Fluorid zur Prävention der Milchzahnkaries

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Transkript:

ÜBERSICHTSARBEIT L. Stösser Fluorid zur Prävention der Milchzahnkaries Die orale Gesundheit Jugendlicher hat sich durch den breiten Fluorideinsatz wesentlich verbessert, während im Milchgebiss dieser Einfluss scheinbar weniger effektiv ist, so dass es die Aufgabe vorliegender Übersicht war, den Kenntnisstand zum Fluorideinsatz im Milchgebiss zusammenzufassen. Epidemiologisch gibt es Hinweise sowohl auf eine Stagnation des Kariesrückganges als auch auf eine stark polarisierte Verbreitung der Frühkindlichen Karies. Die Initiation und der Verlauf der Milchzahnkaries sind durch mikrostrukturelle Imperfektionen der Hartgewebe, insbesondere des Milchzahnschmelzes begünstigt. Die Anwendung von Kinderzahnpaste mit 500 ppm Fluorid wird dem aktuellen Kenntnisstand über die ausschließlich lokale kariespräventive Fluoridwirkung gerecht und lässt bei regelmäßiger Anwendung einmal pro Tag bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr und danach zweimal pro Tag einen hohen kariespräventiven Effekt erwarten. Bei altersadäquater Dosierung (erbsengroß) von Kinderzahnpaste ist eine fluorotische Beeinflussung der Amelogenese bleibender Zähne unwahrscheinlich, was sich in der epidemiologischen Fluoroseprävalenz widerspiegelt. Zusätzlich zur Fluoridverabreichung mit der Zahnpaste kann wahrscheinlich durch Fluoridlack eine weitere Verbesserung oraler Gesundheit im Milchgebiss erreicht werden. Schlüsselwörter: Milchzahnkaries, Milchzahnschmelz, Kinderzahnpaste, Fluoridkonzentration Fluorides for prevention of caries of deciduous teeth Nowadays, public oral health of adolescents has improved by an extended use of fluoride but with regard to the primary dentition this influence seems less efficient. The aim of the presented paper was to review current knowledge on prevention of caries of deciduous teeth by fluoride. There is epidemiological evidence for stagnation or reversal of caries decline as well as for inhomogeneous distribution of Early Childhood Caries. The onset and progression of caries of deciduous teeth are facilitated by micro-morphological disparities of deciduous tooth enamel. Utilization of toothpaste with 500 ppm fluoride by children conforms to the current knowledge on exclusive topical carious preventive effect of fluoride which could be expected when brushing once per day up to the age of two years and twice per day for older children. Using a pea-size amount of toothpaste any fluorotic influence on the amelogenesis of permanent teeth is unlikely what is reflected by the low prevalence of fluorosis in epidemiological studies. In addition to the use of fluoride containing toothpaste an improvement of oral health of primary dentition could be expected by fluoride varnish especially for risk patients. Keywords: Caries of deciduous teeth, Enamel of deciduous teeth, Fluoride concentration, Toothpaste Deutscher Ärzte-Verlag, Köln Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1 17

Abbildung 1 Kariesprävalenz der 5-Jährigen in Norwegen. Umkehr des Caries Decline? [24]. Figure 1 Prevalence of dental caries of five-year-old children in Norway. Reversal of caries decline? [24]. Einleitung Polarisierung des Kariesbefalls und Stagnation der durchschnittlichen Gesundheit geführt hatte [25, 27, 52]. Die unzweifelhafte kariespräventive Wirksamkeit der Fluoride wurde u. a. an Größere Aufmerksamkeit wurde der der gesamten jugendlichen Population Entwicklung oraler Gesundheit im der westlichen Industrieländer ohne Milchgebiss erst dann zuteil, als sich die spezielle Präventionsprogramme seit Berichte mehrten [20, 24, 66], nach denen die Kariesprävalenz eine stagnie- mehr als 20 Jahren als Caries Decline für das permanente Gebiss bei 12-Jährigen beschrieben [21, 31, 39]. Die stei- zeigte (Abb. 1). Die Art und Weise der rende oder gar rückläufige Tendenz gende orale Gesundheit in dieser Altersgruppe war vielerorts Anlass und Ansamkeit stellt sich in diesem Zu- Fluoridverabreichung und ihre Wirksporn, fast wie in einem Wettlauf, die sammenhang recht unterschiedlich dar orale Gesundheit immer wieder neu zu [32]. Borutta et al. [8] erzielten im Verlauf von zwei Jahren durch halbjährli- beschreiben, zumal der DMFT für die 12-Jährigen bald weit unter dem globalen Indikator oraler Gesundheit für das etwa eine Halbierung des Kariesinkreche Verabreichung von Fluoridlacken Jahr 2000 der WHO, im Sinne der Kariesreduktion, lag [42, 43]. dern, die in der Kontrollgruppe eine Inmentes bei zwei- bis vierjährigen Kin- So wurde in Deutschland 1993 in zidenz von dmft 2,24 aufwiesen. An einer niedrig kariösen Kindergruppe be- der DMS-II-Studie noch über einen DMFT von 3,3 berichtet, während 1997 obachteten Truin und van t Hof [75] der DMFT für alle 12-Jährigen bereits demgegenüber bei ähnlich hochkonzentrierter Fluoridverabreichung mit ei- 1,7 betrug und in der DMS-IV-Studie (2007) Werte deutlich unter DMFT 1,0 nem Gel nur einen geringen zusätzlichen Effekt, der als kariespräventive ermittelt wurden [61]. Bei den 6-Jährigen wurde für das Fraktion ausgedrückt nur um 3 % die Milchgebiss in den 80er und 90er Jahren in nationalen und internationalen Die Fluoridapplikation in der ersten Kontrollgruppe überragte. Erhebungen auch ein gleicher Trend der Dentition in Deutschland ist schließlich noch durch die systemische Verab- Kariesprävalenz beschrieben [54], so dass lange von einer Parallelität der Kariesreduktion in der ersten und zweiten nierten Rachitisprophylaxe durch die reichung von Fluorid bei der kombi- Dentition ausgegangen wurde [9], obwohl das Phänomen der frühkind- in Missachtung der mit ihnen konser- Kinderärzte belastet [6], wenn dies auch lichen, Nursing-Bottle bedingten hohen Kariesaktivität bei einer kleinen dierungsmaßnahmen der Zahnärzttiert angenommenen Leitlinie Fluori- Gruppe bereits zu dieser Zeit zu einer lichen Zentralstelle Qualitätssicherung (ZZQ) erfolgt [23]. Ohne hier in extenso Wirkungsmechanismen und Verabreichung der Fluoride zu wiederholen, sei darauf hingewiesen, dass heute wissenschaftlich allgemein anerkannt ist [36, 70, 71, 74], dass Fluoride fast ausschließlich lokal an der Zahnoberfläche wirken und deshalb mit dem ersten Zahndurchbruch, durch geringste Mengen Zahnpaste, an die Schmelzoberfläche gebracht werden sollten; zumal übereinstimmend Pädiater und Zahnärzte davon ausgehen, dass Zahnpflege absolut und so früh wie möglich notwendig ist, während die oben genannte systemische Verabreichung dosisbezogen suboptimal und in Risikogruppen von geringer Compliance ist sowie durch leichte Fluorosesymptomatik begleitet sein kann [29, 59]. Aus epidemiologischen longitudinalen Untersuchungen ist die prädiktive Bedeutung der Milchzahnkaries für das bleibende Gebiss hinreichend bekannt [41, 48, 56, 57], so dass die heutige orale Gesundheit Jugendlicher nur durch verstärkte Prävention im Milchgebiss zukünftig gehalten oder weiter verbessert werden kann. Die ungleich verteilte, Nuckelflaschen bedingte frühkindliche Karies ist in diesem Zusammenhang eine weitere Herausforderung, der mit verstärkten präventiven Ansätzen für die erste Dentition als prioritäre Aufgabe, u. a. für den öffentlichen Gesundheitsdienst, begegnet werden sollte. Ursachen der höheren Kariesanfälligkeit des Milchgebisses einerseits und Möglichkeiten der Fluoridverabreichung unter Berücksichtigung nicht Fluorose provozierender Grenzkonzentrationen andererseits waren die Zielstellung nachfolgender Übersicht, obwohl die erwähnte Leitlinie zu den Fluoridierungsmaßnahmen der ZZQ [23] der Anwendung des Spurenelements in beiden Dentitionen vollständig gerecht wird. Besondere Kariesanfälligkeit der Milchzähne Zu den Herausforderungen der Kariesprävention im Milchgebiss gehört nicht nur die Problematik der alters- 18 Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1

Milchzahn Permanenter Zahn 1. Odontogenese 1 Jahr 5-10 Jahre 2. Mineralgehalt 86-88 % 88-100 % 3. Ca-Gehalt 35 % 36,4 % 4. P-Gehalt 18,5 % 17,4 % 5. Ca/P-Verhältnis 1,87 2,1 6. CO 3 2,7-3,0 % davon 11 % in Position der OH-Gruppe 2,5 % 7. Dicke d. Schmelzes 1/2-1/3 1 8. Prismenlose Schicht alle Zähne 70 % der Zähne 9. Wassergehalt 3 % Permeabilität, Ionenaustausch, Elastizität, Reaktivität 1 % (0,56-1,48 %) 10. Prismen 2 μm enger - 11. Härte niedriger, durch Porosität höher 12. Pellikel langsameres Bilden durch veränderte Ladung mit CO 3 an der Oberfläche Tabelle 1 Mikromorphologische Unterschiede im Schmelz permanenter und Milchzähne (modifiziert nach Nikiforuk [45]). Table 1 Micromorphological differences in the composition of deciduous and permanent enamel (modified by Nikiforuk [45]). adäquaten Fluoriddosierung, sondern auch die scheinbar höhere Kariesanfälligkeit dieser Dentition, die sowohl Hygiene- und Ernährungsdefiziten geschuldet als auch durch den dünnen, schneller kariös zerstörten Milchzahnschmelz mit mikrostrukturellen Insuffizienzen bedingt ist (Tab. 1). Unterschiede in der Struktur der Zahnhartgewebe sind vor allem darin begründet, dass die Odontogenese eines einzelnen Milchzahnes auf etwa ein Jahr beschränkt bleibt, während die permanenten Zähne vollständig in fünf bis zehn Jahren ausgebildet werden; auf Grund der unterschiedlichen Ausbildungszeit gibt es, wenn auch geringe, qualitative und quantitative strukturelle Unterschiede, die sich auf die Kariesanfälligkeit der Dentitionen auswirken. Dabei vollzieht sich die Schmelzbildung grundsätzlich von okklusal bzw. inzisal nach zervikal jeweils von der Schmelz-Dentin-Grenze zur Zahnoberfläche. Deshalb bestehen die Unterschiede in der Mineralisation weniger an der Schmelz-Dentin-Grenze, sind aber an der Oberfläche signifikant. Die Organisation der Kristallite im Milchzahnschmelz, einem dem Apatit ähnelnden Kalzium-Phosphat-Karbonat-Gemisch ist weniger perfekt, die interprismatischen Räume sind größer und bedingen die höhere Porosität und damit Kariesanfälligkeit des Milchzahnschmelzes. Analysen ergaben im Schmelz der Milchzähne einen Mineralgehalt von 86 bis 88 %, im Schmelz permanenter Zähne von 80 bis 100 %. Der Milchzahnschmelz im zervikalen Drittel weist signifikant weniger Phosphor als der gleichartige Schmelz permanenter Zähne auf und er ist weniger mineralisiert. Weiterhin wird ein abnehmender Mineralisationsgradient von okklusal nach zervikal beschrieben, obwohl vereinzelt auch bei den Molaren dafür keine Bestätigung gefunden wurde [81]. Die Kariesinitiation und -progression wird viel mit dem Karbonatgehalt des Schmelzes in Zusammenhang gebracht [18]. Milchzahnschmelz enthält signifikant mehr Karbonat in der Position der Hydroxylgruppe als permanenter Schmelz. 11 % des Gesamtkarbonates im Schmelz befinden sich in der Regel in dieser Position [17]; die Karbonationen dehnen damit, die Löslichkeit erhöhend, die α-achse des Kristalls. Der Gesamt-Karbonat-Gehalt ist im Milchzahnschmelz deutlich höher, so dass die schnellere Kariesprogression im Milchzahn mit hoher Wahrscheinlichkeit damit korreliert [65], denn die Apatitlöslichkeit steigt mit dem Karbonatgehalt [12], wenn auch der Milchzahnschmelz primär Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1 19

Abbildung 2 Reduktion der Schmelzdemineralisation mit niedrigen F- Konzentrationen [36]. Figure 2 Inhibition of demineralisation of enamel by small concentrations of fluoride [36]. Abbildung 3 Remineralisation von Schmelzproben durch Fluorid bei saurem ph-wert [36]. Figure 3 Remineralisation of enamel samples by fluoride under acidic conditions [36]. dünner ist (etwa die halbe Dicke des permanenten Zahnschmelzes) und deshalb bei Karies von Säure schneller durchdrungen wird. Die Karbonatsubstitution bedeutet weiterhin auch eine Veränderung der Ladung der Schmelzoberfläche [64], woraus Unterschiede in der Pellikeladsorption resultieren. Die Milchzahnpellikel wird initial langsamer gebildet, ist dünner und hat keine globulären Strukturen; sie ist damit in ihren Demineralisations-Abwehreigenschaften geschwächt. Schließlich gibt es auch noch Unterschiede im Wassergehalt, der für Permeabilität, Ionenaustausch, Elastizität und Reaktivität des Schmelzes verantwortlich ist. Der freie Wassergehalt beträgt bei permanenten Zähnen ca. 1 %; beim Milchzahn beträgt der Wassergehalt etwa 3 % [7]. Aus dem Dargestellten resultiert eine höhere Porosität des Milchzahnschmelzes, die eine geringere Mikrohärte im Vergleich zu permanentem Schmelz bedingt. Bei vergleichenden Erosionsuntersuchungen der Hartgewebe [34, 35, 44] wurde eine signifikant größere Ausgangshärte des permanenten Zahnschmelzes ermittelt, womit neben der erhöhten Kariesanfälligkeit weiterhin auch eine verstärkte Erosion und Abrasion/Attrition am Milchzahn erklärt werden kann. Fluoridapplikation am Milchzahn Die optimale lokale kariespräventive Fluoridverabreichung für Kinder bis zu sechs Jahren stellt zweifellos die regelmäßige Mundhygiene mit einer fluoridhaltigen Kinderzahnpaste im Sinne der permanenten Selbstapplikation dar, die allerdings in diesem Alter durch die Eltern anzuleiten und zu kontrollieren ist. Die Mundhygiene behält auch nach dem sechsten Lebensjahr ihre herausragende Stellung, es sollte jedoch auf Zahnpaste mit 1000 ppm Fluorid umgestellt werden, was bisher 60 % (!) der 6- bis 12-Jährigen versäumen [30]. Nachfolgend sollten hier nicht einzelne Studien hinsichtlich ihres Kariespräventionseffektes kritisch gegenübergestellt werden, denn die genannte Leitlinie [23] formuliert...die dazu vorliegenden Ergebnisse sind uneinheitlich. Die lokale Fluoridwirkung Aus experimentellen Untersuchungen sind die Wirksamkeit betreffend folgende Zusammenhänge bekannt. Durch die regelmäßige Anwendung einer Zahnpaste wird in der Plaque, die nicht von der Zahnbürste entfernt wird, Fluorid in Konzentrationen über 2 ppm angereichert [68, 77]. Diese Konzentration genügt zu einer mehr als 50%igen Hemmung der Demineralisation des Schmelzes sogar unter sauren Bedingungen (Abb. 2). Bei einem ph-wert von 4,8, wie er bei Zuckerverstoffwechslung in der Plaque häufig auftritt, wird außerdem zusätzlich sogar eine signifikante Remineralisationsförderung durch Fluorid beobachtet (Abb. 3). In Konsequenz dieser vielfach bestätigten Beobachtungen [73] ist es logisch, auch für das Milchgebiss die Fluoridapplikation mit der Zahnpaste als Mittel der Wahl und so früh wie möglich, zu empfehlen [22]. Schließlich ist in einer aktuellen klinisch kontrollierten Studie die Kenntnis, dass durch lokale Applikationsformen erzielte Fluoridanreicherungen im Schmelz durch systemische nicht zu übertreffen sind, eindeutig bestätigt worden [33, 60]. Fluoridkonzentration in der Kinderzahnpaste Die kariespräventive Wirksamkeit der Fluoridzahnpasten im bleibenden Gebiss ist aus den meta-analysierten Studien mit 25 bis 30 % extrapoliert [37], wobei lebenslanger Gebrauch einen höheren Effekt erwarten lässt, der weiterhin konzentrationsabhängig ist und zu einer Empfehlung von 500 ppm Fluorid für die Kinderzahnpasten geführt hat, da beim Putzen in der Regel eine Verdünnung von 1:3 bis 1:4 eintritt. Die 20 Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1

Fluoridkonzentration in der Plaque 30 Minuten nach dem Zähneputzen mit 1250, 500 oder 250 ppm Fluoridzahnpaste Zahnpaste n ppm F/mg Plaque Wilcoxon-Test: Significance p 0,05 AmF 1250 12 16,58 ± 10,56 AmF 500 12 10,93 ± 12,50 AmF 250 12 5,79 ± 4,63 ns Tabelle 2 Fluoridkonzentration in der Plaque 30 Minuten nach dem Zähneputzen mit 1250, 500 und 250 ppm Fluoridzahnpaste (als Aminfluorid) [69]. Table 2 Fluoride concentration of dental plaque 30 minutes after brushing with 1250, 500 and 250 ppm F-containing toothpaste (F as amine fluoride) [69]. Zahnpastenmengen [g], aufgetragen auf die Zahnbürste von Kindern (n = 135, 4 bis 6 Jahre alt) und deren Müttern (n = 240) Standard Pea size Transversal von 135 4- bis 6-Jährigen 0,46 0,29 0,24 Mütter 0,58 0,34 0,27 Mittelwert von 22 Kinderzahnbürsten 0,22 Tabelle 3 Zahnpastenmenge (g), aufgetragen auf die Zahnbürste von Kindern oder deren Müttern [78]. Table 3 Amount of toothpaste (g) applied at the toothbrush by children or their mothers [78]. Abbildung 4 Fluoridkonzentrationen im Speichel nach Mundhygiene mit steigenden Mengen Zahnpaste (1400 ppm F). Figure 4 Fluoride concentrations of saliva after toothbrushing with increasing amounts of toothpaste (1400 ppm F). eingeschränkte Wirksamkeit noch niedrigerer Fluoridkonzentrationen (250 ppm F) wird beim Vergleich des Fluoridgehaltes in der Plaque 30 Minuten nach dem Putzen sichtbar, denn nur 500- und 1250-ppm-Fluorid-Zahnpasten hatten eine signifikante Fluorideinlagerung zur Folge (Tab. 2). Dieser Konzentrationseffekt, der ab 1000 ppm Fluorid für alle weiteren 500 ppm mit einem kariespräventiven Zusatzeffekt von 6 %, oder 0,32 DMFS, angegeben wird [38, 46], ist bei Verwendung unterschiedlicher Zahnpastenmengen ebenso im Speichel feststellbar (Abb. 4), denn eine erbsengroße Menge von 100 mg führt drei Minuten nach dem Zähneputzen mit einer 1400-ppm-Fluoridzahnpasta zu einer Konzentration von 7 ppm Fluorid im Speichel. Aus diesen Werten ist unschwer die Gefahr des Verschluckens hoher Fluoridmengen bei Nutzung von Erwachsenzahnpaste bei Kleinkindern Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1 21

Abbildung 5 Fluoridkonzentration in der Zahnpaste, mittleres Gewicht unterschiedlich alter Kinder und hypothetisch von ihnen tolerierte Fluoridmengen. Figure 5 Fluoride concentration of toothpaste, weight of different aged children and their hypothetically accepted amount of fluoride. Abbildung 6 Histogramm der Amelogenese der permanenten Zähne. Figure 6 Histogram of amelogenesis of permanent teeth. zu erkennen; 1 g dieser Paste bewirkt im Speichel bereits eine Konzentration von 55 ppm Fluorid, so dass die Bevorzugung kleiner Mengen höher konzentrierter Präparate, wie sie anglo-amerikanisch empfohlen wird [13, 14], einer kritischen Wertung bedarf. Schließlich ist die umgekehrte Korrelation zwischen der Speichel-Fluoridkonzentration und der Intensität des Mundspülens für die Anwendung niedriger Fluoridkonzentrationen im Kleinkindalter von praktischer Relevanz, denn das unvollständige Ausspülen kann selbst bei Fluorid-reduzierten Kinderzahnpasten zu wünschenswert hohen Fluoridkonzentrationen in Plaque und Speichel führen [3, 28, 63]. Die kariespräventive Relevanz unterschiedlicher Intensität des Spülens konnte von Ashley et al. [2] nachgewiesen werden, denn die Untergruppe eines Mundhygieneprogramms, die keinen Mundspülbecher besaß und folglich weniger gründlich spülte, unterschied sich signifikant mit dem geringsten Kariesinkrement von der Gesamtheit der Studienteilnehmer. Unbedenkliche Fluoridkonzentrationen Bei der regelmäßigen Mundhygiene mit einer fluoridhaltigen Zahnpaste ist im Kleinkindalter auf Grund der Verschluckproblematik unbedingt die richtige Dosierung der Zahnpastenmenge zu berücksichtigen, da bei Fluoridkonzentrationen von 10 μmol F/l (0,19 ppm) im Serum die Entstehung von Fluorosen nicht ausgeschlossen werden kann [1]. Diese Gefährdung besteht nach WHO getragener Übereinkunft [82] nicht, wenn die interne Belastung 0,05 bis 0,07 mg Fluorid/kg Körpergewicht pro Tag nicht überschreitet [19, 40, 49]. Eine Beeinträchtigung kann eigentlich nur dann vorkommen, wenn konzentrierte Fluoridpräparate angewendet oder Erwachsenenzahnpasten zur Mundhygiene bei Kleinkindern benutzt werden, denn in den ersten zwei Jahren wird mehr als die Hälfte der Zahnpasta verschluckt und erst mit fünf Jahren ist der Verschluckverlust mit 15 % deutlich geringer, außerdem ist dann die Körpermasse größer, über die sich das Fluorid verteilen kann (Abb. 5). Da die Amelogenese der unterschiedlichen Zahngruppen zeitlich versetzt abläuft (Abb. 6), ist der Hinweis auf eine kritische Zeit, in der eine Fluorose entstehen könnte, vom 15. bis 24. Lebensmonat bei Jungen und vom 21. bis 30. Monat bei Mädchen [47] zu stark vereinfacht und nur für die Oberkieferschneidezähne zutreffend; die von der gleichen internationalen Forschungsgruppe [76] an anderer Stelle genannte Risikophase vom 22. bis 48. Lebensmonat wird der Gesamtsituation viel besser gerecht. Dabei wird die fluorotische Schädigung sehr unterschiedlich wahrgenommen, denn Zahnärzte sind grundsätzlich um ihre Vermeidung bemüht, während die Bevölkerung leichte fluorotische Fleckigkeit des Zahnschmelzes als natürliche Zeichnung ohne Vorbehalte akzeptiert [62, 80]. Anders ist das Erscheinungsbild bei Vorhandensein von systemischem Fluorid in der Umgebung der betrachteten Population (Trinkwasser, Tabletten) und dem Fehlen von Fluorid-reduzierten Kinderzahnpasten, wie dies lange Zeit aus den USA berichtet wurde [5, 50]. Wenn dann noch Zahnbürsten zum Einsatz kommen, die 1 g Zahnpaste fassen, wie es in den genannten Publikationen als Mittelwert beschrieben wurde, muss zwangsläufig mindestens die Hälfte der Zahnpaste und damit 0,5 mg Fluorid bei jeder Mundhygieneaktion verschluckt werden. 68 % der Fluorosen erklären sich in diesen Fällen durch Zahnpastenmengen, die die empfohlene Pea-size-Größe übertreffen [51]. Zahnpastendosierung Aus diesem Grund ist immer wieder versucht worden, die Beschickung der Zahnbürste zu optimieren (Tab. 3). Auf der Kurzkopfbürste für Kleinkinder werden maximal etwa 0,5 g Zahnpaste, wie es eine brasilianische Studie zeigt, plat- 22 Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1

ziert. Der eindringliche Hinweis an Kinder und/oder deren Mütter, nur eine erbsengroße Menge zu verwenden, bewirkt etwa eine Halbierung des Zahnpastenauftrages auf die Bürste und erst die transversale Beschickung reduziert die Zahnpastenmenge verlässlich. Interessanterweise tragen die Mütter mehr Zahnpaste als ihre Kinder auf [78]. Aber auch in Europa gelingt die Zahnpastenzuteilung, Menge und Fluoridkonzentration betreffend, noch nicht optimal. Aus einer sieben Länder (IS, IRL, GB, NL, P, GR, FIN) einschließenden Studie mit 1,5 bis 2,5, 2,5 bis 3,5 und über 3,5 Jahre alten Kindern wurde berichtet, dass in fünf Ländern etwa die Hälfte der Kinder noch mit 800- bis 1200-ppm-Fluorid- Zahnpaste putzen [10]. Die jüngste Gruppe verbrauchte dabei durchschnittlich 0,36 g, die mittlere 0,41 g und die älteste 0,49 g Zahnpaste [11]. Wenn dann theoretisch die vollständige Aufnahme dieser Zahnpastenmengen ohne jedes Ausspucken zur Berechnung der Fluoridbelastung benutzt wird, ergibt sich mit einer 500- ppm-fluorid-zahnpaste eine Aufnahme von ca. 10 μg/kg Körpergewicht und nur bei der 1000-ppm-Fluorid- Zahnpaste werden durch individuelle Spitzenverbrauchswerte Konzentrationen erreicht, die fluorotische Beeinträchtigungen auslösen könnten [76]. In Deutschland sind fluorotische Schmelzveränderungen durch Mundhygieneprogramme mit fluoridhaltigen hochkonzentrierten Gelen oder durch sehr frühzeitige Zahnpflege mit nicht adäquaten Zahnpastamengen kaum nachweisbar, denn die Fluoroseprävalenz mit bzw. ohne diese Belastung unterschied sich in diesen Gruppen mit 4,9 bis 6,1 nicht wesentlich voneinander. Der zur Beobachtung benutzte Fluoroseindex spiegelte bei der überwiegenden Majorität dieser Kinder Schweregrade von 1 bis 2 wider, die eine sehr geringe kosmetische Beeinträchtigung bedeuten. In der vorgelegten Studie [55] konnte die Kausalität durch die Mundhygienemaßnahmen erst in einer logistischen Regressionsanalyse mit allen Befunden ohne Beachtung der Gruppenzugehörigkeit der Kinder nachgewiesen werden. Alternative Fluoridverabreichung/Lackanwendung Während die Tablettenfluoridierung nur in Ausnahmefällen bei ausdrücklichem Wunsch der Eltern, gesicherter guter Compliance und beim Lutschen der Tablette als quasi-lokale Fluoridierungsmaßnahme mit altersentsprechender Dosierung respektiert werden kann, findet für das Milchgebiss als alternative bzw. zusätzliche Möglichkeit der Fluoridanwendung die Fluorid-Lackapplikation zunehmendes Interesse [4, 8]. Wenn in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit hochkonzentrierten Fluoridpräparaten noch Fluoridserumpeaks experimentell provoziert wurden [15, 16], die die Entstehung von fluorotischen Veränderungen möglich erscheinen ließen, so steht doch heute weitgehend fest, dass der Inhalt des Magen- Darm-Traktes diese Einflüsse minimiert. Die derzeitig vorliegenden Resultate zur Lackapplikation im Milchgebiss werden von Petersson et al. [53] als so heterogen betrachtet, dass die Lackanwendung zwar empfohlen, aber weitere Untersuchungen dringend notwendig sind. Die Metaanalyse von Strohmenger und Brambilla [72] kann aus drei vergleichbaren Studien ebenfalls keine weiteren Schlüsse ziehen. An 2- bis 5-Jährigen wurde im Verlauf von neun Monaten durch zwei Applikationen eine 25%ige Kariesreduktion festgestellt und zusätzlich hervorgehoben, dass über 40 % der aktiven Läsionen ohne weitere Therapie zum Stillstand gebracht wurden [4]. Wenn an kariesfreien Zweijährigen ein Lack halbjährlich appliziert wird, lässt sich eine präventive Fraktion von 58 bis 61 % berechnen [79], was dem Resultat von Borutta et al. [8] weitgehend entspricht. Die in letzterer Studie beschriebene Gleichwertigkeit verschiedener Lacke befindet sich in Übereinstimmung mit anderen Befunden [26, 67] und lässt bei der Lackauswahl fast die Anwendungseigenschaften, wie Haftung auf feuchter Oberfläche, wichtiger erscheinen, als die Fluorid- Konzentration oder Fluoridverbindung. Schlussfolgerungen Parallel zum Caries Decline im jugendlichen bleibenden Gebiss ist durch den breiteren Fluorideinsatz auch im Milchgebiss eine Reduktion der Kariesprävalenz feststellbar, die aber weniger vollständig und durch die polarisierte Frühkindliche Karies sehr ungleich verteilt ist. Die erhöhte Kariesanfälligkeit des Milchgebisses hat ihre Ursache nicht nur in Hygiene- und Ernährungsdefiziten, sondern auch in einer mikromorphologisch bedingten höheren Porosität und Löslichkeit des Milchzahnschmelzes. Das Mittel der Wahl zur Fluoridverabreichung bis zum sechsten Lebensjahr stellt die fluoridhaltige Zahnpaste mit 500 ppm Fluorid dar. Bei der Fluoridanwendung im Milchgebiss ist zu berücksichtigen, dass altersentsprechend Anteile der applizierten Paste verschluckt werden. Dies entspricht dem bestimmungsgemäßen Gebrauch einer Zahnpaste; dem wird die Zahnpaste bei ihrer Herstellung insofern gerecht, als dass sie nicht nur der Kosmetikverordnung, sondern auch dem Lebensmittelgesetz entspricht. Ein Gramm Kinderzahnpaste (mit 500 ppm) enthält 0,5 mg Fluorid; bei erbsengroßer (= 0,25 g) oder altersentsprechend geringerer Zahnpastenanwendung wird die Dosierung von 0,05 bis 0,07 mg/kg Körpergewicht/Tag nicht überschritten. Es besteht keine Gefahr fluorotischer Schmelzschädigung, wenn bis zum zweiten Geburtstag einmal und danach zweimal pro Tag fluoridhaltige Kinderzahnpasta angewendet wird. Alternativ bzw. zusätzlich kann mit Fluoridlack, zweimal pro Jahr, eine weitere Möglichkeit der Fluoridverabreichung für die Kariesprävention im Milchgebiss besonders in Risikogruppen praktiziert werden. Anmerkung: Nach einem Referat, welches auf dem Vorsymposium der 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde am 27. September 2007 anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Informationskreises Mundhygiene und Ernährungsverhaltens (IME) gehalten wurde. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 30 (2008) 1 23

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