Prof. Dr. Andreas Suchanek. Grundlagen der Wirtschaftsethik

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Transkript:

Prof. Dr. Andreas Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik 3. CSSA-Kolloquium: Grundwerte und Leitlinien für verantwortliches Handeln in der Sozialen Marktwirtschaft Bad Münder, 04.11.2010

Man kann alles immer auch anders sehen und andere tun das auch! Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 2

Ausgangspunkt: Die widersprüchliche Wahrnehmung von Ethik Ethik ist von grundlegender Bedeutung: Es geht um den (jeden) Menschen als moralisches, mit Würde und zur Freiheit begabtes Subjekt Es geht um gelingendes (glückendes, selbstbestimmtes) Leben Es geht um soziale Ordnung und deren Grundwerte Solidarität, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit Ethik ist für den (wirtschaftlichen und politischen) Alltag irrelevant bzw. untauglich: Sie ist trivial Sie ist gehaltlos Sie ist abstrakt Sie ist ein Luxus bzw. bringt Nachteile Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 3

Das Grundschema einer alltagstauglichen Ethik 1. Was ist wirklich wichtig? 2. Was fördert und was hindert uns? 1. Moral: Normen und Werte (Frieden, Solidarität, Freiheit, usw.) 2. Handlungsbedingungen des Alltags (Knappheit, Wettbewerb, Konflikte, Eigeninteressen ) 3. Was soll ich tun? 3.??? Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 4

Moral und Eigeninteresse I Moral Eigeninteresse Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 5

Moral und Eigeninteresse II Goldene Regel Moral Eigeninteresse Moral / Verantwortung muss anreizkompatibel sein Wohlverstandenes Eigeninteresse erfordert Investitionen Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 6

Die Goldene Regel Investiere in die Bedingungen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil Kosten / Opfer / Verzicht (um künftiger Erträge willen) Selbstbindung Vermögenswerte: Human-, Sozial-, institutionelles Kapital Nachhaltigkeit Wechselseitige Verlässlichkeit Vertrauen Solidarität Gerechtigkeit soziale Marktwirtschaft Wohlverstandenes Eigeninteresse Idee des selbstbestimmten guten Lebens (Autonomie) Reziprozität Sozialpartnerschaft Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 7

Dilemmastrukturen als Investitionshemmnis B Investition keine Investition Investition I 1 / 1 II -3 / 3 A keine Investition III 3 / -3 IV -1 / -1 Dilemmastrukturen können ein grundlegendes Hindernis bilden für Investitionen in die (Bedingungen der) Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil. Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 8

Ein konkretes Beispiel Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 9

Noch ein Beispiel Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 10

Dilemmastruktur zwischen Tarifparteien Arbeitgeber Kompromiss harte Linie Kompromiss I 1 / 1 II -3 / 3 Gewerkschaft harte Linie III 3 / -3 IV -1 / -1 Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 11

Dilemmastruktur zwischen Tarifparteien Arbeitnehmer B IG BCE beitreten IG BCE beitreten I 1 / 1 II IG BCE nicht beitreten -3 / 3 Arbeitnehmer A IG BCE nicht beitreten III 3 / -3 IV -1 / -1 Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 12

Weitere Beispiele Doping im Radsport fehlende (gemeinsame) Zivilcourage Überfischung Korruption TEAM-Arbeit (Toll, Ein Anderer Macht s) geringe Bereitstellung von Lehrstellen / fehl. Investitionen in Weiterbildung (Ausbeutung von) Sozialversicherungen Steuer(un)ehrlichkeit Übertreibungen bei Bewerbungen (oder in der Werbung, vor Wahlen usw.) Protektionismus Finanzkrise Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 13

Die moralische Qualität von Spielregeln B Investition keine Investition Investition I 1 / 1 II -3 / 3 2 A keine Investition III 3 2 / -3 IV -1 2 / -1 2 Institutionen ( Spielregeln ) ermöglichen Kooperation (allgemeiner: Freiheit) Moral wird anreizkompatibel! Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 14

Die Bedeutung des Spielverständnisses Spielverständnis Geteilte Werte und Überzeugungen Einstellung zu Regeln Vertrauen / Misstrauen Spielregeln Gesetze, Verordnungen Verträge Compliance Spielzüge Anreize Entscheidungen Handlungen Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 15

Ethik der Marktwirtschaft Heißt Marktwirtschaft: Förderung von Profitgier, Egoismus, Ausbeutung von Mensch und Natur, Entsolidarisierung usw.? Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 16

Die sittliche Qualität der Marktwirtschaft Etablierung / Aufrechterhaltung der Marktwirtschaft als zu überwindende Dilemmastruktur Anbieter Wettbewerb als zu etablierende Dilemmastruktur Anbieter Tausch als zu überwindende Dilemmastruktur Nachfrager Wettbewerb als zu etablierende Dilemmastruktur Nachfrager Marktwirtschaft hat sittliche Qualität, insofern sie Investitionen in die gesellschaftliche Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil fördert durch institutionalisiertes Management von Dilemmastrukturen Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 17

Voraussetzungen guter Marktwirtschaft Spielverständnis Akzeptanz des marktwirtschaftlichen Systems Ethik-Kodex der Sozialpartner Spielregeln Rechtssicherheit Ordnungspolitik soziale und ökologische Standards Sozialvereinbarungen Spielzüge verantwortliches Verhalten der Marktteilnehmer Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 18

Wittenberg-Prozess der Chemie-Sozialpartner Bedeutung: Stärkung des gemeinsamen Spielverständnisses Räume schaffen für vertrauensbildenden / -stärkenden Dialog Impulse für Teilnehmer Orientierung für weitere Arbeit Prozesscharakter Signalwirkung Exemplarisches Pilotprojekt Suchanek Grundlagen der Wirtschaftsethik CSSA, 04.11.2010 19 19

Prof. Dr. Andreas Suchanek Dr. Werner Jackstädt-Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik Handelshochschule Leipzig und Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik Jahnallee 59 Tel: 0341 / 9851 658 04109 Leipzig Email: andreas.suchanek@hhl.de