WIDER DAS DRIBBLING-VERBOT

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Transkript:

KLAUS FELDMANN WIDER DAS DRIBBLING-VERBOT Handball-Akademie.de

Klaus Feldmann Gedanken vorweg Kaum ein Mythos hält sich länger und hartnäckiger, als der, dass das Spiel schneller und besser wird, wenn nicht gedribbelt wird. Wahrscheinlich wird das Spiel dadurch auch kalorienärmer, umweltfreundlicher und was weiß ich noch alles... Aber Spaß beiseite: In nahezu allen spielnahen Trainingsformen (Kleine Spiele, Grundspiele und Zielspiel- Variationen) zählt das Dribbling-Verbot zum methodischen Repertoire vieler Übungsleiter. Und auch in einzelnen Landesverbänden im DHB werden die verbindlichen Wettkampfstrukturen im Kinderhandball durch Einschränkung des Dribblings oder gar Dribbling-Verbot erweitert. Das einleitende Kapitel will und kann die Frage nach dem Warum nicht beantworten es möchte aber gerne Argumente für das Warum nicht liefern!

Abschnitt 1 Spielstrukturelle Vorüberlegungen Die Großen Spiele sie verfügen über ein weltweit identisches Regelwerk und es werden nationale und internationale Meisterschaften ausgespielt können aufgrund ihrer Spielstruktur in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden: Rückschlagspiele und Zielschussspiele. Tennis, Tischtennis, Badminton, Volleyball auf der einen Seite und Fussball, Basketball, (Eis-)Hockey und Handball auf der anderen Seite sind die bekanntesten Großen Spiele. Die grundlegenden Unterschiede zwischen diesen beiden Kategorien sind in der untenstehenden Abbildung dargestellt. Zielschussspiele Rückschlagspiele Spielraum beide Spielparteien agieren gleichzeitig im selben Raum räumliche Trennung der Spielparteien durch ein Netz (Ausnahme: Squash) Spielzeit festgelegte Spielzeit in Hälften, Dritteln oder Vierteln nicht festgelegte Spielzeit Wertung Tore oder Punkte erzielen; Sieg, Niederlage oder Unentschieden erfolgreiche Rückschläge vermeiden; Punkte werden zu Sätzen verdichtet; kein Unentschieden Ballbesitz prinzipiell offener, zeitlich kaum eingeschränkter Ballbeseitz eindeutiger und kurzzeitiger Ballbesitz mit limitierter Ballkontaktzahl pro Spieler/ Mannschaft 2

In allen Zielschussspielen treten nun bestimmte Situationen auf, die die Spieler mittels sportartspezifischer Bewegungen (= Techniken) lösen können sollten. Die angenehmste Situation ist die sog. Zielhandlung, d.h. das Schießen, Schlagen oder Werfen des Spielgerätes in das Ziel. Ein Spannstoß im Fussball, ein Schlagschuss im Hockey, ein Korbleger im Basketball und ein Fallwurf im Handball unterscheiden sich bewegungstechnisch zwar sehr deutlich, Sinn und Zweck dieser Bewegungen sind aber identisch: Der ausführende Spieler will einen Punkt bzw. ein Tor erzielen. Leider ist nicht immer jeder Spieler in einer Position, in der die Zielhandlung direkt möglich ist. Vielfach muss der Ball oder der Puk, nachdem die gegnerische Mannschaft die Kontrolle darüber verloren hat, erst zum Ziel transportiert werden. Dies kann auf zwei Wegen geschehen: als individuelle Leistung eines Spielers oder in Kooperation mehrerer Spieler. Für die Kooperation müssen die Spieler zwei Techniken beherrschen: eine für die Ballabgabe (Passen) und eine für die Ballannahme (Fangen/Stoppen). Die Technik für den individuellen Balltransport heißt Dribbling, Prellen oder Tippen. In einigen Zielschussspielen ist sogar im Regelwerk genau festgelegt, wie diese Technik auszuführen ist: falsche technische Ausführungen (z.b. Schaufeln beim Dribbling) werden mit Ballverlust bestraft. Das Dribbling gehört also zum Handball-Spiel wie das Fangen, Passen und Werfen auch. So weit - so bekannt, aber es bleibt die Frage, was durch das Dribbling-Verbot bewirkt wird und welche negativen Konsequenzen für das Spielverhalten daraus resultieren. Die nachfolgende Aufzählung von Argumentationen versucht ohne Anspruch auf Vollständigkeit die Auswirkungen des Dribblings-Verbots für den Ballbesitzer, für die Angreifer ohne Ball und für die Abwehrspieler zu beschreiben. Möge der geneigte Leser sich überzeugen lassen. 3

Abschnitt 2 Handlungsalternativen Einen Vergleich der möglichen Spielhandlungen für den Spieler, nachdem er den Ball erhalten hat, zeigt die untenstehende Abbildung offensichtlich wird dabei der deutlich eingeschränkte Handlungsspielraum, wenn mit Dribbling-Verbot gespielt wird, im Gegensatz zu den kompletten Handlungsalternativen im Spiel ohne diese Zusatzregel. Während beim Spiel mit Dribblingverbot der Ball innerhalb der regeltechnisch vorgegebenen drei Sekunden entweder auf das Tor geworfen oder zum Mitspieler gepasst werden muss, kann beim Spiel ohne Zusatzregel der Ballbesitzer seinen Weg zum Tor suchen, ohne dass er dabei Handlungsalternativen verliert: Am Ende des Dribblings kann er immer noch aufs Tor werfen oder zu einem Mitspieler passen. 4

Abschnitt 3 Raum- und Zeitgewinn Was aus der Abbildung im letzten Abschnitt nicht hervorgeht, sind die zwei Vorteile, die sich der Ballbesitzer durch das Dribbling zunutze machen kann: Raumgewinn und Zeitgewinn. Diese beiden Aspekte sind auch bei Kleinen Spielen (Parteiball, Kastenball, etc.) von großer Bedeutung. Wenn beispielsweise beim Parteiball-Spiel das Dribbling verboten wird, dann kann sich der Ballbesitzer nur drei Schritte von seinem Abwehrspieler lösen: Vielfach wird dann eine Art Sternschritt wie im Basketball ausgeführt und/oder der Ball wird unter Bedrängnis durch den Abwehrspieler als Bogenlampe abgegeben. In solchen Situationen wäre es hilfreich und normal, dass der Angreifer sich mit Ball vom Abwehrspieler löst, in einen freien Raum geht (Raumgewinn) und von dort einen sicheren Pass spielt. Der Ballbesitzer kann somit auch Zeit gewinnen, in der sich seine Mitspieler gezielt freilaufen können. 5

Abschnitt 4 Das gegnerische Tor gefährden Der gefährlichste Angreifer ist derjenige, der mit Ball und hohem Tempo zum gegnerischen Tor zieht an dieser Grundaussage ist wohl nur schwer etwas Falsches zu finden. Wer als Trainer diesen Leitsatz akzeptiert, der müsste von jedem einzelnen seiner Spieler abfordern: Wenn Du den Ball hast, dann zieh mit Tempo zum Tor! Und jeder Trainer wäre froh, wenn er immer sechs Spieler auf dem Feld hätte, die immer wenn sie in Ballbesitz sind, mit hohem Tempo zum Tor ziehen würden automatisch hätte er die Grundlage für eine starke Mannschaft, in der jede Position gefährlich ist. Problematisch sind doch wohl eher die Spieler, die sich bei Ballbesitz nicht in Richtung des gegnerischen Tores orientieren, geschweige denn, dass sie den Versuch unternehmen, sich mit Ball in Richtung des gegnerischen Tores zu bewegen. Durch das Dribbling-Verbot wird den Spielern quasi die Möglichkeit genommen, der gefährlichste Spieler zu sein. 6

Abschnitt 5 Stellungsvorteil statt Spielvorteil Ein ungestörter Wurf ( Werfer gegen Torwart -Situation) bedeutet den größtmöglichen Vorteil für den Angreifer. Am leichtesten ist der Vorteil im individuellen Spiel zu erreichen ein Angreifer muss den Zweikampf gegen seinen Abwehrspieler gewinnen. Einen direkten Spielvorteil kann nur der Ballbesitzer (in der Situation 1gegen1 mit Ball ) erreichen, ein Angreifer ohne Ball ( 1gegen1 ohne Ball ) kann lediglich einen Stellungsvorteil erzielen. Für den Ballbesitzer entsteht der Spielvorteil, wenn er es schafft, seinen Abwehrspieler, beispielsweise durch den Einsatz von Täuschungen, zu umspielen und dadurch frei zum Wurf zu kommen. Ein Angreifer ohne Ball hat dann einen Stellungsvorteil, wenn er sich so positionieren kann, dass er entweder näher zum Tor als sein Gegenspieler steht und er trotzdem noch anspielbar ist (d.h. nicht im Abwehrschatten steht), indem er auf gleicher Höhe mit seinem Gegenspieler, aber näher zum Ballbesitzer steht oder indem er seinen Abwehrspieler ballfern umläuft vorausgesetzt es ist ausreichend Platz in der Breite vorhanden. Der höhere Wert des Spielvorteils gegenüber dem Stellungsvorteil ist offensichtlich ein Angreifer, der einen Stellungsvorteil erzielt hat, muss von seinem in Ballbesitz befindlichem Mitspieler gesehen und angespielt werden. Erst dann wird der Stellungsvorteil zum Spielvorteil. Desweiteren wird an dieser Stelle auch deutlich, dass 7

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der Stellungsvorteil ( Gewinnen im 1gegen1 ohne Ball ) umso schwieriger zu erzielen ist, je weniger Räume in der Breite und der Tiefe zur Verfügung stehen. Im Spiel in großen Räumen ist es unmöglich, bei Dribbling-Verbot einen Spielvorteil zu erzeugen. Das bedeutet, dass alle fünf Angreifer ohne Ball das Ziel haben müssen, 1gg1 ob nach vorne (Stellungsvorteil 1. Ordnung) zu gewinnen. Die Konsequenz daraus ist, dass der Ballführer dann oft der hinterste (letzte) Spieler seiner Mannschaft ist und er innerhalb von drei Sekunden abspielen muss, da das Dribbling-Verbot auch keinen Zeitgewinn zulässt. Es müssen sich also wieder Angreifer ohne Ball aus der Abwehr zurückbewegen, um sich verfügbar zu machen am besten seitlich hinter dem Ballbesitzer (3. Grundprinzip im Angriff: Absicherung des Ballbesitzers nach hinten ). 9

Abschnitt 6 Angreifer ohne Ball im zentralen Spielraum Den zentralen Spielraum gibt es in allen Zielschussspielen; er kann definiert werden als der Raum, aus dem für die Angreifer mit hoher Wahrscheinlichkeit ein erfolgreicher Zielschuss möglich ist. Zu berücksichtigen sind dabei folgende Faktoren: - Abstand zum Tor, - Winkel zum Tor und - Niveau der Spielgruppe (Anfänger/Fortgeschrittene, Breiten-/Leistungssport). Der zentrale Spielraum überlagert in den großen Zielschussspielen auch weitgehend mit regeltechnisch gekennzeichneten Räumen: dem Strafraum im Fussball, der 3-Sekunden- Zone im Basketball und dem Freiwurfraum im Handball. Eine offensive Abwehr (z.b. Halbfeld-Manndeckung) im Handball bietet einerseits große Lücken zwischen den Abwehrspielern (Breitenräume) und andererseits große, attraktive Tiefenräume im Rücken der Abwehr dort wo der zentrale Spielraum ist. Eine defensive Deckung bietet dagegen nur kleine Breitenräume und wenig oder kaum Tiefenraum hinter sich; dafür hat der Angriff den Vorteil, dass er im Vergleich zur offensiven Abwehr den Abstand zur Abwehr selbst bestimmen kann und damit in der Phase des Spielaufbaus weniger unter Druck gesetzt wird. 10

Wenn nun im Spiel mit Dribbling-Verbot alle Angreifer ohne Ball ihren Zweikampf nach vorne (Stellungsvorteil 1. Ordnung) gewinnen wollen, besteht die Gefahr, dass sie dadurch den zentralen Spielraum verstopfen und sich gegenseitig die Räume zulaufen. Dies stellt einen Verstoß gegen das 1. Grundprinzip im Angriff Den zentralen Spielraum öffnen dar. Das Problem ist hierbei, dass es keine Hierarchie im Handeln der fünf Spieler ohne Ball gibt (im Gegensatz zum 2. Grundprinzip im Angriff: "Vorfahrt für den Ballführer"). Für den Ballbesitzer entstehen große Wahrnehmungsanforderungen, wenn er prinzipiell alle fünf 1gg1oB-Situationen gleichzeitig beobachten soll, um die situativ beste Weiterspielmöglichkeit zu finden. 11

Abschnitt 7 Hilfe in der Abwehr Abwehrspieler sollen auch in der offensiven Abwehr ihren überspielten Mitspielern helfen. Die Voraussetzung dafür ist, dass sie den eigenen Gegner und den Ball beobachten. Wenn der ballführende Angreifer sich im Zweikampf durchsetzt, dann müssen die Abwehrspieler der Angreifer ohne Ball sich entscheiden, ob und in welchem Moment sie ihren Gegner stehen lassen und stattdessen den Ballführer attackieren. Im Spiel mit Dribbling-Verbot gibt es für den Ballbesitzer nach einem gewonnen Zweikampf (Spielvorteil) keinen nennenswerten Raumgewinn mehr, da er ja nur max. drei Schritte mit dem Ball machen darf. Clevere Abwehrspieler wissen dies und helfen deshalb nicht. Helfen müsste ein Abwehrspieler in der Situation 1gg1oB, d.h. gegen die Angreifer, die sich in den anderen vier 1gg1oB-Situationen durchsetzen haben. Seine Wahrnehmung müsste dementsprechend auf seinen Gegner und die anderen 1gg1-Situationen ohne Ball gerichtet sein. Das wäre einerseits falsch und erscheint andererseits schlicht und ergreifend unmöglich. 12

Abschnitt 8 Kreativität Kreativität im Sportspiel wird beschrieben als das Vermögen, in einer Spielsituation viele Lösungen zu finden, die gleichzeitig originell, variabel und angemessen sind. Aus der Forschung ist bekannt, dass Kreativität nicht unter Druck erzeugt werden kann, sondern dass unser Gehirn auch Zeit benötigt, kreative Lösungen zu entfalten. Auf der Grundlage dieser Überlegungen ist mehr als fraglich, wie Handballspieler Kreativität entwickeln sollen, wenn sie beim Spiel mit Dribbling-Verbot den Ball nur max. drei Schritte und für drei Sekunden halten dürfen. 13