Vergleich einiger Garamond-Schriften

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Transkript:

Vergleich einiger Garamond-Schriften hinsichtlich Eignung in literarischen Texten Version 1.11, gesetzt in Adobe Garamond 1. Einleitung Zeit für einen Vergleich zwischen einigen freien und kommerziellen Garamond- Schriften, den wahrscheinlich am häufigsten gebrauchten Schriftduktus im Buchdruck. Kaum eine andere Schriftvorlage wurde mannigfaltiger kopiert, interpretiert und umgezeichnet ein Beweis für die auch heute noch typografisch reichhaltige Quelle einer fast 500 Jahre alten Schrift. Einige der heutigen Garamond-Schriften versuchen sich bestmöglich den originalen Typen anzunähern jenen Typen, die Claude Garamond im 16. Jahrhundert entworfen und geschnitten hat, andere Garamond-Schriften verstehen sich als Kombination der ursprünglichen Vorlagen mit den modernen typografischen Ansprüchen, sodass sie letztlich manchmal gar nicht mehr als»garamond«bezeichnet werden dürften. Heute existieren einige Dutzend Garamond-Versionen (fast jeder Schrifthersteller hat seine eigene Garamond-Interpretation), wovon einige durch ihre Originaltreue bemerkenswert sind, andere durch ihre Anpassung an modernen Computersatz, inklusive Erweiterung der ursprünglichen Typen mit neuen Sonderzeichen, Alphabeten und Schnitten. An dieser Stelle möchte ich verschiedene Garamonds vorstellen und vergleichen; am Ende soll eine Wertung erfolgen, welche Garamond sich für welche Zwecke am besten eignet. Garamond-Schriften sind üblicherweise leicht erkennbar an hervorragender Lesbarkeit und einer auffälligen Kursiven; ferner mikrotypografisch durch den (meistens) nicht geschlossenen Bogen am Versal-P sowie den geneigten Enden am Balken vom Versal-T. Man beachte, dass sich keine der aktuell verfügbaren Garamonds für den Satz wissenschaftlicher Texte (mit vielen Sonderzeichen, mathematischen Glyphen usw.) eignen: Die ursprünglichen Formen sahen neben einem Normalschnitt und einer Kursiven bestenfalls noch einen Fettschnitt vor; Kapitälchen, halbfette Schnitte, Akzentbuchstaben, einige Sonderzeichen und Mediäval- sowie Versalziffern zählen, wenn überhaupt 1

verfügbar, zur Sonderausstattung und erweitern den Anwendungsbereich einer Garamond ganz erheblich. Im Normalfall sollten Garamonds für literarische Texte eingesetzt werden Mengentext, der beim Lesen nicht ermüden soll. Sollen Garamond-Abarten wegen ihrer hervorragenden Lesbarkeit für umfangreiche, wissenschaftliche Texte benutzt werden, sey hier uneingeschränkt auf die freie Libertine verwiesen, die keine Wünschen offen lässt. Auch die freie Junicode ist wegen ihres Zeichenumfangs einen genaueren Blick wert, auch wenn sie eigentlich auf der Clarendon basiert, was ihrer angenehmen Lesbarkeit aber keinen Abbruch tut. 2. Aufbau der Studie Verglichen wurden die folgenden Aspekte: Lizenz: frei erhältlich oder kommerziell? Einige der vorgestellten Garamonds werden auch bei der Installation großer Grafik-Programme (z. B. von Corel oder Adobe) mitgeliefert Glyphenzahl: ein Indikator für Symbolvielfalt, auch wenn beim Setzen literarischer Texte üblicherweise alle hier studierten Garamonds die notwendigen Zeichen enthalten Schnitte: wie viele Schnitte werden mitgeliefert? Die Normale und Kursive sind bei französischen Rennaissance-Antiqua sicherlich die wichtigsten, aber eine Fette oder gar Halbfette ermöglichen noch wesentlich mehr optische Spielereien zur Ausgestaltung des Textes. Einige Schriften enthalten auch sog. Display- oder Titling-Schnitte, die speziell für Überschriften gedacht sind, andere enthalten Designgrößen für sehr kleine Schriftgrößen. Prinzipiell ist die Fette meistens zu fett, d. h. auffällig, sodass eine Halbfette für den Typografen sehr attraktiv ist. Titling-Schnitte sind nicht immer ein Muss. Einige Schriften wie die ITC Garamond enthält auch noch eine UltraBold, allerdings ist diese beim Satz mit einer Garamond überflüssig. Swash-Buchstaben: Swash-Buchstaben sind beim Satz historisch anmutender Texte mit der Garamond sehr beliebt und können als Alternativ-Form z. B. den letzten Buchstaben eines Wortes ersetzen. Für wissenschaftliche Texte und literarischen Mengensatz sind Swash-Buchstaben unwesentlich, aber eine nette typografische Spielerei. Kapitälchen: wichtig allein schon für die Auszeichnung von Kapitel-Überschriften. Einige Garamonds enthalten nur Kapitälchen für die Grundschrift, andere auch für die Kursive und Fette, manchmal sogar mit Kapitälchen-Liga- 2

tur. Garamonds ohne Kapitälchen sind zwar auch nicht schlechter, aber das Einsatz-Spektrum wird eingeschränkt. Ziffernsatz: sind Mediäval- und Versalziffern enthalten? Oder nur jeweils ein Set? Es wurde nicht bewertet, ob es sich um proportionale oder Tabellenziffern handelt. Pfeile: nicht zwingend notwendig, aber ein Plus Griechisches Alphabet: gerade in wissenschaftlichen Texten wird hin und wieder ein griechischer Buchstabe gebraucht; wenn ein entsprechendes Alphabet in den Glyphensatz der Schriftart integriert wurde, passen die griechischen Buchstaben meistens auch zur lateinischen Grundschrift. Andernfalls muss man auf den Griechisch-Satz einer anderen Schriftart zurückgreifen, aber dann stimmt die Strichstärke ggf. nicht mehr überein. Hochgestellte/tiefgestellte Ziffern und Buchstaben: Potenzen bzw. Indizes kommen in naturwissenschaftlichen Texten häufig vor. Umso besser, wenn die Schriftart ein Set aus hoch- und tiefgestellten Ziffern enthält, die auf ihre angezeigte Größe zugeschnitten und nicht einfach nur»klein-skaliert«worden sind. Für literarische Texte eher von untergeordneter Bedeutung. Ligaturen: Ligaturen sind in der Mikrotypografie entscheidende Elemente, auch wenn sie den wenigsten Lesern wirklich auffallen. Nichtsdestotrotz bereichern sie die Qualität der Lesbarkeit. Die beiden Standard-Ligaturen f-i und f-l sollten wenigstens enthalten sein, wenn es sich um deutschsprachige Texte handelt. Kerning-Paare: deren Anzahl zeigt an 1, welche Qualität der Zurichtung die Schriftart nachträglich erfahren hat. Wie ich durch Muster-Vergleiche herausgefunden habe, kann eine hohe Kerning-Paare-Anzahl im Druckbild manchmal aber auch nicht überzeugen. Es ist zu beachten, dass ich die Kerning-Muster mit LibreOffice Writer erzeugt und ausgedruckt habe, das offenbar nur das alte TTF-Kerning versteht und gar nicht auf den gesamten, im GPOS-Format gespeicherten OTF-Kerning-Satz zurückgreifen kann. Das könnte erklären, warum beispielsweise die Adobe Garamond trotz Tausender Kerning-Paare nur mäßig zugerichtet erscheint. (Die Kerning-Muster hätten auch z. B. im Adobe InDesign erstellt werden können, um alle Zurichtungspaare einzubeziehen; jedoch nimmt niemand für kurze Texte oder eine wissenschaftliche Arbeit eine DTP-Software.) Meine Studien, die Kerning-»Probleme«z. B. der Adobe Garamond mit Programmen nachzustellen, die offiziell die OTF-Kerning-Tabellen verstehen (MS Word 2010 und höher, Adobe Illustrator CS6, Quark XPress 10) 1 ausgelesen mit FontExplorer 3

haben jedoch gezeigt, dass auch bei diesen die Adobe Garamond ihre nur mittelmäßige Zurichtung zeigt, z. B. bei Anführungszeichen in Verbindung mit Buchstaben mit viel Fleisch (T, W usw.) empfohlene Schriftgröße und Zeilenabstand: die in der Tabelle mitgegebenen Angaben basieren auf gedruckten Testmustern (alle auf gleichem Papier, mit demselben Drucker) in verschiedenen Schriftgrößen. Der»proportionale Zeilenabstand«wurde über LibreOffice eingerichtet, 110 % bedeuten also 1,1- fachen Zeilenabstand. 3. Kurzprofile der Garamonds weitere Informationen (Schnitte, Glyphenzahl u. a.) siehe auch Tabelle Adobe Garamond Pro Hersteller: Adobe, kommerziell, gezeichnet von R. Slimbach (1989) basiert auf Formen von C. Garamond (um 1530), orientiert sich weitgehend am Original : offene Ziffern 4, 6, 9 und Swash-Ligature Druckbild: Eine hervorragend lesbare Garamond mit klaren Formen, deren Serifen im Druck nicht wegbrechen. Es besteht ein geschlossener Kontrast zwischen der Normalen, der Kursive und den Kapitälchen. Durch den bemerkenswerten Ausbau (inkl. Halbfette) ist sie für vielfältige Einsatzgebiete geeignet. Vorsicht bei dem Titling-Schnitt, der nur Versalien enthält! Minuskeln und entsprechende Kerning-Paare fehlen, sodass der Einsatzzweck einer Versal-Titling insgesamt zweifelhaft bleibt (insbesondere, da man das schlechte Kerning in der üblicherweise größeren Schriftgröße umso besser sieht). Anmerkung: Bei der Benutzung der Adobe Garamond im LibreOffice kommt es zu Unterschieden, je nachdem, ob man auf einem Linux oder Windows arbeitet: LibreOffice unter Windows setzt beim Tippen keine Standard-Ligaturen (f-i und f-l), unter Linux schon. EB Garamond frei, gezeichnet von G. Duffner (2014), zu beziehen auf: http://www.georgduffner.at/ebgaramond/de/ versucht, dem Original möglichst nah zu kommen noch in der Entwicklung! noch nicht abgeschlossene Anpassung an optische Größen, unausgereiftes Kerning, Bold-Schnitt fehlt! in LaTeX nutzbar: \usepackage[lf]{ebgaramond} 4

Normale: Versal-R mit Schippe (erinnert an das unmögliche Versal-R der Bembo); Versal-Umlaute mit eingezogenen Trema; Bogen vom Versal-P weit geöffnet Kursive: ausladend hübsches Ampersand; steht am Wort-Ende ein Minuskel-S (z. B. Haus, was), wird eine alternative Form mit Schleife ausgegeben (diese OpenType-kompatiblen Spielereien lassen sich mit entsprechender Satz-Software auch abschalten!) griechische Buchstaben: hübsches Alphabet, basieren aber auf humanistischen Granjons, vertragen sich also optisch nicht gut mit den Garamond- Buchstaben relativ große Guillements; im OpenType-Glyphensatz ist auch eine enger gestellte Variante enthalten Druckbild: Die EB Garamond erzeugt ein dichtes, würdevolles Druckbild, was sie attraktiv für den Mengentext macht. Aufgrund ihrer Lizenz und der Standard-Verfügbarkeit für LaTeX auch für Setzer interessant, die kein Geld für die großen Garamond-Interpretationen ausgeben wollen oder können. Die Kursive ist sehr anmutig. Die Druckausgabe, von LaTeX erzeugt, wirkt insgesamt stimmiger und ausgeglichener. Anmerkungen Das Kerning ist generell gut, trotzdem einige Auffälligkeiten beim Satz mit unterschiedlichen Programmen (XeTeX vs. LibreOffice Writer): mit beiden Programmen ist auffällig, dass offenbar keine Kerning-Paare zwischen Guillemets und Buchstaben mit viel Fleisch (wie T oder V) existieren. Beim Satz mit XeTeX ist das Kerning zwischen Buchstaben mit weit nach rechts überragender Oberlänge (Minuskel-f) und einem Apostroph gut, während die Zeichen beim Satz mit LO Writer zusammenfließen. Andererseits ist das Kerning bei LO Writer gesetzten Mustern besser bei Versalien mit viel Fleisch (W, V) in Kombination mit Minuskel-ä, -ü und -ö, während diese Paare bei XeTeX einen auffälligen Abstand zeigen. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. Die Eingabe des Apostroph wird bei XeTeX und LO Writer offenbar unterschiedlich interpretiert. Während bei XeTeX das korrekte, tropfenförmige Apostroph gesetzt wird, erscheint beim Satz mit LO Writer nur ein scharfer Strich, der einem Akzent-Strich ähnelt, siehe am Ende dieses Wortes' dabei handelt es sich um ein sog. Apostroph-Ersatzzeichen, das zwar auch benutzt werden kann, aber typografisch nicht korrekt ist. Der korrek- 5

Stempel Garamond te Apostroph ( ) muss manuell über die Sonderzeichen-Tabelle eingefügt werden, Abschnitt Allgemeine Interpunktion. Hersteller: Linotype (Dr. Stempel AG), 1925 basiert auf Formen von C. Garamond (um 1530) angeblich am originalgetreuesten; Schattenachse läuft bei allen Zeichen unter demselben Winkel (Zitat: de Jong & de Jong (2011):»Schriftwechsel«) gut lesbar selbst in kleinen Schriftgrößen im Grunde deckungsgleich mit URW Garamond No8, läuft aber weiter als diese Kursive: Ziffer 5 läuft spitz zu Druckbild: Die Stempel Garamond erzeugt ein sehr gleichmäßiges, ordentliches Schriftbild, das nüchtern und betonte Sachlichkeit ausstrahlt. Die Versalien sind mit unmerkbaren, hübschen Schwüngen ausgestattet; die Kapitälchen passen nicht ganz so gut zu ihnen. Das Majuskel-S ist im Druck auffällig fleckig. Von allen Garamonds erscheint diese in einer Schriftgröße von 11 pt am größten. Simoncini Garamond Hersteller: Linotype, gezeichnet von F. Simoncini (1961) basiert auf Formen von J. Jannon (um 1620) angeblich true to the original Normale: Minuskel-E sehr offen; Strich vom Podest des Minuskel-I ausgekehlt; Minuskel-M asymmetrisch; deutlicher Haken bei der anführenden Serife der Minuskeln von n, m und r (Erkennungsmerkmal) Druckbild: zart (ohne dass die Serifen wegbrechen), aber dank der vergleichsweise großen Punzen gut lesbar. Die Kursive ist hübsch, aber die Fette etwas zu aufdringlich. Garamond Classico Hersteller: Omnibus, gezeichnet von F. Luin (1993) basiert auf Formen von J. Jannon (um 1620) Normale+Kursive: Versal-W ohne überkreuzenden Mittelteil 6

Druckbild: Wie jede Garamond vorzüglich lesbar. Obwohl mir keine Kursive und Fette vorlagen, liest sich die Normale sehr angenehm. Leider führen die Fußserifen zu einer unschönen Zeilenbildung. Man achte auf das einzigartige Versal-W. URW Garamond No8 Hersteller: URW, zu beziehen auf: https://github.com/rbrito/urw-garamond/tree/master/orig/ttf deckungsgleich mit Stempel Garamond, läuft aber enger LaTeX: das Paket garamondx ergänzt die URW Garamond No8 (Paket urwgaramond) um Kapitälchen, F-Ligaturen und Mediävalziffern, sowie eine passende Kursive für den Mathematiksatz mit newtx Normale: manche Versalien auffällig, teilweise auch die Satzzeichen; Versal- R ohne Schippe; rechter Haken am Versal-T ragt auffällig hoch Ziffern: geschlossene 4 (Normale), Ei-runde Null Pfeile im Glyphensatz enthalten, aber unschön Kursive: Ziffer 5 läuft spitz zu; Minuskel-V mit rundem Bogen; Minuskel- W mit Schleife im Mittelteil; Minuskel-Z ohne geschwungene Kopf- und Fußbalken griechisches Alphabet: Versalien mit starkem Strichstärkenwechsel, Versal- Omega sehr schmal Druckbild: Eine hervorragend lesbare Garamond mit charismatischem Schriftbild und rustikalem Charme. Im Druck erscheint sie von allen Garamonds am stärksten/auffälligsten. Für Sachtexte wirkt diese Garamond-Variante zu persönlich, es fehlt die Kühle. jgaramond Hersteller: J. Thor (2007), zu beziehen auf: www.janthor.com/jgaramond/ Kursive: sehr schmales Minuskel-E; zur Seite fallendes Minuskel-W; auffälliger Wechsel zwischen eher aufrechten und eher geneigten Buchstaben (am); schlechtes Kerning (W-a, V-A); geschwungenes Versal-Q; verspielte Züge am Minuskel-K und Minuskel-X und Minuskel-Z; insgesamt sehr interessante Kursive jede Glyphe unsauber und rau gezeichnet Annäherung an originale For- men? 7

griechisches Alphabet: hübsche Formen Druckbild: Im Druck die am zartesten/lichtesten erscheinende Garamond- Variante. Einige Striche sind so dünn, dass sie selbst bei 12 pt fast wegbrechen. Gleiches gilt für die Kapitälchen, die Ziffern (z. B. die 2) und die Kursive. Manche Buchstaben wirken in ihrer Ausformung unangemessen grob, sodass der ganze Satz etwas unbeholfen erscheint. Immerhin hat die zarte Kursive einen eigenen, schwungvollen Dunktus und ist schon für sich allein attraktiv. Insgesamt für den Mengentext zu empfindlich. Garamond No3 Hersteller: Linotype, 1936 (nach der ATF Garamond) unauffällige, ordentliche Zahlen sehr gleichförmige Buchstabenfolgen, dennoch einige eigenwillige Formen, insbesondere die Minuskeln q, p, b und d, sowie das Minuskel-a der Kursive kleines Ampersand Druckbild: Die einzige der untersuchten Garamonds, die in 11 pt zu klein und in 12 pt zu groß ist. Gut lesbar, aber breit laufend, schöne Ziffern; eine ruhige aber auffällige Kursive. Der Gesamteindruck ist stimmig, auch wenn der rechte obere Bogen vom Minuskel-e zu dünn ist. Sabon Next Hersteller: Linotype, gezeichnet von J. Tschichold (1967), J. F. Porchez (2002) basiert auf einer 14 pt-antiqua namens Saint Augustine aus dem Egenolff-Berner Musterdruck von 1592 Mediävalziffern mit kaum sichtbarer Ober- und Unterlänge deutliches Druckbild ohne gefährdete Serifen viele Ligaturen und Fleurons Druckbild: Erzeugt ein ausgesprochen sauberes Druckbild aus gleichartigen Buchstabenhöhen und -ausrichtungen ohne jegliche Abweichung. Aus diesem Grund ist die Sabon methodisch kalt und unpersönlich, aber wie alle anderen Garamonds genauso gut lesbar. Die Gleichartigkeit der Zeichen führt zum Verlust der Lebendigkeit einer Garamond, wodurch sie aber gerade für sachliche, wissenschaftliche Texte interessant wird. Einige Versalien, wie das L, K, D und M flecken. 8

ITC Garamond Hersteller: ITC, gezeichnet von Tony Stan (1975 77) Mediävalziffern mit kaum sichtbarer Ober- und Unterlänge Kursive: asymmetrisches Versal-C Druckbild: Eine unangenehm fett und weit laufende Garamond (selbst die Klammern sind unproportional!), die von einer echten Garamond nur den Namen geliehen zu haben scheint. Der Druck ist flimmrig, die Buchstaben und Zeilen neigen zu einer optischen Verzerrung, was das Lesen anstrengt. Da hilft auch keine Vielfalt an Condensed- und Ultrafetten Schnitten. In keiner Weise empfehlenswert. Granjon Hersteller: Linotype, entworfen von G. W. Jones (1928),»auf Garamonds Formen aufbauend«doppel-s-ligatur für deutsche Texte Druckbild: makellos, großzügige Laufweite Cormorant Garamond Hersteller: Catharsis Fonts, entwickelt von C. Thalmann Versal-R mit deutlicher Schippe einige Mediävalziffern sehr ausladend gezeichnet, z. B. 3 und 5 Minuskel-a der Normalen mit sehr kleinem Auge Normale und Kursive mit sehr vielen Ligaturen ausgestattet, selbst tz, Kombinationen mit langem Minuskel-s und Schmuckligaturen aus s-t. Seltsamerweise sind diese Ligaturen (bis auf tz) in der Glyphentabelle der Normalen nicht enthalten, jedoch in der Kursiven. Druckbild: selbst bei 12 pt viel zu zart, fast alle Serifen brechen weg; sonst gut lesbar. 9

4. Wertung Alle untersuchten Garamonds, mit Ausnahme der scheußlichen ITC Garamond, zeichnen sich durch hervorragende Lesbarkeit aus. Nun kommt es auf die Details an, für welchen Zweck welche Garamond herangezogen werden sollte. Für das ordentliche Druckbild und die typografischen Möglichkeiten sind die folgenden Punkte die wesentlichen: 1. die Verfügbarkeit von unterschiedlichen Schnitten, 2. Mediäval- und Versalziffern, 3. Ligaturen, 4. gute Zurichtung (Kerning). Je nach Art des Textes sind auch Kapitälchen sinnvoll, für andere Texte sind sie gänzlich unwesentlich. Unter Betrachtung dieser Punkte stechen 3 Garamonds besonders hervor: Adobe Garamond: zusätzlich mit Semibold- und Titling-Schnitten bestens ausgebaut, Kapitälchen für alle Schnitte (außer Titling), Mediäval- und Versalziffern, einem vollen Satz Potenz- und Index-Ziffern und fünf Ligaturen. Das Kerning erscheint hin und wieder gerade noch akzeptabel, aber das kann bei über 12.000 Kerning-Paaren auch an meinem Satzprogramm liegen. EB Garamond: Als eine der wenigen freien Garamonds mit einem unerschöpflichen Zeichenvorrat, darunter Pfeile, ein griechisches Alphabet, volle Potenzund Index-Ziffern, Dutzende Sonderzeichen und Spezialsymbole, 7 Ligaturen (+ viele weitere Schmuckligaturen) und einer guten Zurichtung. Leider umfasst die EB Garamond derzeit nur eine Normale und eine Kursive (für beide mit Kapitälchen). Inwiefern ein fetter Schnitt (für Überschriften) notwendig ist, muss jeder selbst entscheiden. Einer der größten Vorzüge gegenüber den anderen Garamonds ist, dass die Schriftart in zwei Designgrößen (8 pt und 12 pt) vorgezeichnet ist, was ihre Anwendung sehr erleichtert (12 pt für Fließtext, 8 pt für Bildunterschriften und Fußnoten). Zudem ist die Garamond kostenlos verfügbar und kann mit den anderen, kommerziell vertriebenen Garamonds typografisch mithalten. Man beachte, dass die EB Garamond noch in der Entwicklung ist, aber schon jetzt viele OpenType-Features unterstützt (die z. B. mit XeTeX voll ausgereizt werden können). Der Entwickler kündigt weitere Designgrößen in 10 pt, 18 pt, 40 pt, vielleicht auch 6 pt an. Ein fetter Schnitt ist ebenfalls in Arbeit, aber momentan noch»zu rau«für den produktiven Einsatz. Das griechische Alphabet soll ebenfalls komplett überarbeitet werden. Man achte auch auf die hübschen Alternativbuchstaben, z. B. das Versal- Q in Qualle. Sabon Next: Als eine weitere Garamond-Variante zu verstehen, vorzüglich lesbar und umfassend ausgebaut, inkl. Halbfette und Ultrafette Schnitte, alle mit 10

Kapitälchen, Mediäval- und Versalziffern, Potenz- und Index-Ziffern, den häufigsten Ligaturen und einem hervorragenden Kerning. Diesen drei Garamonds schreibe ich das größte Potential für den alltäglichen Satz literarischer Texte zu. Die fehlende Fette der EB Garamond könnte ein K.O.-Kriterium sein, dafür ist sie als einzige von den dreien kostenlos und enthält die größte Glyphenanzahl, wodurch auch komplexe, wissenschaftliche Texte vernünftig gesetzt werden könnten. Wer mit vielen Schnitten arbeiten muss, kann dann nur auf die kommerziellen Varianten von Adobe oder Linotype (Sabon Next) zurückgreifen. Zu den anderen Garamonds: Stempel Garamond: immerzu wegen ihrer originalgetreuesten Interpretation hochgelobt, aber nicht so gut wie die anderen ausgebaut, keine Potenz- und Index-Ziffern, nur 2 Ligaturen, dafür aber mit einem gut erscheinenden Kerning. Die Normale der Stempel Garamond enthält nur 265 Glyphen, man darf also nicht mit vielfältigen Akzentbuchstaben rechnen! Simoncini Garamond: Eine Garamond, von der die Normale und Kursive Lob verdienen; wie alle anderen Garamonds ist sie hervorragend lesbar und von den hier untersuchten Schriften eine der wenigen, die sich durch eine hervorragende Zurichtung auszeichnen. Wer auf Kapitälchen, Mediäval-, Potenz- und Indexziffern verzichten kann, dem sei die Simoncini Garamond sehr empfohlen! Garamond Classico: eine Garamond, deren Normale gut lesbar ist, eine Kursive oder Fette lagen mir nicht vor. Leider auch die Normale ohne Kapitälchen; es fehlen Mediävalziffern, Potenz- und Index-Ziffern, nur die 2 Standard-Ligaturen. Trotz über 500 Kerning-Paare erscheint das Kerning so mangelhaft, als wären überhaupt keine Paare definiert worden! Nur 247 Glyphen, also nicht für Texte mit vielen Akzentbuchstaben geeignet! Trotz guter Lesbarkeit ebenfalls nicht zu empfehlen. URW Garamond No8: Eine brauchbare, robuste Garamond, die mir für Texte am Bildschirm geeigneter als für den Druck erscheint. Sie enthält keine Kapitälchen, keine Mediävalziffern, dafür aber Pfeile, ein volles griechisches Alphabet, sogar Potenz-Ziffern und viele Ligaturen. Leider kann das Kerning trotz über 900 Kerning-Paare nicht überzeugen. Obwohl sie ebenfalls kostenlos erhältlich ist und eine Fette enthält, würde ich ihr die EB Garamond stets vorziehen. ITC Garamond: Die»Garamond«von ITC scheint alles falsch zu machen: Nennt sich Garamond und ist furchtbar anzuschauen; bietet für ihr Geld aber 11

nur knapp 250 Glyphen, keine Kapitälchen, keine Mediävalziffern, keine Potenz- oder Index-Ziffern und ist auch noch nur mittelmäßig zugerichtet. Dafür enthält sie einen Ultrafetten Schnitt, mit dem niemand etwas anfangen kann. Diese Schrift versagt in jeder Hinsicht! Garamond No3: Im Druckbild ist die Garamond No3 durchaus stimmig, sowohl in der Normalen als auch in der Kursiven, auch wenn sie etwas breit läuft. Leider ist die Zurichtung nur mäßig. jgaramond: Die zarteste der untersuchten Garamonds ist für den Druck im Grunde nicht geeignet. Das Schriftbild ist zu licht, viele Serifen brechen weg. Sie enthält trotz einer hohen Glyphenzahl ohnehin keinerlei Kapitälchen. Auch das Kerning erscheint miserabel. Man wüsste sowieso nicht, ob man sie in 11 pt (zu klein) oder 12 pt (zu groß) drucken sollte! Granjon: trotz schönem Druckbilds nur vergleichsweise bescheiden ausgebaut und von mäßiger Zurichtung. Immerhin sind Normalen-Kapitälchen und Versal-/Mediävalziffern enthalten. Dennoch gibt es keinen Grund, die Granjon anstelle einer der anderen Garamonds auszuwählen. Cormorant Garamond: Diese Garamond ist ein Sonderfall, denn sie ist primär nicht für Lesegrößen (8 12 pt) konzipiert, sondern für Display-Größen (etwa ab 14 16 pt). Aus diesem Grund erscheint sie im Mustertext auch viel zu zart, sodass beim Druck fast alle Serifen wegbrechen. Die Cormorant wird also nicht für den Mengentext, sondern für Überschriften eingesetzt! Von den untersuchten Garamonds hat sie die größte Glyphenzahl, enthält ein kyrillisches (aber kein griechisches) Alphabet und Dutzende Akzentbuchstaben. Sie enthält als einzige einen Light-Schnitt und beweist dank sehr vieler Kerning-Paare eine hervorragende Zurichtung, selbst bei den üblichen Problemkombinationen aus Anführungszeichen und Buchstaben mit viel Fleisch, z. B.»W. Die Cormorant ist gewiss eine sinnvolle Ergänzung für andere Garamonds, die in Display-Größen zu fett wären. Man muss allerdings aufpassen, ob sich die Ziffern der beiden verwendeten Garamonds (Cormorant in Überschriften, eine andere Garamond für Mengentext) nicht eventuell zu stark unterscheiden. 5. Noch ein paar Worte zur Nutzung in TeX Prinzipiell sind alle vorgestellten Garamonds über XeTeX direkt ansprechbar und damit nutzbar. Das hat nebenbei auch den Vorteil, dass der komplette Satz der OTF- Kerning-Tabellen angesprochen werden kann (falls verfügbar). Von Haus aus lassen sich in Standard-LaTeX nur die EB Garamond und die URW Garamond No8 einbinden. 12