Der histopathologische Bericht beim Mammakarzinom (Dr. M. Lenhard) Nach der Operation wird das entnommene Gewebe vom Pathologen unter dem Mikroskop genauer untersucht. Dabei werden verschiedene Parameter analysiert, die für die individuelle Therapieplanung der Patientin wichtig sind. Bei dieser Aufarbeitung werden der histologische Typ, das Grading, die ptnm-klassifikation (siehe Tabellen) sowie verschiedene Rezeptoren (Hormonrezeptor, HER-2 Rezeptor) beim Tumor bestimmt. Zusätzlich wird untersucht, ob der Tumor in Gefäße eindringt, ob ein oder mehrere Herde vorliegen und wie groß der Sicherheitsabstand zwischen Tumor und gesundem Gewebe ist. Die Ergebnisse dieser Gewebeaufarbeitung werden dann in standardisierter Form im histopathologischen Bericht dokumentiert. Die histologische Typisierung des Mammakarzinoms erfolgt anhand der WHO- Klassifikation (World Health Organization). Das häufigste invasive Mammakarzinom ist das invasiv-duktale (von Milchgängen ausgehende) Karzinom (65-80%). Daneben treten andere histologische Typen wie das invasiv-lobuläre (von Drüsenläppchen ausgehende) (6-15%), das medulläre (3%), das tubuläre (1-15%), das muzinöse (schleimbildende) (1-2%) oder das papilläre (1-7%) Karzinom gehäuft auf. Beim muzinösen, papillären und tubulären Karzinom wird häufig ein günstigerer Verlauf beobachtet. Vom invasiv-duktalen Karzinom wird das nicht-invasive (intraduktale) Karzinom unterschieden. Nach WHO-Klassifikation wird dieses als DCIS (Duktales Carcinoma in- 1
situ) oder aktueller als neoplastische intraduktale Läsion benannt. Die Bezeichnung DCIS besagt, dass sich die Tumorzellen noch in den Brustdrüsengängen befinden und noch nicht in das umgebende Gewebe eingedrungen sind. Alle invasiven Mammakarzinome und das DCIS werden graduiert. Bei der Graduierung begutachtet der Pathologe, inwieweit sich die Krebszellen von normalem Brustgewebe unterscheiden. Hierbei werden für das DCIS und das Mammakarzinom verschiedene Kriterien herangezogen. DCIS Das DCIS wird nach dem Aussehen der Zellen und Zellkerne, Nekrosen (untergegangenen Zellen), Verkalkungen und Architektur bewertet, das Mammakarzinom nach Tubulusbildung, Kernaussehen und Zellteilungsrate. Alle Merkmale zusammen ergeben einen Grad 1 bis 3, der beim histopathomorphologischen Bericht mit G1 bis G3 angegeben wird. Dabei beschreibt G1 den normalen Zellen ähnliche Tumorzellen, während G3-Zellen relativ stark verändert sind und häufig aggressiver wachsen. Alternativ wird beim DCIS häufig die Van-Nyus-Klassifikation eingesetzt. Sie bezieht neben dem Kerngrading auch das Vorhandensein von Komedo- Nekrosen (maligne Zellen auf nekrotischem Hintergrund) ein und stuft das DCIS in eine Gruppe I bis III ein. Für das DCIS gibt es bisher keine einheitliche Klassifikation. Häufig wird der von Silverstein et al. entwickelte Van Nuys Prognose Index (VNPI) angegeben, der die Größe des DCIS, den Resektionsrand-Status und die pathologische Klassifikation aufgrund ihres prädiktiven Werts (Vorhersagewert) zusammenfasst. Es werden hierbei für jeden Parameter Punkte von 1 bis 3 vergeben, die als Summe (Gesamtpunktzahl = VNPI-Score 3 bis 9) eine Richtlinie für die weitere Therapie geben. Als vierter Parameter wird manchmal auch das Alter in diesen Index miteinbezogen (USC/VNPI). 2
TNM-Klassifikation Die TNM-Klassifikation maligner (bösartiger) Tumoren beschreibt den Primärtumor (P), die regionären Lymphknotenmetastasen (N) und Fernmetastasen (M) anhand des klinischen Aspekts und der klinischen Untersuchung. Wird diese Unterteilung nach der Operation vom Pathologen anhand des entfernten Gewebes vorgenommen, wird eine ptnm-klassifikation erstellt (siehe Tabelle unten). Die ptnm-klassifikation erfolgt nach den Vorgaben der UICC (Union Internationale Contre le Cancer). Das Präfix y wird zusätzlich verwendet, wenn die Patientin vor der Operation eine Vortherapie (neoadjuvante oder präoperative Therapie) erhalten hat. Bei dieser Klassifikation wird die Tumorgröße (pt) nach der Messung der invasiven Komponente bestimmt, auch wenn eine größere nicht-invasive (intraduktale) Komponente gesehen wird. Ist mehr als nur ein Tumorherd im Präparat, wird der Herd mit der höchsten pt-kategorie beschrieben und die Mehrzahl der Herde durch ein (m) oder die entsprechende Zahl der Herde in Klammern angegeben. Wird in der Klassifikation der Ausdruck pt1mic (für Mikroinvasion) verwendet, so besagt dies, dass Karzinomzellen sich nicht mehr als 0,2 cm in das Gewebe ausgedehnt haben. Je nach Tumorgröße werden Zahlen von T1 bis T4 vergeben. Liegt ein Befall der Haut oder der Brustwand vor, liegt unabhängig von der Größe des Tumors ein T4-Stadium (größtes Tumorstadium) vor. Bei der pathologischen Klassifikation der regionären Lymphknoten (pn) wird die Anzahl der befallenen Lymphknoten (vorangehende Zahl) von allen untersuchten Lymphknoten angegeben. Wurden Sentinel-Lymphknoten (Wächter-Lymphknoten) untersucht, wird dies durch das Kürzel (sn) gekennzeichnet. Für die Identifizierung von Fernmetastasen (pm) muss eine histopathologische Untersuchung des entsprechenden Gewebes erfolgt sein. Da in der Regel nur eine 3
Bildgebung der entsprechenden Organe vorliegt, wird das Fehlen einer histopathologischen Untersuchung durch ein pmx im Bericht zum Ausdruck gebracht. Bei invasivem und nicht-invasivem Karzinom wird zusätzlich angegeben, ob der Tumor am Rand des entfernten Gewebes liegt. Tumorreste werden mit dem Symbol R für Residualtumor (R1 für mikroskopisch, R2 für makroskopisch erfassten Residualtumor) dargestellt. Ist der Schnittrand tumorfrei, so wird dies durch die Bezeichnung R0 und die Angabe des Mindestabstands des Tumors zum nächstgelegenen Absetzungsrand beschrieben. In der Literatur wird diskutiert, welcher Sicherheitsabstand für das invasive Karzinom und das intraduktale Karzinom (DCIS) gefordert wird. Derzeit wird ein Sicherheitsabstand von mehr als 1 mm für das invasive Karzinom und mehr als 5 mm für das DCIS als sinnvoll erachtet. Im histopathologischen Bericht wird darüber hinaus angegeben, ob Lymphgefäße befallen sind. L0 besagt, dass keine Lymphgefäßinvasion (Lymphgefäßbefall) vorliegt, wohingegen eine Invasion (Eindringen von Krebszellen) durch L1 zum Ausdruck gebracht wird. Als Lymphangiosis carcinomatosa bezeichnet man die Ausbreitung bösartiger Zellen in vielen, ausgeweiteten Lymphwegen. Beim invasiven Brustkrebs werden darüber hinaus Rezeptoren der Krebszellen untersucht. Gängig ist hierbei die Analyse der Hormonrezeptoren (Östrogen- und Progesteronrezeptor ER und PR) und des Wachstumsfaktors HER2/neu. Der Hormonrezeptorstatus wird in der Regel durch immunhistochemische Färbung bestimmt. Tumoren gelten als Hormonrezeptor-negativ, wenn keine Färbung für den Östrogenrezeptor und den Progesteronrezeptor vorgefunden wird. Als Hormonrezeptorpositiv werden Tumoren bezeichnet, bei denen mehr als 10% der Tumorzellen für Östrogen oder Progesteron positiv sind. Je nach Prozentsatz positiver Zellen und Färbeintensität kann getrennt für den Östrogen- und den Progesteronrezeptor nach der Einteilung von Remmele und Stegner 4
ein immunreaktiver Score (IRS) (0 bis 12) angegeben werden, wobei 0 für keine Rezeptorexpression steht. Je höher die Expression des jeweiligen Hormonrezeptors ist, als desto besser wird das Ansprechen auf eine Antihormontherapie erwartet. Ein weiterer wichtiger Rezeptor für die Behandlung des Mammakarzinoms ist der HER2/neu Rezeptor, der zu der Gruppe der Wachstumsrezeptoren zählt. Dieser Rezeptor kann durch Immunhistochemie auf einer Skala von 1+ bis 3+ nachgewiesen werden. Übliche immunhistochemische Tests sind der HercepTest (DAKO) und der Pathway TM HER2 (Ventana). Bei nur schwach positiver HER2/neu-Färbung im Gewebe, welche durch ein 2+ im histopathologischen Bericht vermerkt wird, sollte eine sogenannte FISH-Analyse angeschlossen werden (FISH = Fluoreszenz-in-situ- Hybridisierung). Dieser Test zur Genamplifikation zeigt ein positives (+) oder negatives ( ) Ergebnis. Eine Antikörpertherapie z.b. mit dem Antikörper Trastuzumab kann in die Therapie des Mammakarzinoms miteinbezogen werden, wenn in der immunhistochemischen Färbung ein 3+ Ergebnis oder in der FISH-Analyse ein positives Ergebnis nachgewiesen wurde. Neben den beschriebenen Rezeptoren werden manchmal weitere neue Prognosefaktoren angegeben. Zur Gruppe der neuen Prognosefaktoren zählt der Wachstumsmarker Ki-67, der Zellen färbt, die sich im Gewebe vermehren, oder die Bestimmung von upa (Plasminogen-Aktivator vom Urokinasetyp) / PAI-1 (Plasminogen- Aktivator-Inhibitor Typ 1), der die Fähigkeit von Krebszellen charakterisiert, in anderes Gewebe einzudringen. Letztgenannter Faktor kann nur an frischem Gewebe bestimmt werden. Da die prognostische und therapeutische Relevanz dieser Faktoren noch nicht ausreichend durch Studien belegt ist, sollten diese nicht in Routineuntersuchungen eingesetzt werden. 5
ptnm-klassifikation des Mammakarzinoms (6. Auflage UICC 2002) ptx pt0 ptis pt1 pt1mic pt1a pt1b pt1c pt2 pt3 pt4 pt4a pt4b pt4c pt4d Ein Primärtumor kann nicht beurteilt werden Kein Anhalt für einen Primärtumor Carcinoma in situ: intraduktales Karzinom oder lobuläres Carcinoma in situ oder Morbus Paget der Mamille ohne nachweisbaren Tumor Größte Tumorausdehnung maximal 2 cm Mikroinvasion von 0,1 cm oder weniger in größter Ausdehnung Mehr als 0,1 cm, aber nicht mehr als 0,5 cm in größter Ausdehnung Mehr als 0,5 cm, aber nicht mehr als 1,0 cm in größter Ausdehnung Mehr als 1,0 cm, aber nicht mehr als 2,0 cm in größter Ausdehnung Größte Tumorausdehnung mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 5 cm Größte Tumorausdehnung mehr als 5 cm Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf die Brustwand oder Haut Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf die Brustwand Tumor jeder Größe mit Ödem (einschließlich "Apfelsinenhaut", "Orangenhaut"), Ulzeration der Brusthaut oder Satellitenmetastasen der Haut der gleichen Brust Kriterien pt4a und pt4b gemeinsam Entzündliches (sog. inflammatorisches) Karzinom pnx pn0 pn1mi pn1 pn1a pn1b pn1c Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden Keine regionären Lymphknoten-Metastasen Mikrometastase (> 0,2 mm, aber < 2 mm) Metastase(n) in 1-3 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten und/oder im gleichseitigen Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie mit mikroskopischer(en) Metastase(n), die bei der Sentinel-Lymphknoten-Entfernung entdeckt wurde(n), aber nicht klinisch erkennbar war(en) Metastase(n) in 1-3 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten, zumindest eine größer als 2 mm in max. Ausdehnung Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie mit mikroskopischer(en) Metastase(n), die bei der Sentinel-Lymphknoten-Entfernung entdeckt wurde(n), aber nicht klinisch erkennbar war(en) Metastase(n) in 1-3 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten und im gleichseitigen 6
Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie mit mikroskopischer(en) Metastase(n), die bei der Sentinel-Lymphknoten-Entfernung entdeckt wurde(n), aber nicht klinisch erkennbar war(en) pn2 pn2a pn2b pn3 pn3a pn3b pn3c Metastasen in 4-9 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten oder in Lymphknoten entlang der gleichseitigen Brustwand-Arterie, klinisch erkennbar, in Abwesenheit von Achsel-Lymphknotenmetastasen Metastasen in 4-9 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten, zumindest eine größer als 2 mm Metastasen in Lymphknoten entlang der gleichseitigen Brustwand-Arterie, klinisch erkennbar, in Abwesenheit von Achsel-Lymphknotenmetastasen Metastasen in mindestens 10 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten, zumindest eine größer als 2 mm; oder in gleichseitigen Lymphknoten unter dem Schlüsselbein; oder in klinisch erkennbarem Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie mit gleichzeitigem Vorliegen von mindestens einer Achsel- Lymphknotenmetastase; oder Metastase in mehr als 3 Achsel-Lymphknoten und Metastase im Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie, klinisch nicht erkennbar; oder Metastase(n) in gleichseitigem Lymphknoten über dem Schlüsselbein Metastasen in mindestens 10 gleichseitigen Achsel-Lymphknoten, zumindest eine größer als 2 mm, oder in gleichseitigen Lymphknoten unter dem Schlüsselbein Metastase in klinisch erkennbarem Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie mit gleichzeitigem Vorliegen von mindestens einer Achsel- Lymphknotenmetastase; oder Metastase in mehr als 3 Achsel-Lymphknoten und Metastase im Lymphknoten entlang der Brustwand-Arterie, die bei der Sentinel- Lymphknoten-Entfernung entdeckt wurde, aber nicht klinisch erkennbar war Metastase(n) in gleichseitigem Lymphknoten über dem Schlüsselbein Anmerkung: Jede andere Lymphknotenmetastase wird als Fernmetastase (pm1) klassifiziert, einschließlich Lymphknotenmetastasen im Halsbereich oder entlang der Brustwand-Arterie pmx pm0 pm1 Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden Keine Fernmetastasen Fernmetastasen 7
Weitere Angaben: L = Lymphgefäßinvasion mit L0 = keine Lymphgefäßinvasion, L1= Lymphgefäßinvasion V = Veneninvasion mit V0 = keine Veneninvasion, V1 = mikroskopische Veneninvasion, V2 = makroskopische Veneninvasion R = Residualtumor (Resttumor) mit R0 = kein Residualtumor, RX = Vorhandensein eines Residualtumors kann nicht beurteilt werden, R1 = mikroskopischer Residualtumor an den Resektionsrändern, R2 = makroskopischer Residualtumor an den Resektionsrändern G = Grading (Graduierung) mit G1 = gut differenzierter Tumor, G2 = mäßig differenzierter Tumor und G3 = schlecht differenzierter oder undifferenzierter Tumor Das Präfix y wird zusätzlich verwendet, wenn die Patientin vor der Operation eine Vortherapie (neoadjuvante oder präoperative Therapie) erhalten hat. Diese Übersicht wurde von Frau Dr. M. Lenhard für den Verein Brustkrebs Deutschland e.v. erstellt. Gerne dürfen Sie diese für Ihre Website übernehmen, aber nur wenn Sie dabei auf Brustkrebs Deutschland e.v. und Frau Dr. Lenhard als Quelle verweisen. Kontakt: +49 (0)89-41 61 98 00 oder renate.haidinger@web.de 8