Welche Eltern, die Sie noch nicht (ausreichend) erreichen, möchten Sie zukünftig für Ihre Angebote begeistern?
Familienbildung im Aufbruch Impulse und Ideen für die gelingende Arbeit vor Ort Workshop I.1 Auf die Vielfalt kommt es an! Wie erreichen wir mit unseren Angeboten alle Eltern? Prof. Dr. Katherine Bird, Wolfgang Hübner M.A. 07.06.2015 Nürnberg www.bird-und-huebner.de
Gliederung 1. Einleitung 2. Zugangsschwellen zu Familienbildungangeboten 3. Eltern sind nicht gleich Eltern: Sechs Kategorien der Armutserfahrung 4. Familienbildung als Soziale Arbeit?
Zugangsschwellen Eine Zugangsschwelle bildet eine Grenze zwischen drinnen und draußen wie leicht ist es, sie zu überwinden?
Drei Arten von Zugangsschwellen 1. Institutionelle Zugangsschwellen 2. Praktische Zugangsschwellen 3. Soziokulturelle Zugangsschwellen
Institutionelle Zugangsschwellen Wie wird die Einrichtung als Institution wahrgenommen? Subtext
Praktische Zugangsschwellen Auch an die einfachsten Sachen denken: Zeit (Kinderbetreuung) Geld (Bildungs- und Teilhabepaket) Infrastruktur (Bus, Bahn, Fahrdienst)
Soziokulturelle Zugangsschwellen Ängste und Befürchtungen der Eltern: Passe ich da rein? Ernst nehmen Sprache Familienkultur, Werte
Fragen an Sie 1. Kennen Sie noch weitere Zugangsschwellen? 2. Welche Zugangsschwellen sehen Sie als Hindernisse für Ihre Arbeit?
Kategorie 1: Gestörte Selbstwirksamkeit Multiple Unterversorgungslagen Resignation und Hilflosigkeit Gefühl von Nutzlosigkeit
Kategorie 1: Gestörte Selbstwirksamkeit Kriterien für eine erfolgreiche Arbeit Bedarf: Wiederherstellung der Selbstwirksamkeit durch Erfolgserlebnisse Strukturelle Kriterien Pädagogische Kriterien Inhaltliche Kriterien Gestörte Selbstwirksamkeit Vernetzt mit Jugendämtern und Gesundheitsdiensten, Möglichkeit der Einzelfallhilfe und Intervention, wohnortsnah Nicht diskriminierend, kleine Schritte, Erfolgserlebnisse schaffen Alltagskompetenzen vermittelnd
Kategorie 2 Genussvolles Konsumieren Fernsehen, Computer, Spielkonsolen falsche Prioritäten bildungsfern v. schulbeschädigt
Kategorie 2: Genussvolles Konsumieren Kriterien für eine erfolgreiche Arbeit Bedarf: Austausch, Anerkennung, einfache Tipps, Kunde sein (keine pädagogische Vorträge!) Strukturelle Kriterien Genussvolles Konsumieren Pädagogische Kriterien Inhaltliche Kriterien Kein Kurs oder Elternschule Nicht diskriminierend, akzeptierend, keine Schuldzuweisung, dem Konsumverhalten angepasst einfache, schnell umsetzbare Tipps und Hilfe für alltägliche Erziehungsprobleme; gemeinsame Aktivitäten wie Kochen oder Ausflüge
Kategorie 3 In den Tag hinein leben Risikobehafteter Umgang mit Ressourcen Freiheit und Selbstverwirklichung Kein Leidensdruck, optimistisch Ambivalenz in der Elternrolle
Kategorie 3 In den Tag hinein leben Bedarf: Eigene Bedürfnisse und die des Kindes erkennen und entsprechend handeln Strukturelle Kriterien Pädagogische Kriterien Inhaltliche Kriterien In den Tag hinein leben Offener Treff, Gruppen, Internet, häuslicher Bereich, unkonventionelle Orte Nicht diskriminierend, akzeptierend, keine Schuldzuweisung Übergänge im Lebenslauf aufgreifend: Was bedeutet es für mich, Mutter / Vater zu sein? Zukunftsplanung für Nicht- Planer/innen
Kategorie 4 Ausgebrannt und überarbeitet Alleinerziehend, kinderreich oder niedriglohnbeschäftigt Wenig Unterstützung
Kategorie 4 Ausgebrannt und überarbeitet Bedarf: Entlastung, vor allem zeitliche Ausgebrannt und überarbeitet Strukturelle Kriterien Pädagogische Kriterien Inhaltliche Kriterien Zeitlich flexibel (Internet, Radio), wohnortnah pragmatisch auf die Lebenssituation bezogen, Unterstützungsmöglichkeiten bekannt machen Ressourcen freimachend (z.b. Inseln der Familienzeit organisieren)
Kategorie 5 Souveräne Bewältigung Kurzfristige (städtische) oder langfristige (ländliche) Armutserfahrung Unterstützungsnetzwerke Starkes Selbstbewusstsein und aktive Bewältigung Umgang mit Knappheit
Kategorie 5: Souveräne Bewältigung Kriterien für eine erfolgreiche Arbeit Bedarf: Beratung, Austausch und Anerkennung Strukturelle Kriterien Pädagogische Kriterien Inhaltliche Kriterien Souveräne Bewältigung Standortbezogen Ressourcenorientiert pragmatisch auf die Lebenssituation bezogen, neue Perspektiven eröffnen
Kategorie 6 Gemachte Fremdheit Vielfalt Sparsamkeit und Bewältigungsstrategien Bildung Familienbezug Auseinandersetzung mit Traditionen
Kategorie 6 Gemachte Fremdheit Die Eltern wollen den Kindern vermitteln, dass sie in der Familie verwurzelt sind, dort Unterstützung und Hilfe erfahren, aber auch, dass sie die familiären Interessen bei ihren (individuellen) Entscheidungen berücksichtigen sollen. Kinder sollen sich von Geburt an in eine Wir-Gruppe eingebunden fühlen, die sie lebenslang stützt und schützt, der gegenüber sie sich aber zur Loyalität verpflichtet fühlen sollen und müssen. Boos-Nünning, Ursula (2011): Migrationsfamilien als Partner von Erziehung und Bildung. Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 24
Kategorie 6 Gemachte Fremdheit Bedarf: Anerkennung, Verwirklichung der Bildungsaspirationen, Unterstützung im neuen Umgang mit Traditionen Strukturelle Kriterien Pädagogische Kriterien Inhaltliche Kriterien Gemachte Fremdheit Migrantenselbstorganisation, in vertrauten Einrichtungen wertschätzend, neugierig, sprachlich offen, kulturell offen bildungsorientiert, differenziert, kontrastierende Austausch
Fragen an Sie Stimmen die sechs Kategorien mit Ihren persönlichen Erfahrungen überein? Mit welcher Kategorie haben Sie am häufigsten zu tun?
Familienbildung als Soziale Arbeit? Hintergrund: Beobachtungen aus einer zweijährigen Projektevaluation eines Elternbildungsprogrammes eines freien Trägers der Kinder- und Jugendhilfe in Berlin
Probleme Das Gefühl der Bevormundung Fehlender Bezug zur Lebenswirklichkeit Mangelhafter Umgang mit Extremsituationen
Elterntraining als Auflage er wurde aber auch kontrolliert. Die Termine, die wurden kontrolliert vom Jugendamt, er musste dort einmal die Woche hin und es gab noch mehrere Auflagen und dann der Jugendamtsdame immer wieder vorweisen, dass er alles umgesetzt hat und eingehalten hat.
Ja, ja, nach dem Motto, wenn er den mit der Dame da zusammen Rollenspiel vorgeführt hat, das waren dann wirklich so Themen wo ich sage, das ist auch nicht mehr in der heutigen Zeit.[ ] Ja, und dann auch leider Gottes weiter abgearbeitet, zweimal angesetzt, wie man es nicht macht und dann wie man es machen sollte, von wegen, ja, jetzt habe ich es auch verstanden. Dass dann gleich wieder heile Welt ist. Ich kam dann einfach mal mit so Beispielen, wie sie in der Schule leider Gottes auch vorkommen, ich kriege einen vor den Kopf, weil Geld klauen oder so was und das war auch ein Thema, wo man gut sehen konnte, da überlegen die Eltern. Bei den Rollenspielen, die die Kursleiter vorgetragen haben, mussten alle nur schmunzeln.
Extremsituationen...existentiell vom Leben überfordert zu sein, ist eigentlich für alle Teilnehmer ein Problem. die Teilnehmer kommen mit ganz anderen Problemen, sie haben Angst die Wohnung zu verlieren, sie haben einen Termin beim Familiengericht da geht s ums Sorgerecht, sie haben ein Trennungsproblem
Wie der FSP Kursleiter/innen unterstützen kann: immer zwei Kursleiter/innen einzusetzen, die sich ergänzen und ausgleichen können einen regelmäßigen Austausch unter den Kursleiter/innen zu ermöglichen (z.b. in einer AG), bei Bedarf auch eine Supervision Zeit für Einzelgespräche mit einzelnen Eltern nach dem Kurs einzuplanen einen Methodenkoffer für den Umgang mit nicht vorgesehenen Situationen entwickeln
Elemente erfolgreicher Konzepte Beziehung aufbauen, Vertrauen schaffen Negative Zuschreibungen vermeiden Zielgruppe einbeziehen Aufgaben der Fachkräfte klar definieren, gut supervidieren und regelmäßig reflektieren Wertschätzende lokale Vernetzung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!