SPIEGELONLINE Urteil zu Wechselmodell Getrennte Eltern, geteilte Betreuung

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Transkript:

SPIEGELONLINE Urteil zu Wechselmodell Getrennte Eltern, geteilte Betreuung Eine Woche bei Mama, eine bei Papa: Ex-Partner können nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nun Anspruch auf dieses Trennungsmodell haben - solange es für das Kind das Beste ist. DPA Familie (Symbolbild) Montag, 27.02.2017 18:59 Uhr Mütter und Väter, die ihr Kind nach der Trennung im gleichen Umfang wie der Ex-Partner betreuen wollen, können diesen Wunsch künftig unter Umständen auch gegen den Willen des Ex-Partners durchsetzen. Es spreche grundsätzlich nichts dagegen, dass Familiengerichte ein solches "Wechselmodell" anordnen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Solch ein Modell kann zum Beispiel so aussehen, dass das Kind eine Woche bei der Mutter lebt und dann für die nächste Woche beim Vater. Voraussetzung ist laut dem Beschluss aber immer, dass die geteilte Betreuung dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Wesentlich häufiger anzutreffen ist in Deutschland die Variante, in der das Kind beispielsweise nur jedes zweite Wochenende beim Vater ist ("Residenzmodell"). Weil sich heute viele Väter deutlich mehr an der Erziehung beteiligen als früher - und Mütter häufiger im Beruf nicht zurückstecken wollen, hat aber ein Umdenken eingesetzt. Bislang war allerdings umstritten, ob Gerichte die abwechselnde Betreuung anordnen dürfen, wenn die Eltern sich nicht einigen können. Organisation wird für beide Partner schwieriger Der BGH stellte jetzt klar, dass sich das Gesetz zwar am "Residenzmodell" orientiere, damit aber kein Leitbild vorgebe. Solange beide Eltern das Sorgerecht haben, spricht demnach nichts gegen eine gleichberechtigte Betreuung. Der Senat weist aber darauf hin, dass die Organisation höhere Anforderungen an alle Beteiligten stelle. Wenn die Ex-Partner stark zerstritten sind, dürfte das Modell deshalb in aller Regel nicht im Interesse des Kindes liegen.

Entscheidend ist dem Beschluss zufolge außerdem, wie das Kind selbst gerne leben möchte - je älter es sei, desto wichtiger würden seine Wünsche und Vorstellungen. Das Gericht muss also immer das Kind persönlich anhören. In dem Karlsruher Fall war das nicht passiert. Das zuständige Oberlandesgericht Nürnberg muss deshalb noch einmal verhandeln. Ein Vater will dort gegen seine Ex-Frau durchsetzen, dass der 13-jährige Sohn jede zweite Woche bei ihm lebt. Aktenzeichen XII ZB 601/15 apr/dpa -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- TAGESSCHAU.DE BGH zu "Wechselmodell" Getrennte Eltern, geteilte Betreuung Stand: 27.02.2017 16:05 Uhr Mütter und Väter, die ihr Kind nach der Trennung im gleichen Umfang wie der Ex- Partner betreuen wollen, können diesen Wunsch künftig unter Umständen auch gegen den Willen des Ex-Partners durchsetzen. Das hat der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil entschieden. Von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion Karlsruhe Eine Woche bei Mama, eine Woche bei Papa - das ist eine Möglichkeit, wie getrennt lebende Eltern ihre Kinder betreuen. Dieses Wechselmodell kann auch gegen den Willen des jeweils anderen Elternteils angeordnet werden. Voraussetzung dafür: Es ist für das Kind im konkreten Fall am besten, wenn es im regelmäßigen Wechsel von Mutter und Vater betreut wird. Das hat heute der Bundesgerichtshof entschieden. In dem Fall, den die Karlsruher Richter vorliegen hatten, gab es eine Umgangsregelung, bei der der Vater seinen Sohn alle 14 Tage am Wochenende besuchen konnte. Das war ihm zu wenig. Er wollte, dass sein Sohn jeweils eine Woche zu ihm kommt und dann eine Woche zur Mutter. Weil die Mutter gegen das Wechselmodell war, klagte der Vater. In den Vorinstanzen hatte er keinen Erfolg. "Wechselmodell" ist rechtlich möglich Der BGH hat nun das vorangehende Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Die Karlsruher Richter stellen klar: Die gesetzliche Regelung orientiert sich am Residenzmodell, bei dem das Kind überwiegend von einem Elternteil betreut wird und dem anderen ein Umgangsrecht zusteht. Dennoch ist auch ein Wechselmodell nach dem Gesetz möglich. Wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht,

darf das Familiengericht die geteilte Betreuung durch Vater und Mutter auch gegen den Willen des anderen Elternteils anordnen. Im Zentrum steht das Kindeswohl Allerdings warnen die Richter: Das Wechselmodell stelle im Vergleich mit anderen Umgangsregelungen "höhere Anforderungen" an Eltern und Kind. Das Kind müsse "zwischen zwei Haushalten pendeln" und sich auf zwei "Lebensumgebungen einstellen". Die Eltern müssten trotz der Trennung in der Lage sein, Absprachen zu treffen. Gebe es aber Konflikte zwischen den Eltern, sei es in der Regel nicht im Interesse des Kindes, zwischen Mutter und Vater hin und her zu wechseln. Die Familiengerichte seien verpflichtet aufzuklären, welches Umgangsmodell dem Kindeswohl am besten entspricht. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erwartet Mit dem heutigen Urteil hat der BGH die rechtlichen Voraussetzungen des Wechselmodells deutlich gemacht. Das Wechselmodell wird Juristen aber weiterhin beschäftigen. Noch in diesem Jahr will auch das Bundesverfassungsgericht über eine Verfassungsbeschwerde eines Vaters entscheiden, dem das Wechselmodell versagt worden war. Az. XII ZB 601/15 JURIS Rechtsportal Gericht/Institution: BGH Erscheinungsdatum: 27.02.2017 Entscheidungsdatum: 01.02.2017 Aktenzeichen: XII ZB 601/15 Quelle: Anordnung des Wechselmodells durch Umgangsregelung des Familiengerichts Der BGH hat entschieden, dass und unter welchen Voraussetzungen das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gegen den Willen des anderen Elternteils ein so genanntes paritätisches Wechselmodell, also die etwa hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern, als Umgangsregelung anordnen darf. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die geschiedenen Eltern ihres im April 2003 geborenen Sohnes. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Sohn hält sich bislang überwiegend bei der Mutter auf. Im Mai 2012 trafen die Eltern eine Umgangsregelung, nach welcher der Sohn den Vater alle 14 Tage am Wochenende besucht. Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Vater die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells. Er will den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen.

Das Amtsgericht hatte den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Dessen Beschwerde war vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Der BGH hat auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Vaters den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Nach Auffassung des BGH hat das Kind gemäß 1684 Abs. 1 BGB das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Gemäß 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB könne das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Das Gesetz enthalte keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürften. Vom Gesetzeswortlaut sei vielmehr auch eine Betreuung des Kindes durch hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern erfasst. Zwar orientiere sich die gesetzliche Regelung am Residenzmodell, also an Fällen mit überwiegender Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen Elternteil. Dies besage aber nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt habe, nicht hingegen, dass er damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festlegen wollte, welches andere Betreuungsmodelle ausschließe. Dass ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes auch die elterliche Sorge und als deren Teilbereich das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffe, spreche jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung. Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung stehe vielmehr mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge seien und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen halte. Entscheidender Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts sei neben den beiderseitigen Elternrechten allerdings das Kindeswohl, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen sei. Das Wechselmodell sei anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspreche. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stelle, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendele und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen habe. Das paritätische Wechselmodell setze zudem eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspreche es dagegen regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liege die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Wesentlicher Aspekt sei zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen sei. Das Familiengericht sei im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspreche. Dies erfordere grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes. Im vorliegenden Fall habe das Oberlandesgericht eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt, weil es zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung nach der gesetzlichen Regelung nicht möglich sei. Das Verfahren sei daher

zur Nachholung der Kindesanhörung und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden. Vorinstanzen OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.12.2015-11 UF 1257/15 AG Schwabach, Beschl. v. 10.09.2015-1 F 280/15 Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 25/2017 v. 27.02.2017 Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2017 XII ZB 601/15 - Paritätisches Wechselmodell zur Betreuung des Kindes auch gegen den Willen eines Elternteils möglich Kindeswohl bleibt jedoch entscheidender Maßstab bei Anordnung eines Umgangsrechts Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass und unter welchen Voraussetzungen das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gegen den Willen des anderen Elternteils ein sogenanntes paritätisches Wechselmodell, also die etwa hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern, als Umgangsregelung anordnen darf. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die geschiedenen Eltern ihres im April 2003 geborenen Sohnes. Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Sohn hält sich bislang überwiegend bei der Mutter auf. Im Mai 2012 trafen die Eltern eine Umgangsregelung, nach welcher der Sohn den Vater alle 14 Tage am Wochenende besucht. Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Vater die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells. Er will den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen. Das Amtsgericht hat den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Dessen Beschwerde ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben. Kind hat Recht auf Umgang mit jedem Elternteil Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Vaters hat der Bundesgerichtshof den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen. Nach 1684 Abs. 1 BGB* hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Gemäß 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln.

Gesetzgeber Residenzmodell nicht als gesetzliches Leitbild festlegen Das Gesetz enthält keine Beschränkung des Umgangsrechts dahingehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Vom Gesetzeswortlaut ist vielmehr auch eine Betreuung des Kindes durch hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern erfasst. Zwar orientiert sich die gesetzliche Regelung am Residenzmodell, also an Fällen mit überwiegender Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen Elternteil. Dies besagt aber nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt hat, nicht hingegen, dass er damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festlegen wollte, welches andere Betreuungsmodelle ausschließt. Dass ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes auch die elterliche Sorge und als deren Teilbereich das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, spricht jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung. Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht vielmehr mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält. Paritätisches Wechselmodell setzt bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus Entscheidender Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts ist neben den beiderseitigen Elternrechten allerdings das Kindeswohl, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Das paritätische Wechselmodell setzt zudem eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es dagegen regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist. Persönliche Anhörung des Kindes bei Gericht grundsätzlich erforderlich Das Familiengericht ist im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes. Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt, weil es zu Unrecht davon ausgegangen war, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung nach der gesetzlichen Regelung nicht möglich sei. Das Verfahren ist daher zur Nachholung der Kindesanhörung und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden. Erläuterungen

1684 BGB Umgang des Kindes mit den Eltern (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. (2) Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet. (3) Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. [...] (4) [... ] FAMRZ Zeitschrift für das ganze Familienrecht Wechselmodell nicht ausgeschlossen Bundesgerichtshof, Beschluss v. 1.2.2017 XII ZB 601/15 1. Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl. 2. Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus (Fortführung des Senatsbeschlusses v. 15.6.2016 XII ZB 419/15 -, FamRZ 2016, 1439 [m. Anm. Lack]). Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen. 3. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. 4. Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 15.6.2016 - XII ZB 419/15 -, FamRZ 2016, 1439 [m. Anm. Lack]). Anm. d. Red.: Die Entscheidung wird veröffentlicht in FamRZ 2017, Heft 7. Die Entscheidung ist zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen. Vorinstanz war das OLG Nürnberg, FamRZ 2016, 2119.