Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)

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Transkript:

GESELLSCHAFTSRECHT - GR39 Stand: Oktober 2016 Ihr Ansprechpartner Ass. Georg Karl E-Mail georg.karl@saarland.ihk.de Tel. (0681) 9520-610 Fax (0681) 9520-689 Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Allgemeines Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) war die erste Unternehmensform des europäischen Rechts. Sie bietet vor allem kleinen und mittleren Unternehmen jeder Rechtsform, zudem unter anderem auch Freiberuflern, Landwirten, Verbänden oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa. Bis zur Einführung der europäischen Aktiengesellschaft (societas europaea, abgekürzt SE) (Infoblatt GR10 Die Europa-AG Kennzahl 744) im Jahre 2004 war die EWIV die einzige Gesellschaftsform des europäischen Rechts. Eine weitere grenzüberschreitende Gesellschaftsform steht seit 2006 mit der Europäischen Genossenschaft (societas cooperativa europaea = SCE) zur Verfügung. Lange war die Einführung einer europäischen Privatgesellschaft ((societas privata europaea) SPE) in Planung. Das Vorhaben wurde jedoch von der EU-Kommission im Jahre 2013 aufgegeben. Im Gespräch ist derzeit die Einführung einer europäischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, nämlich der societas unius personae (SUP). Die weitere Entwicklung diesbezüglich bleibt abzuwarten. Rechtsnatur Die EWIV hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, ist aber ähnlich der OHG in vielen Bereichen einer juristischen Person angeglichen. Sie kann genauso Trägerin von Rechten und Pflichten sein wie sie Verträge im eigenen Namen abschließen darf. Sie kann auch Partei eines Rechtsstreits sein, klagen oder verklagt werden Unternehmensgegenstand

Die EWIV darf nicht selbst ein Gewerbe oder einen freien Beruf gegenüber Dritten ausüben. Unternehmensgegenstand der EWIV kann und darf immer nur die Zusammenarbeit der Mitglieder sein. Zweck der EWIV ist die Erleichterung oder Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder durch Zusammenschluss von Mitteln, Tätigkeiten oder Erfahrungen, nicht aber die Erzielung von Gewinnen. Die Vereinigung darf nur eine Hilfstätigkeit für die wirtschaftlichen Tätigkeiten ihrer Mitglieder darstellen und damit keine eigene Geschäftsidee zur Gewinnerzielung verfolgen. Der Unternehmensgegenstand wird in das von den einzelnen Mitgliedstaaten dafür vorgesehene Register eingetragen (im Saarland: Zentrales Handelsregister beim AG Saarbrücken) und ist somit öffentlich einsehbar. Gründung Der EWIV-Gründungsvertrag muss schriftlich abgefasst werden und mindestens folgende Punkte enthalten: den Namen (und den Zusatz "EWIV", evtl. ausgeschrieben) den Sitz (dieser muss sich innerhalb der Europäischen Union (EU) befinden) den Unternehmensgegenstand Angaben über die Mitglieder die Dauer, wenn diese nicht unbestimmt ist Sinnvoll ist es, darüber hinaus einen umfassenden schriftlichen Vertrag abzufassen, beispielsweise mit Regelungen zu den Organen, zur Zusammenarbeit, zur Frage der Einlagen, zur Haftung, zur Gewinnverteilung oder zum Stimmrecht. Weitere Gründungsvoraussetzung ist in Deutschland die Eintragung der EWIV ins Handelsregister. Der Geschäftsführer muss über einen Notar die Eintragung der EWIV anmelden. Folg0ender Inhalt ist Mindestvoraussetzung: Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand, Mitgliederliste, Nennung des Geschäftsführers, Gründungsvertrag, Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers. Die nationale Eintragung wird dann im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Mitglieder Eine EWIV muss sich aus mindestens zwei Mitgliedern aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammensetzen. Eine Begrenzung der Anzahl der Mitglieder nach oben gibt es nicht. Voraussetzung ist allerdings, dass jedes Mitglied jeweils rechtlich selbstständig ist. Insofern können nur Unternehmen wie Einzelfirmen, Personen- und Kapitalgesellschaften, aber auch Freiberufler, sonstige 2/5

Selbstständige, Landwirte, Verbände, Vereine und öffentlich-rechtliche Körperschaften Mitglieder sein. Einlagen Ein Stammkapitel ist nicht erforderlich. Die EWIV kann mit oder ohne Bareinlagen, Sacheinlagen oder eingebrachtem Know-how gegründet werden. Es müssen lediglich die Gründungskosten bezahlt werden. Haftung Da für die EWIV Vertragsfreiheit gilt und die Mitglieder kein Pflichtkapital zur Verfügung stellen müssen, haften die Mitglieder im Außenverhältnis für sämtliche Verbindlichkeiten der EWIV gesamtschuldnerisch und unbeschränkt. Allerdings ist ein Rückgriff auf die Mitglieder erst dann möglich, wenn die EWIV zuvor zur Zahlung aufgefordert wurde und die Zahlung durch die EWIV innerhalb einer angemessenen Frist nicht erfolgt ist. Die persönliche Haftung der Mitglieder ist also subsidiär. Die Haftung der Mitglieder ist im Normalfall nicht mit allzu hohen Risiken verbunden, da die EWIV in der Regel keine großen Geschäfte tätigt. Im Innenverhältnis kann die EWIV die Haftungsverteilung weitestgehend vertraglich selbst vereinbaren. Es können beispielsweise auch verschiedene Haftungsquoten unter den Mitgliedern festgelegt werden. Auch dieses kann im Handelsregister veröffentlicht werden. Organe und Geschäftsführung Die EWIV hat mindestens zwei Organe. Zum einen die gemeinschaftlich handelnden Mitglieder und zum anderen einen oder mehrere Geschäftsführer. Bei einer EWIV mit Sitz in Deutschland müssen die Geschäftsführer natürliche Personen sein, in einigen anderen Ländern kann die Geschäftsführung auch bei juristischen Personen liegen. Die Geschäftsführung muss nicht durch ein Mitglied der EWIV ausgeführt werden, ihre Haftung ist mit der des GmbH-Geschäftsführers Die Mitglieder treffen die für die im Unternehmenszweck vereinbarten Ziele und Aufgaben erforderlichen Beschlüsse und sind damit das Entscheidungsorgan der EWIV. Die Beschlüsse müssen grundsätzlich einstimmig gefasst werden, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag regelt etwas anderes. Diese abweichende Regelung ist nur in beschränktem Maße möglich. Jedes Mitglied hat eine Stimme, allerdings ist auch hier eine anders lautende Vereinbarung im Vertrag möglich. Steuern 3/5

Hat die EWIV festangestellte Mitarbeiter (es dürfen nicht mehr als 500 Personen sein!), ist für diese Lohnsteuer abzuführen. Ist die EWIV umsatzsteuerpflichtig, ist Mehrwertsteuer abzuführen. Die EWIV ist dann vorsteuerabzugsberechtigt. Eine EWIV zahlt keine Unternehmenssteuern (z. B. Körperschafts- oder Gewerbeertragsteuer). Da die EWIV keine Gewinne machen darf, müssen Überschüsse, soweit sie nicht reinvestiert werden, an die Mitglieder ausgeschüttet werden. Diese haben dann nach den nationalen Vorschriften ihre Einnahmen zu versteuern. Allerdings können auch Rücklagen gebildet werden. Nähere Auskünfte zur Besteuerung der EWIV kann Ihnen ein Steuerberater geben. Mitglieder aus Drittländern Normalerweise sind die Mitglieder der EWIV auf die Europäische Union beschränkt. Seit 1994 können Mitglieder aber auch aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) stammen. Oftmals ergeben sich aber Probleme, wenn Partner aus Drittländern, z. B. aus den USA, der Schweiz oder aus GUS-Staaten, eingebunden werden sollen. In diesem Fall bietet sich eine Assoziation an. Assoziierte Mitglieder werden nicht in das Handelsregister eingetragen. Sie haften nicht nach außen, eine Haftung im Innenverhältnis kann aber vereinbart werden. Formell besteht für sie kein Recht auf Stimmabgabe in der Mitgliederversammlung, ihre Stimmabgabe kann aber zur Niederschrift zu Protokoll gegeben werden. Wie oben schon unter dem Punkt Organe und Geschäftsführung beschrieben, kann ein Vertreter bzw. Geschäftsführer eines Mitgliedes aus einem Drittland Geschäftsführer einer EWIV werden. Fazit Eine optimale Rechtsform gibt es nicht, jede hat ihre Vor- und Nachteile. Die Vorteile der EWIV in Abgrenzung zu anderen Unternehmensformen sind insbesondere eine sehr flexible und unbürokratische rechtliche Gestaltung und Handhabung, die Tatsache, dass die EWIV auch ohne Kapital gegründet werden kann und steuerlicher Art bei der Gründung. Zudem bleiben die Mitglieder einer EWIV bezüglich ihrer ursprünglichen Tätigkeit weiterhin rechtlich selbstständig und behalten damit all ihre bisherigen unternehmerischen Freiheiten. Vor allem für Klein- und mittelständische Unternehmen, die grenzüberschreitend a- gieren wollen, lohnt es sich, eine EWIV in Erwägung zu ziehen. Allerdings sollte vor der Gründung eine eingehende Beratung bei einem Rechtsanwalt oder Notar in Anspruch genommen werden. 4/5

Dieses Merkblatt soll als Service Ihrer IHK nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. 5/5