kommunikation Wahlprogramm-Check 2009 Die Bundestagswahlprogramme der Parteien im Vergleichstest Juli 2009

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Transkript:

Wahlprogramm-Check 2009 Die Bundestagswahlprogramme der Parteien im Vergleichstest Juli 2009 Eine Studie der Universität Hohenheim in Kooperation mit CommunicationLab, Ulm

Inhalte der Untersuchung 1. Verständlichkeitsanalyse a. Quantitative Analyse b. Qualitative Analyse 2. Themenanalyse 3. Begriffsanalyse

Fragen Wie verständlich sind die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl? Gibt es Unterschiede zwischen den Parteien und bei verschiedenen Themen? Welche Themen werden behandelt und in welchem Umfang? Welches Vokabular wird verwendet? Hintergrund Politik gilt als bürgerfern, unverständlich und intransparent. Damit die Wählerinnen und Wähler eine begründete Wahlentscheidung treffen können, sollten Parteien ihre Positionen zur Bundespolitik klar und verständlich darstellen. Die Bundestagswahlprogramme sind dabei ein Mittel, um die eigenen Positionen darzulegen. Studie Vergleich der Bundestagswahlprogramme aller im Bundestag vertretenen Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90 / Die GRÜNEN, Die Linke)

Untersuchungsdesign Die formale Verständlichkeit der Bundestagswahlprogramme wurde quantitativ und qualitativ gemessen. Für das quantitative Verfahren wurde die vom CommunicationLab Ulm und von der Universität Hohenheim entwickelte Verständlichkeitssoftware TextLab verwendet. Diese Software berechnet verschiedene, validierte Lesbarkeitsformeln sowie für die Verständlichkeit relevante Textfaktoren (z.b. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter). Aus diesen Werten setzt sich der Hohenheimer Verständlichkeitsindex zusammen, der die Verständlichkeit der Programme abbildet (siehe Anhang). Das vom CommunicationLab Ulm entwickelte qualitative Verfahren (leitfadengestützte Expertenanalyse) erfasst auch Aspekte der Verständlichkeit, die die quantitative Analyse nicht berücksichtigt: z.b. die Gliederung und Formatierung eines Textes oder die Erläuterung von Fachbegriffen (siehe Anhang).

Quantitative Verständlichkeitsanalyse eins.a

Die wichtigsten Ergebnisse Die Links-Partei hat das formal unverständlichste Bundestagswahlprogramm. Es ist nicht sehr viel leichter zu lesen als eine Doktorarbeit in Politikwissenschaft. Die GRÜNEN verwenden die verständlichste Sprache d.h. kurze Sätze, wenig Schachtelsätze, selten komplexe oder abstrakte Wörter etc. Ohne ein hohes Bildungsniveau oder politisches Fachwissen sind die Inhalte der Bundestagswahlprogramme für die Wählerinnen und Wähler nur schwer zugänglich. Generell gilt: Die Parteien geben sich wenig Mühe, den Wählerinnen und Wählern ihre Politik verständlich zu machen. Eine Ausnahme stellen die Einleitungen, die Schlussteile sowie die Passagen über Leitgedanken und Selbstverständnis dar.

Hohenheimer Verständlichkeitsindex Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex reicht von 0 (überhaupt nicht verständlich) bis 20 (maximal verständlich). Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3. Die Politik-Beiträge in der Bild-Zeitung haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 16,8.

Die formale Verständlichkeit der Bundestagswahlprogramme 0 5 10 15 20 sehr unverständlich 6,5 8,6 8,4 11,0 10,5 sehr verständlich Zum Vergleich: Politikwissenschaftliche Doktorarbeiten = 4,3 Politik-Beiträge in der Bild-Zeitung = 16,8

Die Verständlichkeit der Themen / Passagen im Unions-Programm: Top5 und Flop5 Leitgedanken und Selbstverständnis Einleitung Arbeitsmarktpolitik Deutschlandpolitik Familienpolitik Energiepolitik Steuerpolitik Gesundheitspolitik Wirtschaftspolitik allgemein Entwicklungspolitik 0 5 10 15 20 sehr unverständlich sehr verständlich

Die Verständlichkeit der Themen / Passagen im SPD-Programm: Top5 und Flop5 Einleitung Schlussteil Kirche und Religion Demokratie Leitgedanken und Selbstverständnis Verteidigungspolitik Verwaltung Agrarpolitik Gesundheitspolitik Telekommunikation und Post 0 5 10 15 20 sehr unverständlich sehr verständlich

Die Verständlichkeit der Themen / Passagen im FDP-Programm: Top5 und Flop5 Schlussteil Einleitung Leitgedanken und Selbstverständnis Demokratie Kultur und gesellschaftl. Entwicklung Wirtschaftskrise Arbeitsmarktpolitik Verwaltung Verteidigungspolitik Entwicklungspolitik 0 5 10 15 20 sehr sehr unverständlich verständlich

Die Verständlichkeit der Themen / Passagen im Programm der Grünen: Top5 und Flop5 Schlussteil Kritik an anderen Parteien Einleitung Geschlechterpolitik Wirtschaftskrise Wirtschaft und Finanzen allgemein Verteidigungspolitik Gesundheitspolitik Kirche und Religion Bündnistreue/Westbindung 0 5 10 15 20 sehr unverständlich sehr verständlich

Die Verständlichkeit der Themen / Passagen im Programm der Linken: Top5 und Flop5 Kritik an anderen Parteien Einleitung Leitgedanken und Selbstverständnis Schlussteil Außen- und Sicherheitspolitik allgemein Bildung, Forschung und Kultur Europapolitik Umweltschutz Arbeitsmarktpolitik Gesundheitspolitik 0 5 10 15 20 sehr unverständlich sehr verständlich

Qualitative Verständlichkeitsanalyse eins.b

Die wichtigsten Ergebnisse Die Expertenbewertung bestätigt die Ergebnisse der quantitativen Analyse: Die Inhalte der Bundestagswahlprogramme sind als schwer bis sehr schwer verständlich einzustufen. Die Defizite in der Verständlichkeit betreffen alle Parteien, wenn auch unterschiedlich stark. Neben der häufigen Verwendung von Fremd- und Fachwörtern findet sich oft ein sehr fachlicher und komplexer Sprachstil. Zum Teil werden Begriffe inkonsistent verwendet und umständliche Formulierweisen gewählt. Wählerinnen und Wähler müssen über ein profundes politisches Grund- und Vorwissen verfügen, um die Botschaften zu verstehen. Begriffe werden oftmals vorausgesetzt; Fremd- und Fachwörter werden kaum erklärt.

Kriterien der qualitativen Analyse Die softwarebasierte Verständlichkeitsanalyse wurde um eine qualitative Analyse ergänzt. Die Wahlprogramme werden überprüft, inwiefern sie elf Verständlichkeitsregeln einhalten. Verstöße gegen diese Regeln werden in zwei Kategorien eingeteilt: Kategorie 1: leichter Verstoß gegen Verständlichkeit, z.b. Fachsprache, zu hohe Ideendichte, komplexe Formulierungen Kategorie 2: schwerer Verstoß gegen Verständlichkeit, z.b. Fremdwörter ohne Erklärung, komplexe Satzkonstruktionen, begriffliche Inkonsistenz

Qualitative Analyse: Vorgehensweise Die qualitative Analyse wurde an Textauszügen der Wahlprogramme zur Bundestagswahl durchgeführt: Untersucht wurden sämtliche Passagen zu den Themenfeldern Wirtschaftspolitik/ Wirtschaftskrise, Gesundheit, Energiepolitik und Verteidigung. Anhand eines Leitfadens (Kriterienkatalog) wurden die Texte von einem Experten analysiert. Verstöße gegen eines der Kriterien wurden entsprechend der jeweiligen Einstufung (Kategorie 1 / Kategorie 2) dokumentiert. Neben der reinen Anzahl der Verstöße spielt also auch die Qualität des Verstoßes bei der qualitativen Bewertung der Textverständlichkeit eine wichtige Rolle.

Qualitative Analyse: Vorgehensweise Da sich die Textvolumina zu den einzelnen Themen bei den Parteien unterscheiden, wurde der Vergleich zwischen den Parteien nicht aufgrund der absoluten Anzahl an Verstößen, sondern anhand der durchschnittlichen Anzahl an Verstößen je Seite bewertet. Als Grundlage der Auswertung (Verstöße je Seite) dienten Standardseiten mit 30 Zeilen zu je 55 Zeichen. Dadurch konnten Unterschiede im Seitenumfang aufgrund unterschiedlicher Schriftarten und Schriftgrößen in den Programmen aufgehoben werden.

Durchschnittliche Zahl der Verstöße gegen Verständlichkeitsregeln pro Seite in den Themenfeldern Wirtschaftspolitik/Wirtschaftskrise, Gesundheit, Energiepolitik und Verteidigung 32,0 32,2 33,4 36,5 48,6

Ergebnisse der Expertenbewertung: Verstöße Die häufigsten Verstöße gegen Verständlichkeitsregeln gibt es in folgenden Kategorien: Fremdwörter Fachwörter Satzkomplexität Fachsprache Wording kommunikative Funktion. Dies weist auf eine sehr fachliche, komplexe und schwer verständliche Sprache hin. Die Erkenntnisse der quantitativen Analyse werden durch die qualitative Analyse bestätigt.

Verstöße gegen das Kriterium Fremdwörter Mit durchschnittliche 5,7 Verstößen je Seite verwendet Die Linke am häufigsten Fremdwörter ohne Erklärung. Aber auch die FDP (5 Verstöße je Seite) und die SPD (4,8 Verstöße je Seite) erreichen in dieser Kategorie keine guten Werte. Beispiele: Agro-Gentechnik (Die Linke) Konversionsprogramme (Die Linke) Corporate Social Responsibility (SPD) BIP oder SGB II (CDU/CSU) Palliativmedizin (Die GRÜNEN)

Verstöße gegen das Kriterium Fachwörter Die Linke verstößt mit Abstand am häufigsten gegen das Kriterium Fachwort (16,6 Verstöße pro Seite). Es folgen die FDP (7 Verstöße/Seite) und die SPD (6,8 Verstöße/Seite). Beispiele: regenerativen Vollversorgung (Die Linke) supra-regionale Institutionen (Die Linke) Wahlquorum (FDP) Kurzfristorientierung (SPD) Ehrenamtscard (CDU/CSU) energetische Sanierung (Die GRÜNEN) Agroenergie-Importe (Die Linke) britische Stempelsteuer (SPD)

Verstöße gegen das Kriterium Satzkomplexität Am häufigsten verstoßen die FDP (4,3 Verstöße/Seite) und die Union (4 Verstöße/Seite) gegen das Kriterium Satzkomplexität. Obwohl die SPD mit nur 2,8 Verstößen pro Seite das beste Ergebnis erzielt, enthält ihr Programm den längsten Satz (74 Wörter) aller Programme (folgendes Beispiel). Das international vereinbarte Ziel, die CO 2 Emissionen in Industriestaaten bis 2050 gegenüber 1990 um 80-95 Prozent zu reduzieren, ist nur erreichbar, wenn wir jetzt in die Modernisierung unserer Kohle- und Gaskraftwerke investieren, um weniger CO 2 zu emittieren, wir die Emissionsbudgets im Rahmen der EU und der internationalen Vereinbarungen weiter absenken, der Anteil erneuerbarer Energien über das Jahr 2030 hinaus weiter ansteigt und der jetzt bereits geltende Vorrang der Einspeisung ins Netz erhalten bleibt. (SPD)

Verstöße gegen das Kriterium Satzkomplexität Wir werden für Existenzgründerinnen und Existenzgründer flächendeckend neue Anlaufstellen in Form eines One-Stop-Shops schaffen, ihnen den Zugang zu Wagniskapital erleichtern und gezielte Beratungsangebote insbesondere für ältere Gründer und Frauen entwickeln, umsetzen und ausbauen. (SPD) Wir wollen, dass bei uns in Deutschland alle Bürgerinnen und Bürger in wärmegedämmten und energieeffizienten Wohnungen leben, sich energiesparende Haushaltsgeräte leisten können und bezahlbaren Zugang zu umweltfreundlicher Mobilität haben, um nicht immer mehr Geld ihres Haushaltseinkommens durch unsere Abhängigkeit von teuren fossilen Energieträgern zu verlieren. (Die GRÜNEN) Leitungskorridore von Schwerpunkten der Kraftwirtschaft zu möglichen Speicherstandorten sind planerisch frühzeitig vor konkurrierenden Einflüssen, die die Nutzung wesentlich erschweren oder gar unmöglich machen, zu sichern. (FDP)

Verstöße gegen das Kriterium Fachsprache Die Linke (12,5 Verstöße/Seite) und die FDP (11,2) weisen die häufigsten Verstöße gegen das Kriterium Fachsprache auf. Beispiele: Die FDP will niedrigere Netzentgelte im Wege einer strikten Kontrolle der Netzbetreiber durch Effizienzsteigerung und Versorgungsqualität im Betrieb der Netze erreichen. (FDP) Wir brauchen eine ökologisch-technische Effizienzrevolution, eingebettet in alternative Lebensstile. (Die Linke) Strategische Industriepolitik verzahnt die Förderung von Forschung, den Infrastrukturausbau, Anreize für private Nachfrage, Regulierungen und den gezielten Einsatz der öffentlichen Nachfragemacht. (SPD)

Verstöße gegen das Kriterium Fachsprache Der Human-Potential-Index ist daher eine wichtige Ergänzung zum DGB-Index Gute Arbeit. (SPD) Der konsequente Weg zur Aufdeckung von Ineffizienzen bei der Erhebung von Netzentgelten wird weiterverfolgt und eine weitergehende Entflechtung der Energienetze angestrebt. (FDP) Normenkontrollrat und Standardkostenmessung haben sich bewährt. (CDU/CSU) Für Kreditzusagen an eine nicht konsolidierte Zweckgesellschaft müssen grundsätzlich die gleichen Eigenkapitalvorschriften gelten wie für Aktiva vergleichbaren Risikos in der Bilanz. (CDU/CSU)

Verstöße gegen das Kriterium Wording GRÜNE (5,7 Verstöße/Seite), CDU/CSU (5,5 Verstöße/Seite) und FDP (5,1 Verstöße/Seite) verstoßen am häufigsten gegen das Kriterium Wording. Die Linke schneidet bei diesem Kriterium mit 2,6 Verstößen je Seite am besten ab. Beispiele: Nachtwächterstaat (Die GRÜNEN) Die grüne Pflegezeit (Die GRÜNEN) Freiwilligenagenturen (CDU/CSU) ordnungspolitischer Kompass (FDP) Das Gerede vom kranken Mann Europas ist lange vorbei. (SPD)

Verstöße gegen das Kriterium begriffliche Inkonsistenz In einigen Fällen finden sich auch begriffliche Inkonsistenzen. Beispielsweise wurden folgende Begriffe im Programm der GRÜNEN in einem Abschnitt (194 Wörter) für den selben Sachverhalt verwendet: Atomkraftwerke Meiler nukleare Großkraftwerke AKW Reaktoren

Verstöße gegen das Kriterium kommunikative Funktion Am häufigsten verstoßen Die Linke (6,3 Verstöße/Seite) und die CDU/CSU (3,3 Verstöße/Seite) gegen das Kriterium kommunikative Funktion. Beispiele: Jugendoffiziere in Schulen, Universitäten und Arbeitsagenturen nur mit Vertreterinnen und Vertretern gegenteiliger Auffassungen auftreten lassen. (Die Linke) Abflachung des Mittelstandsbauches (CDU/CSU) Terrorismusbekämpfung ist eine Querschnittsaufgabe. (FDP) Die Köpfe unserer Kinder sind unsere wichtigste Ressource (Die GRÜNEN) Deutschland ist ein landwirtschaftlicher Gunststandort. (FDP)

Ergebnisse der Expertenbewertung: Layout Auch das Layout der Programme wurde anhand der Expertenbewertung untersucht. Das Ergebnis: Am unübersichtlichsten ist das Programm der Partei Die Linke gestaltet. Es bietet dem Leser kaum Möglichkeiten, zwischen Wichtigem und weniger Wichtigem zu differenzieren. Auch das Programm der FDP besteht überwiegend aus Fließtext. Allerdings sind immer wieder Begriffe durch Fettungen hervorgehoben. Da diese Fettungen jedoch sehr zahlreich eingesetzt werden, können sie auch zu einer Störung des Leseflusses führen. Auch das Programm der GRÜNEN besteht überwiegend aus langen Fließtext-Passagen. Allerdings findet sich am Ende eines jeden Kapitels eine kurze Liste mit den wichtigsten Wahlgründen.

Ergebnisse der Expertenbewertung: Layout CDU/CSU und SPD schneiden hinsichtlich des Layouts ihrer Programme am besten ab. Zwischenüberschriften und Aufzählungen helfen dem Leser, gezielt Inhalte auszuwählen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Die SPD hat als einzige von allen Parteien bereits eine Kurzfassung ihres Wahlprogramms veröffentlicht.

Themenanalyse zwei

Die wichtigsten Ergebnisse Die GRÜNEN haben das mit Abstand längste Programm (52.954 Wörter). Die Linke hat mit knapp 20.000 Wörtern das kürzeste Programm. Alle Bundestagswahlprogramme sind deutlich länger als die Europawahlprogramme der entsprechenden Partei. Bildung, Forschung und Kultur ist das Top-Thema der Bundestagswahlprogramme. Es befindet sich bei fast allen Parteien auf einem der ersten beiden Plätze. Nur bei den GRÜNEN belegt es Platz 5. Wirtschaft und Finanzen sowie Außen- und Sicherheitspolitik folgen auf den Plätzen 2 und 3. Die Linke schreibt über kein Thema häufiger als über die Sozialpolitik.

Länge der Wahlprogramme (Wortzahl) 8.570 8.504 5.164 13.939 19.523 27.174 27.129 33.664 35.853 52.954 zum Vergleich: Länge der Europawahlprogramme 2009

Themenschwerpunkte (Wortzahl der Top5-Themen je Programm) 1. Bildung, Forschung und Kultur (3.716) 2. Wirtschaft und Finanzen (3.357) 3. Außen- und Sicherheitspolitik (2.770) 4. Sozialpolitik (2.390) 5. Justiz und Recht (1.986) 1. Wirtschaft und Finanzen (4.366) 2. Bildung, Forschung und Kultur (3.788) 3. Außen- und Sicherheitspolitik (3.175) 4. Sozialpolitik (2.617) 5. Arbeitsmarktpolitik (1.987) 1. Bildung, Forschung und Kultur (6.127) 2. Außen- und Sicherheitspolitik (4.823) 3. Sozialpolitik (4.049) 4. Wirtschaft und Finanzen (3.741) 5. Justiz und Recht (3.542) 1. Außen- und Sicherheitspolitik (7.814) 2. Familienpolitik (6.678) 3. Sozialpolitik (6.042) 4. Wirtschaft und Finanzen (5.890) 5. Bildung, Forschung und Kultur (5.241) 1. Sozialpolitik (3.662) 2. Bildung, Forschung und Kultur (2.570) 3. Außen- und Sicherheitspolitik (2.431) 4. Justiz und Recht (1.886) 5. Wirtschaft und Finanzen (1.886)

Begriffsanalyse drei

Die wichtigsten Ergebnisse Die CDU/CSU verwendet von allen Parteien am häufigsten das Wort Deutschland. Menschen, Zukunft und Sicherheit sind ebenfalls häufig verwendete Wörter bei der CDU/CSU. Die SPD verwendet mit Abstand am häufigsten das Wort Arbeit. Weitere häufige Wörter sind Menschen, Deutschland, Bildung und Soziales. Sich selbst ( SPD ) nennt die SPD deutlich seltener als alle anderen Parteien. Die FDP erwähnt am häufigsten sich selbst: FDP ist das häufigste Wort gefolgt von Deutschland, Menschen sowie Freiheit und Wettbewerb. Die GRÜNEN nennen ihren eigenen Parteinamen ebenfalls häufig. Krise, Menschen, müssen und mehr kommen aber noch häufiger vor. Auch Die Linke erwähnt neben ihrer eigenen Partei am häufigsten die Menschen. Ebenfalls häufig werden die Wörter Unternehmen, Deutschland, Gesellschaft und Frauen verwendet.

Die häufigsten Wörter im CDU/CSU-Programm erzeugt mit Wordle.net

Die häufigsten Wörter im SPD-Programm erzeugt mit Wordle.net

Die häufigsten Wörter im FDP-Programm erzeugt mit Wordle.net

Die häufigsten Wörter im GRÜNEN-Programm erzeugt mit Wordle.net

Die häufigsten Wörter im Linke-Programm erzeugt mit Wordle.net

Anhang

Erfasste Parameter bei der quantitativen Analyse Lesbarkeitsformeln Verständlichkeitsparameter Amstad-Formel Durchschnittliche Satzlänge 1. Wiener Sachtext-Formel Durchschnittliche Wortlänge SMOG Index Anteil Wörter mit mehr als 6 Zeichen Lix Lesbarkeitsindex Anteil Schachtelsätze Anteil Sätze über 20 Wörter

Indexberechnung Aus den erhobenen Parametern wurde der Hohenheimer Verständlichkeitsindex berechnet: 1. 2. 3. 4. Um die Ergebnisse bewerten zu können, wurden zunächst Zielwerte (Benchmarks) definiert. Hierfür wurden Texte der Bild-Zeitung aus dem Ressort Politik ausgewertet (Zielwert leichter Text) sowie Abstracts aus politikwissenschaftlichen Doktorarbeiten (Zielwert schwere Texte). Diese Benchmarks wurden für jeden Formelwert und jeden Parameter errechnet. Um alle Werte miteinander vergleichen zu können, wurden die Ergebnisse auf eine Skala von 0 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) standardisiert. Die Einzelwerte wurden nun zu einem Durchschnittswert für die Formeln und zu einem Durchschnittswert für die Parameter verrechnet. Beide Werte wurden schließlich zu einem Indexwert addiert.

Leichte Verstöße gegen Verständlichkeitsgebote (Kategorie 1) Fachbegriff: Wenn ein Fachwort anstatt eines geläufigen bzw. umgangssprachlichen Begriffes verwendet wird. Fachsprache: Wenn ein fachlicher Sprachstil (z.b. wissenschaftlich, technisch etc.) verwendet und nicht verständlich (einfache Sprache, Umgangssprache) formuliert wird. Inhaltliche Komplexität: Wenn Sachverhalte unnötig komplex dargestellt werden. Wording / Formulierung: Wenn nicht eindeutige Begriffe, Eigennamen und Wortkreationen ohne weitere Erklärung verwendet werden. Ideendichte: Wenn viele zentrale Ideen und Thesen gehäuft in einem Satz oder in einem kurzen Abschnitt vorkommen.

Schwere Verstöße gegen Verständlichkeitsgebote (Kategorie 2) Thematische Konsistenz / Logik: Wenn in einem Satz/ Abschnitt/ Text viele Informationen verwendet werden, die eher Nebenschauplätze darstellen oder deren Bezug zum Hauptthema nicht eindeutig ersichtlich wird. Fremdwort: Wenn ein Fremdwort ohne Erklärung eingesetzt wird. Wortkomplexität: Wenn komplexe Wortkomposita und Nominalisierungen verwendet werden. Begriffliche Inkonsistenz: Wenn unterschiedliche Begriff für den selben Sachverhalt/ Gegenstand verwendet werden. Satzkomplexität: Wenn komplexe Schachtelsätze mit vielen Einzelinformationen verwendet werden. Kommunikative Funktion: Wenn nicht klar wird was gemeint ist oder kein eindeutiger Bezug hergestellt werden kann.

Prof. Dr. Frank Brettschneider Dipl.-Komm-wiss. Jan Kercher Dr. Anikar M. Haseloff Universität Hohenheim Kommunikationswissenschaft Fruwirthstraße 46 70599 Stuttgart Tel. 0711-459-24030 frank.brettschneider@uni-hohenheim.de https://komm.uni-hohenheim.de Oliver Haug, M.A. Geschäftsführer Communication Lab, Ulm Kramgasse 1 89073 Ulm Tel. 0176-64144468 info@comlab-ulm.de http://www.comlab-ulm.de