Geschäftsstelle Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.v. Aachener Str. 5 10713 Berlin Erhebung des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV) zum Umgang mit den aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland geflüchteten Menschen Sie erreichen uns unter: Telefon 030 / 8200758-0 Telefax 030 / 8200758-13 info@dhpv.de www.dhpv.de Erhebungszeitraum: Oktober / November 2015 Geschäftsführender Vorstand: Prof. Dr. Winfried Hardinghaus Vorstandsvorsitzender Dr. Anja Schneider Stellvertr. Vorsitzende Erich Lange Stellvertr. Vorsitzender Amtsgericht Berlin: VR 27851 B Gemeinnützigkeit anerkannt durch das Finanzamt Berlin Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft Konto 834 00 00 BLZ 370 205 00 IBAN: DE 4337 0205 0000 0834 0000 BIC: BFSWDE33XXX
0. Allgemeines: Die Erhebung erfolgte über die Landesarbeitsgemeinschaften und Überregionalen Organisationen mit der Bitte um Weiterleitung an die Mitgliedseinrichtungen. 60 Einrichtungen meldeten sich zurück. Zwei Drittel aller Einrichtungen, die sich zurückgemeldet haben, hatten bisher keine Anfragen für hospizliche oder palliative Begleitungen. 1. Erfahrungen Anfragen: Es gab bisher nur wenige Anfragen an einzelne Dienste, die allerdings sowohl zur stationären sowie ambulanten Begleitung, außerdem zur (ambulanten) Begleitung auf einer Akutstation im Krankenhaus sowie zur SAPV, in einem Fall in einem Flüchtlingswohnheim. In einem anderen Fall war die Begleitung eines wohnungslosen Menschen ohne Aufenthaltsstatus angefragt worden. Verständigung: In den meisten Fällen wird die sprachliche Verständigung als Problem beschrieben. So sprechen die Betroffenen häufig kein oder nur wenig Deutsch, von den Ehrenamtlichen niemand Arabisch o.ä. und auch Englisch ist bei den meisten Ehrenamtlichen nicht gängig. Nur in Einzelfällen kann auf eigene englisch-, französisch-, polnisch-, russisch- und arabischsprachige Mitarbeiter zurückgegriffen werden. In einem Fall gibt es über den Träger (Einrichtung des Gesundheitswesens) einen Sprachpool mit 27 Sprachen sowie Personen, die speziell für Übersetzungen zu medizinischen Themen geschult sind. Aufenthaltsstatus/Versicherungsschutz: Zum Teil werden auch Menschen ohne Aufenthaltsstatus/Versicherungsschutz begleitet, etwa ein wohnungsloser Mensch ohne Aufenthaltsstatus und Versicherungsschutz, in einem anderen Fall ein Asylbewerber ohne Versicherungsschutz oder ein schwerst mehrfach behindertes Kind, bei dem die Kosten für notwendige Therapien durch eine Stiftung übernommen wurden. Kulturelle Unterschiede: Wiederholt wird über kulturelle Unterschiede im Umgang mit Krankheit, Sterben und Tod berichtet, so etwa dass Trauer sehr anders erlebt wird. Auch wird von einer falschen Hoffnung auf Heilung berichtet und dem Glauben, dass es in 2
Deutschland keine medizinischen Grenzen gebe und dass man alles behandeln kann. Die Begleitung geschieht häufig durch die Familie. Familienmitglieder übernehmen die Essenszubereitung, rituelle Waschungen. Enge Begleitung geschieht in der Regel durch gleichgeschlechtliche Familienangehörige. Externe Hilfe wird nur im Notfall gesucht. In einem Fall gab es Kontakt zum Imam, der auch die Bestattung auf dem muslimischen Gräberfeld des lokalen Friedhofs übernommen hat. Trauer, Verlusterfahrung, Traumatisierung: Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass in Fällen der Traumatisierung eine Bearbeitung durch die Dienste nicht möglich und eine Kooperation mit Ärzten, Psychologen, Trauertherapeuten angeraten ist. Kooperationen (Dolmetscher, Ämter): Hier wird mehrheitlich über gute Zusammenarbeit mit anderen Instanzen / Initiativen / Organisationen (Mitarbeitern des DRK, Kontakt zu Beauftragten für Asylangelegenheiten und Sozialamt, Willkommensinitiative, SAPV- Team des eigenen Trägers, Sozialarbeitern, die in Auffanglagern tätig sind, Beirat für Migration und Integration, Volkshochschule) berichtet. Im Einzelfall wurde über schlechte bis gar keine Zusammenarbeit von Seiten des Sozialamtes berichtet (schlechte Erreichbarkeit, nichtbearbeitete Anträge). 2. Anregungen/Vorschläge Organisatorisch: (lokale) Plattform einrichten, auf der sich Dienste austauschen können und damit nicht jeder Verein alle Sprachen / alles Wissen vorhalten muss Sammlung von Zuständigkeiten vor Ort, wer in welcher Phase des Asylstands zuständig ist (Landesamt, Sozialamt, Ausländerbehörde ), Handreichung mit Ansprechpartnern bei den Behörden (Stadt, Kommune, Land) und den Wohlfahrtsverbänden entwickeln jeder Dienst sollte sich auf Anfragen vorbereiten durch Planerstellung, Organisationsstruktur, Kontakt zum Sozialamt 3
DHPV könnte Handreichung entwickeln mit Hinweisen auf zuständige Behörden, Ämter, Umgang mit übertragbare Krankheiten Sprachlich: vor allem mehr Arabisch sprechende EA ausbilden, Schaffung eines Pools an Dolmetschern vor Ort, Zusammenarbeit mit anderen Diensten/Trägern, Einrichtungen (Volkshochschule) oder Kommune Politisch: Gesundheitskarte für alle Asylbewerber, Übernahme von Hospizkosten auf kurzen Wegen Kostenfrage: Vorschlag: Gemeinsamer Fond, aus dem man bis zur Klärung der Kostenträgerschaften schöpfen kann mit späterer Rückzahlung Öffentlichkeitsarbeit: Durch Maßnahmen der Presse und Öffentlichkeitsarbeit zeigen, dass auch die Hospizbewegung bei Bedarf für Menschen mit Fluchterfahrung da ist; Beispiel: Haltestellengespräch zum Thema Hospiz und Flucht, eine Veranstaltung des CARITAS-Hospizseminars Wuppertal. 3. Fragen und allgemeinen Überlegungen Im Rahmen der Erhebung wurde eine Vielzahl an Fragen und allgemeinen Überlegungen aufgeworfen (Auswahl): Wie kann eine zeitnahe und sichere ärztliche und medikamentöse Versorgung organisiert werden? Geflüchtete Menschen wissen nicht, welche Versorgungsstrukturen es gibt, Hospiz häufig negativ konnotiert. Soll man abwarten, bis bei Bedarf Kontakte zum Dienst geknüpft werden, oder sollen die Dienste offensiv vorgehen und sich in entsprechenden Netzwerken vorstellen? Da viele junge Menschen kommen (die im Herkunftsland Verlusterfahrungen gemacht haben), wird Trauerbegleitung eher gefragt sein, als Begleitung am Lebensende. Sollten hier mehr ehrenamtliche Trauerbegleiter ausgebildet werden? Wie kann das finanziert werden? 4
Menschen werden außerhalb der Stadt untergebracht, Begleitung kann dann schwierig werden (Ghettoisierung, die auf Grund der beengten Unterbringung auch Konfliktpotential birgt). Soll man die Aufmerksamkeit auf dezentral untergebrachte Menschen richten? Gibt es gesundheitliche Risiken durch Infektionskrankheiten? Wie können die Kostenfrage geklärt und Strukturen geschaffen werden, um Refinanzierung zu gewährleisten? Wie geht man mit dem Widerstand auf Seiten des medizinischen Personals (Ängste, Vorurteile, mangelnde Information) um? Ist SAPV in Flüchtlingsunterkünften ohne räumliche Trennung überhaupt durchführbar? Wie kommt man an die Informationen, die man für eine gute Begleitung braucht (Biographie, kulturelle Besonderheiten)? Ist zu befürchten, dass Ehrenamtliche sich von der Hospizarbeit ab- und der Flüchtlingsarbeit zuwenden? Weitere Informationen: Das Bundesministerium für Gesundheit stellt auf seiner Homepage Informationen zum Thema Flüchtlinge und Gesundheit zur Verfügung: http://www.bmg.bund.de/themen/gesundheitssystem/internationalezusammenarbeit/migration-und-integration/fluechtlinge-undgesundheit.html 5