Fokus Entwicklungspolitik



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Fokus Entwicklungspolitik Nr. 7, 29. Oktober 2012 Öffentliche Entwicklungsleistungen (ODA) Ist das ODA-Konzept noch zeitgemäß? derbereiche aus (Creditor Reporting System). 4. Vergünstigungsgrad: Darlehen müssen concessional in character sein, das heißt die Vergabe dieser Mittel muss grundsätzlich zu vergünstigten Bedingungen erfolgen, also unter dem Zinssatz von Darlehen am freien Markt liegen. Autoren: Nina Schirl und Simone Sieler Redaktion: Simone Sieler Staatliche Leistungen in der Entwicklungszusammenarbeit wurden zum ersten Mal Ende der 60er durch das Konzept der Official Development Assistance (ODA) quantifizier- und vergleichbar gemacht. Die ODA-Quote (ODA in Relation zum BNE eines Landes) ist auch heute noch die zentrale Größe, wenn es darum geht, die Anstrengungen der Geberländer zu vergleichen. Allerdings hat sich die Welt seit den 60er Jahren erheblich weiterentwickelt. Frühere Entwicklungsländer sind zu entscheidenden Akteuren in Politik und Wirtschaft geworden, globale Herausforderungen bestimmen politische Agenden und private Finanzströme erweitern entwicklungspolitische Spielräume. Deshalb stellt sich immer stärker die Frage der weiteren Relevanz des ODA-Konzepts bzw. nach der Notwendigkeit das System grundlegend zu überarbeiten. Das Konzept der ODA wurde vom Development Assistance Committee (DAC) der OECD im Jahr 1969 ursprünglich entwickelt, um die Aktivitäten der Mitglieder im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zu erfassen und vergleichbar zu machen. Zu Beginn umfasste ODA hauptsächlich Ausgleichszahlungen ehemaliger Kolonialmächte an ihre einstigen Überseegebiete. Im Laufe der Jahre gab es immer wieder Initiativen die ODA Systematik weiterzuentwickeln. Änderungen basieren auf dem Konsens der DAC-Mitglieder, so dass die Erweiterung oder Veränderung des Konzepts eher in kleinen Schritten vonstatten ging (z.b. Aktualisierungen der Liste der Empfängerländer 1, Erweiterungen der erfassten Maßnahmen). Definition: Was ist ODA? ODA umfasst kurz gesagt öffentliche Leistungen der DAC-Geberländer, die mit dem Hauptziel der Förderung von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung in Entwicklungsländer fließen und bestimmten Kriterien hinsichtlich ihrer Finanzierungsstruktur genügen. ODA Leistungen umfassen den Transfer von Mitteln in Form von Zuschüssen, Darlehen, Beteiligungen oder Direktleistungen (wie z.b. im Rahmen der technischen Zusammenarbeit). Das Konzept wird heute durch 5 Kriterien abgegrenzt: 1. Herkunft: Die Mittel müssen von öffentlichen Stellen (Ministerien oder staatlichen Entwicklungsagenturen) bzw. im staatlichen Auftrag bereitgestellt werden. 2. Empfänger: Entwicklungsländer, die auf der sogenannten DAC Liste der Empfängerstaaten stehen oder internationale Institutionen 2 zugunsten dieser Entwicklungsländer. 3. Zweck: Die Leistungen müssen dem Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung oder Verbesserung der Lebensbedingungen dienen. Der DAC gibt eine detaillierte Liste der För- 5. Grant Element: Jedes Darlehen muss zusätzlich ein Schenkungselement (Grant Element) von mindestens 25 % 3 aufweisen. Alle ODA-Leistungen eines Gebers zusammen, müssen im Durchschnitt mindestens ein Grant-Element von 86 % aufweisen. Woher stammt das Ziel, eine ODA-Quote von 0,7 % des BNE zu erreichen? Die ODA-Quote spiegelt die Höhe der ODA eines Landes in Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) wider. Bereits in den 50er und 60er Jahren wurde berechnet, wie viel zusätzliches Kapital Entwicklungsländer benötigen, um eine Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5 % pro Jahr zu erreichen. Die von der Weltbank eingesetzte Pearson Kommission für internationale Entwicklung schloss 1969 mit der Feststellung, dass die Entwicklungsländer dies nur schaffen könnten, wenn die offizielle Entwicklungshilfe auf 0,7 % des BNE der Geberländer erhöht werde. Gleichzeitig forderte die United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) von den Industrieländern, ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für ODA zur Verfügung zu stellen. Daraufhin begann die OECD jährlich Statistiken zu veröffentlichen, in denen das ODA- Finanzvolumen eines Landes in Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) ausgewiesen wird ( ODA-Quote ). Als die Teilnehmer der UN Konferenz 2002 in Monterrey (Mexiko) zur Diskussion über die Finanzierung der Millennium Development Goals zusammentrafen, wurde erneut das 0,7 %-Ziel als Maßstab herangezogen. Daraufhin beschlossen die EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2005 in Brüssel einen verbindlichen 1 Eine Liste aller Länder ist abrufbar unter http://www.oecd.org/dac/aidstatistics/48858205.pdf. 2 Die Liste der internationalen Organisationen findet sich unter http://www.oecd.org/document/9/0,3343,en_2649_34447_43748297_1_1_1_1,00.html (Annex II). 3 Zur Erreichung der 25 % sind die Konditionen des Darlehens wie Zinssatz, Laufzeit, Freijahre relevant. Bei der Berechnungsmethode des DAC, wird der Barwert aller künftigen Zahlungen bei einer Diskontrate von 10% mit dem Nominalbetrag des Darlehens verglichen. Hinweis: Dieses Papier gibt die Meinung der Autoren wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der KfW. 1

Abbildung 1: ODA-Quote im Zeitverlauf 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Deutschland DAC-Staaten Stufenplan zur Erhöhung der ODA-Mittel. Mit von 0,3 % ausreichen würde, um die globale dem Jahr 2010 sollte die ODA für Staaten, die Armut dauerhaft zu bekämpfen (MDG 1). der EU vor 2002 beigetreten sind, auf 0,51 % Berechnungsgrundlagen des BNE erhöht werden; für Staaten die nach 2002 beitraten auf 0,17 %. Bis einschließlich Die ODA erfasst grundsätzlich keine Zahlungsversprechen ( Zusagen ), sondern tat- zum Jahr 2015 sollen ältere Mitgliedstaaten eine ODA-Quote von 0,7 % des BNE für sächliche Zahlungsströme. Finanzinstrumente öffentliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern erreichen und neuere Mitgliedsstaa- zu Grunde liegen, können aufgrund dieses wie Garantien, denen keine Zahlungsströme ten 0,33 %. Übrigens haben sich nicht alle Prinzips nicht in der Statistik erfasst werden. DAC-Geber zur Erreichung der 0,7 % verpflichtet, z. B. orientieren sich die USA allein mehrmals durchbrochen: z.b. bei Schuldener- Dieses Grundprinzip wird allerdings auch an absoluten Beträgen als Zielgrößen - meist lassen für kommerzielle Kredite wird der mit sektoralem oder regionalem Fokus. Erlass-Betrag im Jahr des Erlasses als ODA angerechnet. Oder bei Studienplatzkosten für Die ODA-Quote von 0,7 % stellt nicht notwendigerweise den Finanzierungsbedarf in Entsche Kosten angesetzt werden. ausländische Studierende können kalkulatoriwicklungsländern akkurat dar. Andere Studien kommen auch zu anderen Zielgrößen: z. B Brutto- versus Nettoprinzip weist das ODI in seiner aktuellen Studie In den ODA-Statistiken wird in der Darstellung darauf hin, dass eventuell eine ODA-Quote der Daten zwischen Brutto- und Netto-ODA unterschieden. Die Brutto-ODA enthält alle Auszahlungen des jeweiligen OECD-Landes an die Empfängerstaaten innerhalb eines Jahres. In der entwicklungspolitischen Diskussion wird aber meist nur die Netto-ODA betrachtet (auch das 0,7 % - Ziel bezieht sich auf Nettoleistungen). Bei der Nettobetrachtung werden Rückzahlungen der Entwicklungsländer an die Geber abgezogen. Solche Rückzahlungen umfassen zum Beispiel Tilgungsleistungen für Darlehen. Durch dieses Prinzip kann es theoretisch sogar passieren, dass Staaten eine negative ODA-Bilanz aufweisen, sobald die Rückflüsse aus Entwicklungsländern höher sind als die Brutto-Leistungen der Geber. Was zählt als ODA? Für die Aufstellung der ODA-Leistungen summiert das DAC unter anderem Aufwendungen in folgenden Bereichen (sofern sie die o.g. Kriterien erfüllen): Technische und Finanzielle Zusammenarbeit Beiträge zu multilateralen Entwicklungsorganisationen Schuldendiensterleichterungen/ Erlasse öffentliche Ausgaben im Geberland für Staatsangehörige von Partnerländern: Studienplatzkosten für Studierende aus Entwicklungsländern, Kosten für Flüchtlinge im ersten Jahr ihres Aufenthalts, Ausgaben für entwicklungspolitische Bewusstseinsbildung Entwicklungsländer - spezifische direkte Abbildung 2: Netto-ODA im Vergleich 2011 (in Millionen US-Dollar, vorläufige Zahlen) USA Deutschland GB Frankreich Japan Niederlande Schweden Kanada Norwegen Australien Spanien Italien Schweiz Dänemark Belgien Finnland Korea Österreich Irland Portugal Neuseeland Luxembourg Griechenland 6 324 5 606 5 291 4 936 4 799 4 264 4 241 3 086 2 981 2 800 1 409 1 321 1 107 904 669 429 413 331 10 604 14 533 13 739 12 994 30 745 0 5000 10000 15000 20000 25000 30000 35000 2

Abbildung 3: Bilaterale ODA Zusammenstellung (brutto) Deutschland 2010 der Erreichung des 0,7 % Ziels entfernt. Im Zuge der Wirtschaftskrise wurde die zuge- 28% 1% 4% Administrative Kosten Länderspezifische Hilfe Schuldenerlässe Humanitäre- und Nahrungsmittelhilfe sagte Erhöhung der ODA in einigen Ländern hinten angestellt, so dass das Zwischenziel von 0,51 % des BNEs für 2010 im Durchschnitt nicht erreicht werden konnte. Mit bis zu über einem Prozent liegend die nordischen Staaten an vorderster Stelle. 1% 9% 4% 2% 51% Angerechnete Kosten für Studenten Kosten für Flüchtlinge Sonstiges NRO-Unterstützung Kritik am ODA-Konzept In den letzten Jahren wird zunehmend Kritik am ODA-Konzept laut. Dabei wird vielfach hinterfragt, welche Leistungen in welcher Höhe anrechenbar sein sollten. Forschung (zum Beispiel zu Tropenkrankheiten oder Entwicklung von robusterem Saatgut) allgemeine Verwaltungskosten der Geber Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen / privaten Stiftungen / Forschungsinstituten. ODA in Zahlen Im Jahr 1960 betrug die ODA aller DAC- Mitgliedsstaaten nur 4,3 Milliarden US-Dollar. Sie ist seither fast kontinuierlich auf zuletzt 133,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2011 (Nominalpreis) angestiegen. Betrachtet man die ODA- Quote, ergibt sich ein etwas anderes Bild (Abbildung 1). Die ODA-Quote (im Durchschnitt aller DAC-Geber) pendelte über die Gesamtlaufzeit gesehen um einen Wert von ca. 0,35 %, erreichte um die Jahrtausendwende ein Minimum mit 0,22 % und zeigt seither wieder einen positiven Trend auf. Deutschland ist mit 14,53 Milliarden US-Dollar (Netto ODA) 2011 der zweitgrößte bilaterale Geber (siehe Abbildung 2). Im Hinblick auf die multilaterale ODA ist Deutschland momentan sogar der weltweit größte Beitragszahler (5,6 Milliarden US-Dollar) (wobei ein Großteil der Mittel als Pflichtbetrag über die EU geleistet wird). Für die bilaterale ODA wurden 8,9 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Davon fließen in der Regel zwischen 30 und 50 % als sogenannte Country Programmable Aid (CPA) direkt in die Entwicklungsländer (2010 waren es 51 %, siehe Abbildung 3). In Bezug auf die ODA-Quote liegt Deutschland nur im Mittelfeld der DAC-Geber (siehe Abbildung 4) und ist wie viele andere Geber noch weit von Konzeptionelle Schwächen Einige Kritiker beanstanden, dass viele der oben genannten ODA-anrechenbaren Posten den Partnerländern gar nicht direkt zugute kämen. So seien unter anderem die allgemeinen Verwaltungskosten der Geberländer, Schuldenerlasse, Stipendienkosten für Studierende des Entwicklungslandes in den Geberstaaten (die oftmals nicht in ihr Heimatland zurückkehren) sowie Kosten für Flüchtlinge keine Leistungen, über die das Partnerland selber verfügen könne. Zudem werden auch die Berechnungsmodi der ODA-Leistungen kritisch hinterfragt: z.b. die Grenze von 25 % Grant-Element. Diese könnte, so sagen Kritiker, ebenso bei 20 % liegen oder einer beliebigen anderen Größe und verdeutlicht damit die Willkürlichkeit dieser Regelung, die darüber entscheidet, ob ein Darlehen anrechenbar ist oder nicht. Dies führt ggf. auch zu Fehlanreizen bzw. Fehlal- Abbildung 4: Netto-ODA Quote im Ländervergleich 2011 (vorläufige Werte) Schweden 1,02 Norwegen 1 Luxemburg 0,99 Dänemark 0,86 Niederlande 0,75 GB 0,56 Belgien 0,53 Irland 0,52 Finnland 0,52 Schweiz 0,46 Frankreich 0,46 Deutschland 0,4 Australien 0,35 Kanada 0,31 Spanien 0,29 Portugal 0,29 Neuseeland 0,28 Österreich 0,27 USA 0,2 Italien 0,19 Japan 0,18 Korea 0,12 Griechenland 0,11 0 0,7 3

lokationen, wenn z.b. für ein Vorhaben ein Darlehen mit einem Grant-Element von 15 % ausreichend wäre, aber wegen der (Nicht-) Anrechenbarkeit als ODA entweder gar keins erhält oder mit einer höheren Subvention als nötig. Die für eine höhere Subvention notwendigen zusätzlichen Haushaltsmittel fehlen dann wiederum für weitere Maßnahmen der Armutsminderung. Kritisch hinterfragt wird auch die Berechnung des Grant-Elements: In den 70er Jahren (in einer Zeit mit hohen Zinssätzen) wurde ein Abzinsungsfaktor von 10 % für die Berechnung des Grant Elements festgelegt, der seitdem nie angepasst wurde. Als oberstes Kriterium für die Anrechenbarkeit als ODA gilt allerdings zusätzlich, dass ein Darlehen concessional in character sein muss, also unter dem Marktzins liegen muss. Wie concessional in character in der Praxis genau ausgelegt werden sollte, wird derzeit intensiv im DAC diskutiert. Erfüllt ein Kredit einmal die Bedingungen der Konzessionalität und des Grant-Elements wird der gesamte Kreditbetrag bei Auszahlung voll als ODA angerechnet. Bei Rückzahlung des Darlehens werden jedoch Tilgungen negativ angerechnet (siehe Brutto-Netto Prinzip). Deshalb hat ein Darlehen über die gesamte Laufzeit gerechnet eine Netto-ODA-Wirkung von Null, obwohl z.b. ein Darlehen mit 40 Jahren Laufzeit, 10 Freijahren und einem Zinssatz von 0,75 % ökonomisch betrachtet fast einem Zuschuss gleich kommt. Neue Rahmenbedingungen der EZ Über die Berechnungsgrundlagen der ODA hinaus gibt es tiefgreifendere Kritik, die darauf basiert, dass sich die Welt und die EZ- Landschaft seit den 60er Jahren, insbesondere in den letzten 15 Jahren sehr stark verändert haben. Severino und Ray 4 beschreiben diese Entwicklung beispielsweise sehr treffend als Triple Revolution. Heute verfolgen mehr Akteure mehr Ziele mit mehr Instrumenten. Viele dieser Leistungen gehen jedoch nicht in die ODA Berechnung ein oder werden höchstens nachrichtlich erwähnt. Neben den traditionellen DAC-Gebern sind auch viele andere Länder entwicklungspolitisch aktiv. Diese oft unter dem Stichwort Neue Geber zusammengefassten Staaten bilden eine recht heterogene Gruppe. Dazu gehören arabische Geber, allen voran Saudi Arabien, die schon seit Jahrzehnten mit substantiellen Beträgen Entwicklungshilfe/ -zusammenarbeit leisten und deshalb kaum als neu bezeichnet werden können. Dann die Gruppe der Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika, aber auch Länder wie Kolumbien, Ägypten und Thailand, die obwohl sie in der DAC Definition als Entwicklungsländer gelten, bereits selbst entwicklungspolitisch aktiv sind. Im Rahmen sogenannter Süd-Süd-Kooperationen geben sie Know-How und finanzielle Unterstützung weiter. Dabei sind kommerzielle und hilfeorientierte Leistungen oftmals nicht voneinander zu trennen. Und nicht zuletzt die Gruppe der neuen Geber im engeren Sinne wie die neuen EU-Mitgliedsstaaten, die eine enge Koordination mit oder Mitgliedschaft im DAC anstreben. Die Leistungen dieser unterschiedlichen Geber werden seit einigen Jahren teilweise nachrichtlich als Other providers of Development Co-operation vom DAC erfasst (2009: 11,8 Milliarden US-Dollar Brutto). Die Angaben beruhen auf offiziellen Meldungen dieser Länder, aber zum großen Teil auch auf Schätzungen des DAC und geben daher nur ein vages Bild dessen wieder, was Neue Geber leisten. Anders als in den 60er Jahren, als staatliche Leistungen noch die mit Abstand wichtigste externe Finanzierungsquelle vieler Entwicklungsländer waren, findet das gros der internationalen Leistungen heutzutage außerhalb des ODA-Rahmens statt: Private Kapitalströme machen heute ein Vielfaches der staatlichen Leistungen aus. Alleine private Kapitalrücksendungen von Migranten ( Remittances ) betrugen im Jahr 2011 351 Milliarden US Dollar, also mehr als das Doppelte der ODA im gleichen Zeitraum. Einige private Entwicklungsinstitutionen leisten größere Auszahlungen an Entwicklungsländer als die meisten bilateralen Geber. So betrug das Finanzvolumen der Auszahlungen der Bill & Melinda Gates Foundation im Jahr 2011 alleine 3,4 Milliarden US-Dollar und läge damit im Mittelfeld der DAC-Geber (vgl. Abbildung 2). Auch bei vielen neueren Finanzierungsinstrumenten (Garantien, strukturierte Fonds etc.) erfolgt keine oder nur eine teilweise Anrechnung auf die ODA; dessen ungeachtet, dass sie klare Leistungen darstellen und zum Teil enorme zusätzliche private Mittel mobilisieren. Globale Herausforderungen wie Klimawandel, demographischer Wandel, Friedenssicherung oder Pandemiekontrolle bestimmen heute mehr denn je die politische Agenda. Viele Entwicklungsländer sind in besonderem Maße von diesen Herausforderungen betroffen und auf die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter angewiesen. Daraus ergibt sich die Frage, welche entwicklungspolitischen Ziele in Zukunft im Fokus liegen und wie ein ggf. erweiterter Zielkanon in einem statistischen Erfassungssystem abgebildet wird. Nimmt man sich zum Ziel, die globalen Anstrengungen für Entwicklung abzubilden, so wird deutlich, dass das bestehende ODA- Konzept diesen tiefgreifenden Veränderungen nicht mehr Rechnung tragen kann. Hinzu kommt die übergeordnete Frage, welche Bedeutung eine rein inputbezogene Messgröße wie die ODA in einer Zeit haben sollte, in der sich die gesamte entwicklungspolitische Diskussion um die Frage einer stärkeren Wirkungsorientierung dreht. Fazit Das Konzept der Official Development Assistance ist eine über die Jahre gewachsene und auf dem Konsens der Geber beruhende Systematik, die ursprünglich nur dafür gedacht war, die OECD-Geberanstrengungen zu messen. Sie hatte (und hat noch immer) eine zentrale Bedeutung für die Mobilisierung von öffentlichen Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit in den DAC-Geberländern. Dennoch scheint das Konzept mittlerweile nicht mehr zeitgemäß. Einige Kritikpunkte wären innerhalb der bestehenden ODA-Logik lösbar, andere verlangen nach einer grundlegenden Neuausrichtung. 2015 ist das Zieljahr für die Erreichung des 0,7 % - Ziels und für die Erreichung der Millennium Development Goals. Es ist daher jetzt an der Zeit zu diskutieren, welches Konzept nach 2015 benötigt wird. Oberstes Ziel einer Überarbeitung sollte ein statistisches Erfassungssystem sein, das einerseits alle relevanten Leistungen aufzeichnet und andererseits keine falschen Anreize setzt. Es sollte gewährleisten, dass für ein entwicklungspolitisches Vorhaben oder Ziel die bestmögliche Unterstützung und Finanzierung eingesetzt wird. Literatur BMZ (2011), Was ist Official Development Assistance (ODA)?, BMZ Leitfaden. OECD (2010), Peer Review, Entwicklungsausschuss (DAC). OECD (2008), Is it ODA?, OECD Factsheet. Severino und Ray (2009), The End of ODA: 4 Jean-Michel Severino und Olivier Ray (2009): The End of ODA - Dead and Rebirth of a Global Public Policy. 4

Death and Rebirth of a Global Public Policy, Center for Global Development, Working Paper Number 167. Zimmermann und Smith (2011), New Partnerships in development co-operation, OECD Journal: General Papers, Vol. 2010/1 Kharas und Rogerson (2012), Horizon 2025: creative destruction in the aid industry, Overseas Development Institute 5