Das Klaus-Bahlsen-Haus in Hannover erhielt 2011 als erste Pflegeeinrichtung in Deutschland eine Fit im Alter Premium - Zertifizierung der DGE
Das Klaus-Bahlsen-Haus ist Teil des Betriebes der Städtischen Alten- und Pflegezentren der Landeshauptstadt Hannover. Die Errichtung des Klaus-Bahlsen-Hauses wurde maßgeblich durch die großzügige Förderung der Rut- und-klaus-bahlsen-stiftung finanziert. Die Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung fördert schwerpunktmäßig "ökologischen Landbau und gesunde Ernährung".
2008 eröffnet Klaus-Bahlsen-Haus vier Hausgemeinschaften für 49 pflegebedürftige BewohnerInnen professionelle Pflege eines Pflegeheims verbunden mit einer weitest gehenden Alltagsnormalität Leitbild "Familienleben"
Herausforderungen der Speisenversorgung im Pflegeheim Ein Großteil der BewohnerInnen kommt mit hohen Defiziten in der Ernährung und Flüssigkeitsversorgung in die Einrichtung; bringt spezielle Ernährungsprobleme wie z.b. Mangelernährung Kau- und Schluckstörungen Demenz mit.
Konzept Hausgemeinschaften In den Hausgemeinschaften wird für pflegebedürftige Menschen eine Alltagsnormalität in familienähnlicher Atmosphäre gestaltet. Kommunikation, Aktivität und menschliche Nähe stehen im Vordergrund. Vorbild ist das Leben und Wohnen wie zu Hause.
Herzstück des Gemeinschaftsbereiches und damit des gemeinsamen Lebens innerhalb der Hausgemeinschaft ist die geräumige, voll funktionsfähige Wohnküche.
Die Mahlzeiten werden in den Küchen der jeweiligen Haus-gemeinschaft vom Personal des Klaus- Bahlsen-Hauses zubereitet.
Die BewohnerInnen werden dazu motiviert, bei der Mahlzeitenzubereitung mitzuhelfen. Diese Beteiligung ist freiwillig und orientiert sich an den Fähigkeiten und Bedürfnissen der BewohnerInnen.
Personal: Präsenzkräfte Die Präsenzkraft kocht das Essen für die (und mit den) BewohnerInnen und organisiert die hauswirtschaftlichen Abläufe in der Hausgemeinschaft. Die Präsenzkraft ist in der Regel keine ausgebildete Köchin. Meistens ist sie von ihrer ursprünglichen Profession her eine Hauswirtschafterin oder ansonsten eine angelernte Kraft.
Insgesamt sind im Klaus-Bahlsen-Haus 12 MitarbeiterInnen als Präsenzkräfte tätig; im Rahmen der DGE-Zertifizierung mussten alle in den gesamten Zertifizierungsprozess einbezogen und entsprechend geschult werden (z.b. HACCP, Lebensmittelhygiene, Krankheitsbilder wie Diabetes, Demenz)
Anforderung der Premium Zertifizierung 2011: - Nährstoffoptimierte Menülinie - Rezepte für 6 Wochen: Alle Gerichte mussten nach diesen Vorgaben gekocht werden. - Alle Speisekomponenten, von der Wurstscheibe bis zum Öl im Salat, mussten abgewogen werden.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung der nährstoffoptimierten Menülinie: Der nährstoffoptimierte 6- Wochen Plan bietet wenig Platz für individuelle Wünsche und eine biographieorientierte Verpflegung Die tatsächliche Speisenauswahl durch den Bewohner ließ eine nährstoffoptimierte Bilanzierung nicht zu.
Beispiel: Grünkohl mit Bregenwurst Premium Anforderung : das Rezept muss genau in den nährstoffoptimierten Wochenplan eingepasst werden, um die wöchentlichen Werte der einzelnen Nährwert-Parameter nicht zu überschreiten. In der Konsequenz gab es dieses Gericht nur zu besonderen Anlässen, wenn zu Feiern Ausnahmen zum nährstoffoptimierten Wochenplan zugelassen waren.
Umstellung auf Fit-im-Alter-Zertifikat Die mangelnde Akzeptanz bei den BewohnerInnen zur nährstoffoptimierten Menülinie und der Wunsch nach stärkerer Berücksichtigung individueller Wünsche führte dazu, dass das Klaus-Bahlsen-Haus sich seit 2013 nur noch an dem Qualitätsstandard der Fit-im-Alter Zertifizierung orientiert.
Anforderungen des Standard Zertifikats Abwechslungsreiche, an die Bewohner angepasste, ausgewogene Ernährung, die zum Beispiel beinhaltet: 2 x wöchentlich Fisch Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln werden abwechslungsreich angeboten Saisonales Angebot wird bevorzugt 21 x Gemüse (frisch oder tiefgekühlt), Hülsenfrüchte oder Salat pro Woche
Mittagessen:
Änderungen bei Frühstück und Abendessen / Zwischenmahlzeiten Frühstück und Abendessen: kleine Veränderungen bei den angebotenen Komponenten (weniger Marmelade, fettreduzierte Butter etc.) Bei den Zwischenmahlzeiten: -mehr Müsli, - frische Zutaten (zerkleinert)
Nachmittagskuchen: Das tägliche obligatorische Angebot an Kuchen am Nachmittag wurde ersetzt durch wechselnde Angebote von Kuchen, frischem Obst, Keksen, Rosinenbroten u.ä.
Ungewohnt für die Bewohner/innen war, dass sie auf einmal wieder kauen mussten (bspw. Vollkornprodukte), dass 2x wöchentlich ein Fischgericht zum Mittag angeboten wurde, dass es vermehrt Rohkostsalate gab, dass nicht mehr täglich Kuchen zum Nachmittagskaffee empfohlen wurde, dass mehr frische Lebensmittel benutzt wurden.
Die abschließende Entscheidung über die Lebensmittelauswahl bleibt selbstverständlich immer beim Bewohner! Der Bewohner wählt im Idealfall die Komponenten aus, die im FIT IM ALTER Wochenspeiseplan empfohlen werden. Natürlich kann jeder Bewohner mehr/weniger essen und selbstverständlich auch andere Lebensmittel wählen.
Wie wirkte sich der Verzicht auf die Premium - Zertifizierung auf die Arbeitsprozesse bei der Speisenversorgung aus? Abwiegen entfällt Weniger Personaleinsatz erforderlich keine Orientierung an festen Mengen bei den Rezepten Mehr Freiraum im Menüplan: flexibler Austausch der Gerichte möglich
Fazit: Positive Effekte des Qualitätsstandards auf die Versorgung Die Speisenversorgung nach den Qualitätsstandards der Fit-im-Alter-Zertifizierung zeigt deutlich positiven Einfluss auf die Gesundheit der Bewohner/innen: deutliche Verbesserung des Ernährungs- und Gesundheitszustandes der BewohnerInnen Krankenhausaufenthalte wurden reduziert, (von 1,6 % in 2010 auf 1,3 % in 2015) Mangelernährung wurde vermieden oder reduziert, der durchschnittliche BMI der BewohnerInnen erreicht die Normalwerte Der Aufwand in der Pflegedokumentation konnte reduziert werden, weil durch den Wegfall von Mangelernährung keine Ernährungsprotokolle geführt werden müssen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!