Bedarfsgerechte Anlageberatung oft Fehlanzeige Für viele Verbraucher sind der Vermögensaufbau und damit die Auswahl passender und kostengünstiger Anlageprodukte von grundsätzlicher Bedeutung. Da die Finanzmärkte häufig Expertenwissen voraussetzen, sind die Verbraucher auf eine individuelle Beratung angewiesen. Die Qualität der Finanzberatung in Deutschland ist nach wie vor unzureichend, wie eine Auswertung von Beratungsgesprächen in der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt bestätigt. Nach wie vor bestimmt nicht die bedarfsgerechte Beratung des Verbrauchers bei Finanz- und Versicherungsprodukten die Entscheidungen, sondern das Provisionsinteresse der Berater und Vermittler. Dies zeigen eindrücklich ausgewählte Fälle aus dem Beratungsalltag. Dabei handelt es sich nicht um seltene Einzelfälle. So hatte bereits eine Auswertung von Beratungsgesprächen der Verbraucherzentralen, die im Rahmen des Marktwächter Finanzen im Jahr 2015 durchgeführt wurde, ergeben, dass 45 Prozent der insgesamt untersuchten rund 3.500 Anlageprodukte nicht zum Bedarf des beratenen Verbrauchers passten. Auch die Stiftung Warentest hatte in mehreren Tests die Qualität der Anlageberatung untersucht. Bei aktuellen Tests von 23 Banken und Sparkassen berieten nur 3 Geldinstitute gut, 13 befriedigend, 5 ausreichend und 2 mangelhaft. Die abschließenden Empfehlungen blieben häufig unpassend und zeigten, dass Anlageempfehlungen durch Berater von Banken und Sparkassen den Interessen der Kunden nicht entsprechen. Die aktuelle Niedrigzinsphase vergrößert dabei das Risiko und den finanziellen Schaden für die Verbraucher. Fondspolice in der Privatvorsorge Santander Consumer Bank Verbraucherin, Hausfrau aus Halle/Saale 63 Jahre Die Verbraucherin hat ihren Dispo um 1.500 Euro überzogen. Ihr Ehemann ist Rentner, erhält 1.200 Euro. Ein Mitarbeiter der Santander Consumer Bank überzeugt die Verbraucherin, monatlich 50 Euro in eine Fondspolice der AXA Lebensversicherung einzuzahlen, um damit in 5 Jahren den Dispo abzulösen. Zum Zeitpunkt der Auszahlung der fondsgebundenen Rentenversicherung ist die Verbraucherin 75 Jahre alt und hat insgesamt 7.200 Euro in diese Versicherung eingezahlt. Für die fondsgebundene Rentenversicherung fallen Abschluss- und Verwaltungskosten an. Keine bedarfsgerechte Beratung. Statt der empfohlenen langfristigen Fondspolice hätte der Bankberater zur Abzahlung des Dispokredites (11,3% Zinsen) raten müssen. Dann hätte die Verbraucherin in 3 Jahren den Dispo inklusive Zinsen abbezahlt. 1
Verbraucherin aus der Region Bitterfeld 62 Jahre alt Verbraucherin aus Halle/Saale Anfang 30, alleinstehend mit Tochter 7 Jahre Rentenversicherung Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld Die Verbraucherin hat mehr als 10.000 Euro auf ihrem Girokonto. Von der Kreissparkasse Anhalt-Bitterfeld wird sie deshalb angesprochen und ihr eine Rentenversicherung mit Einzahlung des Gesamtbetrages in ein Depot sowie Entnahme von je 2.000 Euro über 5 Jahre empfohlen. Die Rede war von mindestens 0,9 % Zinsen. Über Kosten wurde nicht gesprochen. Dieses Produkt ist für die Verbraucherin ungeeignet. Bei vorzeitiger Kündigung der empfohlenen Geldanlage bis zum Jahr 2030 entstehen Verluste. Allein die Abschluss- und Verwaltungskosten betragen ca. 700 Euro. Bei Ablauf der Aufschubzeit im Jahr 2032 würden aus 10.000 nur 10.110 Euro. Dann ist die Verbraucherin 75 Jahre alt. Bei Anlage des Betrages in Festgeld bzw. einer langfristigen Anlage wären dagegen Renditen von 0,6 % bzw. 1,0 % pro Jahr möglich. Berufsunfähigkeitsversicherung und weitere verschiedene Versicherungen, Riester-Rentenprodukte und Bausparverträge Bekannte, die als Versicherungsvermittlerin für die Compexx Finanz AG arbeitete Nach einem Unfall ist die Verbraucherin krankgeschrieben. Vor dem Unfall bestand eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Generali. Als Ergebnis der Beratung wird diese Berufsunfähigkeitsversicherung gekündigt und durch eine neue bei der Continentale ersetzt. Durch den Neuvertrag besteht kein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente, weil durch den Unfall bereits Vorschädigungen entstanden waren, die vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Bei Sichtung der Unterlagen wurden weitere Versicherungen, Riester- Rentenprodukte und zwei Bausparverträge festgestellt. Allein dafür sind pro Monat 250 Euro für Beiträge zu zahlen. Andererseits besteht seit 2015 keine Privathaftpflichtversicherung mehr. Somit kein bedarfsgerechter Versicherungsschutz. Notwendiger Versicherungsschutz fehlt und viele überflüssige Versicherungen bestehen. 2
Verbraucher aus der Region Halle/Saale 80 Jahre alt Verbraucher aus dem Saalekreis, 20 Jahre, Student Schuldverschreibung der NordLB Saalesparkasse Der Verbraucher wollte für seinen 53-jährigen Sohn 10.000 Euro zur Altersvorsorge anlegen. Die Saalesparkasse empfahl eine Schuldverschreibung der NordLB. Nach Presseberichten sah sich der Verbraucher die Vertragsunterlagen genauer an und nahm erstmals vom möglichen Totalverlustrisiko Kenntnis. Fristgemäß widerrief er per Einschreiben den Vertragsabschluss. Statt einer schriftlichen Antwort teilte die Saalesparkasse mit, dass sein Widerruf verspätet eingegangen sei. Später wurde sogar erklärt, dass ein Widerrufsrecht nicht bestünde. Der Verbraucher entschied sich zum Verkauf der Schuldverschreibung und hatte einen Verlust von 520 Euro. Der Verbraucher wurde weder bedarfsgerecht, noch richtig über sein Widerrufsrecht beraten. Rentenversicherung AFA Dem Studenten wurde über die AFA eine Rentenversicherung der PrimaLife sowie eine separate Vergütungsvereinbarung zur Begleichung der Abschlussprovision in Höhe 2.652 Euro vermittelt. Die Rentenversicherung hat eine Laufzeit von 46 Jahren. Aus finanziellen Gründen musste er diese Altersvorsorge kündigen. Trotz Beendigung des Versicherungsvertrages soll er die hohe Abschlussprovision bezahlen. Keine bedarfsgerechte Beratung. Zwar wurde eine Altersvorsorge verkauft, die wichtige Risikovorsorge wurde jedoch nicht abgesichert. Eine notwendige Privathaftpflichtversicherung und eine empfehlenswerte Berufsunfähigkeitsversicherung wurden nicht angeboten. 3
Rentner aus Halle/Saale Rentner aus Halle/Saale, 81 Jahre Bausparvertrag Deutsche Bank, Bauspar AG Auf dem Konto des Verbrauchers liegen 10.000 Euro Ersparnisse, die jederzeit verfügbar sind. Auf Grund des niedrigen Zinsniveaus fragte er nach Alternativen. Die Deutsche Bank empfahl ihm einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 20.000 Euro und einer monatlichen Sparrate von 100 Euro. Die Verzinsung in der Sparphase beträgt dabei 0,50 % pro Jahr. Im Glauben, einen lukrativen Vertrag abgeschlossen zu haben, unterschrieb der Rentner den Bausparvertrag. Nicht erwähnt wurden die Abschlusskosten in Höhe von 320 Euro, die die Rendite des Bausparvertrages entsprechend schmälern. Ein Bauspardarlehen wollte der Rentner auch in Zukunft nicht in Anspruch nehmen. Keine bedarfsgerechte Beratung des Verbrauchers, da der Bausparvertrag nicht zu den Bedürfnissen des Rentners passt. Bei individueller Anlage des verfügbaren Betrages in Festgeld wäre eine Rendite von 0,6 % pro Jahr möglich gewesen. Fünf Unfallversicherungen und weitere Versicherungen Generalagentur BCV Plus Der Verbraucher ist stark schwerhörig und kann die Vielzahl der ihm verkauften Versicherungsverträge bei der Stuttgarter, Nürnberger und der TARGO- Versicherung nicht mehr überschauen. Nahezu ein Fünftel seiner Rente wurde dafür verbraucht. Seit mehr als 15 Jahren werden ihm durch den Vertreter der Generalagentur BCV Plus immer wieder neue Verträge mit immer wieder neuen Abschlusskosten verkauft. Angeblich, so die Anbieterseite, war es der ausdrückliche Wunsch des Verbrauchers, sich derart umfangreich zu versichern. Ein fondsgebundener Bestattungsvorsorgevertrag wurde abgeschlossen, als der Verbraucher bereits 76 Jahre alt war. Die Beitragszahlung ist bis zu seinem 100-sten Geburtstag vorgesehen. Die Unerfahrenheit und Arglosigkeit des Rentners wurde durch die Versicherungs-Vermittlungsagentur ausgenutzt. Der Versicherungsschutz ist nicht bedarfsgerecht. 4
Rentner aus Halle/Saale, 78 Jahre Rentner aus Halle/Saale 65 Jahre Deka BasisAnlage A60 Saalesparkasse Der Verbraucher wollte 30.0000 Euro so anlegen, dass alle 5 Jahre 10.000 Euro an die Tochter ausbezahlt werden können, Ertragserzielung war nicht wichtig, Kapitalerhalt hatte Priorität. Von der Beraterin der Saalesparkasse verkauft wurde ihm die Deka BasisAnlage A60, mit 4 % Ausgabeaufschlag und einem entsprechenden Auszahlplan. Im Beratungsprotokoll wurden falsche Angaben zu den Kenntnissen des Verbrauchers zu verschiedenen Anlageformen gemacht. Die wesentlichen Anlegerinformationen, die Basisinformation über Vermögensanlage in Wertpapieren sowie die Vertriebsvergütungsberechnung wurden nicht ausgehändigt und Depotgebühren nicht erwähnt. Keine anlegergerechte Beratung, weil die Vorgaben des Verbrauchers zum Kapitalerhalt nicht beachtet Allianz AktivDepot Plus Allianzvertreter Ein Allianzvertreter hat den Verbraucher, nachdem dessen Lebensversicherung fällig wurde, zu einem Beratungsgespräch gebeten. Dabei stellte der Berater dem Verbraucher seine Idee vor. Nach den Anlagezielen, nach dem Vermögen, Beruf oder Bildungsstand des Verbrauchers und nach dem Anlagezweck des Geldes oder der Verfügbarkeit hat sich der Vertreter nicht erkundigt. Alle Angaben im Bogen zur Anlageberatung waren bereits vorausgefüllt. Der Verbraucher unterschrieb auf einem technischen Gerät, auf dem er aber nicht alles erkennen konnte. Am selben Abend hat der Verbraucher den Allianz-Berater kontaktiert und versucht alles rückgängig zu machen. Der Berater lehnte mit der Formulierung Es ist alles rechtens. ab. Auch auf die Frage bezüglich anfallender Kosten wiegelte der Berater nur ab und behauptete, dass daran nichts mehr zu ändern sei. Die im Protokoll gemachten Angaben sind nicht plausibel, auch liegen keine entsprechenden Kenntnisse des betreffenden Verbrauchers vor, um ihm diese Anlageform zu empfehlen. Hier stand das Provisionsinteresse des Allianzberaters im Vordergrund. 5