Unternehmen UBS Gelassener als auch schon: UBS-CEO Sergio Ermotti. 30 BILANZ 11/2015
Noch nicht fertig Der Turnaround ist geschafft, das Geschäftsmodell steht, die Zahlen glänzen und die Nachfolgekandidaten scharren schon. Doch für UBS-Chef Sergio Ermotti gibt es noch viel zu tun. DIRK SCHÜTZ TEXT Es war ein Angriff von unerwarteter Seite. Ob er einmal Chef einer Bank werden wolle, fragte die Journalistin der «Financial Times» Mitte Mai den UBS- Investmentbank-Vorsteher Andrea Orcel. «Natürlich will ich das», antwortete der 52-jährige Italiener. Und lieferte dann gleich seine Bewerbung beim Verwaltungsrat der Grossbank ab: «Wenn ich CEO von irgendeiner Bank auf der Welt sein könnte, wäre die UBS ein guter Start. Diese Firma ist aussergewöhnlich.» Seitdem gibt es wieder viel zu reden hinter den dicken Mauern des UBS- Hauptsitzes an der Bahnhofstrasse 45 in Zürich. Ein Lapsus sei das gewesen, unbedacht, so die eine Version. Orcel, der wohl bekannteste Investment Banker der Londoner City und bei einem Auftritt vor dem britischen Parlament von einer Abgeordneten als «Ronaldo der M&A-Welt» geadelt, sei viel zu beschlagen, um sich der Wirkung derartiger Aussagen nicht bewusst zu sein. Schliesslich leistete er sich früher bei Merrill Lynch einen eigenen Pressemann, der die Londoner Finanzpresse gezielt mit Informationen fütterte. Orcel, so also die Gegenmeinung, habe vor allem ein Signal senden wollen, damit sich der mächtige Wealth- Management-Chef Jürg Zeltner nicht zu sicher als Kronprinz des amtierenden Bankchefs Sergio Ermotti wähne. Foto: Simon Dawson / Bloomberg Vor dem Rückspiel. Der Mann, dessen Stuhl die Herren begehren, reagiert auf die Aussagen mit einer Antwort aus dem Fussball schliesslich stürmte Ermotti in jungen Jahren für den FC Chiasso, und noch heute verfolgt er die Fussballszene akribisch: «Das Hinspiel liegt hinter uns jetzt beginnt das Rückspiel.» Das Monster Finanzmarkt hat in den letzten Jahren viele CEOs verschlungen, besonders bei der UBS. Wie schnell ein Chef weg sein kann, weiss Ermotti nur zu gut, da ist er fatalistisch. Doch wenn er kann, würde der 54-Jährige gern einen Zyklus von sieben oder acht Jahren vollenden. «Sein Ziel ist es, mit der UBS die grosse Turnaround-Story im globalen Banking zu schreiben», betont ein UBS-Topmanager. «Ein Comeback wie einst Apple.» Luftige Ambitionen für einen Bankchef, dessen Start holpriger kaum hätte sein können. Nach dem Londoner 11/2015 BILANZ 31
Unternehmen UBS Die Kandidaten Positionieren sich für die Nachfolge von Sergio Ermotti an der Spitze der UBS-Konzernleitung: Wealth-Management-Chef Jürg Zeltner (links) und Investment Banker Andrea Orcel. Zwei-Milliarden-Verlust und dem Hauruck-Rücktritt Oswald Grübels wurde er im September 2011 zunächst nur interimistisch ernannt. Private Beteiligungen in Panama kratzten am Ruf, in der Konzernleitung war er mit nur sechs Monaten Zugehörigkeit und als Europa-Chef ohne Ergebnisverantwortung nur ein Nebendarsteller, und die abschätzigen Bemerkungen seines Vorgängers wirkten in den ersten Wochen wenig aufbauend. Heute ist Ermotti unangefochten. Das erste Quartal übertraf mit einem Vorsteuergewinn von fast zwei Milliarden Franken alle Erwartungen, den im Oktober 2012 mit «Accelerate» betitelten Grossumbau hat Ermotti auf den zentralen Feldern abgeschlossen (siehe «Fast überall geliefert» auf Seite 34), und seit dem 19. Mai um 23 Uhr ist auch die grösste Bürde der letzten Jahre von ihm abgefallen: Die UBS hat sich mit dem US- Justizministerium über die Vorwürfe der Devisenmanipulationen geeinigt. Eine Zeitenwende: Die Bank hat damit ihre happigsten Rechtsfälle gelöst, und dazu fiel die jüngste Einigung mit einer Strafe von insgesamt einer halben Milliarde Franken deutlich tiefer aus als erwartet. Die Aktie übersprang mit einem Plus von drei Prozent die 20-Franken-Marke und kletterte auf den höchsten Stand seit sieben Jahren. «Der grosse Elefant ist aus dem Raum verschwunden, jetzt haben wir noch ein paar Baby-Elefanten», sagt ein Konzernleitungsmitglied. Für Ermotti ist die Einigung die bisher einschneidendste Zäsur seiner Amtszeit: «Bis zu 50 Prozent meiner Zeit verbrachte ich bisher mit dem Aufarbeiten der Vergangenheit. Das wird jetzt weniger. Ich hoffe, es sind bald nur noch 20 Prozent.» Aufgeräumt. Die Finanzgemeinde applaudiert. «Die UBS hat unter den europäischen Banken am stärksten aufgeräumt», schreibt das «Wall Street Journal». Beim Finanzdienst Bloomberg empfehlen 22 von 34 Analysten die Aktie zum Kauf. «Das langfristige Potenzial für Gewinne und Dividendenzahlungen bleibt eines der besten der Branche», betont der einflussreiche Morgan-Stanley- Analyst Huw van Steenis (siehe «Auf gutem Weg» auf Seite 33). Ermotti wagt es sogar, sich wieder in die Politik einzumischen und bekommt dafür Unterstützung. Als er Mitte Februar via «Tages-Anzeiger», «Corriere del Ticino» und «Le Temps» die eigentlich vorgesehene «NZZ» forderte nationale Exklusivität, und diese wollte der Tessiner nicht geben eine Fünf-Punkte-Fitnesskur für die Schweizer Wirtschaft forderte und vor Überregulierung warnte, erhielt er aus dem bürgerlichen Lager breite Zustimmung. «Vor zwei Jahren wäre er dafür noch zerrissen worden», urteilt ein langjähriger UBS-Manager. Die Skepsis der Veteranen hatte er einfach weggewischt. Noch heute sehen viele langjährige Bankmitarbeiter das 2003 erfolgte Einmischen des damaligen VR-Präsidenten Marcel Ospel in die Poli- Fotos: Markus Forte / Ex-Press, Oliver Nanzig 32 BILANZ 11 /2015
tik als Beginn des Niedergangs: Ospel hatte 2003 wenig verklausuliert die Wahl von Christoph Blocher und Hans-Rudof Merz in den Bundesrat gefordert und damit, so die Saga, den Fokus aufs Geschäft verloren. Na und, sagt Ermotti. Auch der rechtliche Umbau des Bankkonzerns in eigenständige Tochtergesellschaften ist mit der Gründung der UBS Switzerland AG (siehe «Viel Aufwand» auf Seite 34) weit vorangeschritten. Wenn im nächsten Jahr noch die US-Töchter unter ein Dach kommen, ist er abgeschlossen. Fast symbolisch ist da der anstehende Auszug aus dem Hauptsitz an der Bahnhofstrasse 45: Strategisch ist die Bank neu gebaut, jetzt folgt der physische Umbau der Zentrale (siehe «Mal weg für drei Jahre» auf Seite 36). Wer den Bankchef heute trifft, erlebt einen gelasseneren Mann als zu Beginn seiner Amtzeit. Als er das Programm «Accelerate» im Herbst 2012 unter Fanfaren lancierte, redete er nie über die Zeit nach 2015, dem Abschluss des Programms. Damals hatten manche Mitarbeiter das Gefühl, er sei noch nicht richtig in dem Job angekommen, und die Wetten darauf, dass er 2015 gehen würde, liefen heiss. Das ist heute anders. Er hat die Dossiers im Griff, die Kritik ist verstummt, sein Team wirkt konzentriert und trotz interner Rivalitäten geschlossen. Mit drei Jahren und acht Monaten hat er schon heute die zweitlängste Amtszeit als UBS-Chef seit der Grossbankenfusion 1998, nur Peter Wuffli liegt noch vor ihm (siehe «Amtszeiten» auf Seite 37). Intern lässt Ermotti schon mal vernehmen, dass er diesen überholen wolle. Für Ermotti beginnt die zweite Phase seiner Amtszeit: Die Schweiz soll die UBS wieder lieb haben. Nach den Fusionswirren begannen 2001 die fetten Jahre, dann folgte ab 2007 der Absturz, der nicht nur eine Nahtoderfahrung brachte, sondern auch die zwei zentralen Geschäftspfeiler zum Einstürzen brachte: Das Investment Banking verlor über 50 Milliarden Franken, und fast einschneidender das Wealth Management musste sich vom Schwarzgeld verabschieden. Jetzt sollen die sieben mageren Jahre vorbei sein. Allerdings: Wer die Zahlen des starken ersten Quartals 2015 mit jenen des ersten Quartals 2007 vergleicht (siehe «Nicht ganz in alter Stärke» auf Seite 36), muss sich eingestehen: Eine Turnaround-Story Zweite Phase von Ermottis Amtszeit: Die Schweiz soll die UBS wieder lieb haben. wie Apple ist für die UBS unerreichbar. Anders als der Computergigant wird die Bank kaum jemals wieder die Höhen der Vorkrisenzeit erreichen. 150 Milliarden war sie damals an der Börse wert, doppelt so viel wie heute, und selbst das starke erste Quartal liegt noch weit hinter den Zahlen der ersten drei Monate von 2007 zurück. Fast zwölf Milliarden Franken Vorsteuergewinn schaffte die Bank in ihrer Hochphase, heute sind kaum mehr als sieben Milliarden realistisch. Mit Ausnahme des US-Wealth-Managements liegen alle Bereiche deutlich hinter den damaligen Werten. Dafür ist die Bank heute viel sicherer. Sie hat ihre Bilanzsumme von 2700 Milliarden Franken auf 1000 Milliarden reduziert, verfügt aber über genauso viel Eigenkapital wie damals und ist auch nach der neuen Basel-III-Kernkapital-Definition weltweit führend (siehe «Stark finanziert» unten). Das Wealth Management der UBS ist unangefochten Weltmarktführer, hat aber alle Schwarzgeldkunden, die jahrelang schönste Margen brachten, entsorgt. Die Investmentbank arbeitet nur noch mit einem Drittel des Kapitals. «Mit unserem neuen Geschäftsmodell werden wir die Zahlen von 2007 ganz bewusst nicht mehr in jedem Bereich erreichen. Aber die Qualität wird besser und nachhaltiger», räumt Ermotti ein. Drei Herausforderungen. Was bleibt also zu tun für die zweite Hälfte? Ermotti steht vor drei zentralen Herausforderungen. Er muss penibel darauf achten, dass die UBS ihre verkündete Strategie wirklich umsetzt. Er muss die so lange gescholtene Bank wieder als selbstbewussten Marktführer in der öffentlichen Debatte verankern. Und ja: Er muss auch Kandidaten für seine Nachfolge aufbauen allem Abwiegeln einer Nachfolgediskussion zum Trotz. Bei der Strategie profitiert die UBS von der Gnade des alternativen Modells. Denn anders als europäische Rivalen wie Deutsche Bank oder Barclays hat sie mit ihrem Wealth Management eine valable Alternative zum Investment Banking. Ziel ist, ein berechenbarer, langweiliger Dividendentitel wie Nestlé oder Gil- Auf gutem Weg Die UBS kommt mit dem Umbau zum Dividendenpapier gut voran: erwartete Dividendenrendite von Morgan Stanley versus Konsens. UBS CH Julius Bär CH HSBC GB Morgan Stanley USA Credit Suisse CH Barclays GB Quelle: Thomson Reuters, Morgan Stanley Prozent 2017 2016 3 2 1 0 1 2 3 4 Stark finanziert Eigenkapitalquote gemäss den Richtlinien von Basel III; Schätzungen für das Jahr 2016. UBS CH ING NL HSBC GB Barclays GB Deutsche Bank D Credit Suisse CH Morgan Stanley USA BNP Paribas F BBVA SP Santander D Prozent Quelle: Morgan Stanley. BILANZ-Grafik 0 2 4 6 8 10 12 14 16 11/2015 BILANZ 33
Unternehmen UBS Viel Aufwand Sie ist gross und zahlt Steuern: die neue UBS Switzerland AG. Es war eine Aufgabe, die die Techniker vor eine grössere Herausforderung stellte als der Zusammenschluss von Bankverein und SBG zur neuen UBS vor 17 Jahren: Seit 18 Monaten arbeiten zwischen 1300 und 2000 IT-Spezialisten daran, das Schweiz-Geschäft der UBS in die UBS Switzerland AG auszugliedern. Im Juni nimmt die eigenständige Tochter ihre Arbeit auf, und damit hat die UBS die Auflagen der Regulatoren erfüllt: Das Schweiz- Geschäft soll im Krisenfall eigenständig abgewickelt werden können so zumindest die Lukas Gähwiler, CEO der UBS Schweiz. lette zu werden. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die Beschneidung der Investmentbank auch in guten Zeiten durchzuhalten. Immerhin liefert sie derzeit 40 Prozent des Gewinns. Der erfolgreiche Orcel will das Wachstum in den USA forcieren und drängt darauf, die magische Grenze der ihm zugestandenen 70 Milliarden Franken an risikogewichteten Aktiven zu sprengen. Bislang war Ermotti konsequent, trotz seiner Vergangenheit als Investment Banker und seiner Nähe zu Orcel: Die UBS sei eine Vermögensverwaltungsbank mit angehängtem Investment Banking, lautet sein Mantra. Bei der Bewertung vergleicht sie sich nicht mehr mit Investmentbanken wie Goldman Sachs oder Universalbanken wie J.P. Morgan oder Deutsche Bank, sondern nur noch mit drei Playern: Morgan Stanley, die als einzige grosse US-Bank das Investment Banking reduziert hat und auf 16 000 Mitarbeiter im Wealth Management setzt, dazu die einheimischen Rivalen CS und Julius Bär. CS und Morgan Stanley hat sie bei der Bewertung überholt sie werden mit dem 13fachen des Jahresgewinns gehandelt. Bei der UBS ist es das 15fache. Julius Bär schafft es auf den Faktor 17. Die UBS-Banker frotzeln, Bär sei überbewertet doch auch sie wollen eine solche Bewertung. Jedoch: Dazu ist die Bank zu breit aufgestellt. In der Schweiz etwa ist sie noch immer eine Universalbank. Das wird sie auch zu spüren bekommen, wenn die vom Bund eingesetzte Finanzplatz- Expertengruppe unter dem Vorsitz des früheren Seco- Direktors Aymo Brunetti neue Forderungen stellt. Doch wenn dort beispielsweise die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) verschärft werden soll, will die Grossbank das nicht einfach hinnehmen, sondern dagegen ankämpfen. Der Fitnessplan für die Schweizer Wirtschaft war für Ermotti erst der Anfang. Auch bei seiner Rede vor dem Swiss Economic Forum Anfang Juni in Interlaken will er Überregulierung und Reformstau kritisieren. Flankiert wird die Offensive von UBS- Studien zur Schweiz, die überraschend deutlich vor einer Regulierungsflut warnen. «Wir trauen uns wieder etwas», heisst es von den Bankökonomen. Zusammen mit Schweiz-Chef Lukas Gähwiler sucht Ermotti auch aktiv das Gespräch mit den Parteien. Die UBS soll nicht mehr der Prügelknabe sein, so die zweite Mission Ermottis sondern selbstbewusster Primus. Damit der Plan aufgeht, muss allerdings eine Voraussetzung erfüllt sein: Das Führungsduo muss reibungslos zusammenarbeiten. In der Brunetti- Gruppe etwa vertritt nicht Ermotti die UBS, sondern VR-Präsident Axel Weber, Theorie. Die Zahlen der neuen Bank sind eindrücklich: 10 900 Mitarbeiter, 320 Milliarden Franken Bilanzsumme, 13 Milliarden Eigenkapital. Für Schweiz-Chef Lukas Gähwiler bedeutet die neue Struktur vor allem mehr Aufwand: Beaufsichtigt wird er von einem eigenständigen Verwaltungsrat, dem neben Sergio Ermotti als Präsident die zwei unabhängigen Vertreter Hubert Achermann (ehemals KPMG) und Gabi Huber (FDP) angehören, dazu kommen die UBS-Männer Tom Naratil und Phil Lofts. Gähwiler bringt es neu auf 25 Leitungssitzungen zusätzlich pro Jahr. Den Fiskus freuts: Die UBS zahlt in der Schweiz schon dieses Jahr wieder Gewinnsteuer zwei Jahre früher als bisher geplant. Fast überall geliefert UBS-Zielsetzung «Accelerate» vom Oktober 2012 und effektiv Erreichtes. Zahlen in Mio. Fr. Konzernkennzahlen Zielsetzung 2012 Effektiv 1. Quart. 15 60 70 69,2 Kernkapitalquote in % 13 13,7 Rentabilität (ROE) in % 15 15,4 Anzahl Mitarbeitende (Vollzeitäquivalent) 54 000 60 113 Wealth Management International und Schweiz Nettoneugeldwachstum 3 5 5,8 Bruttomarge Basispunkte 95 105 86 Verhältnis in % Wealth Management USA 60 70 59 Nettoneugeldwachstum 2 4 1,9 Bruttomarge Basispunkte 75 85 73 Verhältnis in % 80 90 85 Zahlen in Mio. Fr. Retail & Corporate Wachstum Nettoneugeschäftsvolumen in % Zielsetzung 2012 Effektiv 1. Quart. 15 1 4 3,1 Nettozinsmarge Basisp. 140 180 165 Global Asset Management 50 60 54 Bruttomarge Basispunkte 32 38 31 Investmentbank Rendite vor Steuern auf zugeteiltem Eigenkapital in % 60 70 64 > 15 16,2 65 85 68 Risikogewichtete Aktiven < 70 000 64 000 Quelle: Geschäftsberichte Zielsetzung: erreicht nicht erreicht Fotos: Simon Dawson / Bloomberg, Melanie Duchene / EQ Images, Keystone 34 BILANZ 11/2015
Die Erneuerer UBS-Präsident Axel Weber (links) sorgt für diplomatische Souplesse, Finanzchef Tom Naratil soll der UBS rundum mehr Effizienz verschaffen eine Herkules-Arbeit. und der frühere Bundesbank-Chef hat sich gegenüber den Regulatoren bislang meist verständnisvoll gezeigt schliesslich war er ja früher selbst einer. Gelungene Liaison. Zu Beginn galt die Liaison zwischen Ermotti und Weber noch als Top-Kandidat der Kategorie «kurz und heftig». Zwar würden sie auch heute kaum zusammen in die Ferien fahren, doch nach anfänglichen Reibereien haben sie sich erstaunlich gut gefunden. Die Einigung mit dem US-Justizministerium zeigt dies exemplarisch. Als im Juni 2013 erste Spekulationen über eine Manipulation im Devisengeschäft bei Bloomberg auftauchten, startete die UBS sofort eine interne Untersuchung. Im September 2013, die Konzernleitung sass gerade im Zug zu einer Retraite ins Tessin, meldete Chefjurist Markus Diethelm den Fall. Weber und Ermotti waren sich sofort einig: Wir melden das den Behörden. Die UBS war die erste Bank und hoffte vor allem bei dem mächtigen amerikanischen Department of Justice (DOJ) auf eine Kronzeugenregelung. Das Fehlverhalten der UBS war jedoch wenig dramatisch: Verstösse wurden vor allem bei einem Mitarbeiter lokalisiert, der sich auch in Chatrooms gebrüstet haben soll. Die Volumen waren gering: In einem Markt, in dem jeden Tag 4000 Milliarden Dollar bewegt werden, sollen weniger als 500 verdächtige Transaktionen gefunden worden sein, der Schaden bei zwei Hedge Funds belief sich auf weniger als 25 000 Dollar. Dem US-Justizministerium blieb Ermotti zum Verhältnis zu Weber: «Der Wald ist gross genug für zwei Alphatiere.» also keine andere Wahl, als die Klage fallen zu lassen. Um nicht mit leeren Händen dazustehen, hob das DOJ dann die Nichtverfolgungsklausel aus dem Libor- Fall wieder auf, obwohl es keine neuen Informationen gab. Die UBS stimmte dem Schuldeingeständnis zu, auch wenn ihre eigenen Anwälte ihnen gute Chancen einräumten, den Fall zu gewinnen. Sie musste sogar eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben, die es ihr untersagt, ihre eigene Version in die Öffentlichkeit zu bringen. Weber und Ermotti hielten zusammen: Die Devisenmanipulationen reichten bis in ihre Amtszeit, die Libor-Manipulationen hatten sie dagegen von ihren Vorgängern übernommen. Da fiel das Schuldeingeständnis leichter. Erstmals gaben sie in der Pressemitteilung zu der Einigung ein gemeinsames Statement ab. «Die Rechtsfälle haben sie zusammengeschweisst», betont ein UBS-Kenner. Der Wald sei gross genug für zwei Alphatiere, pflegt Ermotti zu sagen, 11/2015 BILANZ 35
Unternehmen UBS Aussenansicht und Modellfoto der neuen Schalterhalle des historischen SBG/UBS- Hauptsitzes an der Zürcher Bahnhofstrasse. BAHNHOFSTRASSE Mal weg für drei Jahre Der UBS-Hauptsitz wird saniert. 200 Mitarbeiter ziehen um inklusive der Konzernleitung. Es ist für die UBS ein mythischer Ort: Der Hauptsitz an der Bahnhofstrasse 45 hat so viele Höhenflüge und Niederlagen erlebt wie kein anderes Gemäuer der Schweizer Bankgeschichte. Jetzt kommt es zu einer Auszeit: Das traditionsreiche Gebäude, 1916 als Sitz der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) erbaut, 1953 erweitert und 1998 zum Hauptsitz der Fusionsbank UBS erwählt, steht vor einer Totalsanierung. Sie beginnt im Juni und soll drei Jahre dauern. Das gesamte Gebäude wird mit einem Gerüst beglückt und verhüllt. Ausschlaggebend war die notwendige Sanierung der Gebäudetechnik. Den Zuschlag nach einem zweistufigen Wettbewerb erhielt das Zürcher Architekturbüro EM2N, das die Jury durch die «symbiotische Verbindung von modernen und traditionell klassischen Elementen überzeugte». Kernstück des Gebäudes bleibt die denkmalgeschützte Schalterhalle Münzhof, die laut Entwurf leicht modernisiert werden soll (siehe Modellfoto). Die Schalterhalle wird ab Herbst in eine temporäre Geschäftsstelle an der Pelikanstrasse 11 verlegt. Die Mehrheit der 200 Mitarbeiter zieht in das Konferenzgebäude «Grünenhof» an der Nüschelerstrasse 9, direkt hinter dem Hauptsitz. Zweite Wahl. Dorthin wird auch die Konzernleitung ziehen. Dabei hätte sie eigentlich ein anderes Temporärdomizil bevorzugt: Sie wäre lieber in die UBS-Filiale am Paradeplatz 8 gegangen, dem alten Sitz des Bankvereins. Doch dort hätte die Bank ihre Kundenzone zu stark verkleinern müssen. wenn er auf Rivalitäten mit Weber angesprochen wird. Für die Bank ist Weber ein Asset: präsidial im Auftritt, bestens vernetzt, glaubwürdig bei Investoren und Regulatoren. Am liebsten äussert er sich zu Makrothemen manchmal auch zum Ärgernis seiner Belegschaft. Lange kritisierte er etwa die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) scharf, und das dürfte dem dünnhäutigen EZB- Präsidenten Mario Draghi kaum gefallen haben. Immerhin ist die EZB seit November auch oberster Bankregulator der Eurozone und damit Aufseher mehrerer UBS-Töchter. Da ist Kritik wenig geschäftsfördernd zumal sich Weber und Ermotti gemeinsam verpflichtet hatten, die Kritik des früheren Bankchefs Grübel am heimischen Regulator nicht fortzusetzen. Den Regulierungsturbo Weber wird es jedoch nicht mehr geben. In der Brunetti-Gruppe haben sich die Chefs auf eine Rollenteilung «Good Cop Bad Cop» verständigt. Weber gibt den diplomatischen Verhandler, Ermotti schiesst von aussen. Einig sind sich beide: keine weitere Verschärfung der Grossbankenregulierung sie ist schon heute die härteste der Welt. Wirklich unterschiedlicher Meinung in einer zentralen Frage waren Ermotti und Weber nur einmal, und da setzte sich Nicht ganz in alter Stärke UBS-Kennzahlen in den ersten Quartalen. Zahlen in Mio. Fr. 2015 2007 Konzernkennzahlen Nettogewinn 1 977 3275 Betriebsergebnis 8 841 13 347 Betriebsaufwand 6 134 9 091 69,2 68,1 Anzahl Mitarbeitende 60 113 80 637 Total Aktiven 1 048 000 2 572 945 Aktienkapital 52 300 51 606 Marktkapitalisierung 68 500 149 157 Risikogewichtete Aktiven 216 000 354 603 Vorsteuergewinn der Sparten Vermögensverwaltung International und Schweiz 856 1501 Vermögensverwaltung USA 277 171 Business Banking Schweiz 443 572 Global Asset Management 186 404 Investmentbank 844 1801 Quelle: Geschäftsberichte Fotos: Visualisierung EM2N Architekten AG / raumgleiter, PR, Keystone (6) 36 BILANZ 11/2015
Die Amtszeiten der CEOs seit der Gründung der UBS 1998 Marcel Ospel Juli 1998 April 2001 Luqman Arnold* April 2001 Dez. 2001 Peter Wuffli Dez. 2001 Juli 2007 Marcel Rohner Juli 2007 Feb. 2009 Oswald Grübel Feb. 2009 Sep. 2011 Sergio Ermotti seit Okt. 2011 2 Jahre und 10 Monate 8 Monate 5 Jahre und 8 Monate 1 Jahr und 7 Monate 2 Jahre und 7 Monate 3 Jahre und 8 Monate 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 * Nur Konzernleitungs-Präsident. BILANZ-Grafik Ermotti durch: Er machte Anfang letzten Jahres den bisherigen Finanzchef Tom Naratil zusätzlich als Chief Operating Officer (COO) zum Leiter des Corporate Centers. Weber sprach sich dagegen aus, doch Ermotti bestand auf seiner Lösung: Um sein Sparprogramm zu beschleunigen, müssten die Ämter Finanzchef und Chef des Corporate Centers, der mit der 10 000 Mitarbeiter starken IT-Truppe den grössten Kostenträger der Bank beaufsichtigt, zusammengeführt werden. Denn das Sparprogramm kam bis dahin nicht wie geplant voran, als Ursache gelten vor allem die Bremsbewegungen im mittleren Management. So richtig die Analyse sein mag, so schwierig ist die Umsetzung: «Tom arbeitet wie ein Tier», sagt ein UBS- Manager: vier Stunden Schlaf, tagsüber Dauerbetankung mit Red Bull und Kaffee. 80 Projekte. Mehr als 80 Effizienzprojekte stellte der Amerikaner bei einer Präsentation vor, doch noch immer geht der Prozess dieser sogenannten Industrialisierung zu langsam vorwärts. Der eigens für diesen Bereich eingestellte Eros Fregonas ist nicht mehr fest angestellt. Die Ausgliederung des Einkaufs in die neu gegründete Firma Chain IQ, Symbol der Industrialisierung, ist zwar vollzogen, doch die Umsetzung harzt: Der Chef Peter Stipp wurde gerade durch John Stewart ersetzt. Von den geplanten Kostensenkungen über 5,4 Milliarden Franken pro Jahr ab 2015 fehlt noch immer mehr als eine Milliarde. Auch der Mitarbeiterabbau hat sich deutlich verlangsamt. 54 000 Mitarbeiter, 10 000 weniger als 2012, sollte die Bank in diesem Jahr noch zählen, so die Ankündigung vor drei Jahren. Heute sind es noch immer mehr als 60 000, und das Zahlenziel wurde vor einem Jahr still begraben. «Es war ein Fehler, eine genaue Angabe zur Mitarbeiterzahl zu machen», räumt ein Konzernleitungsmitglied heute freimütig ein. Der gesamte Druck des Sparprogramms lastet nach wie vor auf Die Marke UBS soll künftig wieder ganz für sich alleine stehen ohne Zusatz. Naratil, der weiter hohes Ansehen geniesst. Doch es würde nicht überraschen, wenn die Bank nach Erreichen einer weiteren Spar etappe einen neuen Finanzchef präsentieren würde. Da ist Ermotti pragmatisch genug. Ein Headhunter soll schon unterwegs sein. Politisch korrekt wird nach einer Frau gefahndet. Ganz klar ist dagegen die Aufgabenteilung zwischen Ermotti und Weber bei der dritten Herausforderung des Tessiners: der Nachfolgeplanung. Hier entscheidet der Verwaltungsrat unter Weber, und Ermotti sieht sich nur verpflichtet, dem Kontrollgremium mehrere valable Kandidaten zu präsentieren. Und das bedeutet: mehr als Jürg Zeltner. Der Wealth-Management-Chef war ein Gegner der Nominierung Ermottis, doch dieser beliess Zeltner trotzdem im Amt weil er seine Leistung schätzte. Der 48-jährige Thuner baute erfolgreich das Wealth Management zum unbestrittenen Kerngeschäft auf und ist vor allem in Asien hocherfolgreich: Die Region liefert heute den grössten Gewinnbeitrag. Der Erfolg hat ihn gelassener gemacht. Am Kräfteverhältnis zum Investmentbank-Chef Orcel lässt er aber keinen Zweifel: Mehr als die Hälfte von dessen Gewinn, so seine Botschaft, stamme doch aus dem Aktien- und Devisengeschäft seiner Kunden. In der Tat wäre es ein seltsames Signal, wenn der nächste Chef nicht aus dem Wealth Management käme. Allerdings hat Zeltner seinen grössten Fürsprecher im Verwaltungsrat, den Investor Rainer-Marc Frey, verloren. Und dann ist da noch das Frankreich- Problem, der grösste noch ausstehende Rechtsfall, der in Zeltners Zuständigkeit fällt: Die UBS musste 1,1 Milliarden Franken als Kaution hinterlegen, es drohen zähe Verhandlungen. Dass Ermotti Orcel näher steht, ist ein offenes Geheimnis. Dessen Interesse am CEO-Posten kommt ihm daher nicht ungelegen. Aber eben: Einmischen will er sich nicht. Jetzt soll erst mal die Marke gestärkt werden. Die letzte Werbekampagne von Ermottis raubeinigem Vorgänger Oswald Grübel versprach: «Wir werden nicht ruhen.» Diesen Zusatz lässt die UBS jetzt fallen. Die Marke soll wieder ganz für sich allein stehen. 11/2015 BILANZ 37