Spezialitäten im Baubewilligungsverfahren nach neuem KRG / KRVO

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Transkript:

Spezialitäten im Baubewilligungsverfahren nach neuem KRG / KRVO A) Meldeverfahren B) Privatrechtliche Baueinsprache C) Unterschreitung Grenzabstände Dr. iur. Gieri Caviezel, Rechtsanwalt und Notar, Chur

A) MELDEVERFAHREN a) Überblick / Gesetzliche Regelung - Baubewilligungsverfahren neu abschliessend durch das kantonale Recht geregelt (Art. 85 ff. KRG) - das formelle Baurecht ist unmittelbar anwendbar - entsprechende kommunale Bestimmungen kommen nicht mehr zur Anwendung (Art. 107 Abs. 2 Ziff. 4; Art. 92 Abs. 4 KRG)

Einordnung der verschiedenen Bauvorhaben - ordentliches Bewilligungsverfahren -> Art. 86 Abs. 1 KRG / Art. 41 ff. KRVO - bewilligungsfreie Bauvorhaben -> Art. 86 Abs. 2 KRG / Art. 40 KRVO - spezielles Meldeverfahren für nicht baubewilligungspflichtige Bauvorhaben -> Art. 86 Abs. 3 KRG / Art. 50 f. KRVO - Umschreibung des Meldeverfahrens in Art. 50 KRVO: Meldeverfahren als vereinfachtes Baubewilligungsverfahren

b) Anwendungsfälle aa) untergeordnete Bauvorhaben, bei welchen mit keinen Einsprachen zu rechnen ist, wie insbesondere: - geringfügige Projektänderungen bewilligter Bauvorhaben - zonenkonforme bauliche Massnahmen ohne Aussenwirkung und ohne Beeinträchtigung der Verkehrsbelastung oder der Ausnützung bb) Bauvorhaben, die nach Art. 40 KRVO nicht bewilligungspflichtig sind, aber gemäss kommunalen Baugesetz dem Meldeverfahren unterstellt sind.

c) Verfahren - vereinfachte Gesuchsunterlagen (was darunter zu verstehen ist, ist von den Gemeinden zu bestimmen; evtl. Infoblatt) - Verzicht auf Baugespann und öffentliche Auflage - Entscheid der kommunalen Baubehörde innert Monatsfrist - Bauvorhaben gilt (stillschweigend) als bewilligt, sofern innert Monatsfrist kein negativer Baubescheid gefällt wird

d) Unterlassung der Meldepflicht Vorgehen wie bei Unterlassung des ordentlichen Baubewilligungsverfahrens: Einleitung eines nachträglichen Baubewilligungsverfahrens evtl. verbunden mit entsprechenden Sanktionen. Vgl. auch Art. 40 Abs. 3 KRVO: - Befreiung von der Bewilligungspflicht entbindet nicht von der Einhaltung von materiellen Vorschriften und der Einholung anderer Bewilligungen - Nachträgliches Baubewilligungsverfahren, falls Anzeichen dafür bestehen, dass durch ein bewilligungsfreies Bauvorhaben materielle Vorschriften verletzt werden könnten (z.b. Verletzung umweltrechtlicher Vorschriften etc.)

B) PRIVATRECHTLICHE BAUEINSPRACHE a) Bisherige Regelung - öffentlichrechtliche Baueinsprache - privatrechtliche Baueinsprache (Art. 94 EGZGB) Verletzung gesetzlicher Eigentumsbeschränkungen (EGZGB; v.a. Abstandsvorschriften) Verletzung nachbarrechtlicher Bestimmungen des ZGB (Immissionen) Verletzung vertraglicher Baubeschränkungen (v.a. Dienstbarkeiten)

b) Revision KRG Art. 106 Ziff. 1 KRG: Art. 89 bis Art. 95 EGZGB werden aufgehoben Abschaffung der privatrechtlichen Abstandsvorschriften Abschaffung der gesetzlichen Grundlage für die privatrechtliche Einsprache

c) Auswirkungen der KRG-Revision - Übernahme der Abstandsvorschriften ins KRG (Art. 75 KRG) nur noch öffentlichrechtliche Abstandsvorschriften - Geltendmachung privater Rechte nach wie vor möglich Besitzesschutzverfahren bei Verletzung privatrechtlicher Baubeschränkungen; v.a. bei Verletzungen von Dienstbarkeiten Ordentliche eigentumsrechtliche Klage vor Bezirksgericht (soweit Besitzesschutz nicht anwendbar); v.a. bei Immissionen gemäss Art. 684/685 ZGB - Nachteil: Geltendmachung privater Rechte auch nach Abschluss des öffentlichrechtlichen Baubewilligungsverfahren möglich.

d) Auswirkungen für Gemeinden - Bei Ausschreibung: kein Hinweis auf privatrechtliche Baueinsprache in der Publikation - Bei Behandlung des Baugesuches: nach wie vor keine Prüfung der privatrechtlichen Aspekte e) Vertiefte Ausführungen zum Thema: Norbert Brunner: Abschied vom privatrechtlichen Baueinspracheverfahren?, in: ZGRG 1/06, S. 3 ff.

C) UNTERSCHREITUNG GRENZABSTÄNDE a) Gesetzliche Regelung (Art. 77 KRG) Unterschreitung der gesetzlichen Bauabstände (Grenz- oder Gebäudeabstände) können bewilligt werden, wenn - Vereinbarung zwischen den benachbarten Grundeigentümern vorliegt und - keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. Die Vereinbarung bedarf nicht der öffentlichen Beurkundung, Schriftlichkeit genügt.

b) Anmerkung im Grundbuch Die Unterschreitung ist durch die Gemeinde (oder den betroffenen Grundeigentümer) als öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung im Grundbuch anzumerken, gestützt auf - rechtskräftige Baubewilligung oder - andere rechtskräftige Verfügung Hinweis: Inhalt und Lokalisierung des Rechts soll sich aus der Verfügung möglichst genau ergeben.

c) Mustervorlagen des Grundbuchinspektorates