Vorgesetzte Schwächere Fehlende Toleranz Pflegepersonen Alte Menschen Rigides Wertsystem Kulturverteidiger Behinderte Überforderung 7

1. Wo sind die grössten Probleme? Frauen als Opfer von Gewalt Gewaltverhalten Sexuelle Gewalt vor 16. Lebensjahr Kontext Sucht Unselektioniert 45 % - 85 % 20 % - 45 % Seelische Gewalt 80 % 20 % Körperliche Gewalterfahrung 60 % 20 % Intime Partnergewalt 55 % 15 % Gewalterfahrung bei eigenem aktuellen Drogengebrauch 70 % 8

1. Wo sind die grössten Probleme? Auswirkungen auf Frauen, die im Suchtkontext leben Selbstverletzung und Selbstunfälle Suizidales Verhalten im Zusammenhang mit Sucht Opfer indirekte Gewaltanwendung (Mobbing, Bossing, Bullying, Plagen ) Gewalt gegen Sachen Gewaltanwendung gegen Personen mit körperlicher Verletzungsabsicht Gewaltandrohungen Bedrohung von Kindern und Drittpersonen Tötungsdelikte 9

2. Wie gewaltverstärkend wirken verschiedene Substanzen? Quote alkoholisierter Täter Schwere der Delikte 10

2. Wie gewaltverstärkend wirken verschiedene Substanzen? Substanz Aggressionssteigernde Wirkung Alkohol Konsummuster egal, Potential: ***** Amphetamine Im Mischkonsum, Potential: ** Benzodiazepine Häufig mit Opioiden, Potential: **** Kokain Paranoides Bild, Potential: ***** Phecyclidin (PCP) Eher selten, Potential: ** Sedativa Autoaggression: Potential: *** 11

3. In welcher Form äussert sich Gewalt? Strafbare Handlungen Beschimpfen Bedrohen Schlagen Einsperren Mit Waffen drohen Waffen einsetzen Sexuell belästigen Vergewaltigen Weitere Beispiele Vernachlässigen Geld vorenthalten Schlagen Schikanieren Ständig kontrollieren Stalking Isolieren Kontakte verbieten Nahrungsentzug 12

3. In welcher Form äussert sich Gewalt? IPG: Intime Partnergewalt bei 57 % von drogenabhängigen Frauen 15-16 % bei unselegierter Stichprobe Häufiger Suchtmittelkonsum (Heroin Cannabis) bei Frauen im Vergleich zu nicht-konsumierenden Frauen erhöht das Risiko Opfer von IPG zu werden: Odds Ratio 4.5 Suchtmittelkonsum als Coping-Strategie? 13

3. In welcher Form äussert sich Gewalt? SFA-Studie: Gewalttaten bei Familien 1 Partner alkoholisiert (Zürich): 41 % Polizei, 37 % Ärzte: Beide Partner alkoholisiert (Zürich) 10 % Polizei, 17 % Ärzte Wenigstens einer der Partner alkoholisiert (Gesamtschweiz): 49 % Täter fast ausschliesslich Männer 14

4. Langzeitwirkung von Gewalt auf Opfer und Täter Gewalterfahrung und -Beobachtung modelisieren weiteres Gewaltverhalten und/oder Opferhaltung Gewaltanwendung, -erfahrung und -beobachtung führen zur Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und der Bedürfnisse anderer Suchtmittel wirken enthemmend und verstärken die Gewaltbereitschaft Ein Sucht-Gewalt-Kreislauf installiert sich Einflüsse von Sucht und Gewalt lassen sich bis in die dritte Generation verfolgen (Grob et al., 2005) 15

4 Langzeitwirkung von Gewalt auf Opfer und Täter Einfluss von Erfahrung und Beobachtung von Gewalt auf Suchtmittelkonsum Hohe Lebensprävalenz der Erfahrung und Beobachtung von Gewalt in der Wohngemeinde zeitigen eine hohe Korrelation mit allen Formen von abhängigem und risikoreichem Verhalten bei Jugendlichen (Brady 2006): Risikoverhalten Alkoholkonsum Cannabiskonsum Tabakkonsum Kokainkonsum Ungeschützte Sexualkontakte Risikoreiches Fahrverhalten 16

5. Ausbruch aus der Gewaltfalle: Gefahr Wenn Frauen mit einem gewalttätigen und abhängigen Partner zusammen bleiben, fügen sie sich und ihren Kindern grossen Schaden zu. Wenn Frauen sich von ihrem gewalttätigen und abhängigen Partner trennen wollen, schweben sie und die Kinder in akuter Lebensgefahr. Nach der Trennung schweben Frauen und Kinder in akuter Lebensgefahr Nach Zusammenbruch der Fassade ist die Gewaltbereitschaft dauernd erhöht 17

5. Ausbruch aus der Gewaltfalle: Was tun? In Behandlung und Betreuung: Trennung sorgfältig planen Achtung, bei Männern in Behandlung nimmt die Gewaltbereitschaft nur unwesentlich ab. Frauen brauchen Schutz und Anonymität Gewalttätige Männer brauchen simultan eine Behandlung für ihren Suchtmittelkonsum und für ihr gewalttätiges Verhalten. Frauen benötigen Unterstützung zur Rekonstruktion ihres Selbstwertes, ihrer Eigeninitiative und ihrer Selbstverteidigungsfähigkeiten. 18

Sucht - Gewalt und die Frauen Substanzkonsum auch sporadisch und in geringen Dosen erhöht Gewaltbereitschaft Opfer sind Schwächere meistens Frauen und Kinder Gewalttätigkeit ist chronisch & weist eine hohe Rückfallrate auf. Bei der Behandlung der Täter ist die Doppelbehandlung wichtig Sorgfältige Vorbereitung der Trennung und Schutz der Frauen Frauen benötigen Unterstützung, um aus ihrer Opferhaltung herauszufinden und sich besser verteidigen zu können. 19

Sucht - Gewalt und die Frauen Einen kleinen Beitrag zu einer gewaltfreieren Gesellschaft leisten zu dürfen, ist mir sehr wichtig. Vielen Dank für die Einladung und Ihre Aufmerksamkeit. 20

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