Auswirkungen von Toleranzgrenzen auf die Verkehrssicherheit von Klaus Robatsch Dokument aus der Internetdokumentation des Deutschen Präventionstages www.praeventionstag.de Herausgegeben von Hans-Jürgen Kerner und Erich Marks im Auftrag der Deutschen Stiftung für Verbrechensverhütung und Straffälligenhilfe (DVS) Zur Zitation: Klaus Robatsch: Auswirkungen von Toleranzgrenzen auf die Verkehrssicherheit, in: Kerner, Hans- Jürgen u. Marks, Erich (Hrsg.), Internetdokumentation des Deutschen Präventionstages. Hannover 2017, www.praeventionstag.de/dokumentation.cms/3715
Toleranzgrenzen in Österreich Dipl.-Ing. Klaus Robatsch Bereichsleiter Forschung & Wissensmanagement KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) 1
Hauptunfallursachen in Österreich Anteil der vermutlichen Hauptunfallursachen (ohne "o.a.") bei Straßenverkehrsunfällen mit tödlichen Ausgang (2014-2016), Quelle: Statistik Austria/BMI, 2017 Unachtsamkeit/Ablenkung Nichtangepasste Geschwindigkeit 27% 28% Vorrangverletzung, Rotlichtmissachtung 14% Fehlverhalten von Fußgänger 9% Überholen 7% Übermüdung Herz-/Kreislaufversagen Alkohol, Drogen oder Medikamente Missachtung von Geboten und Verboten 4% 3% 3% 3% Technischer Defekt, mangelnde Ladungssicherung Hindernisse auf der Fahrbahn mangelhafter Sicherheitsabstand 1% 1% 1% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% KFV Klaus Robatsch 2
Überschreiter in Prozent Geschwindigkeitsverhalten 70% 60% Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit 56% 68% 59% 50% 40% 36% 30% 20% 22% 15% 25% 10% 0% Autobahn 100 Autobahn 130 Freiland 70 Freiland 80 Freiland 100 Ortsgebiet 30 Ortsgebiet 50 Quelle: KFV Standarderhebung, 2007-2013 Quelle: KFV Standarderhebung, 2015-2016 Quelle: KFV Standarderhebung, 2015-2016 KFV Klaus Robatsch 3
Einstellung zu Verkehrsverstößen Einschätzung von n=1000 Verkehrsteilnehmern Quelle: KFV, 2015 Geschwindigkeitsübertretungen über 20 km/h im Freiland 7 6 27 43 Geschwindigkeitsübertretungen bis zu 20 km/h im Freiland 6 8 16 67 Geschwindigkeitsübertretungen über 10 km/h im Ortsgebiet 5 15 32 46 Geschwindigkeitsübertretungen bis zu 10 km/h im Ortsgebiet 7 15 19 73 0 10 20 30 40 50 60 70 80 "andere VT" Selbsteinschätzung Verärgerung Gefährlichkeit 4
Voraussetzungen für effektive Überwachung Hohe Entdeckungswahrscheinlichkeit: subjektiv / objektiv; regelmäßig und über längere Zeiträume Höhe der Strafe: große Unterschiede in Europa Unmittelbarkeit: Bestrafung möglichst zeitnah Bekanntheit: Kombination mit Öffentlichkeitsarbeit Akzeptanz: Unvorhersehbarkeit, aber: klar ersichtlich, unvermeidbar ETSC Quelle: SUPREME Handbuch von Best-Practice-Maßnahmen auf Länderebene 2007 5
Ausgangslage km/h 65 STRAFE ab 66 km/h lt. Gerät STRAFE ab 61 km/h lt. Gerät STRAFE ab 56 km/h lt. Gerät 60 55 10 km/h Straftoleranz 5 km/h Straftoleranz Technische Technische 5 km/h 5 km/h Messtoleranz Messtoleranz 5 km/h Technische Messtoleranz Zugelassene Höchstgeschwindigkeit STRAFTOLERANZ von 10 km/h STRAFTOLERANZ von 5 km/h KFV Klaus Robatsch NULLTOLERANZ
Projektziele und -inhalte Inhalte / Arbeitspakete: Deliktentwicklung Unfallgeschehen Geschwindigkeitsmessungen Experteninterviews Bevölkerungsumfrage Internationaler Vergleich Berechnung Unfallreduktion 7
1. Delikte 8
Deliktentwicklung Salzburg -43% -48% -49% -44% -52% Summe Überschreitungen 2013: 183.401 2014: 144.725 Gesamtdelikte: -21% KFV Klaus Robatsch 9
Deliktentwicklung Steiermark -28% -34% -38% -42% -44% Gesamtdelikte: plus 6% 10
2. Unfälle 11
Vorher-Nachher Vergleich alle Unfälle 12
Vorher-Nachher Vergleich Unfallfolgekosten 13
Vorher-Nachher Vergleich Unfälle Unfallursache nicht angepasste Geschwindigkeit 14
Vorher-Nachher Vergleich Unfälle Ortsgebiet 15
Vorher-Nachher Vergleich Fazit Zahl der Unfälle und Verunglückten ist in der Steiermark jeweils rund doppelt so stark gesunken wie in den anderen Bundesländern, in Salzburg sogar rund 3x so stark. Die Unfallfolgekosten sind in der Steiermark um 5,2% und in Salzburg um 18,2% zurückgegangen. Die Zahl der durch nichtangepasste Geschwindigkeit verursachten Unfälle war in beiden Bundesländern im Nachher-Zeitraum jeweils um rund ein Viertel geringer als vor Senkung der Toleranzgrenzen. 16
3. Experteninterviews 17
Erfahrungen nach der Umsetzung Quelle: KFV Experteninterviews (n=16), 2015 Es gibt keinen höheren Arbeitsaufwand (nur kurzfristig höherer Mehraufwand). Die Zahl der Anonymverfügungen ist gestiegen, dafür sind aufwändigere Verfahren (wie Strafverfügungen / ordentliche Strafverfahren / Führerscheinentzüge) zurückgegangen. Nach Senkung der Toleranzgrenzen gibt es keine größeren zeitlichen Verzögerungen bei der Zustellung von Strafbescheiden. Experten aus Bundesländern mit Senkung der Toleranzgrenzen bewerten diese auch weiterhin positiv. 18
4. Repräsentative Bevölkerungsumfrage 19
Gründe für die Einhaltung von Geschwindigkeitslimits Quelle: KFV, 2015 20
Einhaltung der Geschwindigkeitslimits Quelle: KFV, 2015 21
5. Variantenbeurteilung 22
Reduktionspotenzial - Getötete Ausgehend von 469 getöteten Personen (Mittelwert der Jahre 2012-2014) Alle Varianten NULLTOLERANZ in sensiblen Bereichen 4 gerettete Leben im gesamten Ortsgebiet 24 gerettete Leben im Freiland (ohne A/S-Netz) 47 gerettete Leben im Ortsgebiet und im Freiland 71 gerettete Leben im A/S-Netz 6 flächendeckend (OG, FL, A/S-Netz) gerettete Leben 77 gerettete Leben SENKUNG TOLERANZ 1 gerettetes Leben 8 gerettete Leben 16 gerettete Leben 24 gerettete Leben 2 gerettete Leben 26 gerettete Leben KFV Klaus Robatsch 23
Schlussfolgerungen Österreich hat im internationalen Vergleich sehr hohe Toleranzgrenzen Die Angst vor Strafen ist die wichtigste Motivation Geschwindigkeiten einzuhalten Die Herabsetzung der Straftoleranzen ist eine geeignete Maßnahme um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. 24
Vielen Dank! Dipl.-Ing. Klaus Robatsch Bereichsleiter Forschung & Wissensmanagement KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) Schleiergasse 18 A-1100 Wien Tel: +43-(0)5 77 0 77-1500 E-Mail: klaus.robatsch@kfv.at www.kfv.at