HAUPTTEIL. Fallstudien und Übersichten zur Biodiversität in Kulturlandschaften

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Transkript:

53 HAUPTTEIL Fallstudien und Übersichten zur Biodiversität in Kulturlandschaften

180 Fokus Biodiversität große Wildbienenpopulationen (Hummeln und Solitärbienen), die für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen ausreichend sind. Lokales Management zur Wildbienenförderung (Blühstreifen, ungestörter Boden, Nisthilfen) sollte deshalb (wegen der höheren Effizienz) auf einfach strukturierte Landschaften konzentriert werden. Der Strukturreichtum der Landschaft ist für die Artenvielfalt dieser Nützlinge sehr wichtig und kann nicht durch verbessertes lokales Management (z. B. eine ökologische Landwirtschaft) kompensiert werden. Große Bestände von Kulturpflanzen stellen Massentrachten dar, die oft nur erfolgreich durch Honigbienen zu bestäuben sind. Insofern sollte dem Rückgang der Imkerei entgegengewirkt werden. 2.3.3.3 Landschaftsmanagement für eine nachhaltige biologische Schädlingsbekämpfung Teja Tscharntke, Carsten Dormann, Christina Fischer, Andreas Flohre, Sebastian Hänke, Andrea Holzschuh, Barbara Scheid, Christoph Scherber, Martin H. Schmidt-Entling, Ines Vollhardt, Carsten Thies Die biologische Schädlingsbekämpfung zielt darauf ab, Organismen zu kontrollieren, die einen wirtschaftlichen Schaden anrichten können (Franz & Krieg 1972; http:// de.wikipedia.org/wiki/biologische_schädlingsbekämpfung). Diese biologische Kontrolle kann zum Beispiel durch gezieltes Ausbringen oder technische Förderung von Antagonisten der Schädlinge erfolgen, aber auch durch ein Management von Ökosystemen, das dem Naturschutz und der Schädlingskontrolle gleichermaßen dient. Diese im Englischen als»conservation Biological Control«bezeichnete Vorgehensweise (Barbosa 2003) betrifft beispielsweise die Anlage von Ackerrandstreifen zur Förderung von Spinnen und Laufkäfern zur Kontrolle von Schadinsekten (Nentwig 2000; Thies et al. 2000) oder die Ausbringung von Nistkästen zur Förderung insektenfressender Vögel (Franz & Krieg 1972). Die Leistungen von Organismen, die wirtschaftliche Schäden verhindern oder verringern können, werden zu den so genannten ökosystemaren Dienstleistungen gezählt. Organismen reagieren auf ihre Umgebung meist nicht nur auf lokaler Ebene, sondern sie werden auch von weiter entfernt liegenden Strukturen in der Landschaft beeinflusst. In der Ökologie und im Naturschutz ist deshalb die Betrachtung der lokalen und der Landschaftsebene wichtig, denn die Landschaftsstruktur wirkt auf die Populationsdynamik, auf die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften und auf trophische Interaktionen, zu denen die biologische Schädlingskontrolle im Rahmen der Ökologie gezählt wird (Tscharntke et al. 2007). Auf der Landschaftsebene sind Agrarökosysteme und naturnahe Habitate miteinander verbunden, und je nach Ausbreitungsvermögen der Arten kann ein Austausch der Organismen zwischen den

Hauptteil Fallstudien und Übersichten zur Biodiversität in Kulturlandschaften 181 beiden Typen von Lebensräumen stattfinden. Das ist für die Aufrechterhaltung von Populationen, genetische Vielfalt bzw. für das Vermeiden des Aussterbens von elementarer Bedeutung (Tscharntke & Brandl 2004; Rand et al. 2006). Der Arten - reichtum in der Landschaft bestimmt auch die lokale Artenverfügbarkeit, so dass strukturell komplexe Landschaften mit einem guten funktionellen Verbund der Lebensräume auch das lokale Vorkommen von Räubern und damit die biologische Schädlingsbekämpfung fördern können. Beispielsweise zeigten Holzschuh et al. (2009), dass räuberische Faltenwespen, die bevorzugt am Waldrand nisten, entlang schmaler Grasstreifen (wie sie allerorts entlang von Feldrändern existieren) in die Nähe von Getreidefelder vordringen können. Auf der Landschaftsebene spielt die so genannte β-diversität eine große Rolle. Sie beschreibt, wie sich die Artenzusammensetzung von einem Landschaftselement zum anderen ändert. Die Artenvielfalt in einer Landschaft ist dann besonders groß, wenn die einzelnen Landschaftselemente (mit ihrer jeweiligen α-diversität) ganz unterschiedlich zusammengesetzte Lebensgemeinschaften aufweisen und dadurch die β-diversität groß ist. Diese Verschiedenartigkeit der Lebensgemeinschaften von einem Standort zum anderen wird durch große Habitatheterogenität gefördert und führt zu einer großen Gesamt-Biodiversität (γ-diversität) in der Landschaft. In intensiv genutzten Flächen sind sich die untersuchten Lebensgemeinschaften ähnlicher als in weniger intensiv genutzten,»bunten«flächen (Clough et al. 2007 a). Komplexe Landschaften mit vielfältigen Lebensraumtypen sollten langfristig die größte Artenvielfalt, die beste Schädlingskontrolle und auch eine höhere Resilienz aufweisen; das heißt die Fähigkeit, nach Störungen wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren, sollte am größten sein (s. Kapitel 2.3.3, Abb. 63). Denn nur wenn es viele Arten mit ihren jeweils unterschiedlichen Reaktionen auf Umweltveränderungen in einem Habitat gibt, sollten anthropogene Störungen ohne wesentliche Verluste an ökosystemaren Dienstleistungen aufgefangen werden können (s. Kapitel 2.3.3, Abb. 63). Im Rahmen des BIOPLEX Projektes zeigten mehrjährige Analysen der Popula - tionsdichten von Getreideblattläusen und ihrer Mortalität durch natürliche Gegenspieler, dass die Räuber-Beute-Interaktionen in Weizenfeldern stark von dem Landschaftskontext beeinflusst werden (Thies et al. 2005). So stiegen Artenreichtum und Aktivitätsdichten von bodenlebenden räuberischen Spinnen (Araneae) und Laufkäfern (Carabidae) mit der Verfügbarkeit von perennierenden Habitaten in der Agrarlandschaft an (Purtauf et al. 2005 b; Schmidt & Tscharntke 2005; Schmidt et al. 2005). Eine Metaanalyse zeigte, dass vielfältig strukturierte Landschaften die natürlichen Gegenspieler und ihre Schädlingskontrolle fördern (Bianchi et al. 2006). Weiterhin konnten Schmidt et al. (2008) zeigen, dass die Spinnenarten auf die umgebende Landschaft in unterschiedlicher Weise reagieren (Abb. 63). Die Populationsdichte mancher Spinnenarten war am größten, wenn die umgebende Landschaft struktur-

182 Fokus Biodiversität Abb. 63: Dargestellt werden hier Richtung und räumliche Skala von Korrelationen zwischen dem Anteil Ackerland (%) und der lokalen Dichte der häufigsten Spinnenarten in Getreideäckern. Negative Effekte eines hohen Anteils naturnaher Lebensräume werden auf der linken Seite gezeigt, positive auf der rechten. Die Linien zeigen, auf welchen Skalen (Radius in Metern) der Anteil naturnaher Lebensräume die Spinnendichte beeinflusst. Für jede Art ist die räumliche Skala, auf der der Effekt am stärksten ist, durch einen Punkt gekennzeichnet. Der Anteil naturnaher Lebensräume zeigt die Komplexität der Landschaftsstruktur, wobei ackerreiche Landschaften einen sehr niedrigen und ackerarme Landschaften einen sehr hohen Anteil naturnaher Lebensräume haben (Tscharntke et al. 2005). Die Spinnen zeigen artspezifische Muster in ihrer Reaktion auf die Landschaftsstruktur, das heißt sie reagieren auf die umgebende Landschaft in unterschiedlicher Weise (Schmidt et al. 2008). reich war, andere, wenn sie einfach strukturiert war. Manche Spinnenarten wurden von der Struktur in unmittelbarer Umgebung beeinflusst, andere durch die Struktur in einem großen Radius (Abb. 63). Für die Verringerung der Blattlausdichten im Getreide hatten bei den BIOPLEX Untersuchungen die Parasitoide (Hymenoptera (Hautflügler)) eine besondere Bedeutung. Ein experimenteller Gegenspieler-Ausschluss hatte eine Massenvermehrung der Blattläuse zur Folge, wobei sich vor allem die Blattlaus-Parasitoide als wichtig für die biologische Kontrolle von Getreideläusen erwiesen (Schmidt et al. 2003; Thies et al. 2005). Zudem zeigte sich in mehrjährigen Untersuchungen, dass Parasitisierungsraten in strukturreichen Landschaften höher sind als in struktur armen Landschaften (Thies et al. 2005) und dass das Populationswachstum der Blattläuse in Weizenfeldern negativ mit der Parasitisierungsrate korrelierte (Abb. 64; Thies et

Hauptteil Fallstudien und Übersichten zur Biodiversität in Kulturlandschaften 183 al. 2005), auch wenn sich die Artenzahl der Parasitoide zwischen komplexen und einfachen Landschaften nicht grundsätzlich unterscheiden muss (Vollhardt et al. 2008). Die Ursachen für diese Befunde sind noch nicht im Detail erforscht, aber folgende Zusammenhänge spielen wahrscheinlich eine Rolle: Parasitoide der Getreideblattläuse dürften in strukturreichen Landschaften von einer höheren Verfügbarkeit perennierender Habitate profitieren, welche Schutz vor Störungen (Agrochemikalieneinsatz, Zerstörung der Vegetationsdecke, etc.) sowie Überwinterungsplätze, Futterquellen und Alternativwirte bieten sollten. Demgegenüber sollte ein hoher Anteil von Ackerflächen, der zu einer strukturarmen Landschaft führt, diese Organismen benachteiligen insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Parasitoide der Getreide - blattläuse offensichtlich nur wenig ausbreitungsfreudig sind und nur auf räum lichen Skalen von ca. 1,5 km Ø agieren (Thies et al. 2005). In Agrarlandschaften spielen auch die Unterschiede in der Bewirtschaftung, wie sie von Jahr zu Jahr auftreten, eine große Rolle für trophische Interaktionen. Jährliche Fruchtwechsel wie auch Änderungen in der EU-Agrarpolitik führen dazu, dass sich Agrarlandschaften schnell verändern können. Thies et al. (2008) zeigten eine der Folgen solcher Veränderungen: Eine Zunahme im landschaftsweiten Rapsanbau führte zu einer geringeren Parasitierung des Rapsglanzkäfers, während die Häufigkeit der Käfer keine Reaktion zeigte. Rapsglanzkäfer können ökonomisch bedeutende Schäden im Rapsanbau verursachen, die jedoch reduziert werden, wenn ein großer Anteil von Rapsglanzkäfern parasitiert wird (die Parasitierungsraten können Werte von 70 100 % erreichen). Offenbar konzentrieren sich in Landschaften mit verringertem Rapsanteil die Parasitoide in den wenigen vorhandenen Rapsfeldern. Zudem nimmt die Parasitierung des Rapsglanzkäfers in komplexen Landschaften (mit einem Ackeranteil unter 80 % in 1,5 km Ø) zu und die Rapsschädigung ab. Grund dafür ist wahrscheinlich, dass die Parasitoide von Landschaften mit vielen Flächen, die nicht als Acker genutzt werden, stärker profitieren als ihre Wirte, die Rapsglanzkäfer. Abb. 64: Die Graphik zeigt das Popula - tionswachstum von Getreideblattläusen in Abhängigkeit von der Parasitierung. Das Populationswachstum ist das Verhältnis der Populationsdichten zum Zeitpunkt der Milchreife (Dichte MR ) und zum Zeitpunkt der Blüte des Weizens (Populationswachstum = Dichte MR / Dichte B ). Es ist negativ mit der Parasitierungsrate der Getreideblattläuse (%) korreliert (Spearman s rank correlation: p < 0.001, N = 40, rs = 0.547, Thies et al. 2005).

184 Fokus Biodiversität Die Anlage von Blühstreifen entlang von Getreidefeldern kann vielfältigen Zwecken dienen. Dazu gehören die Förderung von Rebhuhnpopulationen (http://www.rebhuhnschutzprojekt.de/), die Steigerung der Landschaftsattraktivität für Erholung Suchende und auch die Förderung der Antagonisten von Schadinsekten (Herbivore können allerdings davon auch profitieren, Winkler et al 2009). Hänke et al. (2009) zeigten, dass blattlausfressende Schwebfliegen an diesen Blühstreifen aggregiert vorkommen und es sogar eine Erhöhung der Schwebfliegendiversität in angrenzenden Weizenfeldern gibt. Auch Spinnen wandern aus Blühstreifen in erhöhter Dichte und Vielfalt in umliegende Weizenfelder ein (Schmidt-Entling & Döbeli 2009). Die Erhöhung der Dichten von Blattlausgegenspielern in diesen Blühstreifen kann auch zu einer Verringerung der Blattlausdichten in angrenzenden Weizenfeldern führen (Scheid, unveröffentlichte Daten). Vögel können für die biologische Kontrolle von Schädlingen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen (Whelan et al. 2008). Die Untersuchungen im BIOPLEX Projekt zeigten, dass die Anzahl von Vogelarten mit der Landschaftskomplexität zunahm, aber lokale landwirtschaftliche Unterschiede, wie der zwischen konventioneller und organischer Landwirtschaft, keine Bedeutung hatten. Die beiden häufigsten Vogel - arten verhielten sich aber, entsprechend ihrer artspezifischen Habitatansprüche, gegensätzlich: Die Abundanz an Goldammern nahm mit der Landschaftskomplexität zu, wohingegen die der Feldlerchen abnahm. Die Ergebnisse zeigen, dass die Landschaftsstruktur weit wichtiger sein kann als lokale Managementänderungen, was bei der Formulierung von Agrarumweltmaßnahmen zu berücksichtigen ist (Fischer et al., unveröffentlichte Daten). In Zukunft wird es darauf ankommen, die Mechanismen der Populationsdichteregulation von Schädlingen noch viel genauer zu ergründen, wobei insbesondere Felduntersuchungen zur großräumigen Kontrolle von Schädlingen fehlen. Es zeigte sich, dass sich die relative Bedeutung der natürlichen Gegenspielergruppen je nach Landschaftskontext und Jahr ändert. Entsprechend muss ein nachhaltiges Mana - gement von Ökosystemprozessen die zeitlich-räumliche Variabilität auf kleinen wie großen Skalen berücksichtigen. In jedem Fall können kleinräumige Maßnahmen, zu denen die Toleranz höherer Unkrautdichten in ökologisch bewirtschafteten Feldern wie auch die Anlage von Blühstreifen zählen, helfen, die biologische Schädlingsbekämpfung zu fördern wobei lokale Extensivierungsmaßnahmen in einfach struk - turierten Landschaften effektiver sind als in komplexen Landschaften (Tscharntke et al. 2005). Landschaften sollten mindestens zu 20 % aus nicht intensiv genutzten Agrarökosystemen bestehen (Tscharntke et al. 2005), um die Artenvielfalt funktionell wichtiger Gruppen durch entsprechende Heterogenität auf großen räumlichen Skalen zu fördern (Schmidt et al. 2005; Clough et al. 2007 b). Bunte, strukturreiche Landschaften sollten in ihrer ganzen Vielfalt erhalten bleiben, weil nur sie den Reichtum

Hauptteil Fallstudien und Übersichten zur Biodiversität in Kulturlandschaften 185 funktionell wichtiger Arten nachhaltig garantieren können, der wichtige ökologische Funktionen wie die Schädlingsbekämpfung dauerhaft, auch nach Umweltstörungen, sichern mag. Zusammenfassend sind folgende Empfehlungen für den Erhalt einer biologischen Schädlingsbekämpfung festzuhalten: Vielfältig strukturierte Landschaften mit einem Anteil von 20 % naturnaher Fläche erlauben dauerhaft große Populationen von Gegenspielern pflanzenfressender Organismen und tragen damit zu einer nachhaltigen Regulierung von Schadorganismen bei. Lokales Management zur Förderung von Gegenspielern (Randstreifen oder Brachen an Kulturfeldern, Blühstreifen) sollte wegen der höheren Effizienz auf einfach strukturierte Landschaften konzentriert werden. Der Strukturreichtum der Landschaft ist für die Artenvielfalt dieser Nützlinge sehr wichtig und kann nicht durch verbessertes lokales Management (z. B. eine ökologische Landwirtschaft) kompensiert werden. 2.3.4 Dienstleistungsbereich Regulierung: Klima, Wasser und Gesundheit Volkmar Wolters, Stefan Hotes, Henriette Dahms Das Konzept der»regulierenden Dienstleistungen«berührt den Kern der Ökosystemdefinition, wie sie sich in unterschiedlicher Form in jedem Lehrbuch der Ökologie findet: Ökosysteme sind offene, räumlich abgrenzbare Einheiten aus Organismen und ihrer abiotischen Umwelt, die in gewissem Umfang zur Selbstregulation befähigt sind. Das Schlüsselwort»Selbstregulation«hebt darauf ab, dass Ökosysteme unter sich ständig wandelnden inneren und äußeren Bedingungen nur durch beständiges Gegensteuern ihre funktionelle und strukturelle Konstanz bewahren können. Da auch das Überleben des Menschen essenziell von der (relativen) Konstanz dieser Systeme abhängt, muss er entweder sehr viele Ressourcen für technische Steuermechanismen aufwenden oder sich des natürlichen Regulationspotenzials seiner Umwelt bedienen. Eben das ist es, was die regulatorische Kapazität von Ökosystemen zu»dienstleistungen«macht und ihr einen ökonomischen Wert verleiht. Das Millennium Ecosystem Assessment (MEA) fasst unter dem Begriff»regu - lierende ökosystemare Dienstleistungen«eine Vielzahl von Prozessen zusammen. Einige davon ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich und werden auch von Massenmedien aufgegriffen, wie zum Beispiel Regulation des Klimas, Regulation des Wasserhaushalts, Schutz vor Naturkatastrophen oder Erosionsschutz. Andere Prozesse aus dieser Kategorie sind weniger im öffentlichen Bewusstsein verankert, obwohl sie in ihrer Wirkung auf den Zustand oder die Stabilität von Ökosystemen nicht weniger