Hausaufgaben Kooperation in Ganztagsschulen

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Transkript:

Hausaufgaben Kooperation in Ganztagsschulen In dem Maße, in dem die Schulen vor Ort immer mehr Verantwortung für ihre Entwicklung, ihre pädagogisch-didaktische Ausrichtung und Profilbildung übernehmen, gewinnen Kooperation und Teamarbeit eine zunehmende Bedeutung. Dies betrifft die Organisationsentwicklung genauso wie die Unterrichtsentwicklung und die Ausgestaltung all dessen, was man unter Schulleben subsumieren kann. Natürlich trifft das auch für den Komplex Hausaufgaben zu und dies nicht minder an Ganztagsschulen, die ihre eifrigsten Verfechter sich ja eigentlich als hausaufgabenfrei vorgestellt und herbeigesehnt hatten. Der Themenstellung folgend soll im vorliegenden Beitrag in einem ersten Schritt umrissen werden, was Hausaufgaben - Kooperation in der Praxis meinen und bedeuten kann. Anschließend sind deren einschlägige Erfordernisse, Merkmale, Möglichkeiten und Probleme an Ganztagsschulen zu beleuchten, wobei es in der Natur der Sache liegt, schwerpunktmäßig offene Systeme zu untersuchen. Kooperation bzw. ein beklagter Mangel an Kooperation war bereits in den 1970er Jahren Thema verschiedener Abhandlungen, die sich in zum Teil sehr gründlicher Art und Weise dem Komplex Hausaufgaben widmeten, damals natürlich fast ausschließlich auf die Halbtagsschule bezogen. Zwei Ebenen werden dabei thematisiert: Vereinbarungen und Absprachen unter den Lehrenden und die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus. Auf Letzteres bezogen wird den Hausaufgaben oft eine Bindegliedfunktion unterstellt, weil man sie als Nahtstelle zwischen Schule und Elternhaus verstehen kann. Dass dies tatsächlich so ist, darf zumindest aus Elternsicht bezweifelt werden. 1975 zeitigte eine groß angelegte und bis heute nicht in Frage gestellte Untersuchung an Wolfsburger Grund- und Hauptschulen ein widersprüchliches Ergebnis. Während 79% der gut 330 befragten Lehrenden vom Einfluss der Hausaufgaben auf den Kontakt Schule-Elternhaus überzeugt waren und knapp zwei Drittel glaubten, diesen Kontakt über die Hausaufgaben fördern zu können (vgl. Sommerla 1978, S. 100), gaben weniger als 15% der knapp 320 beteiligten Eltern zu Protokoll, den Fortgang im Unterricht ihrer Kinder über die Hausaufgaben zu verfolgen. Eckart Kirn schloss aus den Ergebnissen seiner Elternbefragung, den Hausaufgaben komme in der Praxis kein nennenswerter Informationswert für die Erziehungsberechtigten zu, sie leisteten kaum etwas für den Kontakt zwischen Schule und Elternhaus. Er vermutete im Gegenteil, dass die Hausaufgaben für die Eltern- Schule-Kooperation eher zerstörende als fördernde Wirkung hätten (Kirn 1978, S. 200). Diese auf den ersten Blick überraschende Schlussfolgerung begründet sich nicht nur aus dem Konfliktpotenzial der Hausaufgaben, den dadurch erzeugten Spannungen, dem Frust und enttäuschten Erwartungen, die darüber ins Familienleben schwappen können. Diese Divergenz wurzelt, grundsätzlicher betrachtet, in bisweilen stark unterschiedlichen Erziehungssystemen und daraus resultierenden weit auseinander klaffenden Funktionszuschreibungen. Mögen Lehrer/innen noch so sehr den pädagogischen wie didaktischen Wert und Auftrag der Hausaufgaben hervorheben, Eltern sehen vielfach zuallererst deren Stellenwert bezüglich der in den deutschen Schulsystemen besonders ausgeprägten Selektionsfunktion und orientieren an dieser Sichtweise nicht selten ihre Formen der Einflussnahme durch Mitwirkung. Kooperation zwischen Schule und Erziehungsberechtigten kann von daher nur dann dauerhaft und Erfolg versprechend in Gang kommen, wenn die Unterschiedlichkeit dieser Erwartungshorizonte im Miteinander von Lehrer/innen und Eltern thematisiert wird; wenn in einem gleichberechtigten Dialog Verständigung gesucht wird bezüglich der Funktionen von Hausaufgaben im Gesamtkonzept des Lehrens und Lernens; wenn die Beteiligten konkrete Verfahren, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten zur Hausaufgaben-Praxis vereinbaren (vgl. dazu interessante Vorschläge z. B. bei Fairbanks, Clark & Barry 2005 und Huang & Cho 2009). Seite 1 von 9

Generell gilt hier der berechtigte, aber unbefriedigende Hinweis Katrin Höhmanns, dass es keine allgemein gültigen Rezepte für eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus geben könne, da dies immer abhängig von der speziellen Situation und den handelnden Personen vor Ort sei (vgl. Höhmann 2006, S. 11). Vielleicht kann die Empfehlung des emeritierten Erziehungswissenschaftlers Volker Krumm weiterhelfen, sich in unserem Zusammenhang mit der in den 1980er Jahren in den USA entwickelten und seitdem im angelsächsischen Sprachraum zunehmend zum Einsatz gebrachten home-based instruction näher zu beschäftigen. Krumm erwähnt beeindruckende Erfolge, die Lehrer/innen von Förder-, Grund- und Sekundarstufenschüler/innen mit diesem Kooperationsverfahren bei einzelnen Kindern oder ganzen Lerngruppen sammelten. Das Programm, das Eltern nach klaren Vorgaben und Absprachen direkt in Lehr-Lern-Prozesse einbezieht, führt laut Krumm zu guten, oft sogar dramatisch positiven Befunden (2001, S. 112ff.; weiterführende Lit. s. dort) und ist es von daher unbedingt wert, auf seine Anwendbarkeit hierzulande befragt zu werden. Die eingangs zuerst genannte Ebene von Kooperation betrifft Vereinbarungen und Absprachen unter den Lehrenden. Für Halbtags- wie Ganztagsschulen wird von Pädagogen und Psychologen unisono beklagt, mangelnde oder gar gänzlich fehlende Hausaufgaben-Abstimmung(smodalitäten) unter Lehrer/innen führten zu Überlastungen, Überschneidungen sowie motivationstötenden vermeidbaren Wiederholungsarbeiten bei Schüler/innen. Entsprechend zahlreich und nicht selten erschreckend unausgegoren kommen rezeptartige abwegige und praxisferne Vorschläge daher, die solche Missstände beseitigen wollen. Abgesehen davon, dass Unterrichtende per Schulgesetzgebung verpflichtet werden, bei der Vergabe von Hausaufgaben Überbelastungen zu verhindern, was nur durch institutionalisierte Abstimmung zu erreichen ist, greift ein solcher Ansatz erheblich zu kurz. Bevor einzelne Maßnahmen vereinbart werden, sind innerhalb der Schulgemeinschaft basale Fragen zu klären, z. B.: Welche Funktionen sollen den Hausaufgaben im Gesamtlernkonzept dieser Schule / dieser Klassenstufe zukommen? Welche übergeordneten erzieherischen, didaktischen und strategisch-methodischen Ziele verfolgen wir und welchen Stellenwert messen wir dabei den Hausaufgaben bei? Welche Ziele hat Kooperation in diesem (Förder-) Kontext? Erst nach einer Verständigung und Akzeptanz bezüglich solch grundsätzlicher Aspekte kann über konkrete Einzelmaßnahmen (wie bspw.: Hausaufgaben-Tafel in jedem Klassenraum mit Sonderregelung für Fachräume; Vorgabe von Zeitlimits; Absprachen bei der Implementierung differenzierender bis individualisierender Hausaufgaben, Ansätze und Verfahren zur Kontrolle, Würdigung und Bewertung; Vorgehensweise bei fehlenden Hausaufgaben etc. etc.) sinnvoll nachgedacht werden. Und auch in diesem Komplex von Unterrichts-, Team- und Organisationsentwicklung dürfen im Vorhinein mitgedachte und eingeplante Schritte zu einer Evaluationsschleife nicht fehlen, weil nachhaltiger Erfolg sonst weder zu erreichen noch zu eruieren und zu sichern ist. Ganz nebenbei muss unbedingt berücksichtigt werden, dass jedes konkrete Wie, jede reale alltägliche Umsetzung eines Kooperationskonzepts nur dann gelingen kann, wenn sie nicht stillschweigend eine weitere dauerhafte zeitliche Mehrbelastung für Lehrer/innen mit sich bringt. Bei einer gründlichen Literaturdurchsicht fällt auf, dass in der Diskussion über Hausaufgaben-Kooperation Schüler/innen nicht selten bestenfalls im Passiv vorkommen. Unter den relativ wenigen rühmlichen Ausnahmen fällt ein Vorschlag Herbert Hagstedts besonders auf. Dessen gewiss zutreffende Beobachtung, Kindern werde bereits im Laufe ihrer Grundschulzeit bewusst, dass Hausaufgaben auch als Macht- und Disziplinierungsmittel gegen sie eingesetzt werden können (2004, S. 9), was ihre anfängliche Schul- und Hausaufgabenbegeisterung rasch dahinschmilzen lasse, veranlasste ihn, einen Hausaufgaben-Vertrag zu verfassen. Dieser soll zuallererst die vergleichsweise schwache Position des Kindes stärken und Motivation aufbauen; Sie finden dieses originelle und beachtenswerte Dokument im Anhang zu diesem Beitrag. Seite 2 von 9

Zu den bisher erwähnten Beteiligten stößt beim Themenkomplex Hausaufgaben in Ganztagsschulen eine weitere Gruppe hinzu: außerschulische Kooperationspartner/innen als Betreuungskräfte. Zumindest potenziell. Denn gebundene Systeme unterscheiden sich hierin möglicherweise prinzipiell von offenen Ganztagsschulen. Ihr deutlich erweitertes, für alle Schüler obligatorisches Zeitkontingent und die damit verbundenen vielfältigen Chancen zur Rhythmisierung erlauben die Implementierung flexibler vertiefender Arbeitszeiten, ob diese nun Silentium, Aufgabenzeit oder wie auch immer heißen mögen. Dabei können die Hausaufgaben durch Substitution oder Integration tatsächlich in ihrer klassischen Form entfallen und mit ihnen sowohl die dadurch entstehenden Probleme ( und Chancen) als auch die sich daraus ergebenden (Kooperations-) Anforderungen. Von daher können wir uns hier auf die verschiedenen Organisationsformen offener Systeme konzentrieren, die sich dadurch auszeichnen, dass das GTS-Angebot freiwillig ist und als Huckepack-Lösung offeriert wird. In solchen Einrichtungen muss das Personaltableau in der Regel um außerschulische Kräfte erweitert werden, die nicht selten Hausaufgabengruppen betreuen. Dabei ist zu unterstellen: In der und für die Ganztagsschule spielt der Komplex Hausaufgaben eine weitaus wichtigere Rolle, als das für Halbtagsschulen festgehalten wurde, und zwar insbesondere aus Elternsicht. Diese Einschätzung wird von allen einschlägigen empirischen Untersuchungen gestützt, zuletzt in der sehr aufwändigen bundesweiten Langzeit- Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). 2007 veröffentlichte Wolfram Rollett als an diesem Forschungsprojekt beteiligter Wissenschaftler die Ergebnisse einer Befragung von 8553 betroffenen Eltern zur Zufriedenheit mit verschiedenen Aspekten des Ganztagsbetriebs (vgl. Rollett 2007, S. 294 Tab. 15.10): Im Durchschnitt sind die Eltern mit dem Ganztagsbetrieb eher zufrieden. Einige Aspekte werden allerdings stärker kritisiert: Am häufigsten»eher nicht zufrieden«oder»gar nicht zufrieden«sind die Eltern mit den Bereichen»gezielte Hilfen für die Hausaufgaben«(41%),»Lernfördermaßnahmen«(34%) und»beaufsichtigung der Hausaufgaben«(33%). [ Dabei] könnte es sich aber auch um ein typisches Problem der lernbezogenen Nachmittagsbetreuung handeln: Eltern erwarten sich von der Ganztagsschule häufig eine ähnlich zeitintensive Lern- und Hausaufgabenbetreuung, wie sie möglich ist, wenn ein Erwachsener mit ein oder zwei Kindern arbeitet ein ebenso basales wie scheinbar unvermeidliches Missverständnis, dass im Dialog zwischen Schule und Erziehungsberechtigten aufzudecken ist. Unter den am häufigsten von Eltern genannten Veränderungswünschen taucht an prominenter Stelle die Verbesserung des Informationsflusses zwischen Schule und Elternhaus auf (a. a. O., S.297 Tab. 15.13); hier besteht mithin noch Nachholbedarf. Bezüglich der Handhabung des Komplexes Hausaufgaben-Kooperation haben Ganztagsschulen es doppelt schwer: Zum einen sind die Erwartungen der Eltern hoch bis utopisch, zum anderen verkompliziert sich die Situation dadurch, dass die Kooperationsschiene Lehrer/innen Eltern um die Stränge Lehrer/innen Betreuungskräfte sowie Betreuungskräfte Eltern erweitert werden muss. Und so ist es nur folgerichtig, dass eine Praktikerin wie die Lehrerin Barbara Rütz, langjährige Referentin am Pädagogischen Zentrum des Landes Rheinland-Pfalz, urteilt, die Qualität der Hausaufgaben-Praxis stehe und falle mit der Qualität der Kommunikation und Kooperation, insbesondere zwischen den Personen, die Hausaufgaben erteilen und denjenigen, die ihre Erarbeitung anleiten (vgl. Rütz 2004, S. 31). Katrin Höhmann und Hermann Rademacker gehen diese Bedingung in ihrem Aufsatz Hausaufgaben und die Frage nach dem Sinn in erster Linie pragmatisch an; sie stellen zehn kompakte Fragen zur Kooperation zwischen Hausaufgabenbetreuungskräften und Lehrerinnen und Lehrern (2006, S. 145): 1. Kennen sich die Hausaufgabenbetreuungskräfte und die Lehrer(innen)? Gibt es eine Konferenz, auf der sie einander vorgestellt werden? 2. Welche Gremien, in denen sowohl Betreuungskräfte als auch Lehrkräfte sitzen, gibt es, die sich über Form, Länge, Funktion und Ausführung der Hausaufgaben verständigen? 3. Wie werden Beobachtungen, die die Betreuungskräfte zum Lernverhalten und zu Lernschwierigkeiten wie Lernpotenzialen der Schüler(innen) machen, an die Lehrer(innen) weitergegeben? Seite 3 von 9

4. Wie werden die Hausaufgabenbetreuungskräfte über schulische Absprachen informiert? 5. Werden die Hausaufgabenbetreuungskräfte in die Elternabende mit einbezogen? 6. Wie werden die Hausaufgabenbetreuungskräfte unterstützt, wenn es Disziplinprobleme gibt? 7. An wen können sich die Hausaufgabenbetreuungskräfte bei fachlichen Problemen wenden? 8. Wie werden die Hausaufgabenbetreuer(innen) informiert, wenn Kinder krank oder entschuldigt sind? 9. Wen können die Hausaufgabenbetreuer(innen) informieren, wenn für die Hausaufgabenbetreuung angemeldete Kinder nicht anwesend sind? 10. Gibt es für die Mitarbeiter(innen) der Hausaufgabenbetreuung Postfächer? Eine Behandlung dieser Fragen ist schon deshalb unverzichtbar, weil die Realität des schulischen Alltags nicht nur wenig Kontinuität im Betreuungsbereich aufweisen mag, sondern häufig auch unter einem Mangel an verlässlichen Kooperationsstrukturen leidet. Ein kleiner, praktikabler Beitrag zur Einrichtung eines dauerhaften Informationsaustauschs zwischen den am Vor- und Nachmittag tätigen Personen ist ein Hausaufgaben-Informationsblatt von Katrin Höhmann und Christine Hesener (2006, S. 45), das Sie ebenfalls im Anhang dieses Artikels finden. Elaborierter noch ist ein Beobachtungsbogen von Heidrun Schaarwächter (2006, S. 43), den die Hausaufgaben-Betreuung ausfüllt und an Lehrer/innen und/oder Eltern weitergibt, flexibler eine Vorlage von Claudia Wego (2007, S. 130ff.) in drei Variationen (von offen bis überwiegend geschlossen) als Informationsplattform zwischen Betreuer/innen und Eltern [s. Anhang]. Alternativ kommt der Einsatz eines strukturierten Mitteilungshefts in Frage, das ebenfalls zwischen Betreuer/innen, Lehrer/innen und Eltern kursieren kann. Es ist naheliegend, dass alle diese Vorschläge vor allem auf Grundschüler/innen und Kinder in den Eingangsjahrgängen der Sekundarstufe I zugeschnitten sind. So hilfreich derartige Lösungen sein mögen, stellen sie doch zweifellos eine zusätzliche zeitliche und Arbeitsbelastung für die Initiatoren (Lehrer/innen, Hausaufgaben-Betreuer/innen) dar, abgesehen von der daraus zwangsläufig resultierenden Bürokratisierung. Andererseits ist es in der Praxis illusorisch, einen Jour fixe einrichten zu wollen, an dem zumindest von der schulischen Seite her alle Betroffenen teilnehmen, sich austauschen und ggf. Beschlüsse fassen können ganz abgesehen davon, dass die Kooperation mit den Eltern (die man möglicherweise über Sprechtage unter Einbeziehung der Betreuer/innen institutionalisieren könnte) dadurch nicht abgedeckt würde. An diesen Überlegungen mag der Leser erkennen, wie kompliziert, schillernd und vertrackt der Komplex Hausaufgaben-Kooperation in der Ganztagsschule ist. Nichtsdestotrotz kommt die einzelne Schule in ihrer Alltagspraxis nicht umhin, eine für die Situation vor Ort maßgeschneiderte Lösung zu finden; dem Attribut praktikabel kommt dabei mutmaßlich die größte Bedeutung zu. Dr. Lothar Zepp, Luxembourg (lothar.zepp@gmx.de) Seite 4 von 9

Fairbanks, E.K., Clark, M. & Barry, J. (2005). Developing a comprehensive homework policy. In: Principal, 84 (3), 36-39; Hagstedt, H. (2004). Hausaufgaben sind Kindersache. In: Die Grundschulzeitschrift, 18 (179), 6-11; Höhmann, K. (2006). Rahmenbedingungen von Hausaufgaben. In: Praxis Schule 5-10, 17 (1), 10-13; Höhmann, K. & Hesener, C. (2006). Hausaufgaben in der offenen Ganztagsschule. In: Praxis Schule 5-10, 17 (1), 43-45; Höhmann, K. & Rademacker, H. (2006). Hausaufgaben und die Frage nach dem Sinn. In: K. Höhmann & H.G. Holtappels (Hg.). Ganztagsschule gestalten. Konzeption Praxis Impulse (S. 132-145). Seelze-Velber; Huang, D. & Cho, J. (2009). Academic enrichment in high-functioning homework afterschool programs. In: Journal of Research in Childhood Education, 23 (3), 382; Kirn, E. (1978). Die Hausaufgabe in der Einschätzung der Eltern und Schule Überprüfung der den Hausaufgaben zugeschriebenen pädagogischen und didaktischen Funktion oder Hausaufgabensituation Teil eines heimlichen Lehrplanes? In: Schulversuche und Schulreform, Bd. 16: Hausaufgaben empirisch untersucht (S. 147-214). Hannover; Krumm, V. (2001). Elternhaus und Schule. In: D.H. Rost (Hg.). Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 2., neu bearb. u. erw. Aufl. (S. 108-115). Weinheim; Rollett, W. (2007). Schulzufriedenheit und Zufriedenheit mit dem Ganztagsbetrieb und deren Bedingungen. In: Holtappels, H.G., Klieme, E. Rauschenbach, T. & Stecher, L. (Hg.). Ganztagsschule in Deutschland. Ergebnisse der Ausgangserhebung der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG). Weinheim u. München, 283-312; Rütz, B. (2004). Hausaufgaben in der Schule. Erfahrungen aus Ganztagschulen in Rheinland-Pfalz. In: Die Grundschulzeitschrift, 18 (179), 30f.; Schaarwächter, H. (2006). Haus -Aufgaben an Ganztagsschulen. Beispiele für eine andere Aufgabenpraxis. In: Lernende Schule, 9 (35), 39-43; Sommerla, G. (1978). Praxis, Effektivität und Funktionen traditioneller Hausaufgaben im Urteil von Lehrern. In: s. Kirn, E. (S. 71-146); Wego, C. (2007). Hausaufgabenbetreuung an einer Offenen Ganztagsgrundschule. In: K. Höhmann, B. Kohler, Z. Mergenthaler & C. Wego. Hausaufgaben an der Ganztagsschule. Praxisreihe Ganztagsschule, hg. v. S. Appel, U. Rother & G. Rutz (S. 111-141). Schwalbach/Ts. Seite 5 von 9

Muster-Hausaufgaben-Vertrag (nach Hagstedt 2004, S. 10) 1. Zwischen dem Schüler Benjamin Mustermann, seinen Eltern und der Klassenlehrerin, Frau Muster, wird folgender Vertrag geschlossen: Mit Beginn des neuen Schuljahres übernimmt Benjamin Mustermann die alleinige Verantwortung für seine Hausaufgaben. 2. Zum Verantwortungsbereich gehören insbesondere die folgenden Aufgaben 1. das selbstständige Führen eines Hausaufgabenheftes 2. die freie Einteilung der Arbeitszeit für die Aufgaben der Woche 3. die fristgerechte Erledigung der Arbeitsaufträge 4. das Einbringen freiwilliger Aufgaben in den Unterricht sowie 5. das zuverlässige Berücksichtigen der Dauer-Hausaufgaben. 3. Benjamins Eltern und die Klassenlehrerin erklären sich bereit, die folgenden acht Hausaufgabenrechte der Kinder anzuerkennen: 1. Jedes Kind hat das Recht auf einen ruhigen Arbeitsplatz für Hausaufgaben. 2. Jedes Kind hat das Recht, seine Hausaufgaben selbstständig und ohne Druck anzufertigen. 3. Jedes Kind hat das Recht, Fehler zu machen. Hausaufgaben müssen nicht fehlerfrei sein. 4. Jedes Kind hat das Recht, mit seiner Lehrerin individuelle Hausaufgaben abzusprechen. 5. Jedes Kind hat das Recht auf Hausaufgabenkritik und Hausaufgabenbeurteilung. 6. Jedes Kind hat das Recht, den Hausaufgabenvertrag im Klassenrat einzuklagen. 7. Jedes Kind hat das Recht auf hausaufgabenfreie Tage (für die es Gutscheine gibt). 8. Jedes Kind hat das Recht, nach Überschreiten vereinbarter Zeitgrenzen Hausaufgabenteile unbearbeitet zu lassen. 4. Falls die Eltern oder die Lehrerin gegen diese Rechte verstoßen, können verschiedene Schlichtungsrunden einberufen werden. 1. Eltern-Kind-Gespräch (zunächst ohne Schlichter, evtl. Lehrerin als Schlichterin) 2. Verhandlung im Klassenrat (evtl. Klassenratspräsident als Schlichter) 3. Beratung beim Elternabend (evtl. Elternbeiratsvorsitzender als Schlichter). 5. Dieser Vertrag hat zunächst eine Laufzeit von drei Monaten. Er verlängert sich automatisch bis zum Ende des Schuljahres, falls nicht Einspruch erhoben worden ist. Ort, Datum Unterschrift Schüler Unterschrift Elternteil/e Unterschrift Lehrkraft Seite 6 von 9

Hausaufgaben-Informationsblatt zwischen Betreuern der Hausaufgabenzeit und Lehrkräften zwischen Lehrkräften und Betreuern der Hausaufgabenzeit Name der Schülerin/des Schülers: Name der Betreuerin/des Betreuers in der Hausaufgabenzeit: Name der zuständigen Lehrerin/ des zuständigen Lehrers: Die Schülerin/der Schüler hatte folgende Schwierigkeiten mit den gestellten Hausaufgaben: hat Folgendes besonders gut gekonnt: war/ist während der Hausaufgabenbetreuung entschuldigt war/ist während der Hausaufgabenbetreuung nicht anwesend konnte folgende Hausaufgaben nicht (vollständig) machen: sollte heute die folgenden Hausaufgaben zuerst machen: Gründe hierfür waren: Die Hausaufgaben waren zu schwer. Die Aufgabenstellung war unverständlich. Die Aufgabe war zu umfangreich. Es wurden in zu vielen Fächern Hausaufgaben aufgegeben. Es fehlte das Material, um sie bearbeiten zu können. Sonstiges: Datum: Unterschrift: Seite 7 von 9

Fremdbeobachtung durch HA-Betreuung Beobachtungsbogen für die Arbeitsstunde am: Klasse: Die Schülerin / der Schüler 1 führt das Mitteilungsheft korrekt, d. h. hat die Aufgaben an der vorgesehenen Stelle notiert. 2 schafft es, zu Beginn der Stunde die Arbeitsmaterialien auf dem Tisch bereitzulegen. 3 geht mit dem Arbeitsmaterial angemessen um. 4 beginnt zügig mit der Arbeit. 5 arbeitet konzentriert. 6 sucht bei Problemen erst nach eigenen Wegen. 7 holt sich bei begründeten Problemen Hilfe. 8 unterstützt andere, wenn diese nicht zurecht kommen. 9 ist bereit, zusätzliche Aufgaben zu bearbeiten oder Defizite auszugleichen. 10 kann ihre/seine Arbeit gut organisieren. 11 kann sich grundsätzlich an die Verhaltensregeln der AS halten. Seite 8 von 9

Kooperation in der HA-Betreuung zwischen HA-Betreuer und Eltern Variante 1 a (Offene Form): Name: Woche vom bis Tag Deutsch Mathe Sonstiges Arbeitsverhalten Zeit Montag Aufgabenstellung unklar Schwierigkeiten beim kl. Einmaleins (v. a. 8er, 9er- Reihe) klagt über Leibschmerzen; wird um 14.00 Uhr abgeholt z. T. unkonzentriert 35 min Variante 1 b (überwiegend geschlossene Form): Name: Woche vom bis Tag Deutsch Mathe Sonstiges Arbeitsverhalten Zeit Montag erledigt: Hilfe: ganz keine teilw. wenig erledigt: Hilfe: ganz keine teilw. wenig klagt über Leibschmerzen; wird um 14.00 Uhr abgeholt z. T. unkonzentriert 35 min nicht viel nicht viel Bemerkungen: Bemerkungen: Variante 2: Hier ersetzt der Informationsbogen das HA-Heft des Schülers: Er trägt seine HA unmittelbar an der entsprechenden Stelle im Bogen ein, die HA-Betreuung füllt die ihr zugedachten Felder aus, am Ende der Woche erhalten die Eltern das Blatt als Rückmeldung und zeichnen es ab, um ihre Kenntnisnahme zu bestätigen. Diese Variante bietet sich insbesondere bei ausgeprägter HA-Differenzierung an. Name: Woche vom bis Tag Deutsch Mathe Sonstiges Arbeitsverhalten Zeit Montag AB Silbentrennung Geschichte lesen (S. 123) Bemerkungen: AB zügig richtig ausgefüllt MB S. 45, Nr. 1-3 Bemerkungen: Schwierigkeiten / Hilfestellung bei der schriftl. Subtraktion klagt über Leibschmerzen; wird um 14.00 Uhr abgeholt z. T. unkonzentriert 35 min Seite 9 von 9