Dossier. 26. Februar 2013

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Transkript:

26. Februar 2013 Dossier Der Rahmenvertrag für Frieden, Sicherheit und Zusammenarbeit zur DR Kongo von Addis Abeba - Auftakt zum nachhaltigen Frieden in der Region der Großen Seen? Am 24.2.2013 haben die Staatspräsidenten der elf Anrainerstaaten der DR Kongo 1 gemeinsam mit Vertretern der Vereinten Nationen (VN), der Afrikanischen Union (AU), der Konferenz der Staaten der Region der Großen Seen Afrikas (ICGLR) und der Gemeinschaft für Entwicklung der Region des Südlichen Afrika (SADC) ein Rahmenabkommen zur nachhaltigen Friedensförderung und Entwicklung in Zentralafrika unterzeichnet. Alle Unterzeichnerstaaten bilden fortan eine sogenannte 11+4 Gruppierung, die sich in einem Folgemechanismus für die gewaltfreie Regelung von Konflikten und eine gemeinschaftliche Wirtschaftsentwicklung in der Region einsetzen will. Dieses Abkommen verspricht einen Neustart der Friedensverhandlungen von Nairobi 2008 und Goma 2009, die alle darauf abzielten, die Kongokriege seit 1996 zu beenden und regional auf breiter Basis abgesicherte Friedenslösungen zu erreichen, die Stabilität, wirtschaftliche Entwicklung und gute nachbarschaftliche Beziehungen zwischen den Staaten ermöglichen sollten. Anlass für die Verhandlungen in Addis Abeba war die Eskalation des Konfliktes zwischen der Gruppierung M23, bewaffneter Ableger des Nationalen Kongress für die Befreiung des Volkes (CNDP) und der Regierungsarmee der DR Kongo (FARDC), die im November 2012 in der zeitweisen Besetzung der Provinzhauptstadt Goma im Nordkivu gipfelte. Seit 2006 hat die CNDP weite Teile der Kivu-Provinzen de facto unter ihrer militärischen Gewalt. Den Nachbarstaaten Ruanda und Uganda wird in mehreren Berichten einer Expertengruppe des UN Sicherheitsrates vorgeworfen, die CNDP und ihre Splittergruppe M23 personell, finanziell und logistisch unterstützt zu haben. Ziel der CNDP war es ihrem eigenen Anspruch nach zunächst, die ruandophone Bevölkerungsgruppe der sogenannten Banyamulenge in den Kivu-Provinzen vor Übergriffen zu schützen. Mittlerweile hat sich die CNDP als de facto territoriale Kontrollmacht etabliert und kontrolliert auch den lukrativen Zugriff auf die wirtschaftlichen Ressourcen in der rohstoffreichen Region. In vielen Gebieten hat die CNDP eigene parastaatliche Verwaltungsstrukturen errichtet, erhebt Steuern und kontrolliert Straßen und Warenströme. Ihr werden, ebenso wie der M23, anderen Milizen und den staatlichen Sicherheitskräften, schwere Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und illegale Geschäfte vorgeworfen. Ein Teil der Profite wurde darüber hinaus offenbar auch an die Nachbarstaaten Ruanda und Uganda transferiert. 1 Angola, Burundi, DR Kongo, Republik Kongo, Ruanda, Sambia, Südafrika, Südsudan, Tansania, Uganda, Zentralafrikanische Republik 1

Trotz des Friedensabkommens von Goma vom 23. März 2009 ist es der kongolesischen Regierung nicht gelungen, die CNDP wie vorgesehen in die nationale kongolesische Armee FARDC zu integrieren und die staatliche Befehlsgewalt über diese Truppen zu erreichen. Im Gegenteil, der politische Führer der CNDP, Bosco Ntaganda, wurde trotz Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes nicht verhaftet und ausgeliefert. Der Versuch von Präsident Joseph Kabila, 2012 innenpolitische Stärke zu demonstrieren, indem er die Verhaftung Ntagandas ankündigte, provozierte im Herbst 2012 die Abspaltung der M23 Milizen unter Ntagandas Gefolgsmann Sultani Makenga. So kam es zur folgenden militärischen Eskalation des Konfliktes, die aufzeigte, dass die CNDP und M23 den staatlichen Sicherheitsorganen der DR Kongo militärisch überlegen sind. Die Kämpfe zwischen FARDC und M23 haben in den letzten Monaten bis zu 700.000 intern Vertriebene verursacht und ungezählte Opfer an der Zivilbevölkerung gefordert. Addis Abeba und Kampala: Warum zwei getrennte Friedensverhandlungen? Aufgrund der Unfähigkeit der kongolesischen Armee, die Krise um die CNDP und M23 militärisch zu bewältigen, kam es im Dezember 2012 auch auf internationalen Druck hin zu Friedensverhandlungen mit den Nachbarstaaten Ruanda und Uganda. Die unterschiedlichen Positionen der kongolesischen Führung, der M23, der CNDP und der Regierungen von Ruanda und Uganda ließen allerdings schon bald erkennen, dass eine rasche Lösung auf dem Verhandlungsweg nicht zu erwarten ist. Zu divergent sind die Interpretationen der Konfliktlage durch beide Seiten. Aus Sicht der Regierung von Kinshasa liegt die Ursache für die aktuelle Krise vor allem in den aus dem Ausland initiierten Übergriffen der illegalen M23-Miliz. Laut diesem Narrativ sollte die Internationale Gemeinschaft die Eingriffe Ugandas und Ruandas unterbinden, danach könne Frieden in der Region einkehren. Direkte Verhandlungen mit den M23 und der CNDP werden von Präsident Kabila nur widerstrebend akzeptiert, da er diese Akteure weiterhin als Terroristen ablehnt, die keinen Platz am Verhandlungstisch verdienten. Die CNDP und M23, unterstützt von Ruanda und Uganda, halten dagegen, dass der Friedensvertrag von Goma 2009 durch die kongolesische Regierung und Armeeführung nicht vollständig umgesetzt oder gebrochen wurde, sodass die Mitglieder der CNDP ein Recht hätten, gegen die Umstände ihrer Integration in die FARDC zu protestieren. Sie betonen, dass die Konflikte auf ein Versagen der kongolesischen Regierung bei der Reform des nationalen Sicherheitssektors und bei der staatlichen Kontrolle der Kivuregion zurückzuführen seien. Da die nationalen Sicherheitskräfte FARDC und Polizei nicht in der Lage seien, die Kivuprovinzen zu sichern und Schutz für Bevölkerungsgruppen wie die Banyamulenge zu garantieren, müsste die CNDP diese Aufgabe übernehmen. Laut dieser Rhetorik handelt es sich bei der aktuellen Krise ein rein innerkongolesisches Problem. Sowohl Ruanda als auch Uganda bestreiten vehement, die M23- Milizen unterstützt zu haben. Auf Druck der internationalen Gemeinschaft haben sich beide Lager unter Moderation des ICGLR-Sekretariats auf Verhandlungen eingelassen. Seit Dezember 2012 wird in Kampala zwischen der Regierung der DR Kongo, Vertretern von CNDP / M23 und den Regierungen von Ruanda und Uganda debattiert. Vor allem Ruanda und Uganda unterstützen diese Verhandlungen, da sie im Kern ihrer eigenen Interpretation des Konfliktes entsprechen: Präsident Kabila soll sich mit den Rebellengruppen an einen Tisch setzen und eine innerkongolesische Verhandlungslösung finden. Zugeständnisse an CNDP und M23 bleiben dabei unausweichlich. Die Hauptverantwortung wird auf Seiten der kongolesischen Führung gesehen, der es bisher nicht 2

gelungen ist, die Reform des Sicherheitssektors und darüber hinaus den Staatsaufbau voran zu bringen und damit Rebellengruppen die Grundlage zu entziehen. Auf Ebene der Vereinten Nationen, der AU und der SADC folgt die Konfliktanalyse eher einem regionalen Ansatz. Dort wird die Mitverantwortung der Nachbarstaaten an der Krise deutlich wahrgenommen und die Notwendigkeit erkannt, einen umfassenden politischen Friedensprozess zu initiieren. Die Friedensverhandlungen wurden daher auf zwei Ebenen verlagert: In Addis Abeba verhandelten die elf Regierungen der ICGLR-Staaten über einen überregionalen Pakt, der im Kern den Grundsatz der Akzeptanz der jeweiligen nationalen Souveränität und des Verzichts auf eine militärische Einmischung in Nachbarstaaten festschreibt. Sie legen den Akzent auf eine militärische Lösung, indem der MONUSCO eine zentrale Rolle bei der Ausschaltung der M23 zukommen soll, um Stabilität und Sicherheit herzustellen. Diese Verhandlungen folgen dem Narrativ der kongolesischen Führung und erhalten daher mehr Akzeptanz aus Kinshasa. Inhalte des Rahmenabkommens von Addis Abeba Im Rahmenvertrag von Addis Abeba haben die elf unterzeichnenden Regierungen unter Vermittlung von VN, AU, ICGLR und SADC vier grundlegende Vereinbarungen getroffen: Den gegenseitigen Respekt vor der nationalen Souveränität und das Versprechen, sich nicht mehr militärisch in den Nachbarstaaten zu engagieren; Unterstützung für die Bemühungen der Regierung der DR Kongo, den nationalen Sicherheitssektor, die Justiz, die Regierungsstrukturen und den Rohstoff- und Wirtschaftssektor zu rehabilitieren, die Verstärkung der UN-Blauhelmmission MONUSCO bei der Beratung der kongolesischen Regierung und der militärischen Eingrenzung von illegal operierenden Milizen durch eine sogenannte Neutral International Force NIF, die Entsendung eines Besonderen Gesandten des UN Sicherheitsrates (Special Envoy), der das Engagement der Geberstaaten und der Vereinten Nationen gegenüber der DR Kongo koordinieren und eng mit den Anstrengungen der kongolesischen Regierung verzahnen soll. Nach Jahren einer zurückhaltenden Haltung haben die Vereinten Nationen als treibende Kraft der Friedensverhandlungen wieder an Einfluss auf den politischen Prozess in der DR Kongo gewonnen. Neben einer erweiterten Beratungsrolle im Bereich Sicherheitssektorreform und bei der Rehabilitierung der staatlichen Strukturen hat die MONUSCO auch den Auftrag erhalten, die lange debattierte Neutral International Force (NIF) sowie drei Beobachtungsdrohnen unter ihrem Mandat aufzustellen. Damit werden die MONUSCO-Blauhelmtruppen von zuletzt nur noch 17.500 Mann wieder auf die 22.000 Soldaten aufgestockt, die im derzeit gültigen Mandat eigentlich vorgesehen sind. Dies bekräftigte der UN Generalsekretär in einer Pressemitteilung einen Tag nach der Unterzeichnung des Vertrages von Addis Abeba. Auch die Schaffung des Postens eines Sondergesandten, der dem UN Sicherheitsrat unterstellt ist, unterstreicht den Anspruch der Vereinten Nationen, wieder intensiver in die politischen Entscheidungen der kongolesischen Regierung eingebunden zu werden. Der Rahmenvertrag sieht einen sogenannten 11+4 Folgemechanismus vor und ruft die elf Staaten der Region sowie die VN, die ICGLR, die AU und die Staatengemeinschaft des südlichen Afrika SADC zu gemeinsamen regionalen Anstrengungen zur Friedenssicherung in der 3

DR Kongo auf. Dieser Appell an den guten Willen aller beteiligten Staaten kann jedoch die substantiellen Differenzen nicht verdecken. Eine gemeinsame konkrete Handlungsstrategie konnten die Unterzeichnerstaaten nicht festlegen. Es bleibt bei der unverbindlichen Selbstverpflichtung zu regelmäßigen Konsultationen. Damit bleibt das Papier weit hinter den Erwartungen der Beobachter zurück. Auch der innerkongolesische Folgeprozess zum Rahmenabkommen wird nur benannt, aber nicht im Detail festgelegt, sodass breiter Spielraum für die Interpretation des Abkommens gegeben ist. Die kongolesische Zivilgesellschaft kritisiert, dass sie in den Verhandlungsprozess weder einbezogen wurde, noch im Abkommen erwähnt wird. Damit bleibt der Rahmenvertrag auf die Regierungsebene beschränkt und erkennt die wichtige Rolle, die Nichtregierungsorganisationen, Medien, Kirchen und Interessengruppen in der DR Kongo als zentrale Akteure im Friedensprozess spielen, nicht an. Ebenso gravierend ist das Fehlen einer Erklärung zum Umgang mit den CNDP/M23 im Rahmenvertrag. Zwar hatte die Krise um die M23-Rebellion vom November und Dezember 2012 die Friedensverhandlungen ausgelöst, nun werden sie aber im Papier nicht erwähnt. Nur indirekt kann der Passus, dass alle Unterzeichnerstaaten garantieren, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Nachbarstaaten einzumischen und keine illegalen Milizen zu tolerieren oder zu fördern, als ein Hinweis darauf gelesen werden, dass Uganda und Ruanda bereit sind, ihre Unterstützung für die CNDP und M23 zukünftig zu unterlassen. Offenbar waren die Verhandlungen von Addis Abeba so konfliktreich, dass eine detailliertere Erklärung vermieden und die Streitpunkte auf die Ebene der Verhandlungen von Kampala ausgelagert wurden, wo konkrete Absprachen über die Rolle Ruandas, Ugandas, der CNDP und M23 getroffen werden sollen. In Kampala sind die Positionen der einzelnen Akteure allerdings noch so gegensätzlich, dass die Verhandlungen derzeit fast zum Stillstand gekommen sind. Damit bietet der Rahmenvertrag von Addis Abeba allein eine Goodwill-Erklärung der elf zentralafrikanischen Staaten, aber keine detaillierte Roadmap oder konstruktive Konfliktlösungsagenda. Auch die Vorgaben für die kongolesische Regierung, mit der Rehabilitierung des Sicherheitssektors, der Dezentralisierung, der Wirtschafts- und Infrastrukturreform und der juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung der Gewaltvergangenheit die wichtigsten Reformprojekte endlich engagierter anzugehen, bleiben sehr vage. Die Probleme sind bereits seit langem bekannt, ohne dass nennenswerte Fortschritte sichtbar wurden. Darüber hinaus sind Sanktionsmöglichkeiten für Staaten, die sich nicht an die Absprachen halten werden, im Vertragswerk nicht vorgesehen. Dies beschädigt die Verbindlichkeit des Abkommens erheblich. Dagegen wird die Rolle der Partnerstaaten, insbesondere der EU, Belgiens, der USA, Frankreichs und Großbritanniens betont und diese aufgefordert, eine gemeinsame Geberstrategie zu entwickeln. Voraussetzungen für einen Friedensprozess in der Region Das Rahmenabkommen von Addis Abeba unterstreicht den Willen der zentralafrikanischen Staaten und der internationalen Bündnisse VN, ICGLR, AU und SADC, regionale und überregionale Friedensbündnisse einzugehen um Frieden und Sicherheit herzustellen. Das Papier lässt allerdings viele Konfliktthemen unbeantwortet und bietet keine konkreten Regelungen für drän- 4

gende Fragen, die die heutige Krise in der DR Kongo prägen. Folgende Fragen sind weiterhin unbeantwortet und müssen für einen nachhalten Friedensprozess geklärt werden: Rolle von Bevölkerung und Zivilgesellschaft Beide Verhandlungsstränge haben bislang die Belange der betroffenen Bevölkerungen weitgehend ausgeklammert und auch die Ressourcen der kongolesischen Zivilgesellschaft, der Kirchen und der Interessensverbände zur Konfliktlösung nicht anerkannt. Ohne eine Einbindung einer repräsentativen und relevanten Auswahl von Vertretern der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft in den Friedensprozess ist ein nachhaltiger Erfolg der Verhandlungen ausgeschlossen. Kohärente Geberstrategie Die Gemeinschaft der internationalen Partner- und Geberstaaten hat bislang noch keinen kohärenten Ansatz entwickelt, wie sie die Krise im Osten der DR Kongo interpretieren und behandeln will. Während einige Staaten Ruandas Rolle im Konflikt betonen und z.b. die Budgethilfe eingefroren haben, um Druck auf die Regierung in Kigali auszuüben, folgen andere Staaten dieser Strategie nicht. Auch im Bereich des Staatsaufbaus in der DR Kongo, bei den Leistungen zur Sicherheitssektorreform oder in der Entwicklungszusammenarbeit gibt es kaum koordinierte Anstrengungen. Abstimmungsgremien wie die Congo Contact Group bilden die Ausnahme. Ein langfristig angelegter Harmonisierungsprozess und eine regelmäßig tagende Geberkonferenz könnten dazu beitragen, in Abstimmung mit den internationalen Partnern und den Nachbarn in der Region ein nachhaltiges Entwicklungskonzept für die Stabilisierung zu entwickeln, das insbesondere die besonders vulnerablen Gruppen wie Flüchtlinge, Kinder oder Gewaltopfer unterstützt. Militärische oder Verhandlungslösung Das Rahmenabkommen von Addis Abeba beinhaltet eine Neuausrichtung des Mandates der MONUSCO und eine Aufstockung der Blauhelmmission um die NIF, die unter der Leitung südafrikanischer und tansanischer Generäle aktiv werden soll. Noch ist allerdings nicht geklärt, in welcher Weise die NIF samt der zugesagten Beobachtungsdrohnen agieren wird. Während sich die kongolesische Regierung aktive militärische Schläge gegen die M23 wünscht, um die Miliz auszuschalten (peace enforcement), wäre auch ein passiver Einsatz der NIF mit dem Ziel des Schutzes der Bevölkerung denkbar, indem die neuen Truppen vor allem zur Einrichtung einer Pufferzone und zur Überwachung der Grenzregion zu Uganda und Ruanda eingesetzt sind. In den vergangenen Jahren haben sich Militäraktionen unter Beteiligung der Blauhelme wie Umoja Wetu oder Kimia I+II gegen FDLR Rebellen nie als langfristig erfolgreich erwiesen. Die illegalen Milizen konnten im unwegsamen Gelände der Kivus nur verdrängt und dezimiert, aber nicht völlig ausgeschaltet werden, während die Auswirkungen der Kampfhandlungen und Racheakte auf die Zivilbevölkerung immens waren. In jedem Fall birgt eine militärische Strategie das Risiko einer Eskalation des Konfliktes mit weitreichenden Folgen für die Region und die gesamte DR Kongo. Daher sollte ein zu aggressives Mandat der MONUSCO und NIF auf jeden Fall vermieden werden und ein politischer Verhandlungsprozess den Vorzug erhalten. 5

Nationale oder Regionale Strategie Wie oben beschrieben folgen die Verhandlungen von Kampala und Addis Abeba zwei unterschiedlichen Interpretationsmustern des Konflikts in der Kivuregion. Bei einer umfassenden Analyse der Akteure und der Betroffenen des Konfliktes wird allerdings deutlich, dass beide Ansätze, sowohl das innerkongolesische als auch das regionale Erklärungsmuster stichhaltig und relevant sind. Daher ist ein integriertes Konzept zur Konfliktbewältigung notwendig, um allen Aspekten der Krise gerecht zu werden. Internationaler Druck auf die Nachbarstaaten ist nötig, um deren vielfältige Formen von Interventionen in der DR Kongo zu reduzieren und in regulierte zwischenstaatliche Wirtschafts- und politische Beziehungen umzuwandeln. Gleichzeitig muss aber auch die kongolesische Regierung gemeinsam mit der Zivilgesellschaft verstärkt die notwendigen Reformprozesse im eigenen Land voranbringen, Korruption bekämpfen und die Infrastruktur für Sicherheit und Entwicklung viel engagierter herstellen. Dazu müssen konstruktive und verbindende Elemente statt polarisierender und spaltender Aspekte in den Vordergrund treten. Die unterstützenden Strukturen, die die Vereinten Nationen und die regionalen und bilateralen Partner zur Verfügung stellen, sollten beide Komponenten des Konfliktes im Auge behalten und in ihre Zusammenarbeit mit den Staaten in der Region integrieren. Sanktionsmechanismen gegen die Unterzeichner des Rahmenvertrages von Addis Abeba Bislang sieht der Rahmenvertrag von Addis Abeba keine Sanktionsmechanismen für den Fall vor, dass die Unterzeichnerstaaten ihre Zusagen verletzen. Insbesondere das Gebot, die nationale Souveränität der DR Kongo zu respektieren und keine militärischen Rebellen wie die M23 zu finanzieren oder deren Mitglieder zu fördern und zu schützen dürfte in der Realität kaum umfassend umgesetzt werden. Die VN als ein Hauptakteur im Friedensprozess sollten ihr Instrumentarium zur Überwachung des Friedensprozesses daher überprüfen. Insbesondere der geforderte Sondergesandten und die Recherchen der VN-Expertengruppe zur DR Kongo können dazu beitragen, alle Parteien und ihre Rolle im Friedensprozess zu überwachen und zu positiven Bemühungen zu motivieren. Die Gemeinschaft der internationalen Partnerstaaten, aber auch die Weltbank und der IWF haben ebenfalls die Möglichkeit, durch die Vergabe oder Zurückhaltung von Zuwendungen sicherzustellen, dass Benchmarks im Bereich Friedenssicherung, Einhaltung der Menschenrechte, Entwicklungsfortschritte und Justiz eingehalten werden. Dazu ist aber auch die klare Formulierung von Sanktionsmechanismen notwendig. Staatsaufbau in der DR Kongo Selbst die kongolesische Regierung hat in den Verhandlungen von Addis Abeba anerkannt, dass eine zentrale Ursache für die Entstehung immer neuer Milizengruppen in der Kivuregion darin liegt, dass staatliche Aufgaben wie Bildung, Gesundheit oder der Sicherheitssektor seit Jahrzehnten vollständig brachliegen und die notwendigen Reformen nicht umgesetzt werden. Daher muss die kongolesische Führung deutlich aktiver werden, um in den Bereichen Dezentralisierung, Justizreform, Demokratisierung und Rehabilitierung der Infrastruktur endlich sichtbare Erfolge zu erzielen. Lokal- und Provinzwahlen sind seit 2011 angekündigt und sollten das Fundament für einen lokalen Demokratisierungsprozess bilden. Dies ist die Voraussetzung für lokalen Wirtschaftsentwicklung und Selbstverantwortung. 6

Landreform Ein Großteil der Konflikte in der Kivuregion lässt sich auch mit ungeklärten Landkonflikten und Streit über den Zugang zu landwirtschaftlichen Ressourcen in Verbindung bringen. Jahrzehntelange kriegerische Konflikte, Mangelnde Katasterämter und fehlende oder korrupte Gerichte tragen weiter dazu bei, dass Dispute über Landbesitz sich zu gewaltsam ausgetragenen Konflikten mit gesellschaftlicher Dimension ausweiten. Kontrolle und Management des Rohstoffabbaus Die Profitketten, die sich beim illegalen Abbau, Handel und Export der reichhaltigen mineralischen Rohstoffe in der Kivuregion bilden, tragen in großem Umfang zur Aufrechterhaltung der Gewaltökonomie bei. Bewaffnete Gruppen, aber auch die nationale Armee und Polizei profitieren ebenso vom illegalen Rohstoffhandel und willkürlichen Steuern und Wegezöllen wie mafiöse Strukturen und korrupte politische Seilschaften. Das US-amerikanische Dodd Frank Gesetz hat entgegen seiner ursprünglichen Absicht noch weiter dazu beigetragen, die letzten Reste des legalen und kontrollierten Rohstoffhandels zu zerstören, indem es die illegalen Handelswege, die die Mineralien auf asiatische Märkte ausführen, verstärkt hat. Die kongolesische Regierung muss nun ihren Willen zur Regulierung des Ressourcenhandels deutlich machen. Sie benötigt dazu die kohärente und umfangreiche Unterstützung internationaler Geber und Investoren, um legale und versteuerte Abbaumethoden neu zu etablieren, illegale Profiteure zu verdrängen, den korrekten Handel zu zertifizieren und die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards im Bergbau zu verbessern. Damit werden illegale Profiteure verdrängt und saubere nationale und internationale Investitionen angeregt. Das Projekt zur Zertifizierung von Coltan, Gold und anderen metallischen Rohstoffen, das in den letzten Jahren angelaufen ist, sollte dabei noch viel umfassender vorangetrieben werden. Dazu ist auch weitere Unterstützung internationaler Geber und Investoren notwendig. Juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen, Transitional Justice Jahrzehntelange militärische Konflikte haben die Bevölkerung in der Kivuregion tief traumatisiert und ihr Vertrauen in staatliche Institutionen und die Justiz zerstört. Zudem wurden Kriegsverbrecher bislang immer, bis auf vereinzelte Ausnahmen, von Strafverfolgung verschont und amnestiert oder erhielten sogar wichtige Posten in der nationalen Armee oder der Regierung. Auf dieser Basis der Frustration und der unbewältigten Gewalterfahrung ist eine Kultur der Brutalität gewachsen, die auch in der Gesellschaft tief verankert ist. Ohne einen umfassenden Aufarbeitungsprozess wird das hohe Niveau von sexueller Gewalt, häuslicher Gewalt und die Gewohnheit, Konflikte bewaffnet auszutragen und Macht mit Hilfe von Milizen zu erzwingen, nicht zu überwinden sein. Neben der Strafverfolgung von Kriegsverbrechern sind auch Methoden der Transitional Justice wie Wahrheitskommissionen, Gedenkstätten, Orte der Trauer und Foren einer gesellschaftlichen Debatte notwendig, um die allgemein verbreitete Gewalt Schritt für Schritt in eine Kultur der friedlichen Konfliktlösung zu überführen. 7

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