Revision. Praxisänderung ist kein Revisionsgrund

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Transkript:

Revision Praxisänderung ist kein Revisionsgrund Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Basel-Landschaft Nr. 174/1998 vom 11. Dezember 1998 Die Ausdehnung des Teilsplittingabzugs auf Renteneinkommen aufgrund einer Praxisänderung des Verwaltungsgerichtes ist kein Revisionsgrund, selbst wenn dabei gewisse Rechtsungleichheiten innerhalb einer Steuerperiode entstehen. Sachverhalt: 1. Mit Rechnung Nr. S 97/11 vom 21. Juli 1997 wurden AX und BX-Y definitiv zur Staatssteuer 1997/98 veranlagt, wobei der Teilsplitting-Abzug auf Renteneinkommen nicht gewährt wurde. 2. a) Mit Schreiben (Revisionsgesuch) vom 16. Juni 1998 gelangten die Steuerpflichtigen an die Steuerverwaltung mit dem Begehren, es seien die Steuerrechnungen der Steuerjahre 1997/98 zu rektifizieren, und zur Satzbestimmung das Teilsplitting zu berücksichtigen. Zur Begründung machten die Pflichtigen folgendes geltend: Vor einigen Wochen habe das Basellandschaftliche Verfassungsgericht entschieden, dass Renteneinkommen als Erwerbseinkommen zu betrachten seien und deshalb bei einem zweitverdienenden Ehepartner das Teilsplitting angewendet werden müsse. Für die Steuerjahre 1997/98 seien sie bereits definitiv veranlagt worden. b) Mit Revisions-Entscheid vom 30. Juli 1998 trat die Steuerverwaltung auf das Wiedererwägungs-/Revisionsgesuch nicht ein. Zur Begründung führten sie im wesentlichen an, im erwähnten Urteil habe das Verwaltungsgericht die bisherige Praxis zu 8 Abs. 2 des basellandschaftlichen Steuer- und Finanzgesetzes (StG), wonach Renteneinkommen nicht zum Teilsplitting berechtige, wegen krasser Ungleichbehandlung gegenüber Konkubinatspaaren als verfassungswidrig erklärt und den Anwendungsbereich des 8 Abs. 3 StG ausgedehnt. Die Praxisänderung sei per 29. April 1998, d.h. per Datum des mündlichen Urteils eingeführt worden. Dies bedeute, dass lediglich auf Veranlagungen, die vor dem 29. April 1998 eröffnet worden seien, und gegen die innerhalb der Einsprachefrist von 30 Tagen Einsprache erhoben worden sei, welche noch hängig sei, das neue Teilsplitting zu gewähren sei. 78 BStPra 2/2000

Den Pflichtigen sei am 21. Juli 1997 die definitive Staatssteuer-Veranlagung (Rechnung Nr. S 97/11) eröffnet worden. Innerhalb der Einsprachefrist von 30 Tagen hätten sie keine schriftliche und begründete Einsprache erhoben. Die Veranlagung vom 21. Juli 1997 sei somit längstens rechtskräftig. Eine Wiedererwägung/Revision stelle stets ein ausserordentliches Rechtsmittel dar, welches ein ordentliches Rechtsmittel, wie z.b. die Einsprache, nicht ersetzen dürfe. Die Behandlung mittels einem ausserordentlichen Rechtsmittel scheitere in den meisten Fällen daran, dass die Steuerpflichtigen den Mangel schon während der jeweils 30-tägigen Einsprachefrist hätten erkennen und gegen die Veranlagung das ordentliche Rechtsmittel der Einsprache hätten ergreifen können. Auch im vorliegenden Fall hätte die Berücksichtigung des Teilsplittings auf Renteneinkommen schon im ordentlichen Einspracheverfahren gerügt werden können. Auch eine spätere andere Praxis der Steuerbehörde, eine Gesetzesänderung oder wie im vorliegenden Fall ein Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. April 1998 berechtige nicht zu einer Revision bereits rechtskräftiger Veranlagungen. 3. Gegen den Revisions-Entscheid erhoben die Pflichtigen mit Schreiben vom 24. August 1998 Rekurs mit dem sinngemässen Begehren, es sei in der Veranlagungsperiode 1997/98 der Teilsplitting-Abzug zu gewähren. Zur Begründung machten sie geltend, bei Abgabe der Steuererklärung sei BX von der Leiterin des Steuerbüros Z dahingehend informiert worden, dass das geltende Steuergesetz bei Renteneinkommen ein Teilsplitting nicht zulasse. Dies habe sie dazu bewogen, gegen die definitive Veranlagung vom 21. Juli 1997 keine Einsprache zu erheben. Gegen das bis zum 28. April 1998 geltende Gesetz hätten sie bewusst aufgrund der vorgenannten Gründe keine Einsprache erhoben, da für sie klar gewesen sei, dass eine Einsprache gegen ein gültiges Gesetz aussichtslos sei. Der ablehnende Bescheid der Steuerverwaltung stelle eine klare Rechtsungleichheit dar, die gemäss Bundesrecht nicht statthaft sei. 4. Mit Vernehmlassung vom 9. Oktober 1998 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses. Zur Begründung führten sie im wesentlichen aus, dass die Veranlagung bereits im Sommer 1997 in Rechtskraft erwachsen sei. Nur alle noch offenen, d.h. noch nicht rechtskräftigen Veranlagungen hätten von Amtes wegen korrigiert werden können. Die Korrektur einer rechtskräftigen Veranlagung über die Revision sei hingegen aufgrund geltenden Rechts ausgeschlossen, weil die Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich keinen Revisionsgrund darstelle. BStPra 2/2000 79

Auch die kantonale Steuerrekurskommission habe in einem Entscheid vom 4. März 1994 in gleichem Sinne geurteilt: Eine Praxisänderung sei generell kein Grund für die Revision einer rechtskräftigen Veranlagung, zumal sich dadurch entstehende Rechtsungleichheiten nur auf eine einzige Steuerperiode beschränken würden. Erwägungen: 1. Die Steuerrekurskommission ist gemäss 124 des Steuer- und Finanzgesetzes vom 7. Februar 1974 (StG) i.v.m. 39 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 13. Juni 1988 (VwVG) zur Beurteilung des vorliegenden Streitfalles zuständig. Gemäss 129 Abs. 2 StG werden Rekurse, deren umstrittener Steuerbetrag wie im vorliegenden Fall mehr als Fr. 1 000. beträgt und Fr. 8 000. nicht übersteigt, vom Präsidenten und zwei Mitgliedern der Steuerrekurskommission beurteilt. Da die in formeller Hinsicht an einen Rekurs zu stellenden Anforderungen erfüllt sind, ist materiell ohne weiteres darauf einzutreten. 2. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Steuerverwaltung in ihrem Entscheid zu Recht die Voraussetzungen für eine Revision verneint hat. 3. In Rechtsprechung und Lehre ist allgemein anerkannt, dass die Steuerveranlagung, die unangefochten geblieben ist, formelle Rechtskraft erlangt. Die Festsetzung der Steuerschuld wird damit für die steuerpflichtige Person wie für das Gemeinwesen endgültig und verbindlich ohne Rücksicht darauf, ob sie materiell richtig ist. Dies ist ein Gebot der Rechtssicherheit und ergibt sich auch daraus, dass die steuerpflichtige Person bei der Veranlagung und deren Kontrolle auf dem Beschwerdeweg selbst mitwirken kann. Auf einen Veranlagungsentscheid kann deshalb nur ausnahmsweise zurückgekommen werden, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen einer Wiedererwägung bzw. Revision erfüllt sind (vgl. Urteil des Bundesgerichts [BGE] 98 la 571 Erw. 3; BGE lb 210 Erw. 1). 4. Wiedererwägungs- und Revisionsersuchen im Verwaltungsverfahrensrecht sind Gesuche an eine Behörde, eine rechtskräftige Verfügung aufzuheben oder abzuändern (Fritz Gygi, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 308 ff.). Die Terminologie in Gesetzgebung, Lehre und Praxis ist nicht einheitlich, und oftmals wird zwischen Wiedererwägung und Revision nicht unterschieden. Wünschbar wäre es, bei erstinstanzlichen Verfügungen von Wiedererwägung, bei Beschwerdeentscheiden von Urteilen und Revision zu sprechen (vgl. 39 Abs. 2 VwVG; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, Rz. 190; Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, S. 131, Nr. 43 B I). Im vorliegenden Fall handelt es sich demgemäss nach dieser Terminologie um eine Wiedererwägung. 80 BStPra 2/2000

5. a) Die Verwaltungsbehörden können unter bestimmten Voraussetzungen ihre Verfügungen in Wiedererwägung ziehen. Sie sind dazu aber nur gehalten, soweit sich eine entsprechende Pflicht aus einer gesetzlichen Regelung oder einer konstanten Verwaltungspraxis ergibt (BGE 120 lb 46 Erw. 2b). b) Nach 132 StG gelten für die Revision und die Wiedererwägung die Vorschriften über die Wiederaufnahme des VwVG. Gemäss 40 VwVG sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedererwägung für die erstinstanzlich zuständige Behörde erfüllt, wenn die der Verfügung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage sich nachträglich zugunsten einer Partei wesentlich geändert hat (Abs. 1) oder einer der folgenden «Revisionsgründe» (Abs. 2) vorliegt: Ein Verbrechen oder Vergehen hat den Erlass der Verfügung beeinflusst; Bei Erlass der Verfügung sind wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt oder aktenkundige erhebliche Tatsachen nicht berücksichtigt worden, und eine Rüge dieser Mängel war in einem früheren Verfahren nicht möglich; Erhebliche Tatsachen oder Beweismittel sind aufgetaucht, an deren Geltendmachung die Partei im früheren Verfahren ohne Verschulden verhindert gewesen ist; Die Verfügung ist mit einem schweren und offensichtlichen Rechtsmangel behaftet. c) Das Bundesgericht anerkennt ferner in gefestigter Praxis unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Wiedererwägung, welcher sich unmittelbar auf Art. 4 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) vom 29. Mai 1874 abstützt. Dieser Anspruch besteht dann, wenn die betroffene Person nachzuweisen vermag, dass gegenüber dem Tatbestand der in Wiedererwägung zu ziehenden Verfügung eine wesentlich veränderte Sachlage vorliegt, oder wenn für die Beurteilung der Verhältnisse erhebliche Tatsachen oder Beweismittel angerufen werden, die früher nicht bekannt waren oder die in jenem Verfahren nicht geltend gemacht wurden, weil der Verfügungsadressat bzw. die Verfügungsadressatin dazu nicht in der Lage war oder dafür keine Veranlassung bestand (vgl. BGE 109 lb 251; 105 la 218; 100 lb 371; 98 la 572; Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung [ZBl], 1963, S. 303). 6. a) In casu wird von den Rekurrenten als wesentliche Begründung für eine Revision die mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts [VGE] vom 29. April 1998 initiierte Praxisänderung vorgebracht. b) Gemäss Häfelin/Müller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Auflage, Zürich 1993, N. 541, stellen Rechtsetzungsakte in der Regel keine Vertrau- BStPra 2/2000 81

ensgrundlage dar. Das Prinzip des Vertrauensschutzes steht einer Änderung des geltenden Rechts grundsätzlich nicht entgegen. Im übrigen bilden nach herrschender Lehre und Rechtsprechung Praxisänderungen in der Regel keinen Grund, um rechtskräftige Verfügungen anzupassen (VGE vom 19. Juni 1991, in: BLVGE 1991, S. 56 f.). Das Verwaltungsgericht räumt in diesem Entscheid zwar ein, dass Situationen denkbar sind, in denen aus Gründen der Rechtsgleichheit eine Praxisänderung Anlass zur Anpassung von Verfügungen sein kann. Die Anpassung rechtskräftiger Verfügungen an eine Praxisänderung muss indes auf Fälle beschränkt bleiben, in denen dies zur Verhinderung krasser Rechtsungleichheiten unbedingt erforderlich ist. c) Auch im vorliegenden Fall ist an und für sich nicht auszuschliessen, dass mit der erfolgten Praxisänderung gewisse Rechtsungleichheiten entstehen. So konnten Steuerpflichtige, deren Veranlagungen im Zeitpunkt der Publikation des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 29. April 1998 noch nicht rechtskräftig waren, noch rechtzeitig Einsprache erheben. Da indes die Rechtsungleichheit sich auf eine Steuerperiode beschränkt, ist diese Rechtsungleichheit nicht als derart krass zu beurteilen, als dass sich eine Revision der Veranlagung rechtfertigen würde. Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Praktikabilität sowie unter demjenigen der rechtsgleichen Behandlung der Rekurrenten mit den übrigen bereits rechtskräftig veranlagten Steuerpflichtigen, die sich in einer der Rekurrenten vergleichbaren Lage befinden, lässt sich in casu eine Anpassung der fraglichen Veranlagung nicht verantworten. Aufgrund all dieser Erwägungen kommt die Steuerrekurskommission einstimmig zum Schluss, dass ein Wiedererwägungsgrund im Sinne von 40 VwVG nicht vorliegt, und der Rekurs demzufolge abzuweisen ist. Demgemäss wird erkannt: Der Rekurs wird abgewiesen. 82 BStPra 2/2000