Nivolumab (neues Anwendungsgebiet, NSCLC Nicht-Plattenepithelkarzinom)

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Transkript:

Gemeinsamer Bundesausschuss Wegelystr. 8 10623 Berlin 22. August 2016 Gemeinsame Stellungnahme zur Nutzenbewertung gemäß 35a SGB V Nivolumab (neues Anwendungsgebiet, NSCLC Nicht-Plattenepithelkarzinom) veröffentlicht am 1. August 2016 Vorgangsnummer 2016-05-01-D-231 IQWiG Bericht Nr. 416 1. Zusammenfassung 2. Einleitung 3. Stand des Wissens 4. Dossier und Bewertung von Nivolumab (Opdivo ) 4. 1. Zweckmäßige Vergleichstherapie 4. 2. Studien 4. 3. Endpunkte 4. 3. 1. Überlebenszeit 4. 3. 2. Morbidität 4. 3. 2. 1. Progressionsfreies Überleben / Remissionsrate 4. 3. 2. 2. Lebensqualität / Patient-Reported Outcome 4. 3. 3. Nebenwirkungen 4. 4. IQWiG Bericht 5. Ausmaß des Zusatznutzens 6. Literatur 1. Zusammenfassung Die frühe Nutzenbewertung von Nivolumab ist das zweite Verfahren zur Immuntherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem, nichtkleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC). Nivolumab wurde bereits bewertet in der Zweitlinientherapie des Plattenepithelkarzinoms, jetzt erfolgt die Bewertung für Patienten mit Nicht- Plattenepithelkarzinom. Der G-BA hat zwei Subgruppen zur Festlegung der zweckmäßigen Vergleichstherapie gebildet und das IQWiG mit dem Bericht beauftragt. Pharmazeutischer Unternehmer und IQWiG kommen zu unterschiedlichen Bewertungen. Einen Überblick über Vergleichstherapie und Bewertungsvorschläge gibt Tabelle 1. Tabelle 1: Berechnung des Zusatznutzens durch pu und IQWiG G-BA Pharmazeutischer Unternehmer IQWiG Geschäftsführender Vorsitzender Prof. Dr. med. Mathias Freund Vorsitzende Prof. Dr. med. Diana Lüftner Sekretär Prof. Dr. med. Martin Wilhelm Amtsgericht Charlottenburg Registernummer 95 VR 25553 Nz Steuer-Nr. 1127/640/53399 USt-IdNr. DE263662397 Postgiroamt Karlsruhe BLZ 660 100 75 Konto 138 232 754 IBAN DE33 6601 0075 0138 2327 54 BIC PBNKDEFF info@dgho.de www.dgho.de

Seite 2 von 8 Zusatznutzen Subgruppen ZVT Zusatznutzen Ergebnissicherheit Ergebnissicherheit für Docetaxel, Pemetrexed, Gefitinib, Erlotinib oder Crizotinib geeignet Doxetaxel oder Pemetrexed; Gefitinib oder Erlotinib (EGFR mut+) Crizotinib (ALK mut+) erheblich Beleg erheblich Hinweis für Docetaxel, Pemetrexed, Gefitinib, Erlotinib oder Crizotinib nicht geeignet Best Supportive Care nicht quantifizierbar Anhaltspunkt nicht belegt - Unsere Anmerkungen sind: Nivolumab führt in der Zweitlinientherapie von NSCLC-Patienten mit nicht-plattenepithelialer Histologie im Vergleich mit Docetaxel zu einer statistisch signifikanten und klinisch relevanten Verbesserung der Überlebenszeit sowie zur Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten belastender, krankheitsassoziierter Symptome. Das progresssionsfreie Überleben ist nicht signifikant unterschiedlich, die Remissionsrate etwas höher. Die Rate schwerer Nebenwirkungen unter Nivolumab ist niedrig, der Unterschied zu Docetaxel ist dramatisch. Offen ist die Diskussion zur Identifikation prädiktiver Biomarker. In dieser Zulassungsstudie wurden verschiedene Grenzwerte für die PD-L1 Expression, aber auch Ansprechen bei PD-L1 negativen Tumoren gefunden. Unklar ist derzeit der Einsatz von Nivolumab bei Patienten, die eine rasche Progression oder eine auf die Erstlinientherapie refraktäre Erkrankung aufweisen. Daten zum Vergleich von Nivolumab versus Best Supportive Care bei Patienten, die nicht für eine Chemotherapie oder eine gezielte Therapie geeignet sind, liegen nicht vor. In der klinischen Realität ist das Spektrum der Optionen der Zweitlinientherapie für NSCLC-Patienten mit nicht-plattenepithelialer Histologie im letzten Jahr über das Stadium einer Docetaxel-Monotherapie hinausgewachsen. Wirksamere Optionen sind Docetaxel + antiangiogenetisch wirksamer Kombinationspartner (Nintedanib oder Ramucirumab), der Anti-PD-L1 Antikörper Pembrolizumab oder der TKI Erlotinib. Faktoren für die Differenzialtherapie umfassen PD-L1-Expression, Rezidivzeitpunkt, Raucherstatus, Mutationsstatus und Toxizitäten der Erstlinientherapie. 2. Einleitung Das Lungenkarzinom ist weltweit eine der häufigsten Krebserkrankungen. Die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland wird für das Jahr 2016 auf insgesamt 55.300 geschätzt [1], siehe Abbildung 1. Lungenkrebs liegt damit bei Frauen an dritter Stelle, bei Männern an zweiter Stelle der Häufigkeit aller Krebserkrankungen. Abbildung 1: Inzidenz und Mortalität des Lungenkarzinoms in Deutschland (Neuerkrankungen/Todesfälle) [1] 2

Seite 3 von 8 Quelle: Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.v. Atlas der Krebsinzidenz und -mortalität in Deutschland (GEKID-Atlas). Datenlieferung: März 2016, Lübeck, 2016. Verfügbar über: http://www.gekid.de Das mediane Erkrankungsalter liegt für Frauen bei 68, für Männer bei 70 Jahren. Die Mortalität ist bei Patienten mit Lungenkrebs hoch. Die relativen 5-Jahres-Überlebensraten liegen für Frauen bei 21%, für Männer bei 16% [1]. Bei Männern ist das Lungenkarzinom für 25% aller krebsbedingten Todesfälle verantwortlich und liegt damit mit weitem Abstand an erster Stelle der krebsspezifischen Mortalität. 3. Stand des Wissens Therapieentscheidende Parameter sind Allgemeinzustand, Histologie und Molekulardiagnostik. Die aktuellen Empfehlungen der DGHO sind in Abbildung 2 dargestellt [2]. Abbildung 2: Therapie des fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms 3

Seite 4 von 8 Legende: 1 ALK Gen der Anaplastic Lymphoma Kinase; 2 ROS1 Gen der Protoonkogen Tyrosinproteinkinase ROS; 3 EGFR Gen des Epidermal Growth Factor Receptor; 4 andere genetische Aberrationen BRAF, RET, MET, HER2; 5 UC uncommon mutations, UC I Punktmutationen oder Duplikationen in den Exonen 18-21, UC II Mutation T790M im Exon 20 allein oder in Kombination mit anderen Mutationen, UC III Exon 20 Insertionen; 6 EGFR Expression mittels Immunhistochemie (ICH); 7 EGFR- TKI Afatinib, Erlotinib, Gefitinib; 8 CR komplette Remission, PR partielle Remission, SD stabile Erkrankung, PD progrediente Erkrankung; 9 Chemotherapie wie bei Patienten ohne aktivierende ALK1, ROS1 oder EGFR-Mutationen; 10 Zytostatikum 3. Generation Gemcitabin, Pemetrexed, Taxane, Vinorelbin; 11 Erhaltungstherapie Bevacizumab bei Nicht- Plattenepithelkarzinom und nach Vorbehandlung mit Bevacizumab; Pemetrexed bei Adenokarzinom und nach Vorbehandlung mit Pemetrexed; 12 BSC Best Supportive Care; 13 nur bei Nachweis einer PD-L1 Expression auf mindestens 1% der Tumorzellen; 14 klinische Studie die Teilnahme an klinischen Studien wird in allen Behandlungssituationen empfohlen; hier bestehen aktuell eine besonders große Unsicherheit und ein ungedeckter medizinischer Bedarf; Bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC in gutem Allgemeinzustand kann eine Zweitlinientherapie zur Symptomlinderung und zur Verlängerung der Überlebenszeit führen, siehe Tabelle 2. Tabelle 2: Zweitlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC, Nicht- Plattenepithelhistologie, nach Chemotherapie Erstautor / Jahr Patienten Kontrolle Neue Therapie N 1 RR 2 PFÜ 3 (HR 4 ) ÜL 5 (HR 4 ) Shepherd, 2000 [3] NSCLC 6 Best Supportive Care Docetaxel 104 0 vs 7,7 7 1,5 vs 2,4 p = 0,001 4,6 vs 7,0 p = 0,047 Hanna, 2004 [4] NSCLC Docetaxel Pemetrexed 571 8,8 vs 9,1 8 n.s. 9 2,9 vs 2,9 n.s. 8,3 vs 7,9 n.s. Garrassino, 2013 [5] NSCLC Docetaxel Erlotinib 222 15,5 vs 3,0 p = 0,001 2,9 vs 2,4 0,71 p = 0,02 8,2 vs 5,4 0,73 p = 0,05 Reck, 2014 [6] NSCLC, Adenokarzinom Docetaxel + Placebo Docetaxel + Nintedanib 658 3,6 vs 4,7 n. s. 2,8 vs 4,2 0,84 p = 0,019 10,3 vs 12,6 0,83 p < 0,036 Garon, 2014 [7] NSCLC Docetaxel + Placebo Docetaxel + Ramucirumab 1253 14 vs 23 3,0 vs 4,5 0,76 9,1 vs 10,5 0,86 p < 0,001 p < 0,0001 p = 0,023 Borghaei, 2015 [8] NSCLC, Nicht- Plattenepithelhistologie Docetaxel Nivolumab 582 12 vs 19 p = 0,02 4,2 vs 2,3 n. s. 9,4 vs 12,2 0,73 p = 0,0015 Herbst, 2016 [9] NSCLC, PD-L1 positiv Docetaxel Pembrolizumab 688 9 vs 18 p = 0,0005 4,0 vs 3,9 n. s. 8,5 vs 10,4 0,71 p = 0,0008 4

Seite 5 von 8 1 N - Anzahl Patienten; 2 RR Remissionsrate in %; 3 PFÜ - progressionsfreie Überlebenszeit in Monaten, hier radiologische Parameter; 4 HR - Hazard Ratio; 5 ÜLZ - Gesamtüberlebenszeit, in Monaten; 6 NSCLC nichtkleinzelliges Lungenkarzinom; 7 Ergebnis für Kontrolle, Ergebnis für neue Therapie; 8 Hazard Ratio für Neue Therapie bzw. Kontrolle; Nivolumab ist ein monoklonaler Anti-PD-1 Antikörper. Das körpereigene Immunsystem kann durch eine Netzwerkregulation die Überreaktion aktivierter T Zellen blockieren. Dies geschieht durch Aktivierung des Programmed Cell Death 1 (PD-1) Rezeptors. Die natürliche Blockade verhindert eine effektive Reaktion des Immunsystems auf maligne Zellen. Nivolumab blockiert die Apoptose aktivierter T-Zellen und verstärkt die autologe Immunreaktion. Nivolumab ist zugelassen für die Therapie des fortgeschrittenen Melanoms, des metastasierten NSCLC mit Plattenepithelhistologie, des metastasierten NSCLC mit Nicht-Plattenepithelhistologie und des metastasierten Nierenzellkarzinom. 4. Dossier und Bewertung von Nivolumab 4. 1. Zweckmäßige Vergleichstherapie Die vom G-BA festgelegte, zweckmäßige Vergleichstherapie ist nachvollziehbar. Allerdings haben sich die Optionen in der systemischen Therapie des NSCLC innerhalb des letzten Jahres so schnell vermehrt, dass die ZVT nicht mehr alle Aspekte der Differenzialtherapie in den verschiedenen Subgruppen abbildet, siehe Tabelle 3. Tabelle 3: Zweckmäßige Vergleichstherapie und alternative Differenzialtherapie Subgruppen ZVT (G-BA) Alternativen keine Mutationen, für die eine zielgerichtete Therapie zugelassen ist Docetaxel Pemetrexed Chemotherapie Chemotherapie + Antiangiogenese Docetaxel Pemetrexed Docetaxel + Nintedanib Docetaxel + Ramucirumab Immuntherapie Pembrolizumab EGFR Blockade Afatinib Erlotinib EGFR Mutationen Erlotinib Erlotinib Gefitinib Gefitinib Afatinib Osimertinib (T790M) ALK Mutationen Crizotinib Crizotinib Ceritinib für Docetaxel, Pemetrexed, Gefitinib, Erlotinib oder Crizotinib nicht geeignet Best Supportive Care Best Supportive Care 4. 2. Studien Grundlage der frühen Nutzenbewertung ist CheckMate 057, eine multizentrische, randomisierte, offene, Phase III-Studie zum Vergleich von Nivolumab versus Docetaxel. Sie wurde u. a. in Europa durchgeführt. Deutsche Zentren waren an der Studie beteiligt. Die Ergebnisse wurden in einem Peer- Review-Journal publiziert [8]. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben. Daten randomisierter Studien zum Vergleich von Nivolumab versus Best Supportive Care liegen nicht vor. 4. 3. Endpunkte 5

Seite 6 von 8 4. 3. 1. Überlebenszeit Die Gesamtüberlebenszeit ist ein relevanter Parameter bei Patienten mit NSCLC. Bis zum ersten Datenschnitt, gleichzeitig Beginn der Extensionsphase war kein Therapiewechsel zwischen den Behandlungsarmen vorgesehen. Die mediane Gesamtüberlebenszeit war mit 12,2 Monaten unter Nivolumab versus 9,4 Monaten im Docetaxel-Arm klinisch relevant und statistisch signifikant verlängert. Der Hazard Ratio liegt bei 0,73. Von besonderer klinischer Bedeutung ist der deutlich höhere Anteil von Überlebenden nach 1 Jahr mit 50,5% im Nivolumab- versus 39,0% im Docetaxel-Therapiearm. Die Zahl der Patienten mit Folgetherapie liegt im Docetaxel- etwas höher als im Nivolumab-Arm (60,3 versus 52,1%). Das kann zu einer Unterschätzung des Nivolumab-Effektes führen. Die Expression von PD-L1 war in der Zulassungsstudie kein Einschlusskriterium, die Analyse aber präspezifiziert. Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied bei der Überlebenszeit für Patienten mit Expression von PD-L1 >5 und >10%, aber auch Ansprechen bei PD-L1 negativen Tumoren gefunden. Offen ist weiterhin die Definition von Subgruppen, die potentiell keinen Vorteil, ggf. sogar einen Schaden von Nivolumab nimmt. Hier handelt es sich um Patienten, die ungünstige klinische Parameter aufweisen wie z.b. frühen Progress oder Refraktärität auf die vorausgegangene Therapie (siehe EMA-EPAR Bericht). Ein Überlebensvorteil von Patienten mit aktivierenden EGFR oder ALK Mutationen durch Nivolumab ist nicht nachgewiesen, die Subgruppen sind aber klein. 4. 3. 2. Morbidität 4. 3. 2. 1. Progressionsfreies Überleben/Remissionsrate Das progressionsfreie Überleben wurde statistisch durch Nivolumab nicht verlängert. Im Median war es unter Nivolumab mit 2,3 Monaten versus 4,2 Monaten kürzer als im Docetaxel-Arm. Die Remissionsrate wurde durch Nivolumab etwas gesteigert, von 12 auf 19%. 4. 3. 2. 2. Lebensqualität / Patient-Reported Outcome Patient-Reported Outcome wurde mittels der Lung Cancer Symptom Scale (LCSS) erfasst. Hier zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten von Nivolumab bei der Zeit bis zur Verschlechterung der Symptome Fatigue, Dysnpoe, Husten und blutiger Auswurf, nicht bei den Parametern Schmerz und Appetitlosigkeit. Die allgemeine Lebensqualität wurde zusätzlich mittels des EQ-5D gemessen. Hier ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen zugunsten von Nivolumab. Die Aussagekraft ist aber durch eine relativ niedrige Rate von auswertbaren Fragebögen beeinträchtigt. 4. 3. 3. Nebenwirkungen Nebenwirkungen im CTCAE Grad 3/4 traten mit insgesamt 10% unter Nivolumab viel seltener als unter Docetaxel mit 54% auf. Nebenwirkungen im Grad 3/4 unter Nivolumab waren Fatigue (1%), Übelkeit (1%) und Diarrhoe (1%). Fatigue war auch die häufigste aller Nebenwirkungen (16%) unter Nivolumab, gefolgt von Übelkeit (12%), Appetitlosigkeit (10%), Asthenie (10%) und Diarrhoe (8%). Bei subklassenspezifischen, immunvermittelten Nebenwirkungen von Checkpoint-Inhibitoren wie Pneumonitis, Colitis, Hepatitis oder Hypophysitis fand sich in dieser Studie keine höhergradige Toxizität im Nivolumab-Arm. Die Rate an Therapieabbrüchen wegen Nebenwirkungen war mit 3 vs.10% seltener in der Nivolumab- als in der Docetaxel-Gruppe. 6

Seite 7 von 8 4. 4. Bericht des IQWiG Der Bericht des IQWiG ist ausführlich. In der Berechnung eines erheblichen Zusatznutzens für Nivolumab bei Patienten, die für Chemo- oder gezielte Therapie geeignet sind, zeigt sich allerdings die Schwäche der zurzeit noch sehr rigiden Methodik. Hier kann die höchste Bewertungsstufe erreicht werden, obwohl kein Parameter der Morbidität für die Bewertung anerkannt wurde. 5. Ausmaß des Zusatznutzens Die Behandlungsmöglichkeiten in der Zweitlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem Nicht- Plattenepithelkarzinom der Lunge haben sich in den letzten Jahren enorm erweitert. Nivolumab und Pembrolizumab sind bisher die Arzneimittel mit der größten Verbesserung der Überlebenszeit gegenüber dem bisherigen Standard. Dazu kommt eine deutlich niedrigere Nebenwirkungsrate gegenüber der Chemotherapie mit Docetaxel. Diese Verlängerung der Überlebenszeit ist nicht mehr so deutlich, wenn statt der Docetaxel- Monotherapie eine der neuen Kombinationen Docetaxel + Nintedanib oder Docetaxel + Ramucirumab betrachtet wird. Da diese Kombinationen allerdings mit mehr Nebenwirkungen als die Docetaxel- Monotherapie belastet sind, wird der Unterschied hier zugunsten von Nivolumab noch deutlicher. Offen bleibt die Frage nach der Relevanz und vor allem dem kritischen Grenzwert des Biomarkers PD- L1. Patienten mit einer Expression von PD-L1 auf den Tumorzellen >1, >5 bzw. >10% hatten signifikant längere Überlebenszeiten. Damit unterscheidet sich diese Studie allerdings von anderen Studien, bei denen ein Grenzwert von 1% als Diskriminator oder kein Grenzwert identifiziert wurde. Ein weiterer, möglicher Biomarker ist die Rate genetischer Aberrationen. Unklar ist derzeit der Einsatz von Nivolumab bei Patienten, die eine rasche Progression oder eine auf die Erstlinientherapie refraktäre Erkrankung aufweisen. Hier wurden Warnhinweise in der Fachinformation aufgenommen. Unklar ist auch die Wirksamkeit von Nivolumab bei Patienten in reduziertem Allgemeinzustand. Wegen der guten Verträglichkeit von Nivolumab bietet sich eine Immuntherapie auch bei Patienten an, die für eine Chemotherapie nicht mehr geeignet sind. Die Zulassungsstudie schloss vor allem Patienten im Stadium ECOG 0 und 1 ein. Die Zulassung macht diese Restriktion nicht. Die Daten für Patienten in reduziertem Allgemeinzustand sind noch gering. 6. Literatur 1. Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.v. Atlas der Krebsinzidenz und -mortalität in Deutschland (GEKID-Atlas). Datenlieferung: März 2016, Lübeck, 2016. Verfügbar über: http://www.gekid.de 2. Griesinger F et al.: Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC). Leitlinien von DGHO, OeGHO, SGMO und SGH+SSH, Status August, 2016. https://www.dghoonkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien/lungenkarzinom-nicht-kleinzellig-nsclc 3. Shepherd FA, Dancey J, Ramlau R, et al. Prospective randomized trial of docetaxel versus best supportive care in patients with non-small-cell lung cancer previously treated with platinum-based chemotherapy. J Clin Oncol 2000; 18: 2095 2103, 2000. PMID: 10811675 4. Hanna N, Shepherd FA, Fossella FV et al.: Randomized phase III trial of pemetrexed versus docetaxel in patients with non-small-cell lung cancer previously treated with chemotherapy. J Clin Oncol 22:1589-1597, 2004. DOI: 10.1200/JCO.2004.08.163 5. Garassino MC, Martelli O, Broggini M et al.: Erlotinib versus docetaxel as second-line treatment of patients with advanced non-small-cell lung cancer and wild-type EGFR tumours (TAILOR): a randomised controlled trial. Lancet Oncol 14:981-988, 2013. DOI: 10.1016/S1470-2045(13)70310-3 6. Reck M, Kaiser R, Mellemgaard A et al.: Docetaxel plus nintedanib versus docetaxel plus placebo 7

Seite 8 von 8 in patients with previously treated non-small-cell lung cancer (LUME-lung 1): a phase 3, doubleblind, randomized controlled trial. Lancet Oncol 15:143-155, 2015. DOI: 10.1016/S1470-2045(13)70586-2 7. Garon EB, Ciuleanu TE, Arrieta O et al.: Ramucirumab plus docetaxel versus placebo plus docetaxel for second-line treatment of stage IV non-small-cell lung cancer after disease progression on platinum-based therapy (REVEL): a multicentre, double-blind, randomized phase 3 trial. Lancet 384:665-673, 2014. DOI: 10.1016/S0140-6736(14)60845-X 8. Borghaei H, Paz-Ares L, Horn et al.: Nivolumab versus docetaxel in advanced nonsquamous nonsmall-cell lung cancer. N Engl J Med. 373:1627-1639, 2015. DOI: 10.1056/NEJMoa1507643 9. Herbst RS, Baas P, Kim DW et al.: Pembrolizumab versus docetaxel for previously treated, PD-L1- positive, advanced non-small-cell lung cancer (KEYNOTE-010): a randomised controlled trial. Lancet 387:1540-1550, 2016. DOI: 10.1016/S0140-6736(15)01281-7 Die Stellungnahme wurde von Prof. Dr. Bernhard Wörmann in Kooperation mit Prof. Dr. Frank Griesinger (Cancer Center Oldenburg, Klinik für Hämatologie und Onkologie, Pius-Hospital Oldenburg), Dr. Martin Sebastian (Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt, Medizinische Klinik II, Frankfurt), Prof. Dr. Michael Thomas (Universitätsklinikum Heidelberg, Thoraxklinik, Heidelberg), Prof. Dr. Cornelius F. Waller (Abteilung Hämatologie/Onkologie, Medizinische Universitätsklinik Freiburg) und Prof. Dr. Jürgen Wolf (Universitätsklinikum Köln, Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) Köln Bonn) erarbeitet. Mit freundlichen Grüßen Für die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer Geschäftsführender Vorsitzender Prof. Dr. med. Michael Hallek Vorsitzender Prof. Dr. med. Diana Lüftner Mitglied im Vorstand Prof. Dr. med. Florian Weißinger Mitglied im Vorstand Für die Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie, Arbeitsgruppe Thorakale Onkologie Prof. Dr. V. Heinemann Vorsitzender 8