Der Handel mit CO 2 -Zertifikaten als zentrales Instrument der deutschen und europäischen Umweltpolitik LERNMODUL FÜR LEHRKRÄFTE



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Der Handel mit CO 2 -Zertifikaten als zentrales Instrument der deutschen und europäischen Umweltpolitik LERNMODUL FÜR LEHRKRÄFTE

Impressum Herausgeber: BildungsCent e.v. Berlin www.bildungscent.de Fachliche Bearbeitung: Institut für Ökonomische Bildung An-Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg www.ioeb.de Abbildungen Titelseite; S. 1, 27: H.-G. Oed (BMU) Stand: Mai 2009 Das Lernmodul für Lehrkräfte wurde im Rahmen des Programms Aktion Klima! des BildungsCent e.v. erstellt. Aktion Klima! ist Teil des Aktionsprogramms Klimaschutz an Schulen und Bildungseinrichtungen im Rahmen der Klimaschutzinitiative der Bundesregierung und wird gefördert durch das Bundesumweltministerium.

Inhaltsverzeichnis Einleitung................................................ 1 1 Hintergründe: Warum gibt es den Handel mit Emissionsrechten?......... 3 1.1 Umweltprobleme aus ökonomischer Sicht.................... 3 1.2 und Lösungen umweltpolitische Instrumente............... 7 1.3 Emissionshandel Wege zur Umsetzung..................... 9 Lernkatalog......................................13 2 Der Handel mit CO 2 -Emissionszertifikaten in der Praxis...............19 2.1 Die erste Handelsperiode von 2005 2007................... 19 2.2 Die zweite Handelsperiode von 2008 2012.................. 25 2.3 Ausblick: Was kommt nach 2012?......................... 27 Lernkatalog..................................... 30 Quellenverzeichnis........................................ 33

Einleitung Nur wenige Themen haben Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit in den vergangenen Jahrzehnten so sehr beschäftigt wie der Schutz unserer Umwelt. Waldsterben, Ozonloch, Treibhauseffekt Phänomene wie diese prägten häufig die Schlagzeilen. Es ist heute selbstverständlich, dass sich die Umweltministerien für Arten-, Klima- und Gewässerschutz einsetzen, internationale Abkommen schließen und dadurch viel Einfluss auf unser alltägliches Leben und unsere Entscheidungen nehmen. Dabei sind ökonomische Überlegungen unerlässlich: Wie erreicht man ein ökologisches Ziel möglichst effizient das heißt zu volkswirtschaftlich minimalen Kosten? Welche umweltpolitischen Instrumente können überhaupt eingesetzt werden? Welche Auswirkungen hat eine Maßnahme beispielsweise auf Beschäftigung, Wirtschaftswachstum, Investitionen, Innovationen oder Preise? Unbestritten gehört der Umgang mit dem globalen Klimawandel zu den größten Herausforderungen in diesem Jahrhundert. Nahezu zweifelsfrei ist inzwischen nachgewiesen, dass die Erhöhung der anthropogenen Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre maßgeblich zu dem in den letzten Jahrzehnten beobachteten globalen Temperaturanstieg von etwa 0,6 C beigetragen hat. Prognosen und Modellrechnungen für die künftige Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur gehen davon aus, dass diese im Vergleich zu 1990 um 1,4 bis 5,8 C ansteigen könnte (siehe z. B. Stern-Report). Die globale Erwärmung wird großen Einfluss auf Natur und Mensch haben und daher sind erhebliche Anstrengungen für wirksamen Klimaschutz notwendig. Mehr als 80 % der für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgasemissionen entfallen auf Kohlendioxid (CO 2 ), das hauptsächlich bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe also Erdöl, Erdgas und Kohle freigesetzt wird. Daher besteht ein grundsätzlicher Konsens, dass die Emissionen aus diesen Quellen deutlich abgesenkt werden müssen. Ein zentrales Instrument hierzu ist der so genannte CO 2 -Zertifikatehandel, der am 01.01.2005 in der Europäischen Union eingeführt wurde. Häufig ist jedoch unklar, warum gerade dieses Instrument gewählt wurde und welcher Mechanismus sich dahinter verbirgt. An dieser Stelle setzt das hier vorliegende Modul an und führt grundlegend in die Thematik ein. Dazu gehört sowohl die Betrachtung der Zielebene als auch der Instrumentenebene. Der erste Teil vermittelt zunächst grundlegendes ökonomisches Hintergrundwissen, das für ein vertiefendes Verständnis der Funktionsweise des Handels mit Emissionszertifikaten notwendig ist. Mit öffentlichen Gütern und externen Effekten werden hierbei zwei 1

theoretische Ansätze vorgestellt, die zentrale Bedeutung für die Auswahl geeigneter politischer Maßnahmen gegen die Übernutzung der Umwelt und des Klimas haben. Im Anschluss daran werden die wichtigsten umweltpolitischen Instrumente vorgestellt und bewertet. Dabei werden auch wichtige Prinzipien deutlich, auf denen die Umweltpolitik in Deutschland beruht. Dazu zählen insbesondere das Verursacher- und das Vorsorgeprinzip. Gezeigt wird weiterhin, warum gerade der Handel mit Emissionslizenzen grundsätzlich einen Erfolg versprechenden und effizienten Weg zur Reduktion der klimaschädlichen CO 2 - Emissionen darstellt. Im zweiten Teil geht es um die praktische Umsetzung des Instruments, das in einigen Ländern eingesetzt wird. Im Fokus steht hier das europäische Handelssystem für CO 2 - Emissionszertifikate. Dabei wird sowohl der Hintergrund als auch der rechtliche Rahmen auf internationaler und nationaler Ebene beleuchtet, bevor die bisherigen Erfahrungen mit dem Instrument genauer betrachtet werden. Das Kapitel endet mit einem Ausblick auf die Zukunft des Zertifikatehandels in der Europäischen Union. Das vorliegende Lernmodul richtet sich an interessierte Lehrkräfte, die im Unterricht energiewirtschaftliche und umweltpolitische Zusammenhänge behandeln möchten. Es vermittelt Basiswissen über ein zentrales Instrument der deutschen und europäischen Umweltpolitik, mit dem sich die Leserinnen und Leser in einem Zeitraum von etwa einem halben Tag vertraut machen können. Ergänzend werden den Lehrkräften erste Möglichkeiten für die Behandlung im Unterricht aufgezeigt. 2

Kapitel I Hintergründe: Warum der Handel mit Emissionsrechten? Verschmutzte Gewässer, aussterbende Tier- und Pflanzenarten, Klimaveränderungen Umweltprobleme sind das Ergebnis bestimmter menschlicher Verhaltensweisen und Entscheidungen. Auf den ersten Blick liegt es deshalb nahe, sie als Ergebnis von Fehlverhalten zu interpretieren. Ein Leichtes wäre es dann, vermehrt Bildungs- und Aufklärungsarbeit einzusetzen, um dieses abzustellen. Bisherige Bemühungen in diesem Feld sind jedoch nur von geringem Erfolg gekrönt. Die Frage nach den Gründen und besser geeigneten Lösungswegen gilt es daher weiter zu verfolgen. Die ökonomische Perspektive liefert hier einige wichtige Antworten, indem insbesondere das Verhältnis zwischen gültigen Rahmenbedingungen und dem Verhalten der Individuen genauer untersucht wird. Zudem kann mit ihrer Hilfe untersucht werden, warum es in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt, dass bislang die Nutzung der Atmosphäre zur Entsorgung von Treibhausgasen kostenlos möglich ist. Mit diesem Hintergrundwissen lassen sich Zielsetzung, Funktionsweise und Umsetzungsprobleme des Emissionsrechtehandels in der Praxis erst genauer untersuchen. 1.1 Umweltprobleme aus ökonomischer Sicht In unserer marktwirtschaftlichen Ordnung erfolgen die Verteilung knapper Güter und die Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten weitgehend über Märkte. Prinzipiell gilt: Der Preis für ein Gut oder eine Dienstleistung ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Sofern auf einem Markt genügend Verkäufer und Käufer vorhanden sind und Wettbewerb herrscht, sorgen die Marktkräfte für eine relativ optimale Zuteilung der Güter: Diejenigen Käufer, die einem bestimmten Gut (oder einer Dienstleistung) einen hohen Wert beimessen, erhalten es auch. Und zwar von den Verkäufern, die es aufgrund geringer Produktionskosten am günstigsten anbieten können. Eine besonders wichtige Voraussetzung für den Handel auf Märkten ist eine Eigentumsverfassung, die genau festlegt, was Eigentum ist und wie der Besitzer damit verfahren darf. Es bereitet bei den meisten Gütern keine Schwierigkeiten, diese Rechte zu vergeben. Jedoch gibt es auch so genannte öffentliche Güter, bei denen sich dieser Vorgang weitaus schwieriger gestaltet. Deichanlagen, nationale Verteidigung und die Umwelt sind typische Beispiele für diese speziellen Güter, bei denen der Marktmechanismus nicht funktioniert. Öffentliche Güter Für öffentliche Güter gilt, dass grundsätzlich niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann. Anders als bei einem privaten Gut, dessen Nutzen in der Regel auf den Käufer beschränkt bleibt (z. B. Pkw, Apfel), können eine intakte Landschaft, saubere Luft oder das Rundfunkangebot von einem Individuum konsumiert werden, ohne dass dadurch die Möglichkeiten anderer Individuen eingeschränkt werden. Dies gilt im Fall von Umweltleistungen zumindest solange, wie es zu keiner Überbeanspruchung kommt. Ein Apfel hingegen 3

kann nur einmal konsumiert werden und ist anderen Menschen dann nicht mehr zugänglich. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Rivalität im Konsum. Weiterhin gilt, dass bei privaten Gütern nur der Nachfrager in deren Genuss kommen kann, der den geforderten Preis dafür zahlt. Der Preis dient als Ausschlussmechanismus und nur deshalb finden sich am Markt Anbieter, die solche Güter herstellen. Bei öffentlichen Gütern ist das aber nicht so. Es gibt Situationen, in denen niemand vom Konsum eines Ware oder einer Dienstleistung ausgeschlossen werden kann, obwohl dieser sich nicht an den Kosten für die Bereitstellung beteiligt. Beispiele sind Maßnahmen zur Luftreinhaltung oder zum Klimaschutz. Steht ein öffentliches Gut erst einmal zur Verfügung, kann es jeder in Anspruch nehmen, ohne dass man ihn von der Nutzung ausschließen könnte. Können Nachfrager ein Gut nutzen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen, so werden sie dies in der Regel auch tun. Die individuell vorteilhafteste Variante ist dann, die so genannte Trittbrettfahrerposition einzunehmen. Man fährt quasi mit, ohne den Fahrpreis zu entrichten. Das führt letztlich dazu, dass der Markt kein Angebot an solchen Gütern und Leistungen bereit stellt, deren Nutzung breit gestreut ist und bei denen kein Ausschlussprinzip gilt (z. B. nationale Verteidigung, Grundlagenforschung). Da öffentlich im Sinne von der Allgemeinheit zugänglich zu verstehen ist, droht im Fall öffentlicher Güter wie Umweltleistungen stets die Gefahr von Ausbeutung und Übernutzung. Salopp formuliert könnte man auch sagen, dass kaum eine Person allein für etwas zahlen wird, das anschließend allen anderen Mitgliedern der Gesellschaft in gleichem Maße zugutekommt. Verschärft wird die gesellschaftliche Dilemmasituation noch dadurch, dass der Beitrag eines einzelnen Verbrauchers, Unternehmens oder Staates je nach Problem für eine verbesserte Umweltqualität in aller Regel kaum spürbar ist. So hängen die CO 2 -Belastung unserer Erde und damit die Entwicklung des Klimas weder davon ab, ob ein einzelner Verbraucher mit dem Pkw oder mit dem Fahrrad fährt. Unter diesen Gesichtspunkten sollte auch der tatsächlich zu erreichende Effekt der ehrgeizigen Klimapolitik eines einzigen Landes realistisch eingeschätzt werden. Dies ist der Grund, warum viele Menschen im Alltag immer wieder Handlungen vollziehen, deren schädliche Wirkung ihnen hinlänglich bekannt sind. So lange alle anderen sich klimaschädlich verhalten, macht es ja aus der Sicht des Einzelnen keinen Sinn, beispielsweise auf den Komfort einer Pkw-Fahrt oder einer Flugreise zu verzichten. Und auch der ein- 4

zelne Staat wird sich sehr genau überlegen, ob er seine nationalen Unternehmen mit starken, kostenträchtigen Umweltauflagen belegt, während andere Länder darauf verzichten. Unter diesen Gesichtspunkten wird nachvollziehbar, warum es zu einer Übernutzung der für uns lebensnotwendigen Umwelt und des Klimas kommt. Eng verwandt mit öffentlichen Gütern sind die so genannten externen Effekte, die immer dann entstehen, wenn ein Gut mit Nutzen keinen Preis hat. Externe Effekte Viele wirtschaftliche Aktivitäten sind mit mehr oder weniger unbeabsichtigten Folgen für Dritte verbunden. Ein Beispiel sind die Auspuffgase von Fahrzeugen, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Menschen und zu Umweltschäden führen können. Ein anderes Beispiel ist ein Staudamm, der umliegende landwirtschaftliche Flächen vor Überflutungen schützt. In beiden Fällen handelt es sich aus ökonomischer Perspektive um einen externen Effekt. Extern deshalb, weil eine wirtschaftliche Handlung Auswirkungen auf einen (oder mehrere) unbeteiligte Dritte hat, für die jedoch niemand einen Ausgleich erhält. Sofern der externe Effekt zu Schädigungen führt, bezeichnet man ihn als negativ ; analog gibt es auch positive externe Effekte, die immer dann auftauchen, wenn unbeteiligte Dritte durch die Aktivität begünstigt werden. Häufig wird auch von einem externen Nutzen gesprochen. Positive externe Effekte frei zugängliche Forschungsergebnisse Tarifabschlüsse, die Gewerkschaften für Beschäftige einer Branche erzielen, auch wenn diese nicht Mitglied sind Deich, der zu einem attraktiven Ausflugsziel wird Negative externe Effekte Schadstoffausstoß von Pkws Abwassereinleitung eines Produktionsbetriebes reduziert den Fischbestand Müllverbrennungsanlage produziert Dioxin Wenn externe Effekte auftreten, dann haben die am Wirtschaftsprozess beteiligten Akteure nicht sämtliche Folgen ihres Handelns zu tragen. Folglich werden sie diese bei ihren Entscheidungen für oder gegen eine bestimmte Aktivität auch nicht berücksichtigen. So tragen beispielsweise Autofahrer die einschlägigen privaten Kosten (Anschaffungskosten, Versicherungsbeiträge, Steuern, Kraftstoff etc.). Die ökologischen Beeinträchtigungen durch das Straßen- und Autobahnnetz werden ihnen bislang allerdings ebenso wenig nutzungsabhängig angelastet wie die Kosten verkehrsbedingter Luftverschmutzungen, Klimaveränderungen, Boden- und Gewässerbelastungen sowie Lärmbelästigungen. Diese Kosten müssen andere (Konsumenten, Produzenten, Staaten) übernehmen. Anders ausgedrückt: Die privaten Kosten sind geringer als die gesellschaftlichen Kosten. Dabei muss es sich nicht zwingend um Kosten im Sinne von finanziellen Belastungen handeln; auch der Verzicht auf Nutzen (in Form von Naturerleben und Erholung oder die Beeinträchtigung der Gesundheit) zählt dazu. 5

Im Umweltbereich sind negative externe Effekte geradezu charakteristisch. Ein Ökonom würde sagen, dass es zu einer Fehlsteuerung der Märkte kommt, die auf die kostenlose Nutzung der Umweltleistungen (u. a. als Rohstofflieferant oder Auffangbecken für Emissionen) zurückzuführen ist. Üblicherweise werden Märkte als effiziente gesellschaftliche Institutionen zur Bewältigung von Knappheiten betrachtet. Diese Aufgabe können sie aber nur übernehmen, wenn sich die Knappheit auch in dem für die Entscheidung maßgeblichen Bewertungssystem (also Preise und Kosten) niederschlägt. Da ein Teil der Kosten einer wirtschaftlichen Aktivität auf Dritte umgewälzt werden kann, sind die privat kalkulierten Kosten geringer als die gesellschaftlichen Kosten. Das Umweltbundesamt hat versucht, die externen Kosten der Stromerzeugung. zu ermitteln. Berücksichtigt wurden dafür Schätzungen über Gesundheitsschäden durch Schadstoffbelastungen, volkswirtschaftliche Schäden in Folge von Umweltkatastrophen und Klimawandel sowie die Kosten für die militärische und politische Sicherung des Zugangs zu Energierohstoffen. Wären diese externen Kosten in den Marktpreisen für Energie enthalten, würde sich das in einem höheren Preis je Kilowattstunde widerspiegeln. Angewandt auf die Klimaproblematik sind negative externe Effekte und öffentliche Güter sozusagen zwei Seiten einer Medaille: Ein intaktes Klima ist ausschließlich mit positiven externen Effekten verbunden dieser Nutzen wird jedoch nicht in Preisen erfasst. Und so kommt es zu einer übermäßigen Belastung der Atmosphäre. Eine Dilemmasituation ist entstanden: Gesamtgesellschaftlich ist es natürlich wünschenswert, das Klima zu schützen. Dafür könnte beispielsweise das Verkehrsaufkommen reduziert werden. Jedoch ist das für den einzelnen Autofahrer noch lange kein Grund, für den langen Weg zur Arbeit auf seinen Pkw zu verzichten. Weder Böswilligkeit noch Bequemlichkeit sind daran Schuld: Es gibt schlicht zu wenig Anreize, auf das Autofahren zu verzichten, um das Klima zu schonen. Der Autofahrer trägt nur seine eigenen privaten Kosten und muss die Kosten der Klimabelastung nicht berücksichtigen. Hinzukommt, dass selbst wenn er sich aus Klimaschutzgründen gegen das Auto entscheidet, er sich nicht sicher sein kann, ob andere seinem guten Beispiel folgen. Aus Sicht der Ökonomie können Umwelt- und Klimaprobleme in einer marktwirtschaftlichen Ordnung entschärft werden, indem die Rahmenbedingungen und Spielregeln im System so verändert werden, dass die Verursacher externer Effekte genau diese Auswirkungen bei ihren Entscheidungen mit berücksichtigen müssen. 6

1.2 und Lösungen umweltpolitische Instrumente Die Maßnahmen, mit denen die Politik Umwelt- und Klimaschutz betreibt, lassen sich drei grundsätzlichen Kategorien zuordnen: Informations- und Aufklärungsstrategien, ordnungsrechtliche Maßnahmen (Regulierung) und ökonomische, anreizkonforme Instrumente. Informations- und Aufklärungsstrategien Umweltinformationen, Umweltberatung und bildung sollen dazu beitragen, dass über ein geschärftes Umweltbewusstsein umweltverträgliches Verhalten erzeugt wird. Diese Strategie beruht auf der Annahme, dass Wissen die Verhaltensweise des Einzelnen maßgeblich beeinflusst. Oft werden derartige Strategien auch unter dem Begriff Moral Suasion (= moralischer Appell) zusammengefasst. Tatsächlich besteht zwischen dem (Umwelt-)Bewusstsein und dem tatsächlich zu beobachtenden Verhalten des Einzelnen häufig eine große Kluft. Das ist insbesondere in Situationen zu beobachten, in denen der Aufwand für eine umweltverträgliche Handlung sehr hoch erscheint (z. B. Verzicht auf ein Auto oder eine Flugreise). Viele Menschen sind dann nicht bereit, Zeit, Mühe und Geld aufzubringen. Prinzipiell gilt die Regel: Je geringer der Aufwand, desto höher die Bereitschaft zu umweltschonendem Verhalten (z. B. Verzicht auf Stand-by-Betrieb, Benutzung von Stoffeinkaufsbeuteln, Mülltrennung, Nutzung von Thermostatventilen). Hinzu kommt die Ungewissheit, ob auch andere sich ökologisch engagieren, indem sie beispielsweise das Fahrrad anstelle des Autos benutzen und sich durch den Verzicht letztlich ein persönlicher Nutzen durch sinkende Schadstoffemissionen ergibt. Festzuhalten ist: Selbst wenn das Umweltbewusstsein sehr hoch eingeschätzt wird, hat dies in vielen Situationen nur wenig Einfluss auf das konkrete Verhalten. Unabhängig davon übernehmen Aufklärung und Appelle jedoch wichtige Funktionen, denn das Wissen über ökologische Wirkungszusammenhänge ist zwingende Voraussetzung für die Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten und stellt insofern den ersten Schritt dar. Sofern umweltgerechtes Handeln mit geringem persönlichem Aufwand verbunden ist, bestehen zudem gute Aussichten auf eine Änderung zugunsten von Umwelt und Klima. Ordnungsrechtliche Maßnahmen Gesetzliche Auflagen in Form von Geboten und Verboten sind die am häufigsten eingesetzten Instrumente der Umweltpolitik. Mit ihnen werden Verursacher zu einer bestimmten Verhaltensweise gezwungen, wie etwa zur Reduktion von Schadstoffemissionen oder zur Einhaltung von Normen beim Gebäudebau. Gänzlich verboten ist beispielsweise der Einsatz von FCKW als Kühlmittel oder als Treibgas in Spraydosen. Der große Vorteil von regulierenden Maßnahmen ist, dass Verstöße kontrolliert und sanktioniert werden können. Weiterhin lassen sich ökologische Ziele relativ treffsicher festlegen. Auf der anderen Seite macht die Auflagenpolitik den Umweltschutz manchmal unnötig teuer, denn die Regelungen behandeln jeden Verursacher gleich und berücksichtigen nicht verschieden hohe Kosten, die Ver- 7

ursacher zur Einhaltung der Vorgaben leisten müssen. So kann es unter Umständen gesamtgesellschaftlich günstiger sein, wenn ein Produzent mit geringen Vermeidungskosten einen größeren Beitrag zur Realisierung des Umweltziels beiträgt, wenn die Kosten im Vergleich günstiger ausfallen. Sofern es aus ökologischer Sicht gleichgültig ist, wie ein Umweltziel erreicht wird, ist eine kostengünstige Lösung sicherlich wünschenswert. Leider gehen von Auflagen auch keine Anreize aus, über gesetzliche Vorschriften hinaus Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder neue umwelt- und klimafreundliche Technologien zu entwickeln. Am Beispiel Schadstoffemissionen in der Produktion lässt sich dies gut nachvollziehen: Ein Unternehmen, das über die vorgeschriebenen Auflagen hinaus noch weitere Schadstoffe vermeidet, hat im Vergleich zu seinen Konkurrenten in der Regel höhere Kosten, denn nach wie vor können verbleibende Restemissionen kostenlos an die Umgebung abgegeben werden. Die praktische Umsetzung von Ge- und Verboten ist zudem mit vielen Problemen und hohen Kosten verbunden (z. B. Überwachung der Vorschriften, Schwierigkeiten bei der Anlastung, Unsicherheiten bei der Auslegung). Besonders wenn schnelles Handeln gefordert ist, um unmittelbare Gefahren abzuwehren, sind Umweltauflagen jedoch unerlässlich bzw. gibt es keine Alternative. Ökonomische Instrumente Umweltpolitische Instrumente dieser Kategorie geben Verursachern Anreize für eigenständige Problemlösungen. Anders ausgedrückt: Umweltschutz soll sich lohnen. Dafür stehen Preislösungen (z. B. Umweltabgaben, Ökosteuern) und Mengenlösungen (Emissionszertifikate) zur Verfügung, die die Nutzung der Umwelt zu einem Kostenfaktor machen, den sowohl Produzenten als auch Käufer bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Die Wirkungsweise dieser Maßnahmen lässt sich leicht an einem Beispiel nachvollziehen: Wenn ein festgelegter Steuerbetrag für den Ausstoß einer Tonne Schadstoffe zu zahlen ist, werden die Verursacher ihre Emissionen bis zu dem Punkt reduzieren, an dem die Vermeidung geringere Kosten verursacht als die sonst zu zahlende Steuer. D. h. bei niedrigen Vermeidungskosten werden viele Emissionen vermieden, um der Zahlung der Steuer zu entgehen. Sind die Kosten für die Vermeidung der Schadstoffe hingehen recht hoch, lohnt es sich, lieber die Steuern zu entrichten und auf Reduktionsmaßnahmen zu verzichten. Die Verursacher werden so zur Berücksichtigung der gesamten Kosten, die mit ihrer Handlung verbunden sind, gezwungen. Dazu gehören somit auch die externen Kosten. In der Ökonomie wird auch von einer Internalisierung der externen Kosten gesprochen, anders ausgedrückt von einer Veränderung der Anreize, so dass Menschen diese Kosten bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Im Vergleich zu den ordnungsrechtlichen Maßnahmen lassen sich mit Hilfe der ökonomischen Instrumente wie Steuern sogar die gesamten externen Effekte internalisieren sofern Steuersatz exakt den externen Kosten entspricht. 8

Der britische Ökonomieprofessor Arthur C. Pigou (1877-1959) erkannte als einer der ersten Preis Kosten der Umweltverschmutzung volkswirtschaftliche Kosten Wissenschaftler, dass externe Effekte eine Ursache für Marktversagen im Umweltbereich sind. Angebot (private Kosten) Als Lösungsmöglichkeit schlug Pigou die Erhe- P Optimun bung einer Steuer vor. Sie soll den Verursacher P Markt dazu veranlassen, die Kosten, die seine Aktivitäten der Gesellschaft aufbürdet, in seiner Kalkulation zu berücksichtigen. Nachfrage X Optimum X Markt Darüber hinaus gehen von Abgaben Anreize zur Forschung und Investition in alternative Technologien aus. Zentrale Bedeutung hat allerdings die Höhe der Abgabe: Werden Abgaben zu niedrig angesetzt, können die angestrebten ökologischen Wirkungen zu gering ausfallen. Werden sie zu hoch angesetzt, kann dies beispielsweise die Wettbewerbsfähigkeit von international agierenden Unternehmen gefährden. Eine andere Möglichkeit kann die Ausgabe einer begrenzten Anzahl von Umweltzertifikaten sein, die ein verbrieftes Umweltnutzungsrecht, beispielsweise in Form des Ausstoßes einer Tonne Schwefeldioxid, darstellen. Der Staat macht sich quasi zum Eigentümer des Umweltmediums, gestattet so über Zertifikate in einem gewissen Umfang dessen Nutzung und betont damit die Knappheit der Ressource. Auf diese Weise wird ein neues knappes Gut geschaffen, für das sich ein Markt bildet, der durch Angebot und Nachfrage gesteuert wird. Bei starker Nachfrage nach Umweltzertifikaten steigt der Preis und damit auch der Anreiz, in bessere umweltschonende Produktionsverfahren zu investieren. Ist das ökologische Ziel, nur eine bestimmte Menge an Schadstoffe zuzulassen, kann dies mit dem Zertifikatehandel sehr treffsicher erreicht werden. Umweltziele können außerdem zu minimalen Kosten erreicht werden. Abb. 1: Ansatzpunkte für umweltpolitische Maßnahmen (Quelle: eigene Darstellung) 9

Kapitel 1.3 Emissionshandel Wege zur Umsetzung Treibhausgasemissionen und Klimawandel halten sich nicht an nationale Grenzen. Deshalb müssen wirksame umweltpolitische Lösungen heute nicht nur auf nationaler, sondern gerade auf internationaler Ebene gefunden werden. Dabei ist der Anspruch der Entwicklungsund Schwellenländer auf wirtschaftliche Entwicklung und den damit verbundenen Emissionszuwachs zu berücksichtigen. Aus diesem Grund werden von den Industrieländern vergleichsweise hohe Reduktionen erwartet, ohne deshalb die umweltpolitische Bedeutung der wachsenden Volkswirtschaften in der Welt zu vernachlässigen. Abb. 2: Bilanz der weltweiten CO 2 -Emissionen (Quelle: OECD) Die Basis für eine globale Klimapolitik wurde bereits Ende der siebziger Jahre gelegt. Im Zuge starker Dürre- und Trockenperioden in verschiedenen Regionen der Welt wurde die erste internationale Klimakonferenz abgehalten. In der Folge rückte die Entwicklung des Klimas in den Fokus naturwissenschaftlicher Forschungen, die einen direkten Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und gestiegenen Treibhausgasemissionen nachwiesen. Die politische Diskussion über Maßnahmen zum Schutz des Klimas begann Ende der achtziger Jahre. Ein bedeutender Meilenstein der globalen Klimapolitik stellte die 1992 auf dem Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro beschlossene Klimarahmenkonvention dar, die bis heute Gültigkeit hat. Ziel dieser Vereinbarung ist, die Konzentration der Treibhausgase auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine Störung des Klimasystems verhindert. Dieses Niveau soll zudem in einem Zeitraum erreicht werden, der gewährleis- 10

tet, dass die Ökosysteme sich auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und eine nachhaltige Entwicklung möglich bleibt. Die Konvention wurde von 193 Nationen unterzeichnet (Stand 2009) und bildet den Rahmen für nachfolgende Klimaschutzverhandlungen, in denen konkrete Emissionsminderungsmengen und Instrumente zur Umsetzung festgelegt wurden. Bei der dritten Vertragsstaatenkonferenz 1997 in der japanischen Stadt Kyoto wurde schließlich ein Protokoll zum Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen, das so genannte Kyoto-Protokoll, angenommen. In diesem völkerrechtlich verbindlichen Vertragswerk verpflichteten sich die beteiligten Industriestaaten, den Ausstoß klimaschädlicher Gase (insbesondere Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid bzw. Lachgas) im Zeitraum 2008-2012 um 5,2 % gegenüber 1990 zu senken. Die einzelnen Staaten haben dabei unterschiedliche Minderungspflichten übernommen: Die Europäische Union hat zugesagt, ihre Emissionen in dieser Zeit um 8 % gegenüber dem Niveau von 1990 verringern; Kanada und Japan hingegen streben ein Minus von 6 % an. Russland und die Ukraine wiederum wollen ihre Emissionen lediglich auf dem Stand von 1990 halten. Die USA sind als einziges Industrieland nicht Mitglied im Kyoto-Protokoll und sind keine Minderungspflichten eingegangen. Das Kyoto-Protokoll wurde von allen Mitgliedstaaten der EU ratifiziert, wobei fast jedes Land eigene Minderungsverpflichtungen übernimmt und somit zum Erreichen des Gesamtziels der EU beiträgt. Bei der Festlegung der Lasten, die jedes Land letztlich übernimmt, wurden die unterschiedlichen Voraussetzungen (z. B. industrielle Struktur, Pro-Kopf- Verbrauch) berücksichtigt. Im Rahmen dieses Burden Sharing hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Treibhausgasemissionen im Zeitraum von 2008-2012 um 21 % (bezogen auf 1990) zu reduzieren. Abb. 3: Lastenverteilung zur Minderung der Treibhausgasemissionen in der EU (Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) 11

Im Kyoto-Protokoll wurden zudem Instrumente zur Zielerreichung festgelegt, mit denen die Kosten der vereinbarten Emissionsreduzierung so niedrig wie möglich gehalten werden sollen. Neben dem weltweiten Handel mit Treibhausgas-Emissionsrechten zwischen den Industriestaaten (Emission Trading) gehören zu den wichtigsten Umsetzungsmechanismen: Clean Development Mechanism (CDM): Dahinter verbergen sich Klimaschutzprojekte, die Industrieländer in Entwicklungsländern durchführen können, um ihren Minderungs- oder Stabilisierungsverpflichtungen nachzukommen. Joint Implementation (JI): Auch mit diesem Instrument haben Industrieländer über projektbasierte Klimaschutzprojekte die Möglichkeit, ihren Minderungspflichten nach dem Kyoto-Protokoll nachzukommen. Als Gastgeberland für solche Maßnahmen kommen in diesem Fall nur andere Industrieländer in Betracht. Auch Unternehmen können sich an JI-Projekten beteiligen und die ihnen dadurch zufließenden Emissionsgutschriften nutzen. Projektbeispiele CDM im Indien: Um eine kleine Region in Nordindien mit Strom aus erneuerbaren E- nergien zu versorgen, wurde an drei kleinen Flüssen in den Ausläufern des Himalaya kleine Laufwasserkraftwerke errichtet. Insgesamt verfügen die Anlagen über eine Kapazität von 3 MW und erzeugen Strom, ohne jedoch die Flüsse aufzustauen CDM in Brasilien: Unter dem Titel Bandeirantes Landfill Gas to Energy Project" wird in einem Vorort von Sao Paulo das in der städtischen Abfalldeponie durch biologische Abbauprozesse entstehende Methan zur Energiegewinnung genutzt. Dafür sorgen 24 Blockheizkraftwerken mit einer Kapazität von insgesamt 22 MW. Im Rahmen des Projektes wird auch Aufklärung in Schulen zu Mülltrennung betrieben und Besichtigungen der Deponie durchgeführt. JI in Deutschland: Im Rahmen eines Programms zur Umsetzung von JI-Maßnahmen wird versucht, Impulse für Klimaschutzmaßnahmen in der hochindustrialisierten Region NRW zu geben. Ein Projekt sieht dabei die Modernisierung alter Heiz- und Dampfkesselanlagen in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in NRW vor. Auch der Austausch solcher Anlagen durch effizientere, emissionsärmere Kessel gehört dazu. Foto: KfW Foto: atmosfair 12

Klimaschutzpolitik in der Europäischen Union der Emissionshandel Ein zentraler Baustein der europäischen Klimaschutzpolitik ist ein eigenes Handelssystem für CO 2 -Emissionszertifikate, das am 01.01.2005 startete. Im Gegensatz zu dem weltweiten Emissionshandel im Rahmen des Kyoto-Protokolls sind hier nicht Staaten, sondern besonders energieintensive Industrieunternehmen und Energieversorger Marktteilnehmer. Der Grundgedanke und die Funktionsweise sind jedoch die gleichen: Ein Emissionszertifikat erlaubt den Ausstoß einer bestimmten Menge Kohlendioxid innerhalb einer festgelegten Verpflichtungsperiode (in der Regel ein Jahr), an dessen Ende der Emittent nachweisen muss, dass seine CO 2 - Emissionen durch Zertifikaten abgedeckt ist. Sofern seine zur Verfügung stehenden Emissionszertifikate nicht ausreichen sollten, kann er entweder Minderungsmaßnahmen ergreifen oder fehlende Zertifikate von anderen Akteuren zukaufen, die diese nicht benötigen. Der Preis der Emissionszertifikate regelt sich durch Abb. 4: Prinzip des Emissionshandels (Quelle: Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbun- Angebot und Nachfrage. Die Marktteilnehmer werden also dort CO 2 - desamt) Zertifikate einkaufen, wo sie am günstigsten sind. Zu den Teilnehmern gehören in den beiden ersten Handelsperioden (2005-2007 und 2008-2012) insbesondere energiewirtschaftliche Anlagen, Eisen- und Stahlwerke, Papiererzeugungsfabriken, Zement- und Kalkwerke, Glas- und Keramikproduktion, Erdölraffinerien und Kokereien. Mitte 2009 werden in ganz Europa etwa 11.500 Anlagen vom Handelssystem erfasst, die ungefähr 40 % der europäischen Treibhausgasemissionen ausstoßen. Weitere Sektoren wie der Flugverkehr werden ab 2012 in den Handel einbezogen. Ab 2013 werden zudem auch weitere klimaschädliche Gase (N 2 O und FKW) sowie zusätzliche Anlagen erfasst. Die Verteilung der Emissionszertifikate auf die Mitgliedstaaten richtet sich an die im Basisjahr 1990 ausgestoßenen Emissionen und den Reduktionsverpflichtungen, die im Rahmen des Burden Sharings übernommen wurden. Die so zugeteilten Zertifikate für Emissionszertifikate werden dann nach im Land festgelegten Reglen auf die beteiligten Akteure umgelegt (Nationaler Allokationsplan) aufgeteilt. Die Zertifikate können dabei gratis zugeteilt oder aber teilweise versteigert werden. 13

Weitere Emissionshandelssysteme In verschiedenen Industrieländern sind eine Reihe weiterer Handelssysteme eingerichtet worden. Beispielsweise existiert bereits seit den 1990er Jahren in den USA ein Handelssystem für die Schwefeldioxid-(SO 2 )-Emissionen sowie die NO x -Emissionen. In punkto Treibhausgasemissionen gibt es sowohl in den USA und Kanada eine Reihe freiwilliger aber auch verpflichtender Handelssysteme. So wurde 2003 die Chicago Climate Exchange (CCX) gegründet. Deren Teilnehmer sind zumeist große Unternehmen oder Organisationen, die sich dazu verpflichtet haben, im Laufe der Zeit ihre Treibhausgasemissionen gemäß vorher festgelegter Reduktionspläne zu vermindern entweder durch konkrete Einsparungsmaßnahmen oder durch den Kauf von Gutschriften über Aktivitäten zur Reduktion von Emissionen (z. B. Wiederaufforstungsprojekte, Auffangen von Methangas). In Australien wurde 2003 das New South Wales Greenhouse Gas Abatement Scheme speziell für den Energiesektor eingerichtet. Energieproduzenten müssen ihre Emissionen im Jahr 2007 um 5 % gegenüber 1990 senken und diesen Wert fünf Jahre halten. Bei Nichterreichen sind Strafzahlungen zu leisten. Speziell zur Reduktion der CO 2 - Emissionen soll ab dem 01.07.2011 das Emissions Trading Scheme in ganz Australien Der gesetzliche Rahmen in Deutschland Die Vorgaben der EU-Richtlinie Emissionshandel sind in den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Daher wurde in Deutschland mit der Einführung des Emissionshandels neben den bestehenden Umwelt- und Klimaschutzinstrumenten (z. B. Öko-Steuer, Erneuerbare-Energien-Gesetz) ein weiteres System eingeführt, mit dem die Treibhausgase reduziert werden sollen. Dazu mussten verschiedene Regelwerke erlassen werden. Die Basis bildet das so genannte Treibhausgas-Emissionshandels-Gesetz (TEHG), denn es stellt das Rahmengesetz zur nationalen Umsetzung der europäischen Richtlinie dar. Darin sind unter anderem Vorschriften über die Zuteilung und den Handel mit den Emissionszertifikaten, die Einrichtung eines Emissionshandelsregisters, Sanktionen und vieles mehr festgelegt. Weitere Gesetze und Verordnungen (z. B. Zuteilungsgesetz, Zuteilungsverordnung, Emissionshandelskostenverordnung) konkretisieren das Rahmengesetz und regeln Detailfragen. Für den Emissionshandel sind daneben eine Reihe anderer umweltrechtlicher Regelungen wie das Bundesimmissionsschutzgesetz maßgeblich. Zur Teilnahme am Emissionshandel wurden in einem ersten Schritt nur die energieintensiven Unternehmen und große Energieumwandlungsanlagen verpflichtet. In der ersten Handelsperiode (2005-2007) waren in Deutschland Betreiber von 1.849 Anlagen erfasst, die in diesem Zeitraum etwa 500 Mio. Tonnen CO 2 pro Jahr ausgestoßen haben. In der zweiten Zuteilungsperiode wurden die Emissionen in den beiden Bereichen entsprechend dem Nati- 14

onalen Allokationsplan II für die 2. Handelsperiode (2008-2012) auf knapp 452 Mio. Tonnen pro Jahr reduziert. 15

Lernkatalog Zusammenfassung und Wiederholung In diesem Kapitel wurden zwei ökonomische Konzepte vorgestellt, die für die Erklärung und das Verständnis von Umweltproblemen in einer modernen Gesellschaft zentral sind: öffentliche Güter und externe Effekte. Aus beiden Theorien lassen sich Ansätze für einen verbesserten Schutz der Umweltressourcen ableiten, die sich auch in verschiedenen umweltpolitischen Instrumenten wiederfinden. Zu den wichtigsten zählen Informations- und Aufklärungsarbeit, ordnungsrechtliche Maßnahmen und ökonomische Instrumente. Dabei wurde zunächst festgestellt, dass die Wahl der richtigen Maßnahme in Abhängigkeit von dem zu lösenden Umweltproblem, den Zielsetzungen und letztlich auch den Rahmenbedingungen getroffen werden muss. Weiterhin hat sich gezeigt, dass ein ökonomisches bzw. anreizorientiertes Instrument eine effiziente Lösung der Klimaproblematik verspricht. Aus diesem Grund entschied sich die Politik zur Bekämpfung des Treibhauseffektes für die Implementierung des Handels mit Emissionszertifikaten, für dessen Umsetzung zunächst der geeignete rechtliche Rahmen geschaffen werden musste. Lernbilanz Am Ende des Kapitels sollen Sie unter Bezugnahme auf die Theorie der öffentlichen Güter und die der externen Effekte erläutern können, wieso es aus ökonomischer Sicht überhaupt zu Umweltschädigungen kommt. wichtige umweltpolitische Instrumente in ihren Grundzügen beschreiben und miteinander vergleichen können. wichtige Entwicklungsschritte der globalen Klimapolitik nennen und in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Kyoto-Protokolls erläutern können. den Emissionshandel in der Europäischen Union in seinen Grundzügen und Funktionsweisen darstellen können. wichtige Eckpunkte der Umsetzung der europäischen Vorgaben zum Emissionshandel in Deutschland beschreiben können. Aufgaben zur Wiederholung und Anwendung 1. Viele Menschen sind der Meinung, dass die Umweltverschmutzung in unserer Gesellschaft zu hoch sei. Ökonomen führen dies auf das Versagen der Marktkräfte zurück. Verdeutlichen Sie die dahinterliegenden Überlegungen! Bitte benutzen Sie bei Ihrer Erklärung folgende Stichworte: öffentliche Güter, Ausschluss von der Nutzung, Trittbrettfahrerposition, externe Effekte. 16

2. Sie wollen gegen den übermäßigen Tabak- bzw. Nikotinkonsum in der Gesellschaft vorgehen. Für welches politische Instrument (z. B. Aufklärungskampagne, Zertifikate, Verbot) würden Sie sich entscheiden? Begründen Sie Ihre Antwort! 3. Gegen marktorientierte Maßnahmen des Umweltschutzes wie den Handel mit CO 2 - Emissionszertifikaten wird oft die Kritik vorgebracht, dass damit der Wert von Natur und Umwelt in Eurobeträgen festgehalten wird. Das Gegenargument eines Ökonomen könnte sein, dass auch bei Maßnahmen wie Geboten implizit Bewertungen in Geldbeträgen vorgenommen werden. Erläutern Sie, inwiefern dies zutrifft. 4. Länder sind in unterschiedlichem Maße für den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausemissionen verantwortlich. Warum sind dennoch internationale Kooperationen für eine effiziente Lösung des Klimaproblems notwendig? 5. Von dem Bekanntwerden der Klimaproblematik bis zum Einsatz erster Maßnahmen wie dem Emissionshandel ist viel Zeit vergangen. Erörtern Sie die Ursachen! 6. Beurteilen Sie, welche der folgenden Systeme besser geeignet wäre, um dem Klimaproblem zu begegnen. Begründen Sie Ihre Einschätzung: a) Allen Ländern wird eine einheitliche Emissionsreduktion vorgeschrieben. b) Emissionen werden in den Ländern reduziert, in denen die Kosten für entsprechende Maßnahmen vergleichsweise niedrig sind. Im Gegenzug erhalten die Vermeider Ausgleichszahlungen von anderen Ländern. Einordnung in den Unterricht Der Klimawandel ist ein zentrales Problemfeld unserer Gesellschaft und die Notwendigkeit sowie die Möglichkeiten seiner Eindämmung sind für jeden ein relevantes Thema. Vor diesem Hintergrund muss bezüglich der Relevanz der thematischen Behandlung im Schulunterricht grundsätzlich nichts gesagt werden. Interessant ist jedoch, welche vielfältigen An- und Verknüpfungsmöglichkeiten es insbesondere im Ökonomieunterricht gibt. Über die Vermittlung Ziel und Funktionsweise des Zertifikatehandels hinaus lassen sich dabei grundlegende ökonomische und politische Sachverhalte exemplarisch vermitteln, die in vielen Rahmenvorgaben der Länder aufgeführt sind. Im Folgenden einige Beispiele hierfür: Grundsätzlich bietet die Auseinandersetzung mit den Ursachen des Klimawandels eine gute Möglichkeit, den Erklärungsansatz und das Potenzial des ökonomischen Verhaltensmodells zu nutzen und die Gründe für gesellschaftliche Dilemmata näher zu beleuchten. Deutlich wird dabei der Konflikt zwischen individueller und gesamtgesellschaftlicher Nutzenbewertung: So kann es trotz negativer Umweltwirkungen individuell rational sein, das eigene Auto zu benutzen, während es gesamtgesellschaftlich sinnvoller wäre, den Bus oder das Fahrrad zu nehmen. Dieses Dilemma lässt sich nur über eine Veränderung der Anreizstrukturen, also der Rahmenbedingungen, lösen. Im konkreten Fall könnten veränderte Busfahrzeiten, günstigere Tickets, höhere KfZ-Steuern und 17

vieles mehr eingesetzt werden. Damit gesamtgesellschaftliche Wirkungen auch im erwünschten Maße realisiert werden, sind Maßnahmen jedoch grundsätzlich hinsichtlich ihrer Anreizwirkungen zu überprüfen. Es lassen sich die vielfältigen Interdependenzen der Handlungen der Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft aufdecken. Anhand des Klimawandels lässt sich verdeutlichen, wie individuelle Handlungen mit kollektiv spürbaren Folgen verbunden sind. Auch die Bedeutung internationaler Vereinbarungen und der Europäischen Union auf nationale Entscheidungen lassen sich herausarbeiten. Marktversagen spielt für die Begründung staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen eine zentrale Rolle. Am Beispiel der externen Effekte in Form des Klimawandels lässt sich gut veranschaulichen, was hierunter verstanden wird. Gleichzeitig lassen sich kritische Reflexionen hinsichtlich staatlicher Eingriffe anschließen, wenn diese zu Problemverschärfungen oder neuen Problemen führen (Stichwort Staatsversagen ). Weiterhin können generelle Konflikte zwischen ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen genauer betrachtet werden, mit denen sich die Politik immer wieder auseinandersetzen muss, beispielsweise bei der Wahl eines umweltpolitischen Instrumentes o- der Zuteilung von CO 2 -Zertifikaten. Hierbei lässt sich herausarbeiten, dass kein grundlegender Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie bestehen muss. Der Zertifikatehandel ist genau ein Beispiel dafür, wie mit Hilfe eines ökonomischen Instrumentes ökologische Probleme gelöst werden sollen. Tipps für die Umsetzung im Unterricht Aufgrund der Aktualität und Brisanz der Thematik lassen sich im Rahmen der Behandlung im Unterricht besonders gut Artikel aus der Tagespresse einbinden. Mit ihrer Hilfe können aktuelle Entwicklungen in punkto Emissionshandel und anderer Maßnahmen zum Klimaschutz aufgedeckt und diskutiert werden. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung des Verhandlungsprozesses für das Kyoto-Nachfolgeabkommen. Auf diese Weise können Schülerinnen und Schüler verschiedene Arbeitstechniken zur Erschließung von Sachverhalten (z. B. Artikelanalyse, Internetrecherche) anwenden und ihre Fähigkeiten verbessern. Schaubilder und statistisches Material verdeutlichen sehr anschaulich die Problemdimension des Umgangs mit dem Klimas auf individueller und gesamtgesellschaftlicher Ebene. Das Thema Klimawandel wird sehr häufig von Karikaturisten aufgegriffen. Im Internet finden Sie an verschiedenen Stellen gelungene Darstellungen, die häufig die Klimaveränderungen aus Sicht ganz bestimmter Gruppierungen (z. B. Sportarten, Berufe, Tierarten) thematisieren. Sie eignen sich gut für den Einstieg in eine Unterrichtseinheit zum Thema Klimawandel & umweltpolitische Maßnahmen oder auch als Anregung zur eigenständigen Reflexion. Im Anhang finden Sie Anregungen für die Behandlung einige wichtiger Aspekte im Unterricht. Dazu gehören neben Arbeitsblättern auch ein Vorschlag für den Einsatz einer Methode. 18

Weiterführende Literatur und Links Literatur: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hg.) (2008): Emissionshandel. Mehr Klimaschutz durch Wettbewerb. Berlin: BMU. Feess, E. (2007): Umweltökonomie und Umweltpolitik. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. München: Vahlen. Institut für Ökonomische Bildung Oldenburg (Hg.) (2008): Ökonomie mit Energie. Themenband III. Braunschweig: Westermann. S. 24 48. Krol, G.-J./Karpe, J. (1999): Ökonomische Aspekte von Nachhaltigkeit - Die Umweltproblematik aus sozialökonomischer Sicht, hrsg. vom Umweltbundesamt, Münster. Mankiw, N. G.(2004): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 3. überarbeitete Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. Links: Vereinte Nationen: http://unfccc.int/kyoto_protocol/items/2830.php Europäische Union: http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l28060.htm BildungsCent e.v. (www.bildungscent.de): http://klima.bildungscent.de Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: www.bmu.de Bildungsservice des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: http://www.bmu.de/publikationen/bildungsservice/aktuell/6807.php Umweltbundesamt: www.umweltbundesamt.de Weiterhin Ökonomie mit Energie: Unter www.oekonomie-mit-energie.de finden interessierte Lehrkräfte Informationen rund um energiewirtschaftliche Sachverhalte, die aus ökonomischer Perspektive betrachtet werden. Neben kostenfreien Online-Angeboten besteht die Möglichkeit, Ideen und Anregungen für den eigenen Unterricht zu sammeln und sich über die verschiedenen Produkte, die im Rahmen des Projektes Ökonomie mit Energie entstanden sind, zu informieren. Dossiers zum Thema "Energie": Bei den Energiedossiers handelt es sich um didaktisch aufbereitete aktuelle Handelsblatt-Artikel mit Beispielaufgaben und Arbeitsaufträgen für Schüler. Das Angebot ist ein Teil der Kooperation von Handelsblatt macht Schule und dem IÖB. (www.handelsblattmachtschule.de/news/oeme_dossiers.php?cat=36&na=3640) 19

Kapitel 2 Der Handel mit CO 2 -Emissionszertifikaten in der Praxis 2.1 Die erste Handelsperiode von 2005 bis 2007 In einer marktwirtschaftlichen Ordnung entsteht das Angebot an Gütern und Dienstleistungen durch das Zusammenwirken der Akteure am Markt. Die Waren erhalten ihren Wert, weil sie zum einen geschaffen und zum anderen von den Verbrauchern (unter Umständen auch in weiterverarbeiteter Form) nachgefragt werden. Emissionszertifikate werden dagegen dem Markt zur Verfügung gestellt. Eine eigenständige Wertschöpfung findet nicht statt. Aus diesem Grund musste für den Handel mit Emissionszertifikaten zunächst ein besonderer ordnungsrechtlicher Rahmen geschaffen werden. Zuerst musste ein Emissionsbudget für die am Handel teilnehmenden Unternehmen aus den Sektoren Energiewirtschaft und Industrie festgelegt werden. Dieses ergab sich aus dem nationalen Gesamtbudget, das aus dem CO 2 -Emissionsausstoß im Jahr 1990 sowie den im Rahmen des europäischen Burden Sharings zugesagten Treibhausgas Minderungszielen ermittelt und auf fünf Emittentengruppen aufgeteilt wurde: Energiewirtschaft Industrie Gewerbe/Handel/ Dienstleitungen Verkehr private Haushalte nationales CO 2 -Budget In der ersten Handelsperiode zwischen 2005 und 2007 betrug das Emissionsbudget des E- missionshandels in Deutschland pro Jahr insgesamt ca. 500 Mio. Tonnen CO 2. Die Emissionsmenge musste auf die 1.849 Anlagen, die am Handel beteiligt waren, aufgeteilt werden. Wichtige Aspekte dabei waren die bisherigen Emissionen des Unternehmens sowie verschiedene Sonderregelungen wie beispielsweise die Anrechnung von Emissionsreduktionen in der Vergangenheit. Tabelle 1 zeigt für die erste Handelsperiode im Detail die Branchen, aus denen am Handel teilnehmende Anlagenbetreiber kamen sowie die durchschnittliche Zuteilungsmenge. Zu klären war in diesem Zusammenhang auch, wie die Zuteilung der Emissionszertifikate erfolgen sollte: kostenlos oder in Form einer Versteigerung an den Meistbietenden. Bei der kostenlosen Vergabe legt der Staat fest, wie viele Zertifikate jede Anspruchsgruppe erhält. Anders sieht es bei einer Versteigerung aus; hier wird die Zuteilung letztlich über den Marktmechanismus abgewickelt. Die Rahmenvorgaben der EU sahen zunächst bis auf kleinere Kontingente eine kostenlose Abgabe vor. Damit sollte unter anderem vermieden werden, dass Unternehmen durch einen abrupten Anstieg der Kostenbelastung evtl. in Schwierigkeiten geraten. Außerdem entspricht dieses Vergabeverfahren eher der Norm des Bestandschutzes, die in Deutschland eine große Bedeutung hat. 19

Auf der anderen Seite führt eine kostenlose Verteilung in der Regel dazu, dass um die Details der Zuteilung und Sonderregelungen hart gerungen wird. Aus gutem Grund: Im Hinblick auf künftige Investitions- und strategische Entscheidungen, aber auch hinsichtlich der Position im internationalen Wettbewerb spielt die Ausstattung mit Emissionszertifikaten für jedes teilnehmende Unternehmen eine große Rolle. Sollte ein Anlagenbetreiber mit den zugeteilten Zertifikaten nicht auskommen, muss die fehlende Menge am Markt gekauft o- der der Ausstoß der Emissionen vermieden werden, beispielsweise durch der Einschränkung der Produktion oder technische Lösungen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich Investitionen in energieeffizientere Anlagen oder Produkte oft erst nach Jahren amortisieren und zunächst einen Kostenfaktor darstellen. So gab es in Deutschland lange und kontroverse Auseinandersetzungen zwischen Politik und verschiedenen Lobbygruppen über die Ausstattung mit kostenlosen Emissionszertifikaten sowie Sonder- und Ausnahmeregelungen. Neue Aufgabenfelder für Unternehmen Die Einführung des Emissionshandels bedeutet für die beteiligten Unternehmen, dass zusätzlich zur normalen Geschäftstätigkeit neue Aufgaben zu bewältigen sind. Dazu gehören: Ermittlung der relevanten Emissionsdaten des Unternehmens Erstellung einer Emissionsprognose und Bewertung der Auswirkungen auf die eigenen Kostenstrukturen Aufbau eines Emissions-Monitoring-Systems Ermittelung der Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit, die sich aus den Emissionsvorgaben ergeben Entwicklung einer CO 2 -Erfüllungsstrategie Identifikation von CO 2 -Minderungspotenzialen und Ermittlung der internen CO 2 -Reduktionskosten Optimierung von Anlageneinsatz und Fahrweise Entwicklung einer CO 2 -Handelsstrategie Vorbereitung des Zertifikathandels Absicherung finanzieller Risiken Bei der Verteilung der insgesamt 1.519 Mio. Emissionszertifikate für die erste Handelsperiode 2005-2007 entfielen knapp 80 % auf die Energiewirtschaft und der Rest auf Anlagen der energieintensiven Industrie. Schätzungen zur Folge wurden damit ca. 98 % der CO 2 - Emissionen aus der Energieerzeugung und mehr als 60 % der CO 2 -Emissionen der Industrie vom Emissionshandel erfasst. 20