Definitionen und Prüfungsschemata

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Lösung Fall 7: Wer kann dazu schon Nein sagen? I. 239 StGB (Freiheitsberaubung) Definitionen und Prüfungsschemata Freiheitsberaubung: Opfer wird zumindest vorübergehend unmöglich gemacht, sich nach seinem Willen fortzubewegen durch Einsperren: jemanden durch äußere Vorrichtungen am Verlassen eines Raumes hindern oder auf andere Weise: Opfer wird durch ein anderes Mittel, beispielsweise durch Gewalt, Drohung oder List, die Möglichkeit der Fortbewegung genommen Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes 2. Rechtswidrigkeit und Schuld II. 239b Abs. 1 Alt. 1 StGB (Geiselnahme; Bemächtigungstatbestand) Entführen: Herbeiführen einer Ortsveränderung gegen den Willen des Opfers sich Bemächtigen: Täter erlangt physische Gewalt über das Opfer gegen dessen Willen; eine Ortsveränderung ist nicht erforderlich Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes (Qualifizierte) Nötigungsabsicht: Täter muss schon im Zeitpunkt der Entführung bzw. des Sich-Bemächtigens eine doppelte Zielrichtung verfolgen; erforderlich ist dolus directus 1. Grades bzgl. der Nötigung mittels einer qualifizierten Drohung (Inaussichtstellen des Todes, einer schweren Körperverletzung oder Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer, worauf der Täter Einfluss zu haben vorgibt) bzgl. der Herbeiführung eines bestimmten Nötigungserfolgs in Form jeder beliebigen Handlung, Duldung oder Unterlassung c) Ggf. Teleologische Reduktion des Tatbestandes im Zwei-Personen-Verhältnis 2. Rechtswidrigkeit und Schuld 1

III. 239b Abs. 1 Alt. 2 StGB (Geiselnahme; Ausnutzungstatbestand) (zweiaktiges Delikt) Entführen oder Sich-Bemächtigen ohne Nötigungsabsicht: Entführung oder Herrschaftserlangung über das Tatopfer erfolgt ohne Nötigungsabsicht und dauert noch fort Ausnutzung der geschaffenen Lage zur Nötigung des Entführungsopfers oder eines Dritten mittels einer qualifizierten Drohung Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes 2. Rechtswidrigkeit und Schuld IV. 240 StGB (Nötigung) Nötigungsmittel Gewalt: Vermittlung körperlich wirkenden Zwanges zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes, wobei eine körperliche Kraftentfaltung des Täters als nicht notwendig erachtet wird Drohung: Inaussichtstellen eines (künftigen) empfindlichen Übels, auf dessen Verwirklichung der Täter Einfluss zu haben vorgibt Übel: jede, über bloße Unannehmlichkeiten hinausgehende Einbuße an Werten bzw. Zufügung von Nachteilen empfindlich ist das Übel, wenn der drohende Verlust oder der befürchtete Nachteil geeignet sind, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen Nötigungserfolg: irgendein Handeln, Dulden oder Unterlassen Kausalität zwischen Nötigungsmittel und Nötigungserfolg Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes nach Lit: Nötigungsabsicht im Sinne zielgerichteten Handelns 2. Rechtswidrigkeit Kein Eingreifen von Rechtfertigungsgründen Verwerflichkeit der Nötigung gemäß 240 Abs. 2 StGB: erhöhter Grad sittlicher Missbilligung bzw. Sozialwidrigkeit des Handelns 3. Schuld Mittel-Zweck-Relation von ausschlaggebender Bedeutung; Indizwirkung der Verwerflichkeit entweder des Mittels oder des Zwecks 2

Probleme und Schwerpunkte I. Schwerpunkte 1. Ordnung Freiheitsberaubung bei Schlafenden Drohung mit einem Unterlassen II. Schwerpunkte 2. Ordnung Teleologische Reduktion des Tatbestandes des 239b StGB im Zwei-Personen-Verhältnis Gewaltbegriff im Sinne des 240 StGB Verwerflichkeit der Nötigung mit einer Strafanzeige III. Kleinere Probleme Verwerflichkeit der Nötigung des P durch A Bedrohung des P bzw. des O durch A Ausnutzungstatbestand der Geiselnahme zum Nachteil des O Staatsnotstandshilfe gemäß 34 StGB Konkurrenzen Weiterführende Hinweise I. Aktuelle Entscheidungen aus der Rechtsprechung Dichtes Auffahren im innerstädtischen Straßenverkehr als Nötigung (BVerfG NStZ 2007, 397 m. Bespr. Bosch JA 2007, 659; AG München, VD 2016, 53) Entziehung Minderjähriger: Zwangsweise Entfernung eines Elternteils von seinem Kind (BGH NJW 2014, 3589 m. Bespr. Lutzmann, HRS 2015, 243) Zweite- Reihe-Rechtsprechung des BGH (BVerfG JA 2011, 553) Nötigung durch ein anwaltliches Mahnschreiben (BGH, NJW 2014, 401) II. Aktuelle Literatur Bülte/Becker, Überblick über die Strafvorschrift gegen die Zwangsheirat ( 237 StGB), JA 2013, 7 Magnus, Der Gewaltbegriff der Nötigung ( 240 StGB) im Lichte der neuesten BVerfG- Rechtsprechung, NStZ 2012, 538 Swoboda, Grundwissen Strafrecht: Der Gewaltbegriff, JuS 2008, 862; Krumm, SVR 2009 Heft 5, 179 Eidam, Die Straftaten gegen die persönliche Freiheit in der Examensklausur, Jus 2010, 869 Mitsch, Verspätungen im Zugverkehr und Freiheitsberaubung, NZV 2013, 417 Elsner, 239a, 239b StGB in der Fallbearbeitung, JuS 2006, 784 Fahl, Zur Problematik der 239a, b StGB bei der Anwendung auf Zwei-Personen-Verhältnisse, Jura 1996, 456 3

Lösungsskizze Tatkomplex 1: Dienstzimmer des P Strafbarkeit des A I. 239b Abs. 1 Alt. 1 StGB zum Nachteil des P Anmerkung: Vorliegend ist ein vollendetes Begehungsdelikt zu prüfen, obwohl der Nötigungserfolg seitens des P nicht eingetreten ist, der sich weigerte, die Informationen herauszugeben. Die Tat ist nämlich bereits mit dem Entführen oder sich Bemächtigen in qualifizierter Nötigungsabsicht vollendet; ob der beabsichtigte Nötigungserfolg eintritt, ist unerheblich. sich eines anderen Menschen bemächtigen: Täter erlangt physische Gewalt über das Tatopfer gegen dessen Willen; Ortsveränderung oder Freiheitsberaubung sind nicht erforderlich hier (+): durch Vorhalten der Waffe wird ein Herrschaftsverhältnis begründet Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestandes (Qualifizierte) Nötigungsabsicht: Täter muss schon im Zeitpunkt der Entführung bzw. des Sich-Bemächtigens eine doppelte Zielrichtung verfolgen; erforderlich ist dolus directus 1. Grades bzgl. der Nötigung mittels einer qualifizierten Drohung (Inaussichtstellen des Todes, einer schweren Körperverletzung oder Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer, worauf der Täter Einfluss zu haben vorgibt) bzgl. der Herbeiführung eines bestimmten Nötigungserfolgs in Form jeder beliebigen Handlung, Duldung oder Unterlassung hier: A stellt P dessen Tod in Aussicht, um ihn zur Preisgabe von Informationen zu zwingen. Nötigungsabsicht (+) c) Problem: Teleologische Reduktion des Tatbestandes im Zwei-Personen-Verhältnis Tatbestand an sich verwirklicht allerdings erfasst 239b StGB mit seiner hohen Regelmindeststrafe seit seiner Erstreckung auf Zwei-Personen-Verhältnisse durch den Gesetzgeber im Jahre 1989 vom Wortlaut her nun auch Nötigungen ohne weitergehenden Unrechtsgehalt unstreitig ist daher, dass der Tatbestand teleologisch reduziert werden muss; umstritten ist lediglich, wie dies geschehen soll Lit (Konkurrenzlösung): bei Delikten, bei denen 239b typischerweise mitverwirklicht wird (z.b. bei 177), ist die im Gegensatz zu 239b mildere Strafvorschrift vorrangig (z.b. die des 177); dies soll jedoch bei einem Zusammentreffen von 239b mit 240 nicht gelten (vgl. Renzikowski, in: MüKo StGB, 2. Auflage 2012, 239b Rn. 23) hier: da im vorliegenden Fall 239b auf 240 trifft, bleibt für die Konkurrenzlösung ohnehin kein Raum heutige Rspr: die durch den ersten Bemächtigungsakt geschaffene Zwangslage muss für einen zweiten Nötigungsakt ausgenutzt werden (stabile Sichbemächtigungslage) 4

fallen Sich-Bemächtigen und Nötigungshandlung jedoch zeitlich zusammen, kann 239b StGB nur Anwendung finden, wenn der Bemächtigungssituation eine selbstständige Bedeutung zukommt Anmerkung: Nicht erforderlich ist eine Auseinandersetzung mit weiteren zu dieser Streitfrage vertretenen Ansichten, wie der Lehre von der Außenwirkung der früheren Rspr. hier: teleologische Reduktion (+), Bemächtigungsakt und Nötigungshandlung stellen ein und dieselbe Handlung (Vorhalten der Waffe) dar, dem Bemächtigungsakt kommt keine eigenständige Bedeutung zu 2. Ergebnis 239b Abs. 1 Alt. 1 StGB ( ) Anmerkung: 239a, 239b StGB werden teilweise (erst) im Rahmen des Grundkurses Strafrecht IV behandelt. II. 240 Abs. 1 StGB Nötigungserfolg: Handlung, Duldung oder Unterlassung hier (-): P selbst hat keine Informationen preisgegeben 2. Ergebnis 240 Abs. 1 StGB (-) III. 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB zum Nachteil des P 1. Vorprüfung Nichtvollendung der Tat (+): s.o. Strafbarkeit des Versuchs: 23 Abs. 1 Alt. 2, 12 Abs. 2, 240 Abs. 3 StGB 2. Tatentschluss Vorsatz in Bezug auf Nötigungserfolg (+) kausales Nötigungsmittel: Gewalt Problem: Gewaltbegriff RG: Anwendung körperlicher Kraft zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes BGH: jede durch Zufügung eines gegenwärtigen empfindlichen Übels herbeigeführte physische oder psychische Zwangswirkung zur Überwindung eines bestehenden oder erwarteten Widerstandes (unter Verzicht auf das Erfordernis der körperlichen Kraftentfaltung) die ausufernde Rechtsprechung wurde jedoch in der Literatur heftig kritisiert und vom BVerfG wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verworfen Neuere Rspr: Vermittlung körperlich wirkenden Zwanges zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes; eine erhebliche körperliche Kraftentfaltung des Täters ist nicht notwendig 5

hier: Vorhalten der Schusswaffe mit faktisch körperlich wirkendem Zwang verbunden Gewalt (±) (a.a. wegen der nur psychisch vermittelten Zwangswirkung gut vertretbar, keine Schweißausbrüche oder Zittern im Sachverhalt. Dann aber Drohung mit einem empfindlichen Übel) nach Lit: Nötigungsabsicht im Sinne zielgerichteten Handelns (+) 3. Unmittelbares Ansetzen (+): Vorhalten der Waffe 4. Rechtswidrigkeit kein Eingreifen allgemeiner Rechtfertigungsgründe (+) Verwerflichkeit der Nötigung ( 240 Abs. 2 StGB) Anmerkung: Bei der Nötigung als offenem Tatbestand ist für die Rechtswidrigkeit nicht ausreichend, dass keine Rechtfertigungsgründe eingreifen. Vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtabwägung die Verwerflichkeit der Nötigung, d.h. der erhöhte Grad sittlicher Missbilligung bzw. die Sozialwidrigkeit des Handelns, gesondert festzustellen. Die Verwerflichkeit der Nötigung kann sich dabei aus der Verwerflichkeit des Nötigungsmittels, der Verwerflichkeit des erstrebten Zwecks oder aber der Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation ergeben. 5. Schuld (+) hier (+): Vorhalten der Waffe (als bereits für sich verwerfliches Mittel), um Informationen über die Klausur zu erfahren (als bereits für sich verwerfliches Ziel) 6. Kein strafbefreiender Rücktritt gemäß 24 Abs. 1 StGB (+) 7. Ergebnis 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB (+) IV. 239 Abs. 1 StGB zum Nachteil des P (+) Bedrohung mit Waffe als Freiheitsberaubung auf sonstige Weise: jedes Tun oder Unterlassen, das dem Opfer durch ein anderes Mittel (als das typische Beispiel des Einsperrens) die Möglichkeit der Fortbewegung nimmt Problem: Faktischer Zwang trotz physisch gegebener Ausweichmöglichkeit? Zwar restriktive Auslegung geboten, aber (+), wenn Überwindung der Barriere für Leib oder Leben unzumutbar gefährlich ist. Hier: P wird nicht physisch am Fortbewegen gehindert, aber wird unmittelbar bedroht, sodass faktischer Zwang einem tatsächlichen Festhalten gleichkommt (ggf. bereits zu bejahen, wenn man im Vorhalten der Waffe bereits physischen Zwang sieht). V. 241 Abs. 1 StGB zum Nachteil des P (+) Bedrohung mit Totschlag bzw. Mord als Verbrechen im Sinne des 12 Abs. 1 StGB 6

VI. 239b Abs. 1 Alt. 2 StGB zum Nachteil des O ( ) Sich Bemächtigen eines anderen Menschen ohne Nötigungsabsicht ( ): Herrschaft über P dauert zwar noch an, ist aber bereits in Nötigungsabsicht erfolgt (s.o.), a.a. vertretbar, sofern man darauf abstellt, dass die Bemächtigung ohne die Nötigungsabsicht erfolgt ist, die Ergebnisse von O zu erhalten (ursprüngliche Absicht des A war es, die Ergebnisse von P zu erhalten, nun verfolgt er aber die Absicht, die Ergebnisse von O zu erhalten) VII. 240 Abs. 1 StGB zum Nachteil des O Nötigungsmittel: Gewalt bzw. Drohung mit einem empfindlichen Übel Drohung: Inaussichtstellen eines künftigen Übels, worauf der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt empfindliches Übel: jeder Nachteil, der so erheblich ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Genötigten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren hier (+): zumindest stillschweigende Ankündigung, den P zu erschießen Problem: sog. Dreiecksnötigung bzw. Drohung im Dreiecksverhältnis Drohung mit einem Übel, das (auch nicht nahestehende) Dritte treffen soll, genügt, wenn der Nötigungsadressat das dem anderen zugedachte Übel gleichermaßen für sich selbst als Übel empfindet und dadurch im Sinne des Täterverlangens motiviert wird hier (+): wegen des Verhältnisses zwischen treuem Assistent und Professor Nötigungserfolg (+): Preisgabe der Informationen Kausalität zwischen Nötigungsmittel und Nötigungserfolg (+) Vorsatz in Bezug auf Nötigungsmittel und Nötigungserfolg (+) nach Lit: Nötigungsabsicht im Sinne zielgerichteten Handelns (+) 2. Rechtswidrigkeit kein Eingreifen allgemeiner Rechtfertigungsgründe (+) Verwerflichkeit der Nötigung ( 240 Abs. 2 StGB) (+) 3. Schuld (+) 4. Ergebnis 240 StGB (+) VIII. 241 Abs. 1 StGB zum Nachteil des O Bedrohung mit einem Verbrechen im Sinne des 12 Abs. 1 StGB (+): Totschlag bzw. Mord an P Verbrechen gegen den Bedrohten oder eine ihm nahestehende Person ( ) nahestehende Person eng wie bei 35 StGB auszulegen, so dass vornehmlich Angehörige im Sinne des 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB umfasst sind 241 Abs. 1 StGB ( ) 7

IX. Ergebnis zum 1. Tatkomplex Zum Nachteil des P: 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB, 239 Abs. 1 StGB, 52 StGB (Die Freiheitsberaubung tritt nicht hinter die versuchte Nötigung zurück, da sie nicht Ziel der Nötigung ist (a.a. vertretbar); die Bedrohung tritt hinter die versuchte Nötigung zurück, da 240 StGB ein konkretes Erfolgsunrecht unter Strafe stellt, während 241 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt im Vorfeld des Nötigungstatbestandes ist) Zum Nachteil des O: 240 Abs. 1 StGB 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1, 239 Abs.1, 52; 240 Abs. 1; 53 StGB Tatkomplex 2: Wohnung des A Strafbarkeit der B I. 239 Abs. 1 StGB Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit durch Einsperren oder auf sonstige Weise Einsperren: jemanden durch äußere Vorrichtungen am Verlassen eines Raumes hindern hier (+): Abschließen des Schlafzimmers; Benutzen eines Fensters als Ausstieg aus einer im dritten Stock gelegenen Wohnung nicht nur ungewöhnlich und beschwerlich (nach h.m. ausreichend), sondern darüber hinaus auch unzumutbar gefährlich Problem 1: Schutz der potentiellen persönlichen Fortbewegungsfreiheit Lit: nur der aktuelle Fortbewegungswille ist geschützt ansonsten würde der Vollendungszeitpunkt nach vorne verlagert, wofür es nach Einführung der Versuchsstrafbarkeit kein Bedürfnis mehr gebe hier ( ): Schlafende können mangels aktuellen Fortbewegungswillens ihrer Freiheit von vornherein nicht beraubt werden h.m.: bereits die potentielle persönliche Fortbewegungsfreiheit wird geschützt, d.h. die Möglichkeit des Ortswechsels; ob sich der Betroffene überhaupt fortbewegen will, ist unerheblich Argument: umfassende Sicherung der Fortbewegungsfreiheit ausreichend ist somit, dass das Opfer einen aktuellen Willen zur Fortbewegung bilden könnte, sich an der Umsetzung seines Willens aber durch die Handlung des Täters gehindert sähe 8

Problem 2 (innerhalb der h.m.): Schlafende als taugliches Tatobjekt Konversatorium zum Strafrecht GK III ea: Schlafende und Bewusstlose sind durch 239 Abs. 1 StGB nicht geschützt; wer den Willen nicht zumindest potentiell bilden kann, kann auch nicht der Freiheit beraubt werden hier ( ): schlafender A kein taugliches Tatobjekt aa: umfassender Schutz des 239 Abs. 1 StGB erstreckt sich auch auf Schlafende; abzustellen sei daher auf den mutmaßlichen Willen (+) 2. Rechtswidrigkeit Argument: Vollendungsstrafbarkeit von dem Zufall abhängig, ob das Opfer in der Zwischenzeit erwacht oder nicht hier (+): Schlafende als taugliche Tatobjekte der Freiheitsberaubung nach h.m. objektiver Tatbestand in der Variante des Einsperrens (+) 127 Abs. 1 StPO ( ), da nicht auf frischer Tat betroffen rechtfertigender Notstand gemäß 34 StGB Problem: Staatsnotstandshilfe str, inwiefern auch zugunsten staatlicher Rechtsgüter, wie hier der Strafrechtspflege und Strafverfolgung, Notstandshilfe geleistet werden kann e.a.: ein notstandsfähiges Interesse im Sinne des 34 StGB ist an sich auch das staatliche Strafverfolgungsinteresse bei privatem Handeln kann aber lediglich ausnahmsweise und wegen der primären Zuständigkeit staatlicher Organe nur dann auf 34 StGB zurückgegriffen werden, wenn es sich um einen äußersten Notfall handelt h.m.: dem Wortlaut des 34 StGB ( von einem anderen ) ist zu entnehmen, dass nur Individualrechtsgüter notstandsfähig sind hier: nach beiden Ansichten keine Rechtfertigung gemäß 34 StGB Rechtswidrigkeit (+) 3. Schuld (+) 4. Ergebnis 239 Abs. 1 StGB (+) 9

II. 237 Abs. 1 StGB Tatmittel: Drohung mit einem empfindlichen Übel Drohung: Inaussichtstellen eines künftigen Übels, worauf der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt empfindliches Übel: jeder Nachteil, der so erheblich ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren ob das Übel von Rechts wegen hingenommen werden müsste, ist unerheblich hier (+): B kündigt an, dem Geschehen seinen Lauf zu lassen und den Sendebefehl und damit die Strafanzeige nicht rückgängig zu machen; sie kündigt also an, dem Übel nicht abzuhelfen Problem: Drohung mit einem erlaubten Nachteil: nach ganz h.m. muss das angedrohte Verhalten nicht strafbar oder anderweitig durch die Rechtsordnung verboten sein (statt vieler Valerius, in: BeckOK-StGB, 240 Rn. 37; a.a. Horn NStZ 1983, 497) hier: (+) B ist nicht verpflichtet die Anzeige zu unterlassen, dennoch Drohung mit erlaubten Tun möglich. Problem: Drohung mit einem Unterlassen die Ankündigung, ein rechtlich gebotenes Handeln zu unterlassen (rechtswidrige Unterlassung), ist unproblematisch eine tatbestandliche Drohung hier: B ist nicht verpflichtet, den Emailversand zu stoppen str: Ankündigung, ein rechtlich nicht gebotenes Handeln zu unterlassen (rechtmäßige Unterlassung), als Drohung mit einem empfindlichen Übel? ea droht der Täter mit dem Unterlassen einer Handlung, die er nicht vorzunehmen verpflichtet ist, stellt diese Ankündigung schon gar kein Übel dar, da der Freiheitsraum des Bedrohten nicht eingeschränkt, sondern erweitert wird hier: B nicht dazu verpflichtet, die Strafanzeige gegen A zurückzunehmen Drohung mit einem empfindlichen Übel ( ) h.m. der gewonnene Freiheitsraum des Bedrohten kann gleichwohl nur ein scheinbarer sein, wenn die Drucksituation für ihn so groß ist, dass er dem Angebot des Opfers nicht mehr in besonnener Selbstbehauptung standhalten muss; entscheidend ist also die Wirkung auf das Opfer allerdings, bedarf dann die Frage der Verwerflichkeit ( 240 Abs. 2) besonderer Aufmerksamkeit hier (+): Ankündigung, Absenden der Strafanzeige nicht zu verhindern, durch die der B unter enormen Druck gesetzt wird Taterfolg: Zur Eingehung der Ehe (+): A und B heiraten drei Tage später. Vorsatz in Bezug auf Tatmittel und Taterfolg (+) nach Lit: Nötigungsabsicht im Sinne zielgerichteten Handelns (+) 10

2. Rechtswidrigkeit kein Eingreifen allgemeiner Rechtfertigungsgründe (+) Konversatorium zum Strafrecht GK III Verwerflichkeit der Nötigung zur Eingehung der Ehe ( 237 Abs. 1 S. 2 StGB) 3. Schuld (+) Nötigungsmittel ( ): Drohung mit einer Strafanzeige an sich (bzw. mit dem Unterlassen der Rückgängigmachung des Sendebefehls) ist bei dem gegebenen Anfangsverdacht auf eine Straftat nicht verwerflich, sondern sogar geboten Nötigungszweck ( ): das erstrebte Ziel, nämlich die Heirat von B und A, ist an sich ebenfalls nicht als verwerflich anzusehen Verhältnis von Mittel und Zweck: auch bei einem jeweils rechtlich billigenswerten Nötigungsmittel und Nötigungszweck kann sich aus dem Missverhältnis von Mittel und Zweck die Verwerflichkeit ergeben 4. Ergebnis 237 Abs. 1 StGB (+) bei der Drohung mit einer (rechtmäßigen) Strafanzeige (bzw. mit der Nichtrücknahme der Strafanzeige) ist entscheidend, ob das bezweckte Verhalten mit der Straftat in einem inneren Zusammenhang steht hier (+): fehlender Zusammenhang zwischen Strafanzeige und Heirat III. Ergebnis zum 2. Tatkomplex 239 Abs. 1; 237 Abs. 1; 53 StGB; der ebenfalls verwirklichte 240 Abs.1 StGB tritt als allgemeines Delikt hinter 237 Abs. 1 StGB zurück. Gesamtergebnis Strafbarkeit des A gemäß 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1, 239 Abs.1, 52; 240 Abs. 1; 53 StGB Strafbarkeit der B gemäß 239 Abs. 1; 237 Abs. 1; 53 StGB 11