3.2 Aufbau und Dynamik der Milchstraße

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Transkript:

3.2 Aufbau und Dynamik der Milchstraße 3.2.1 Entfernungsbestimmungen 3.2.1.1 Jährliche Parallaxe Die wichtigste Methode zur Bestimmung von Entfernungen zu den nächsten Himmelskörpern ist die jährliche Parallaxe. Beobachtet man einen nahen Stern im Laufe eines Jahres, so stellt man eine scheinbare Verschiebung seiner Position im Vergleich mit weit entfernten Sternen fest. Die Verschiebung beschreibt eine Ellipse mit einer großen Halbachse π und einer kleinen Halbachse π sin β (ekliptische Breite). Mit der astronomischen Einheit a und Abstand des Sterns r ist Naher Stern Entfernte Sterne sin = a. (3.1) r Die Parallaxe π ist der Winkel, unter welchem der Erdbahnradius vom Standpunkt des gemessenen Sterns erscheint. Eine Parallaxe von einer Bogensekunde (1 oder 1 as) eintspricht einem Abstand r von 26265 Erdbahnradien, oder 3.8 1 16 m, oder 3.26 Lichtjahren.Man verwendet diese Länge als Einheit Parallaxensekunde (parsec) oder pc. Der nächste Stern (Proxima Cen) hat eine Parallaxe von. 762 und somit eine Entfernung von r = 1.3 pc. Bei gegebener Parallaxe π ist der Abstand in pc r= 1[as] [ pc] (3.2) Achtung! Häufig wird die Parallaxe in Milli-Bogensekunden (mas) angegeben. Mit modernen Verfahren kann man trigonometrische Parallaxen mit einer Genauigkeit von einer Milli-Bogensekunde (mas;. 1) messen. Die Entfernungen von Sternen bei 1 pc sind also auf 1% genau. Man kennt die Par- Sonne r π Erde Einführung_3.2_25.sxw Seite 7 22.4.5

allaxen von mehr als 1 5 Sternen, die meisten wurden Anfang der 9er mit dem Satelliten HIPPARCOS astrometrisch und photometrisch vermessen. Die GAIA-Mission der ESA soll im nächsten Jahrzehnt die astrometrische Präzision nochmal um zwei Größenordnungen auf 19 Mikro-Bogensekunden (µas) verbessern. Damit lassen sich viele 1 6 Sterne über die Ausdehnung unserer galaktischen Scheibe vermessen. Die trigonometrische Parallaxe ist eines der wichtigsten Fundamente der Stellarphysik, und bildet den Fuß der Leiter von Methoden der Entfernungsbestimmung bis in kosmische Distanzen. 3.2.1.2 Photometrische Parallaxen Kennt man die absolute Helligkeit M eines Sterns, so kann man aus dem Entfernungsmodul m - M seinen Abstand r bestimmen wenn auch die interstellare Extinktion A bekannt ist: r=1.2 m M 5 A [ pc]. (3.3) M lässt sich abschätzen aus physikalische Charakteristika einzelner Sterne, beispielsweise spektroskopische Bestimmung der genauen Position im HRD. Sehr aufwendig. Perioden-Helligkeitsbeziehungen veränderlicher Sterne. Bekanntestes Beispiel: Variable des Typs δ Cep. Wegen ihrer hohen Leuchtkraft eignen sich Cepheiden für die Bestimmung extragalaktischer Distanzen. RR Lyr Variable haben einen gut definierten Mittelwert ihrer Leuchtkraft und eignen sich für galaktische Kugelsternhaufen. Ein großer Unsicherheitsfaktor ist die Bestimmung der interstellaren Extinktion A. Die photometrische Eichung eines Ensembles von Sternen konstanter Entfernung, welche einen gewissen Bereich von Spektraltypen abdecken, erlaubt neben der Bestimmung von r auch die Bestimmung der interstellaren Extinktion (Sternhaufenparallaxe). Dazu wird ein Farb-Helligkeits-Diagramm (FHD) und ein Farb-Farb-Diagramm (FFD) erstellt. Aus dem FHD werden die Sterne der Hauptreihe ermittelt. Der Vergleich des FFD der Hauptreihensterne mit einem Modell ergibt den Extinktions-Verschiebungsvektor, und damit A. Der Vergleich des FHD mit dem FHD eines Ensembles von anhand trigonometrischer Parallaxen geeichten Sternen ergibt die absolute Helligkeitsskala des untersuchten Ensembles. Einführung_3.2_25.sxw Seite 8 22.4.5

3.2.1.3 Weitere Verfahren Sternstromparallaxe: Die Eigenbewegung der Sonne ermöglicht, statistisch mit Hilfe der resultierenden Scheinbewegung die säkulare Parallaxe von geeignet gewählten Sterngruppen zu ermitteln. Deren mittlere Eigenbewegung µ führt zu einer mittleren Parallaxe 4.74 µ p =, (3.3) 19.7 sin χ wobei χ der Winkel zwischen der Sternengruppe und dem χ Apex ist. Diese Methode funktioniert, solange die betrachtete Sternengruppe keine nennenswerte Korrelation der Eigenbewegungen ihrer Mitglieder hat. Eine solche Korrelation kann durch die gemeinsame Entstehung der Mitglieder entstehen. Vom Standpunkt des Beobachters scheinen die Sterne einem gemeinsamen Punkt an der Himmelskugel (Konvergenzpunkt) zuzustreben. Mißt man die vektorielle Geschwindigkeit der Mitglieder, so läßt sich die Entfernung bestimmen. Man kann mit ihrer Hilfe insbesondere die Gruppenmitglieder besser identifizieren. Dynamische Parallaxen erhält man aus der Analyse der scheinbaren und wahren Bewegung von visuellen Doppelsternen und Bedeckungsveränderlichen. Die Eichung erfolgt über die spektroskopisch bestimmte Sichtliniengeschwindigkeiten und die Bahnparameter. 3.2.2 Lokales Ruhesystem Die Änderungen der relativen Sternpositionen in der näheren Umgebung ergibt sich aus der Analyse der Bewegungen der Sterne. Man kann die Bewegung im Raum aus der spektroskopisch bestimmten Radialgeschwindigkeit λ v r = c, (3.4) λ Einführung_3.2_25.sxw Seite 9 22.4.5

wobei λ die Wellenlängenverschiebung von der Ruhewellenlänge λ ist, sowie der Eigenbewegung µ (proper motion; arcsec pro Jahr) bestimmen. Die Tangentialgeschwindigkeit v t kann man aus der Eigenbewegung und der Parallaxe p unter Zuhilfenahme der Bahngeschwindigkeit der Erde (v Erde = 2π AU/Jahr = 3 km/s) berechnen mit verde µ 1 µ vt = = 4.74[ km s ]. (3.5) 2π p p In unmittelbarer Sonnenumgebung kann man aus dem Mittelwert der Eigenbewegungen vieler Sterne die Eigenbewegung der Sonne gegenüber einem Lokalen Ruhesystem (Local Standard of Rest) ermitteln. Es ergibt sich eine Bewegung mit einer Geschwindigkeit von vsonne = 19.7 km s -1 in die Richtung mit Rektaszension α = 18h m und Deklination δ = 3 (Apex). Die Geschwindigkeiten der Sterne in Sonnenumgebung betragen einige bis einige Dutzend km/s, und sind damit den Bahnbewegungen der Planeten, insbesondere der Erde, vergleichbar. Die genaue Bestimmung der Radialgeschwindigkeiten erfordert die Berücksichtigung von Erdrotation und Erdbahnbewegung, sowie die Einflüsse von Mond und Planeten (Reduktion auf das Baryzentrum des Sonnensystems). Einführung_3.2_25.sxw Seite 1 22.4.5

3.2.3 Sternstatistiken 3.2.3.1 Anzahl-Helligkeitsrelation Erste Hinweise über die Struktur der Milchstraße ergeben sich aus der Analyse der Sternstatistiken - die Zahl N(m) der Sterne mit einer scheinbaren Helligkeit m. Nach (2.37) nimmt m mit dem Logarithmus der Entfernung zu. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Sterne in einem Volumen mit Radius r proportional zu r 3 zu. Hätten alle Sterne dieselbe absolute Helligkeit und wäre ihre Dichte konstant, so wäre lg N ( m) =.6m+ const. Man mißt eine deutlich schwächeres Anwachsen, welches zurückzuführen ist auf wenigstens einen von zwei Gründen: Konzentration der Dichte zur Sonne hin Interstellare Absorption Verteilung Scheinbare Helligkeit 8 7 6 lg Anzahl 5 4 3 Beobachtet Theoretisch 2 1 2 4 6 8 1 12 14 Scheinbare Helligkeit [mag] Einführung_3.2_25.sxw Seite 11 22.4.5

3.2.3.2 Leuchtkraftfunktion Im allgemeinen ist N(m) eine Funktion der Dichteverteilung der Sterne D(r), der Leuchtkraftverteilung Φ(M), und der interstellaren Extinktion γ(r). Die Leuchtkraftverteilung gibt die Zahl der Sterne pro Volumenelement mit einer absoluten Helligkeit im Intervall (M, M+dM) an. Sie ist ein wichtiger physikalischer Parameter, von welchem die Erzeugungsraten der Sterne als Funktion ihrer Leuchtkraft - und damit der Masse - ermitteln läßt. In der Nähe zur Sonne gibt es keine Sternentstehungsgebiete. Die gegenwärtige, lokale Leuchtkraftverteilung weicht daher von der initialen Leuchtkraftverteilung Φ (M) einer Hauptreihe mit Alter Null ab. Man erhält die initiale Leuchtkraftverteilung aus einer gemessenen Verteilungdurch Berücksichtigen der Lebensdauer der helleren Sterne. Verteilung der absoluten Helligkeit 35 3 25 2 Zahl 15 1 5-5 -4-3 -2-1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 11 Abs. Helligkeit Die Abbildung rechts zeigt die Verteilung der absoluten Helligkeit von 9999 Sternen mit Abständen bis zu 1 pc von der Sonne. Die Verteilung ist zu geringen Leuchtkräften begrenzt, weil diese Sterne schwer zu finden sind. Der Abfall zu Einführung_3.2_25.sxw Seite 12 22.4.5

größeren Leuchtkräften entsteht durch zwei Effekte; die geringere Häufigkeit von Sternen mit großen Massen während der Entstehung, und deren kürzere Lebensdauer. Kennt man Φ(M), so kann man aus der beobachteten Helligkeitsverteilung und der Extinktion γ(r) die Sterndichte D(r) bestimmen. Die absolute Helligkeit ist gegeben mit (2.37): r r M = m 5 log γ ( ). (3.6) 1[pc] Die Zahl der Sterne in einem Volumenelement dv = ωr 2 dr in der Entfernung r ist r r r dn ( m) = D( ) Φ m 5log γ ( ) 1 pc N ( m) = r r r D( ) Φ m 5log γ 1 pc ( r ) ωr 2 dr. (3.7) Die letzte Gleichung ist die Fundamentalgleichung der Stellarstatistik. Die Leuchtkraftfunktion wird in Sonnennähe gemessen, die Extinktion ergibt sich aus Farb-Farb-Diagrammen. Mit Hilfe der Stellarstatistik erreicht man Sterne bis in eine Entfernung von 1 kpc. 3.2.3.3 Verteilung der Masse Für Hauptreihensterne ist die spezifische Leuchtkraft L / M Stern mit der Sternenmasse M Stern durch die Masse-Leuchtkraft- L gegeben, es gilt also ungefähr ~L.7. Genauer kann der Zusammenhang aus dem Verlauf der M Stern 3.5 Beziehung, L~M Stern MLB hergestellt werden. Man kann mithilfe dieses Zusammenhangs die Massen von Ensembles von Sternen schätzen, deren Massen nicht direkt (z. B. Als Mitglieder von Doppelsystemen) zugänglich sind. Die Verteilung der Sternenmassen zum Lebensalter Null wird als ursprüngliche Massenfunktion (initial mass function) bezeichnet. Ihre Bestimmung ist derzeit eine zentrale Aufgabe der Stellarstatistik. Einführung_3.2_25.sxw Seite 13 22.4.5

Initiale Massenfunktion (Aake Nordlund) Einführung_3.2_25.sxw Seite 14 22.4.5

3.2.4 Struktur der Milchstraße in Sonnenumgebung Helle Objekte kann man in größeren Entfernungen messen. Diese umfassen Objekte unterschiedlichen Alters: Sterne frühen spektralen Typs, H II-Regionen, OB-Assoziationen, offene Sternhaufen, Cepheiden, RR Lyrae-Sterne, Superriesen, Riesen späten Typs, und Kugelsternhaufen. Die Verteilung junger Objekte deutet eine Strukturierung in einer Umgebung bis zu 4... 5 kpc an, welche man als drei Spiralarme der Milchstraße interpretiert. Alte Objekte, wie Kugelsternhaufen, sind nahezu sphärisch um das Zentrum der Milchstraße verteilt. Aus dieser Verteilung wird der Abstand des Sonnensystems vom Zentrum bestimmt; ca. 8.5 kpc. Sterne in der Ebene der Milchstraße verfolgen nahezu kreisförmige Bahnen um ihr Zentrum, sind i. A. jung und metallhäufig (2%... 4%). Die interstellare Materie bewgt sich ebenfalls auf ähnlich kreisförmigen Bahnen. Diese Komponenten ordnet man der Population I (Scheibenpopulation) zu. Außerhalb der Ebene der Milchstraße gib es einen Halo mit einem Radius von über 5 kpc. Die Sternendichte ist im Zentrum am größten, dort gibt es wenig interstellare Materie und die Sterne sind bis zu 1 1 Jahre alt. Sie enthalten wenig Metalle. Man bezeichnet sie als Population II - Objekte (Halopopulation). Dazwischen gibt es Untergruppen. Die Populationen entsprechen unterschiedlichen zeitlichen Entwicklungsstufen. Einführung_3.2_25.sxw Seite 15 22.4.5

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Typische Vertreter Halo- Population II Unterzwerge, Kugelhaufen, RR Lyr (P>.4d) Zwischenpopulation II Langperiodische Veränderliche Scheibenpopulation Planet. Nebel, Novae, helle Rote Riesen Alte Population I A-Sterne, Metall- Zwerge, klass. Cepheiden Mittl. Alter > 6 6 5 5 2 2.1 <.1 [1 9 Jahre] Abstand vom GZ [pc] 2 7 4 16 12 Junge Population I Gas, Staub, Überriesen, T Tau Sterne Vert. Geschwindigkeit [km/s] 75 25 18 1 8 Metallhäufigkeit.3.1.2.3.4 Einführung_3.2_25.sxw Seite 17 22.4.5

3.2.5 Rotation der Milchstraße 3.2.5.1 Differentielle Rotation der nahen Sterne Die Form der Milchstraße läßt auf einen kohärente kreisförmige Bewegung der Scheibenmitglieder um den Mittelpunkt der Scheibe schließen. Im allgemeinen wird das Rotationsgesetz V(R) bzw. die auf das Zentrum bezogene Winkelgeschwindigkeit Ω(R) eine beliebige Funktion des Abstandes R vom Zentrum der Milchstraße sein (differentielle Rotation). Die Milchstraße rotiert nicht als "fester Körper" mit konstanter Winkelgeschwindigkeit. Dem Holländer Jan H. Oort gelang die Messung des Rotationsgesetzes in der unmittelbaren Umgebung der Sonne in den zwanziger Jahren. Ein Rotationsgesetz der Form V(R) führt zu einem deutlichen Muster in den radialen und tangentialen Geschwindigkeiten - bzw. der Eigenbewegungen, welche von der galaktischen Länge abhängen. Wir führen galaktische Koordinaten (l,b) - galaktische Länge und Breite - ein (s. Abschn. 1.3.1.5). Ursprung der gal. Länge ist die Richtung zum Zentrum der Milchstraße (α = 17 h 42.4 m, δ = -28 55 ), der Breite die Ebene der Milchstraße. Der Abstand der Sonne zum Zentrum, ihre Bahn- und Winkelgeschwindigkeit seien mit R, V, und Ω gegeben, die eines beliebigen Sterns mit R, V, und Ω. Die beobachtete Radial- und Tangentialgeschwindigkeiten v r und v t ergeben sich nach etwas Geometrie zu vr = R ( Ω Ω ) sin l, (3.8) vt = R( Ω Ω ) cos l Ωr wobei r die Distanz Sonne - Stern ist. Entwickelt man das Geschwindig-keitsgesetz V ( R) = R Ω( R) in eine Taylorreihe in der Umgebung der Sonne, so erhält man als erste Näherung V dv vr r cos l sin l = A r sin 2l R dr R= R (3.9) V dv vt r cos 2 l Ωr = A r cos 2l + B r R dr R= R Einführung_3.2_25.sxw Seite 18 22.4.5

Zur differentiellen Rotation der Milchstraße. Einführung_3.2_25.sxw Seite 19 22.4.5

wobei A = B = 1 2 1 2 V R V R + dv dr dv dr R = R R = R die 1. und 2. Oort'schen Konstante sind. Man beachte, daß die mittlere Eigenbewegung der Sterne µ( l) (3.1) = v t = Acos 2l + r unabhängig von der Entfernung ist. Die heute gültigen Werte für die Oortschen Konstanten sind A = 15 [km s -1 kpc -1 ] und B = -1 [km s -1 kpc -1 ]. Man erhält die solare Winkelgeschwindigkeit mit -1-1 16-1 -8-1 Ω = A B = 25[km s kpc ] = 8.3 1 [s ] = 2.6 1 [y ] (3.11) bzw. die solare Umlaufzeit um das galaktische Zentrum mit 1 8 2π Ω = 2.4 1 [y]. Seit ihres Entstehens hat die Sonne ca. 2 Umläufe absolviert. Die Summe der Oortschen Konstanten ergibt den lokalen Gradienten der differentiellen Rotation: -A - B = -5 [km s -1 kpc -1 ]. Die Umlaufgeschwindigkeit der Sonne läßt sich anhand extragalaktischer Quellen messen und beträgt ca. V = 22 km s -1. Daraus ergibt sich ein Abstand zum Zentrum der Milchstraße von ca. R = 8.5 kpc, in Übereinstimmung mit der Verteilung von Kugelsternhaufen. 3.2.5.2Rotation der interstellaren Materie Die Radioemission der interstellaren Materie (IM) läßt sich aufgrund der geringen Extinktion bis in große Entfernungen beobachten, sogar vom anderen Ende der Milchstraße. Aufgrund der Spiralstruktur der Verteilung der Materie, welche sich in der Verteilung der IM widerspiegelt, beobachtet man eine diskontinuierliche Verteilung der Radialgeschwindigkeiten. Eigenbewegungen der IM kann man nicht beobachten. Durch die Annahme, daß Spiralarme über gewisse Distanzen zusammen- B Einführung_3.2_25.sxw Seite 2 22.4.5

hängend sind und durch Messungen der Radialgeschwindigkeiten als Funktion der galakt. Länge lassen sich Karten der Spiralarme erstellen. Aus der maximalen Radialgeschwindigkeit als Funktion der gal. Länge kann man V(R) über einen weiteren Bereich von R abschätzen. Das Zentrum rotiert wie ein starrer Körper, ab ca. 1 kpc variiert die Geschwindigkeit zwischen 2-25 km s -1. Weiter außen scheint die Geschwindigkeit weiter zuzunehmen. Aufgrund der Geschwindigkeit in der Nähe der Sonne ergibt sich nach dem 3. Keplerschen Gesetz eine eingeschlossene Masse der Milchstraße von R V 2 11 MG = 1 M Sonne (3.12) G Dies ist eine untere Grenze, da sich jenseits der Sonne sonst ein reines Kepler-Gesetz mit 1/ 2 V ( R) R ergeben müßte, was A B offenbar nicht der Fall ist. Aus dem Keplerschen Gesetz müßte sich ebenfalls ein Wert für = 2 ergeben anstatt des empirischen Wertes von 5, ebenfalls ein Hinweis darauf, daß noch ein beacktlicher Teil der Masse der Milchstraße außerhalb der A + B Sonnenbahn vorhanden sein muß. Einführung_3.2_25.sxw Seite 21 22.4.5

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