DEUTSCHER BUNDESTAG Platz der Republik 1 11011 Berlin Tel. 030 227 77916 Fax 030 227 76916 Email: patricia.lips@bundestag.de Homepage: www.patricia-lips.de WAHLKREIS-GESCHÄFTSSTELLE: Hauptstr. 59 64711 Erbach Tel. 06062-2679497 Fax 06062-2679499 Berlin, 26.1.2017 Rede in der Debatte am 26.1.2017 TOP 24 - Antrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD Pharmazeutische Forschung gegen Infektionskrankheiten stärken - Nationale Wirkstoffoffensive starten (BT-Drs. 18/10972) Die Zahlen sind alarmierend: allein in Europa sterben rund 25.000 Menschen pro Jahr an Infektionskrankheiten, weil die jahrzehntelang verlässliche pharmazeutische Allzweckwaffe, das Antibiotikum, nicht mehr hinreichend wirkt. Weltweit sollen es 700.000 Opfer der Antibiotikaresistenz sein, Tendenz stark steigend. Die moderne Medizin ist in allen Stufen der Bakterienbekämpfung, von der alltäglichen Atemwegsinfektion bis zur Hightech-Versorgung wie in der Transplantationsmedizin grundsätzlich in Gefahr, wenn Antiinfektiva versagen. Es ist nicht übertrieben, wenn Experten der WHO vor einer post-antibiotischen Ära warnen, in der schließlich schon eine vermeintlich harmlose Wundinfektion wieder lebensbedrohlich und tödlich werden kann.
Rede vom 26.1.2017 - Seite 2 von 5 Diese enorme Gefahr hat damit zum einen globale Ausmaße erreicht, denn wir sind eine Welt und haben eine Welt-Gesundheit als kollektives Gut, weil Krankheiten vor Grenzen nicht Halt machen. Gleichzeitig ist sie aber auch für jeden von uns greifbar; es geht eben nicht (mehr) um Epidemien in fernen Ländern, wie z.b. bei den sog. armutsassoziierten Krankheiten. Nein, wir sind auch hier in Deutschland mit seiner Medizinversorgung auf höchstem flächendeckenden Niveau nicht auf der Insel der Glückseligen, sondern selbst direkt gefährdet. Denn auch hierzulande versagen herkömmliche Antibiotika immer häufiger gegen multi-resistente Keime. Wer von uns kennt nicht aus dem unmittelbaren Familien- und Freundeskreis bereits die Fälle lebensbedrohlicher Krankenhaus-Infektionen mit dem Keim MRSA? Oder war gar selbst schon einmal durch eine Infektion ernsthaft oder gar lebensbedrohlich erkrankt, und die Antibiotika schlugen nicht oder erst spät an? Die Gefahr ist also allgegenwärtig und absolut real. Hinzu kommt, dass die Erforschung neuer Arzneimittel teuer und riskant ist; der Antibiotika-Markt liefert nicht die gewünschten Erträge, ist also nicht rentabel angesichts sehr hoher Investitionen. Unter den deutschen Pharmakonzernen forschen gerade noch zwei an neuen Antibiotika, und es werden kaum neue Medikamente auf den Markt gebracht; die Entwicklungszeiten von der Idee bis zur Anwendung betragen für neue Medikamente rund 14 Jahre. Wir müssen also ein strukturelles Marktversagen feststellen...3
Rede vom 26.1.2017 - Seite 3 von 5 Aktuell sehr präsent ist die Diskussion nicht nur in der medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Fachcommunity, sondern war z.b. auch Thema kürzlich beim Forum Bioethik des Ethikrates und ist Gegenstand einer sehr grundlegenden Stellungnahme der Leopoldina. Der Befund ist eindeutig: Wir benötigen dringend neue Wirkstoffkandidaten für wirksame Antiinfektiva und dazu neue innovative Wege der Arzneimittelentwicklung. Was wurde bereits getan, und was ist weiter zu tun? Ressortübergreifend wurde die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie entwickelt. Die Wirkstoffforschung wird durch mehrere Förderformate des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt, die in unserem Antrag näher ausgeführt werden. Schließlich will das Bundesministerium für Bildung und Forschung als Ergebnis des Pharmadialogs die Förderung neuartiger Therapieansätze und Diagnostika für bakterielle Infektionen vorantreiben. Auch außenpolitisch hat die Bundesregierung gehandelt und das Thema Antibiotika-Resistenz zu einem Schwerpunkt seiner G7-Präsidentschaft gemacht; Aktionspläne von EU und WHO zur Antibiotikaresistenz wurden verabschiedet. Ich möchte hier auch ausdrücklich unsere internationale Verantwortung im Hinblick auf die Entwicklungszusammenarbeit betonen und nenne die Stichworte Ebola-Epidemie oder die vernachlässigten Tropenkrankheiten...4
Rede vom 26.1.2017 - Seite 4 von 5 Mit unserem heute vorgelegten Antrag Pharmazeutische Forschung gegen Infektionskrankheiten stärken - Nationale Wirkstoffoffensive starten wollen wir nun einen weiteren notwendigen Impuls setzen und eine umfassende nationale Strategie für die Wirkstoffforschung voranbringen. Die bisherigen Forschungsansätze müssen im Sinne einer abgestimmten Gesamtstrategie gebündelt und die Grundlagenforschung gestärkt werden. Neue Kooperationsformate zwischen Forschung und Industrie müssen besser gefördert werden. Die Forschungsanstrengungen zu den drei Infektionskrankheiten mit hoher Mortalität (Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria) wie auch zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten müssen intensiviert werden. Neben der Entwicklung neuer Medikamente und Antibiotika sind als weitere Maßnahmen im Sinne einer Gesamtstrategie auch eine bessere Information von Ärzten und Patienten über die Gefahren von Resistenzen und die Intensivierung von Hygiene- und Präventionsmaßnahmen erforderlich; ich erinnere hier an die aktuellen Vereinbarungen des Pharmadialogs vom letzten Jahr. Wir müssen schließlich dafür Sorge tragen, dass der Antibiotikagebrauch in der Human- und Veterinärmedizin auf das unbedingt Erforderliche reduziert wird, damit das Antibiotikum weiter verlässlich Leben retten kann. Der vorliegende Antrag ist selbstredend nicht isoliert zu betrachten, sondern reiht sich ein in unsere Ziele, Anträge und Förderprojekte zur Verbesserung der Gesundheitsforschung, insbesondere zur Beschleunigung des Innovationstransfers oder auch zur Forschung bei vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten. Er passt sich ein in unser Konzept zur..5
Rede vom 26.1.2017 - Seite 5 von 5 Förderung der Gesundheitsforschung und versorgung, -lokal, national wie auch global-. Denn unsere Gesundheit ist das höchste Gut, das es zu schützen gilt. Bei allen berechtigten Sorgen das Gute zum Schluss: Die Koalitionsfraktionen haben gehandelt. Ich freue mich, dass wir bereits in den letzten Haushaltsberatungen für die nächsten vier Jahre im Einzelplan 30 zwanzig Millionen Euro für die Wirkstoffforschung im Rahmen einer neuen Initiative einstellen konnten. Dafür danke ich den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und dem Ministerium und freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.