Grenzen des Streikrechts

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Transkript:

Grenzen des Streikrechts - Ausarbeitung - Patrizia Robbe 2007 Deutscher Bundestag WD 3-274/07

Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: RDn Patrizia Robbe Grenzen des Streikrechts Sachstand WD 3-274/07 Abschluss der Arbeit: 2. August 2007 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag.

- Zusammenfassung - Verfassungsrechtliche Grundlage für das Arbeitskampfrecht einschließlich des Streikrechts ist nach herrschender Auffassung die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankerte Koalitionsfreiheit. Dabei ist das Streikrecht nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern nur als Mittel zum Zweck des Abschlusses von Tarifverträgen. In unserer verflochtenen und wechselseitig abhängigen Gesellschaft beschränken sich Streiks in nahezu allen Branchen in ihren Auswirkungen allerdings nicht allein auf die Tarifpartner. Mitunter beeinträchtigen sie Dritte bzw. die Allgemeinheit in erheblichem Maße. Ob und gegebenenfalls wie das Streikrecht über die genannte allgemein anerkannte Zweckorientierung noch weiteren Beschränkungen unterworfen ist, ist umstritten. In einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1971 stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass Arbeitskampfmaßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterlägen und durch sie das Gemeinwohl nicht offensichtlich verletzt werden dürfe. Der Bundesgerichtshof erkennt in seiner Fluglotsenentscheidung von 1978 ebenfalls die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Arbeitskampf an. Das Bundesverfassungsgericht betont in einer Entscheidung aus dem Jahre 1991 im Hinblick auf die Grenzen der Koalitionsfreiheit dass eine Einschränkung des Arbeitskampfes nicht ausgeschlossen sei; diese könne durch Grundrechte Dritter und andere Güter von Verfassungsrang gerechtfertigt sein. Überwiegend wird in der Literatur eine Begrenzung der Koalitionsfreiheit unter den Gesichtspunkten Verhältnismäßigkeit und Gemeinwohlbindung angenommen. Dem dürfte im Ergebnis zuzustimmen sein, denn ein grenzenloses Recht der Koalitionsfreiheit bedeutete umgekehrt letztlich die völlige Rechtlosigkeit für alle anderen und führte so die Rechtsordnung ad absurdum. Zur speziellen Problematik der Grenzen des Streikrechts bei erheblicher Betroffenheit der Allgemeinheit wird im Rahmen von Erörterungen zum Streikrecht im Bereich der Daseinsvorsorge Stellung genommen. Es ist eine nahezu unüberschaubare Vielfalt von Positionen - u. a. auch wegen der Differenzierung nach Einzelbereichen (Versorgungsbetriebe, Nahverkehr, Müllabfuhr etc.) - auszumachen.

Inhalt 1. Einleitung 4 2. Grenzen des Streikrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG 5 2.1. Rechtsprechung 5 2.1.1. Bundesarbeitsgericht 5 2.1.2. Bundesgerichtshof 6 2.1.3. Bundesverfassungsgericht 6 2.2. Literatur 7 2.2.1. Positionen zur generellen Fragestellung einer weiteren Beschränkbarkeit des Streikrechts 7 2.2.1.1. Argumentation der Befürworter 7 2.2.1.2. Argumentation der Gegner 8 2.2.2. Spezielle Problematik der erheblichen Betroffenheit der Allgemeinheit (Stichwort: Daseinsvorsorge) 9 3. Fazit 10

- 4-1. Einleitung Verfassungsrechtliche Grundlage für das Arbeitskampfrecht einschließlich des Streikrechts ist die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankerte Koalitionsfreiheit. 1 Dabei herrscht Einigkeit, dass das Streikrecht nicht um seiner selbst willen geschützt ist, sondern nur als Mittel zum Zweck des Abschlusses von Tarifverträgen. Das Bundesverfassungsgericht 2 führt in diesem Zusammenhang aus, dass die Koalitionsfreiheit die Koalitionen in ihrem Bestand und ihrer Betätigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen schütze. Ein wesentlicher Zweck der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionen sei der Abschluss von Tarifverträgen. Die Wahl der Mittel sei den Koalitionen überlassen; insoweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhänge, würden auch diese vom Schutz des Grundrechts umfasst. Dabei zählten zu den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Mitteln auch Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet seien. Ein solches Mittel sei auch der Streik. In unserer verflochtenen und wechselseitig abhängigen Gesellschaft beschränken sich die Auswirkungen von Streiks in nahezu allen Branchen allerdings nicht allein auf die Tarifpartner. 3 In bestimmten Bereichen beeinträchtigen sie Dritte bzw. die Allgemeinheit mitunter in erheblichem Maße. Ärzte- und Fluglotsenstreiks in der Vergangenheit sind prominente Beispiele. Ähnlich gelagerte Fälle können im Bereich der Versorgung mit Strom, Gas, Wasser und Fernwärme sowie der Müllentsorgung auftreten. Es geht letztlich insbesondere um Streiks, die die Daseinsvorsorge gefährden. Vor dem Hintergrund eines eventuellen Streiks der Lokführer im Kontext der Tarifauseinandersetzungen der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer mit der Bahn hat diese Konstellation neue Aktualität erlangt. Zentrale Frage ist in diesem Zusammenhang, ob das Streikrecht zur Durchsetzung von Tarifforderungen noch weiteren Beschränkungen unterworfen ist. 1 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 84, S. 212 ff., S. 224; 88, S. 103 ff., S. 114; Scholz, Rupert, in. Maunz, Theodor / Dürig, Günter / Herzog, Roman u. a., Grundgesetz, Kommentar, 148. Ergänzungslieferung. München, Art. 9, Rn. 309, 314 (Stand: Februar 1999); Jarass, Hans, in: Jarass, Hans / Pieroth, Bodo, Grundgesetz, 9. Aufl., München 2007, Art. 9 GG, Rn. 40; Löwer, Wolfgang, in: v. Münch, Ingo / Kunig, Philip, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 5. Aufl., München 2000, Art. 9 GG Rn. 80. 2 BVerfGE 84, S. 212 ff., S. 224; 88, S. 103 ff., S. 114. 3 So auch Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 21. April 1971, in: Arbeitsrechtliche Praxis (AP) Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

- 5 - Im Folgenden soll der Meinungsstand hierzu in Rechtsprechung und Literatur umrissen werden. Zu klären ist insbesondere, ob und inwieweit Dritt- und Allgemeininteressen Arbeitskampfmaßnahmen der jeweiligen sozialen Gegenspieler zu begrenzen vermögen. 2. Grenzen des Streikrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG Über die eingangs beschriebene Zweckorientierung hinaus werden in Rechtsprechung und Literatur mehrheitlich weitere Grenzen des Streikrechts bejaht. Dabei geht es im Kern um die Aspekte Verhältnismäßigkeit, Gemeinwohlbindung und kollidierende Verfassungsgüter. Abweichend hiervon gibt es in der Literatur auch Stimmen, die derartige Schranken des in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten Streikrechts grundsätzlich ablehnen. Der Meinungsstand im Hinblick auf eine allgemeinverträgliche Eingrenzung des Streikrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG stellt sich im Einzelnen wie folgt dar: 2.1. Rechtsprechung 2.1.1. Bundesarbeitsgericht Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte noch nicht explizit über die Zulässigkeit von Streiks in Bereichen mit erheblichen Auswirkungen für Dritte und die Allgemeinheit zu entscheiden, wie sie im Bereich der Daseinsvorsorge auftreten können. Gemäß Beschluss des Großen Senats des BAG vom 21. April 1971, in dem das Gericht über die Rechtmäßigkeit einer Aussperrung zu entscheiden hatte, stehen Arbeitskampfmaßnahmen grundsätzlich unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. 4 Arbeitskämpfe dürften nur insoweit eingeleitet werden, als sie zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich seien. Damit hat das BAG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch rechtsfortbildendes Recht in die Arbeitskampfordnung eingeführt. 5 Im Rahmen seiner Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit spricht das Gericht auch die Beeinträchtigung Dritter durch Arbeitskampfmaßnahmen an und stellt fest, dass durch sie das Gemeinwohl nicht offensichtlich verletzt werden dürfe. Es seien Arbeitskampfregelungen aufzustellen, die auch darüber Bestimmungen enthielten, ob und welche für die Allgemeinheit lebensnotwendigen Betriebe vom Arbeitskampf ausgenommen werden. 4 AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 5 Czerweny von Arland, Katharina, Die Arbeitskampfmittel der Gewerkschaften und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Frankfurt a. M. 1993, S. 40.

- 6 - Das Streikrecht ist hiernach zwar begrenzt, wobei es aber wohl nach Auffassung des Gerichts in erster Linie Sache der Tarifparteien ist, diese Grenzen selbst zu ziehen. 6 2.1.2. Bundesgerichtshof Auch der Bundesgerichtshof anerkennt in seinem Urteil vom 31. Januar 1978 zum Fluglotsenstreik 7, obgleich es in der Sache um die Frage zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche der Bundesrepublik Deutschland gegen den Verband Deutscher Flugleiter e. V. (VDF) ging, letztlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Arbeitskampfrecht: 8 Er weist darauf hin, dass die fragliche Aktion der Fluglotsen außer Verhältnis zum verfolgten Ziel gestanden habe. Die Streiks hätten ein ungewöhnliches Maß von Nachteilen und Belastungen für Unbeteiligte, die keinerlei Einfluss auf die Vorgänge nehmen konnten, zur Folge gehabt. 9 2.1.3. Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hatte in Bezug auf die hier in Rede stehende Konstellation der erheblichen Beeinträchtigung der Allgemeinheit infolge von Streiks im Bereich der Daseinsvorsorge noch nicht zu entscheiden. Zu nennen ist aber die Grundsatzentscheidung zum Arbeitskampfrecht vom 26. Juni 1991, in der das Bundesverfassungsgericht die vom BAG entwickelten Grundsätze für das Arbeitskampfrecht als mit der Koalitionsfreiheit vereinbar bestätigt. 10 In den Entscheidungsgründen verdeutlicht es, dass es sich bei den vom BAG entwickelten Grundsätzen des Arbeitskampfrechts um eine rechtsfortbildende Konkretisierung des Art. 9 Abs. 3 GG handele. Bezüglich der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Arbeitskampfrecht hat das Bundesverfassungsgericht für die Abwehraussperrung 11 explizit ausgesprochen, dass diese nur bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sei. 12 Für die nicht in Streit stehenden Angriffskampfmittel, d. h. Streiks, führt das Gericht allerdings aus: Bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, die schon bei den Angriffsmitteln ansetzt, wäre eine gerichtliche Kontrolle der Tarifziele 6 So auch die Bewertung des Beschlusses bei Scherer, Inge, Grenzen des Streikrechts in den Arbeitsbereichen der Daseinsvorsorge, Berlin 2000, S. 96. 7 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (BGHZ) 70, S. 277 ff. 8 So auch in der Bewertung Scherer, S. 59. 9 BGHZ 70, S. 277 ff., S. 281 f. 10 BVerfGE 84, S. 212 ff. 11 Aussperrung bedeutet den vorübergehenden Ausschluss mehrerer Arbeitnehmer von Beschäftigung und Lohnzahlung. In der Praxis ist sie eine Reaktion des Arbeitsgebers (Abwehrmaßnahme) auf einen Streik (Angriffsmittel der Arbeitnehmer im Arbeitskampf). 12 BVerfGE 84, S. 212 ff., S. 212, 230.

- 7 - kaum zu vermeiden. Eine solche Kontrolle widerspräche aber dem Gedanken der Tarifautonomie. 13 Jedoch stellt das Gericht weiter fest, dass aus der im Grundgesetz vorbehaltlos gewährleisteten Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG nicht gefolgert werden könne, dass damit jede Einschränkung des Arbeitskampfes von vornherein ausgeschlossen sei. Eine solche Einschränkung könne durch Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte gerechtfertigt sein. 14 2.2. Literatur 2.2.1. Positionen zur generellen Fragestellung einer weiteren Beschränkbarkeit des Streikrechts In der Literatur werden unterschiedliche Positionen zur generellen Fragestellung einer Beschränkbarkeit des Streikrechts vertreten: 2.2.1.1. Argumentation der Befürworter Überwiegend wird die Auffassung des BAG von der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Arbeitskampf geteilt. 15 Auch wird die Beschränkung des Arbeitskampfrechts durch die Gemeinwohlbindung bejaht. 16 Wegen seines Eingriffscharakters in fremde Rechtspositionen ergebe sich für den Arbeitskampf eine Parallele zum öffentlichen Recht (Verhältnis Staat-Bürger). 17 Daher unterliege er dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Gerade die insoweit bestehende Hilflosigkeit der Drittbetroffenen mache es erforderlich, Arbeitskampfmaßnahmen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu unterstellen. 18 Die Tatsache, dass bei Arbeitskämpfen Rechtsgüter und Rechtspositionen Dritter betroffen würden, von denen zahlreiche grundrechtlich abgesichert seien, führe zwangsläufig zu einer Kollision mit anderen Grundrechten. 19 Auf der einen Seite stehe die grundrechtlich gesicherte Position der Koalitionsbetätigungsfreiheit und auf der anderen Seite die Rechtspositionen unbeteiligter Dritter, wie z. B. Leben, körperliche Unver- 13 BVerfGE 84, S. 212 ff., S. 231. 14 BVerfGE 84, S. 212 ff. S. 228. 15 Czerweny von Arland, S. 46 ff.; v. Hoyningen-Huene, Gerrick, Die Billigkeit im Arbeitsrechts, in: Juristische Schulung (JuS) 1987, S. 505 ff, S. 506; Schneider, David/Sittard, Ulrich, Unverhältnismäßigkeit der Ärztestreiks?, in: Der öffentliche Dienst (DöD) 2006, S. 244 ff., S. 244. 16 Hanau, Peter/Thüsing, Gregor, Der Streik in der Luftfahrt, in: Thüsing, Gregor (Hrsg.), Tarifautonomie im Wandel, Köln 2003, S. 35 ff., S. 60; Schneider/Sittard, in: DöD 2006, S. 244 ff., S. 245. 17 Czerweny von Arland, S. 44. 18 Czerweny von Arland, S. 50. 19 Lieb, Raimund, Der Arbeitskampf im öffentlichen Dienst, Hamburg 2003, S. 233.

- 8 - sehrtheit, Eigentum und Berufsfreiheit. 20 Aus dieser Wechselwirkung mit Grundrechten Dritter ergäben sich im Einzelfall weitere Grenzen des durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechts zum Arbeitskampf. 21 Im Übrigen sei die Gemeinwohlbindung eines Rechts oder einer Rechtsausübung durchaus kein nur dem Eigentum anhaftendes Phänomen (Art. 14 GG). Vielmehr gebe es in der Rechtsordnung zahlreiche Belege dafür, dass die Interessen des Einzelnen gegenüber unangemessenen Nachteilen für die Allgemeinheit zurückstehen müssen. (vgl. z. B. 323 c StGB Unterlassene Hilfeleistung). 22 Zum Teil wird betont, dass eine Begrenzung durch den Begriff des Gemeinwohls nur so zu verstehen sei, dass Koalitionen zur Rücksichtnahme verpflichtet werden könnten, wo sie in unverhältnismäßiger Weise Drittinteressen bzw. Schutzgüter der Allgemeinheit gefährdeten oder beeinträchtigten. Dies sei eine Begrenzung der Koalitionsbetätigung, die die allgemeinen Grundsätze des Missbrauchsverbots unmittelbar konkretisiere. 23 In diesem Zusammenhang wird auch auf die Bindung der Koalitionen an die allgemeine Sozialpflichtigkeit hingewiesen (Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG analog). Als soziale Ordnungsträger bzw. Aufgabenträger seien sie insbesondere zur Rücksichtnahme auf sozialstaatlich bedeutsame Drittinteressen verpflichtet. 24 2.2.1.2. Argumentation der Gegner Nach anderer Ansicht ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Begrenzung des Streikrechts ungeeignet. 25 Dies wird u. a. damit begründet, dass dies in der Grundrechtsdogmatik systemwidrig sei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei zur Begrenzung staatlicher Eingriffe entwickelt worden und nicht zur Rechtfertigung staatlicher Freiheitseingriffe. Es sei daher sinnwidrig, ihn gerade als Grundrechtsschranke einzusetzen. Grundrechtliche Freiheit stehe eben nicht unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit ihrer Ausübung. 26 Eine solche Schrankenziehung berge des Weiteren die Gefahr einer gerichtlichen Tarifzensur. Eine entsprechende Abwägung stelle im Ergebnis eine freiheitsbeschränkende Regelung dar, der die Rechtfertigung vor dem grundrechtlichen Freiheitsschutz aus Art. 9 Abs. 3 GG fehle. 27 20 Scherer, S. 63. 21 Lieb, S. 233. 22 Hanau / Thüsing, S. 61. 23 Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog, Art. 9 GG, Rn. 274. 24 Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog, Art. 9 GG, Rn. 277; 350. 25 Kemper, Michael, in: v. Mangoldt, Hermann / Klein, Friedrich / Starck, Christian, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Aufl., München 2005, Art. 9 Abs. 3 GG Rn. 159; ausführlich Mösch, Reinhold, Gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Arbeitskampfrecht? Pfaffenweiler 1991, zusammenfassend S. 149 f. 26 Kemper, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 9 Abs. 3 GG, Rn. 159. 27 Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 9, Rn. 159.

- 9 - Gegen die Gemeinwohlbindung wird von den Kritikern ins Feld geführt, dass sich das Gemeinwohl gerade in der tariflichen Auseinandersetzung widerspiegele, so dass es keine Schranke des Arbeitskampfrechts darstellen könne. 28 Zwar wird anerkannt, dass von Arbeitskämpfen Gefährdungen oder Beeinträchtigungen für Dritte ausgehen können. 29 Diesen müsse man jedoch durch gesetzlich begründete Unterlassungsansprüche gegen die Arbeitskampfmaßnahmen begegnen. 30 2.2.2. Spezielle Problematik der erheblichen Betroffenheit der Allgemeinheit (Stichwort: Daseinsvorsorge) Soweit zu den Grenzen des Streikrechts bei erheblicher Betroffenheit der Allgemeinheit im Rahmen von Erörterungen zum Streikrecht im Bereich der Daseinsvorsorge Stellung genommen wird, ist eine nahezu unüberschaubare Vielfalt von Positionen u. a auch wegen der Differenzierung nach Einzelbereichen (Versorgungsbetriebe, Nahverkehr, Müllabfuhr etc.) - auszumachen. 31 Im Folgenden können diese daher nur überblicksweise dargestellt werden: 32 Eine restriktive Auffassung hält Arbeitskampfmaßnahmen in Sektoren/Einrichtungen/Betrieben, die der öffentlichen Sicherheit und Daseinsvorsorge dienen, unter Hinweis auf die soziale Verantwortung der Koalitionen für unzulässig. 33 Eine weitere Ansicht betrachtet nur Arbeitskämpfe in lebenswichtigen Versorgungsbetrieben als generell unzulässig. 34 In Bereichen, in denen es um für die Allgemeinheit wichtige, aber nicht unverzichtbare Dienstleistungen und Güter gehe wie z. B. öffentlicher Verkehr und Nachrichtenübermittlung sei ein Streik erst unzulässig, wenn hierdurch jegliche Beförderung oder Informationsweitergabe unmöglich gemacht werde. 35 Andere bejahen zwar grundsätzlich die Möglichkeit von Streiks auch in für die Allgemeinheit sehr zentralen Bereichen wie Krankenhäusern, Versorgungs- bzw. Entsorgungsbetrieben für Wärme, Strom, Wasser, Abwasser und Müll sowie Verkehrsbetrieben, schränken diese aber wie folgt ein: Zum Teil werden für diese Bereiche ledig- 28 Dütz, Wilhelm, Arbeitsrecht, 10. Aufl., München 2005, Rn. 537. 29 Mösch, S. 46 ff. 30 Mösch, S. 44 ff. 31 Vgl. hierzu auch die Darstellung bei Scherer unter der Überschrift Umfassende Uneinigkeit, S. 99 ff.. 32 Im Wesentlichen basierend auf Scherer, S. 100 f. 33 Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 9 GG Rn. 350. 34 Zöllner, Wolfgang/Loritz, Karl-Georg, Arbeitsrecht, 5. Aufl., 1999, S. 464 f.; Lieb, S. 485. 35 Zöllner/Loritz, S. 464 f.

- 10 - lich Warn- und Demonstrationsstreiks für zulässig gehalten, 36 zum Teil wird auf die Zulässigkeit des Streiks nur bei Bereitstellung eines Notdienstes verwiesen, der eine Gefährdung der Freiheit, der Gesundheit und des Lebens der Bürger ausschließe. 37 Scherer nimmt eine Systematisierung unter den Gesichtspunkten Unzulässigkeit des Streiks bei Gefährdung höherrangiger Rechtsgüter und gezielter Drittschädigung vor und gelangt zu dem Ergebnis, dass wegen der Betroffenheit höherrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit Streiks z. B. in den Bereichen Wasser, Gas und Elektrizitätsversorgung grundsätzlich unzulässig seien. Nur Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit der eigentlichen Versorgungsleistung zu tun hätten (z. B. Tätigkeit einer Telefonistin oder eines Pförtners), seien gestattet. 38 Ein Streik im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel sei demgegenüber unter dem Gesichtspunkt höherrangiger Rechtsgüter zulässig, weil lediglich ein gegenüber der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht höherrangiges Grundrecht, die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), betroffen sei. 39 Allerdings hält Scherer dort den Bereich des Transports der Fahrgäste unter Hinweis auf die unmittelbare Drittschädigung für unbestreikbar. Unmittelbare Drittschädigung sei dann zu bejahen, wenn die konkrete Arbeitsleistung unmittelbar Dritten gegenüber zu erbringen sei, die Dritten nicht auf andere Anbieter ausweichen könnten und die Arbeitsleistung notwendiger Bestandteil und Voraussetzung der alltäglichen Existenzbewältigung sei. 40 Die Instrumentalisierung unbeteiligter Dritter als Objekte der Kampfstrategie sei weder vom System der Koalitionsfreiheit noch vom Gesamtsystem der Verfassung gedeckt. 41 3. Fazit Ungeachtet z. T. unterschiedlicher argumentativer Ansatzpunkte ist der Analyse der verschiedenen Positionen in Rechtsprechung und Literatur zu entnehmen, dass der Streik als Ausdruck der in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten Koalitionsfreiheit mehrheitlich einem Regulativ (Stichworte: Verhältnismäßigkeitsprinzip, Gemeinwohlbindung/Sozialbindung) im Hinblick auf die Allgemeinheit unterworfen wird. Dem dürfte im Ergebnis zuzustimmen sein, denn ein grenzenloses Recht der Koalitionsfreiheit bedeutete umgekehrt letztlich die völlige Rechtlosigkeit aller anderen und würde so die Rechtsordnung ad absurdum führen. 42 Wann ein Streik bei erheblicher Betroffenheit 36 Löwisch, Manfred, Zulässiger und unzulässiger Arbeitskampf im öffentlichen Dienst, Heidelberg, Karlsruhe 1980, S. 25 f. 37 Speziell für den Ärztestreik Schneider / Sittard, in: DöD 2006, S. 244 ff., S. 247 f. 38 Scherer, S. 120. 39 Scherer, S. 124. 40 Scherer, S. 118. 41 Scherer, S. 118. 42 Scherer, S. 64.

- 11 - der Allgemeinheit als nicht mehr von der Koalitionsfreiheit gedeckt anzusehen ist, bedarf allerdings der Prüfung im Einzelfall.