MAGAZIN Technical Review 06 www.linux-magazin.de/technical-review Ausgabe 2008 Alles über: Server Based Computing Kosten sparen mit Thin Clients Große Marktübersicht Thin Clients: Pro und Kontra. X2go: Mobile Sessions via Smartcards. Terminalserver von unterwegs aus erreichen über GPRS, Bluetooth, NX und OpenVPN. Praxis Verschiedene Server und Clients en detail. Server Based Bildung. Kiosk-Systeme mit KDE, Gnome und Xfce.
Rubrik Re-Evolution Jens-Christoph Brendel (Chefredakteur) Die Evolution kennt kein Zurück, sie ist unumkehrbar. So jedenfalls sagt es das so genannte Dollosche Gesetz, demzufolge eine komplexe Eigenschaft, die im Zuge der Genese verlorengeht, bei derselben Spezies kein zweites Mal wiederkehrt. Säugetiere bilden niemals wieder Kiemen aus. Im Jahr 2003 fanden Forscher den Gegenbeweis: Die Stabheuschrecke. Sie hatte vor Urzeiten Flügel, bildete sie zurück, lebte 50 Millionen Jahre ungeflügelt und erfand sie dann erneut. Ein weiteres Beispiel einer solchen Re-Evolution sind Terminals. In der Frühzeit der IT waren sie die allgegenwärtige Kommunikationsverbindung zum Mainframe. Doch dann begannen die PCs, sie aus ihrem Lebensraum zu verdrängen. Bald beobachtete man nur noch eine Restpopulation in abgeschiedenen Nischen von Rechenzentren. Heute feiern sie Auferstehung. In ihrem zweiten Leben heißen sie Thin Clients. Ihre Reinkarnation verdanken sie dem Umstand, dass sich der vermeintliche Selektionsvorteil des PC schnell als Pferdefuß erwies. Denn er ist nicht nur intelligenter und selbstständiger, sondern zugleich auch viel wartungsintensiver, angreifbarer, energiehungriger, größer und geräuschvoller. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Ein normaler PC kostet um die 600 Euro in der Anschaffung, verschlingt aber im Laufe seines Lebens wenigstens 3000 Euro Unterhalt. Ein Thin Client kommt mit der Hälfte an Lebenshaltungskosten aus, Terminalserver inklusive. Zwei Faktoren begünstigen das Terminal-Comeback: Zum einen herrscht überall Kostendruck, zum anderen setzt sich der Umweltschutz nun auch im Rechenzentrum durch. Dabei aber können Thin Clients mehrfach punkten: Am Anfang weniger zu transportieren, am Ende weniger Elektroschrott, dazwischen viel geringerer Stromverbrauch und weniger Abwärme. All das lässt die Thin Client-Bestände seit Jahren mit zweistelligen Raten wachsen. Zurück zur Zentralisierung das ist ein wesentlicher Trend heutiger IT. Genau deshalb ist das Thema Server Based Computing der Linux Technical Review eine ganze Ausgabe wert. 1
Inhalt Inhalt Alternativen anbieten. Jens-Christoph Brendel einige Nachteile einzukalkulieren sind und sich kennt, sicher aber auch daran, dass durchaus daran liegen, dass noch nicht jeder ihre Vorzüge eine Nische des PC-Marktes erobert. Das mag sich ins Feld führen dennoch haben sie erst Thin Clients können viele handfeste Vorteile für Pro und Kontra Grundlagen Thin Clients: 6 Pro und Kontra Thin Clients können viele Vorteile für sich verbuchen: Sie sind wartungsfreundlich, energiesparender und sicherer als ein PC, brauchen weniger Platz. machen weniger Lärm. Aber sie haben auch Nachteile und es gibt Alternativen. 12 Marktübersicht Elf Thin Clients von elf Herstellern auf dem Prüfstand. Wiewohl das Testfeld recht eng beieinander lag, eignet sich lange nicht jedes Gerät für jeden Zweck. Eine ausführliche Feature-Übersicht erleichtert die Entscheidung. Terminal-Server 20 X2go Ein Newcomer unter den Terminalservern sorgt für Aufsehen: X2go bietet bereits einiges, was man bisher nur von den Großen kannte: Identifizierung per Smartcard oder mobile Sessions beispielsweise. 28 Load Balancing mit Freenx Arbeiten viele Clients parallel mit anspruchsvollen Anwendungen, ist auch ein gut ausgestatteter Terminalserver schnell überfordert. Abhilfe schafft eine Serverfarm, mit Freenx sogar lizenzkostenfrei. 36 NX Server Manager und Server Builder Zwei kommerzielle Tools von Nomachine vereinfachen die Administration der Terminalserver aus gleichem Haus, besondrs wenn gleich mehrere von ihnen zu betreuen sind. 46 LX Server und Connection Broker Thinstuff verspricht, die Vorteile von Server Based Computing, Virtualisierung und Blade-Systemen zu vereinen - und zwar in nur zwei Produkten, erminaldienste 1 Editorial 2 Inhalt 4 Editorial-Board 128 Impressum, Inserenten, it Autoren X2go 2 52 2X Terminalserver für Linux Wie sich ein unternehmensweit einheitlicher Desktop erreichen lässt, auf dem Linux- und Windows-Applikationen friedlich koexistieren, das zeigt ein Praxisbereicht über den 2X Thin Client Server.
Nom Inhalt Thin Clients Clie GPR 56 NXclients im Vergleich OpenVP Zum Client von Nomachine gibt es eine ganze Reihe weniger bekannter freier Alternativen, die auf einem guten Weg sind. 62 Sun-Ray Aus ihrer Drei-Schichten-Architektur ziehen die Thin Clients von Sun handfeste Vorteile: Sie kommen ohne Migration von Anwendungen aus und bieten dabei Single Sign-on und mobile Sessions. 66 Gnomes Kiosk Mode Zweckgebundene Gnome-Desktops versprechen gleich mehrere Tools. Welches eignet sich für welche Aufgabe? 76 KDE Kiosktool Auch KDE kennt einen eingeschränkten Desktop, der dem User genau absteckbare Grenzen setzt. Ein Blick hinter die Kulissen des Kiosk-Modus. Praxis 84 SBC von unterwegs So erreicht man den Terminalserver sicher und bequem auch über schmale Bandbreiten. Ein Workshop. 94 Virtualbox Interessante Möglichkeiten zeichnen das kommerzielle Kommandozeilenwerkzeug von Virtualbox aus, das etwa RDP mitbringt. 100 SBC in Schwäbisch Hall So löst ein Linux-Pionier in der öffentlichen Verwaltung das leidige Problem der Fachanwendungen, die es nur für Windows gibt - mit einer Kombination aus Server Based Computing und Virtualisierung. 56 110 Server-Based-Bildung Edubuntu integriert das Linux Terminal Server Projekt. Jetzt gibt es eine neue Version mit vielen interessanten Features. 120 SBC in Übersee Nicht nur hierzulande machen sich schlanke Clients bezahlt, gerade auch in der Entwicklungshilfe spieken sie viele Vorteile aus. 84 056-061_nxclients.indd 56 084-093_gprs_hej.indd 84 3
Editorial- Board Linux Technical Review berät seine Themen und Texte mit einem Gremium namhafter Experten. Das ausgewiesene Know-how dieser IT-Spezialisten hilft der Redaktion, einen besonders hohen Qualitätsstandard zu garantieren. 4
Service Editorial-Board Dr. Stefan Fischer ist Professor für Informatik an der Universität zu Lübeck und leitet dort das Institut für Telematik. Er forscht über neue Arten von Netzwerken. Harald Milz arbeitet als Senior Consultant und Teamleiter Open Source Solutions bei Computacenter AG & Co. ohg. Linux hält ihn seit 1993 auf Trab. Kurt Garloff trug als Abteilungsleiter für die Suse Labs wesentlich zu deren Aufbau bei. Heute arbeitet er als Chefarchitekt für Novells Suse-Entwicklungsabteilung. Peter Gutmann arbeitet an der University of Auckland, Neuseeland, und beschäftigt sich mit Design und Analyse kryptografisher Sicherheitsarchitekturen. Er ist Koautor von PGP. Lars Herrmann ist zuständig für Technical Presales für Red Hat und Jboss in EMEA (Europa, Middle East, Africa). Daneben ist er Mitglied im Linux Verband e. V. und der LiSoG. Wilhelm Hoegner (Dipl.-Ing.) studierte an der TU München Elektrotechnik. Er ist Leiter der neu gegründeten Hauptabteilung Informationstechnologie des Direktoriums der Stadt München. Klaus Knopper (Dip.-Ing.) arbeitet als freischaffender IT-Consultant und Entwickler von Open-Source-Lösungen. Daneben ist er Vertretungsprofessor an der FH Kaiserslautern. Volker Lendecke ist Diplom-Mathematiker und Mitglied des Samba- Teams; er entwickelt seit 1994 am Samba-Projekt mit. Er ist Mitbegründer der Sernet Service Network GmbH. Prof. Dr. Jürgen Quade lehrt an der Hochschule Niederrhein Echtzeitsysteme und IT-Sicherheit. Seine Schwerpunkte sind Linux-Kernel, Embedded- Linux sowie Sicherheit. Prof. Dr. Thomas Romeyke lehrt Informatik an der Fachhochschule Lübeck in den Studiengängen Wirtschaftsingenieurwesen und Betriebswirtschaft. Joachim Schröder ist bei Red Hat Team Lead der Solution Architects in Central Europe. Er berät mit diesem Team Kunden und Partner bei individuellen Lösungskonzepten. Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Schröder-Preikschat forscht als Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg über verteilte und parallele Betriebssysteme, Echtzeitsysteme, Softwarearchitektur. Thomas Schwaller gründete die Linux New Media AG mit. Seit Mitte 2001 arbeitet er als Linux-IT-Architekt bei der IBM Deutschland GmbH. Mit Linux arbeitet er seit etwa 13 Jahren. Prof. Dr. jur. Bernd Lutterbeck ist Professor an der TU Berlin mit den Schwerpunkten Informatik und Gesellschaft, Informationsrecht und Verwaltungsinformatik. Dr. Oliver Tennert ist Head of Technology bei der transtec AG. Er interessiert sich für HPC-Cluster, Storage und Virtualisierung, Dateisysteme, Forensik sowie Sicherheitskonzepte aller Art.. 5
Thin Clients: Pro und Kontra Thin Clients können viele handfeste Vorteile für sich ins Feld führen dennoch haben sie erst eine Nische des PC-Marktes erobert. Das mag daran liegen, dass noch nicht jeder ihre Vorzüge kennt, sicher aber auch daran, dass durchaus einige Nachteile einzukalkulieren sind und sich Alternativen anbieten. Jens-Christoph Brendel 6
Grundlagen Server-based Computing ist bei Licht besehen ein alter Hut, schon die Mainframes der Computerfrühzeit funktionierten nach diesem Prinzip. Jetzt erlebt es eine Renaissance, denn es hat überzeugende Vorteile, die wieder mehr und mehr ins Blickfeld der IT-Verantwortlichen rücken. Auf der Habenseite kann Server-based Computing die folgenden Argumente für sich verbuchen. Administration Den vielleicht augenfälligsten Vorteil spielen Thin Clients aus, wenn es um die Administration geht. Was sich bei einer größeren Menge an Standard-PCs regelmäßig zum Problem entwickelt der Rollout neuer Software, das Updaten und Patchen der alten das gibt es hier gar nicht: Alle Anwendungsprogramme residieren auf dem Terminalserver, der Admin braucht sie dort nur einmal einzuspielen und muss später nur eine Instanz updaten oder patchen. Ähnliches gilt für die Konfiguration der Applikationen, auch sie ist automatisch zentralisiert und vereinheitlicht. Das spart nicht nur sehr viel Zeit und teure Spezialsoftware für die Softwareverteilung, es schont auch die Netzwerkbandbreite, weil es nicht mehr nötig ist, Hunderte Megabyte Code auf die Clients zu schaufeln. Dasselbe gilt auch in der Gegenrichtung: Es braucht kein verteiltes Backup, das den lokalen Datenbestand vieler Clients einsammelt, und es fallen dafür auch keine Datenströme von den Clients zum Backupserver mehr an, die nur in bestimmten Zeitfenstern zu verkraften wären. Es ist unnötig, für die Datensicherung an vielen Stellen Applikationen zu stoppen und später neu zu starten das Backup des Terminalservers reicht aus, und auch nur hier läuft im Bedarfsfall das Recovery. Für den Anwender ergibt sich der Vorteil, dass er unabhängig vom Ort und vom Client, an dem er arbeitet, immer mit denselben Programmen zu tun hat. So entfallen automatisch alle Probleme, die sich aus verschiedenen Releases, unterschiedlicher Konfiguration oder anderer Hardwareausstattung ergeben können. Sicherheit Ein zweiter großer Pluspunkt betrifft die Sicherheit. So hat es Schadsoftware jeder Art hier ungleich schwerer, weil sie lokal nichts speichern kann. Sieht man einmal davon ab, dass es theoretisch möglich ist, den Schreibschutz des Flash- Speichers aufzuheben und danach dessen Inhalt zu kompromittieren, dann findet sich für übliche Viren, Würmer, Trojaner und dergleichen auf einem Thin Client einfach kein Platz zum Einnisten. Zwar lassen sich durchaus Software-Schwachstellen, etwa des lokalen Webbrowsers oder Media-Players, ausnutzen, doch erreicht der Angreifer damit höchstens das RAM. Ein Reboot, und der ganze Spuk wäre in Minuten vorbei das Entwurmen eines normalen PCs dauert Abbildung 1: Thin Clients im Bild die Produktpalette des Herstellers Igel Technology können zahlreiche Vorteile für sich ins Feld führen. 7
Grundlagen dagegen Stunden, und nicht selten bleibt nur eine komplette und aufwändige Neuinstallation. Thin Clients erfüllen per Design schon einige wesentliche Grundsätze sicherer Systeme: Minimal Machine: Der Client ist wesentlich weniger komplex als ein normaler PC. Da Komplexität aber ein Gegenspieler von Sicherheit ist und jede zusätzliche Komponente und jeder gestartete Dienst eine potenzielle Gefahrenquelle darstellen, bieten die abgespeckten Clients von vornherein weniger Angriffspunkte. Least Privilege: Anwender haben auf Thin Clients sehr viel weniger Möglichkeiten, Betriebssystem oder Anwendungen zu beeinflussen, was eher dem Ideal entspricht, nur minimale Privilegien und auch die nur für begrenzte Zeit zur Verfügung zu stellen. Entsprechend sind auch dem Angreifer, dem es möglicherweise gelingt, die Identität eines Users zu stehlen, die Hände gebunden. Segregation of Duties: Die Trennung der Verantwortlichkeiten ist hier automatisch gegeben. Herr über die Software ist der Admin Abbildung 2: Thin Clients (Bild der HP t1520) verbrauchen in allen Phasen ihres Lebenszyklus weniger Material und Energie als ein gewöhnlicher PC. So schonen sie auch die Umwelt. des Terminalservers. Es bedarf keiner besonderen Policy, um das durchzusetzen. Auch sonst schläft ein Terminalserver-Admin aus vielen Gründen ruhiger: Seine Anwender können keine fremde Software aus dubiosen Quellen nachinstallieren, die Geräte lassen sich wenn nötig auch physisch recht einfach gegen Diebstahl sichern. Sollten sie dennoch abhanden kommen, gehen nie Daten verloren, denn die liegen ja auf dem Server. Schließlich verschlüsseln die Standardprotokolle wie ICA oder RDP automatisch den Datenverkehr. Verfügbarkeit Auch in puncto Verfügbarkeit haben Thin Clients die Nase vorn. Ihre Mean Time Between Failures (MTBF) liegt über der eines normalen PCs, was vor allem daran liegt, dass es keine besonders ausfallträchtigen mechanischen Teile wie Festplatten oder Lüfter gibt. Natürlich kommen Hardwaredefekte dennoch vor. Aber sie sind viel einfacher zu handhaben: Man tauscht nur das Gerät gegen ein neues und arbeitet weiter. Im Unterschied zum PC sind keine lokalen Daten zu restaurieren, keine Programme nachzuinstallieren, und es gibt wenig oder nichts neu zu konfigurieren. Umweltschutz Das Stichwort Green IT ist derzeit in aller Munde, und Thin Clients können dabei einen wesentlichen Beitrag leisten. Schon am Anfang ihres Daseins benötigen sie in der Produktion weniger Material- und Energieeinsatz und fertiggestellt eine geringere Transportkapazität. Am Lebensende fällt weniger Elektroschrott an. Vor allem aber verbrauchen sie sehr viel weniger Strom im Betrieb. Im Mittel kommen sie mit 20 Watt oder weniger aus, ein handelsüblicher PC braucht mindestens das Zwei- bis Drei-, nicht selten das Vierfache, selbst wenn man den Energieverbrauch des Terminalservers anteilig den Clients zuschlägt [1]. Das macht sich mit der Stromrechnung bezahlt und sorgt auch für weniger Abwärme. Deswegen kann man auf Lüfter verzichten und damit auch auf den Lärm, den sie verursachen. Kosten Ein Thin Client ist nicht nur in der Regel billiger in der Anschaffung als ein Standard-PC, die Investition ist auch besser vor Wertverfall geschützt, denn die Softwareentwicklung überholt 8
Grundlagen hier nicht so leicht die Fähigkeiten der Hardware. Beim PC dagegen reichen einige Jahre, dann hält er mit aktueller Software nicht mehr mit. Anders der Thin Client: Hier wäre im Zweifel der Server auszubauen, aber das Endgerät auf dem Anwenderschreibtisch, das nur die Darstellung übernimmt, kommt nicht so schnell in die Bredouille. Noch gewichtiger als die Anschaffungskosten und der erwähnte geringere Stromverbrauch sind allerdings die deutlich reduzierten Aufwendungen für Wartung und Administration. Insgesamt sinken also die berühmten Total Costs of Ownership (TCO), und der Return On Investment (ROI) steigt. Das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) hat dazu im vergangenen Jahr im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsstudie eine umfangreiche Beispielrechnung angestellt [2]. PCs ohne Unterstützung durch ein Managementsystem verursachen danach Anschaffungs- und Betriebskosten von über 4 500 Euro pro Stück. Bei gemanagten PCs fällt diese Summe mit steigender Stückzahl rapide von knapp 7 000 Euro auf etwas unter 3 000 Euro, die sich ab etwa 70 solcher PCs ergibt. Thin Clients dagegen beginnen sich in dieser Beispielrechnung schon nach dem ersten Dutzend zu lohnen und erreichen mit steigender Anzahl gegenüber den gemanagten PCs eine Kostensparquote von knapp 40 Prozent. Das gilt auch, wenn ein zweiter Terminalserver für Ausfallsicherheit sorgt und auch dessen Kosten anteilig den Clients zuzurechnen sind (Abbildung 3). Hier pegelt sich die Summe aus Anschaffungs- und Betriebskosten bei größeren Stückzahlen um 2 700 Euro für die verwalteten PCs und 1 400 Euro für Thin Clients ein. Kontra Bis hierhin sah alles durchweg positiv aus. Wie kommt es aber dann, dass Thin Clients bislang trotz hoher Wachstumsraten nur eine Nische besetzen? Der Marktforscher IDC schätzt, dass sie gegenwärtig einen Anteil von lediglich fünf Prozent des Marktvolumens für PCs innehaben [3]. Dieser Claim soll weiter stark wachsen, auf zehn Prozent bis 2011 ein Ausbruch aus der Nische wäre aber auch das noch nicht. Zwei Gründe wirken bremsend: Thin Clients haben durchaus auch Nachteile, und es gibt Alternativen. Serverabhängigkeit: Ein offensichtlicher Nachteil ist die extreme Abhängigkeit vom Terminalserver. Während man mit einem Standard-PC auch nach Serverausfall wenn auch eingeschränkt weiterarbeiten kann, stellt der Thin Client in dieser Situation nicht mehr als einen Haufen nutzloses Blech dar. Abbildung 3: Anschaffungs- und Betriebskosten für Thin Clients inklusive ausfallsicherem Terminalserver im Vergleich mit Managed PCs. 9
Grundlagen Dem kann man freilich durch Hochverfügbarkeitslösungen für Terminalserver vorbeugen, die allerdings steigern Kosten und Komplexität auf der Serverseite. Nach Berechnung des Fraunhofer Instituts rechnet sich ein redundant ausgelegter Terminalserver ab etwa 70 Clients, die andernfalls zwei Stunden im Jahr ausfallen würden. Eignung der Applikationen: Es eignet sich nicht jede Software für den Betrieb auf einem Terminalserver. Besonders sehr rechenintensive Anwendungen (beispielsweise Simulationen) oder Anwendungen, die stark von der Grafikleistung abhängen oder ständig große Bereiche des Bildschirms aktualisieren wie Bildbearbeitung oder CAD, sind weniger gut geeignet und überfordern möglicherweise den Server und/ oder das Netzwerk. Zudem müssen die Applikationen bereits bei ihrer Entwicklung für den Multiuser- und Terminalserverbetrieb ausgelegt worden sein. Das ist meist der Fall, aber nicht immer. Lokale Hardware: Nicht in Frage kommen auch Applikationen, die besondere Betriebssysteme oder spezielle lokale Hardware voraussetzen, die nicht auf dem Terminalserver beziehungsweise am Thin Client arbeiten können. Hier ergibt sich weiter prinzipiell das Problem, das die Anwendung auf dem Server läuft, die Hardware, auf die sie zugreifen soll, aber lokal angeschlossen ist. Das lässt sich oft durch das Durchschleifen der lokalen Interfaces zum Server lösen, kann aber auch problematisch sein. Leistungsbedarf: Selbstverständlich hängt der Leistungsbedarf auch von der Anzahl gleichzeitiger Terminalsitzungen ab, nur: Für sehr wenige Clients ist der Server zu teuer, für sehr viele eine entsprechend hohe Leistung gefragt. Eine große Zahl von Clients setzt dann oft eine Terminalserver-Farm mit einem entsprechenden Load Balancing voraus. Dafür fallen neben den Hardware- oft auch nicht unerhebliche Software-Lizenzkosten an. Vorbehalte: Nicht selten stößt der Thin-Client-Einsatz auf Vorbehalte der Anwender, die sich dadurch entmündigt sehen, den Client als zweitklassigen PC betrachten und das Angebot als eigene Zurückstufung empfinden. Eine konstruktive Diskussion weit im Vorfeld der Einführung kann hier sicher Vorurteile abbauen wenn man sie denn führt. Mobilität: Schließlich ist ein gewöhnlicher Thin Client im Unterschied etwa zu einem Laptop nicht mobil. Auch dafür gibt es allerdings Lösungen wie WLAN-Optionen oder Thin Clients im Notebook-Format. Damit ist die Beweglichkeit wiederherstellbar zumindest solange man in der Netzreichweite des Terminalservers bleibt. Alternativen Für die effiziente Administration größerer Mengen von Arbeitsplatzrechnern sind Thin Clients nicht die einzige Alternative. Managed PCs: Auch verwaltete PCs mit zentralem Monitoring, Remote Administration und Softwareverteilung erlauben eine beachtliche Kostensenkung. Dabei bleibt die Autonomie des Arbeitsplatzrechners mindestens zum Teil erhalten, und die Abhängigkeit von einem zentralen Server sinkt. Lokale Hardware bereitet wenig Probleme, und es bestehen kaum Einschränkungen für die verwendbaren Applikationen. Allerdings profitiert man so auch nicht von geringerem Energieund Platzbedarf spezieller Clients. Virtualisierung: Arbeitet der Anwender mit einem virtuellen PC, kann er als Endgerät wieder einen echten Thin Client benutzen und dessen Vorzüge genießen. Die Abhängigkeit diesmal vom Host der virtuellen Maschinen ist ebenso hoch, dafür kann der Power User im Unterschied zum Terminalserver aber sogar Administratorenrechte auf seinem Rechner erhalten. Lokale Hardware kann auch hier problematisch sein, die Vorteile einer zentralen Administration kommen aber wieder zum Tragen: Es lassen sich fertig vorkonfigurierte VMs verwenden, das Backup ist zentralisiert, die Sicherheit höher und so weiter. Streaming: Betriebssystem und/ oder Anwendungen werden bei diesem Modell in einem Stream zum Endgerät übertragen und dort lokal ausgeführt. Der Server muss dafür weniger leistungsfähig sein, lokale Hardware ist unproblematisch, besondere Applikationen schränken das Konzept kaum ein, aber die zentrale Verwaltung der Software senkt auch hier die Kosten. Blade-PCs: Dieses Paradigma garantiert dem Anwender sogar einen eigenen physischen PC. Der steht aber nicht mehr am Arbeitsplatz (dort tut es bei nicht zu großer Ent- 10
Grundlagen fernung vom Rechenzentrum ein einfacher Bildschirm samt Maus und Tastatur), sondern steckt in einem Blade-Center, das die Admins zentral überwachen und warten. In diesem Fall gibt es keine besondere Abhängigkeit von einem Server, und es laufen abhängig von der Ausstattung der eingesetzten Blades auch alle Applikationen. Dennoch lassen sich viele Administrationsaufgaben zentralisieren und damit deutlich kostengünstiger erledigen als bei nicht verwalteten Standalone-PCs. Fazit Überall dort, wo eine größere Zahl von Clients mit einer beschränkten Zahl an Applikationen auskommt, die am besten noch dazu weder besonders grafik- noch rechenintensiv sind, spielt Server-based Computing seine Stärken voll aus. Das betrifft beispielsweise viele Office-Arbeitsplätze in Handel und Verwaltung und alle, bei denen es primär um Datenerfassung geht. Hier sind hohe Kosteneinsparungen mit Serverbased Computing realisierbar. Der Administrationsaufwand sinkt drastisch, es ist weniger in Hardware zu investieren, die Betriebskosten vermindern sich, die Sicherheit steigt, die Verfügbarkeit verbessert sich, und bei allem profitiert sogar auch die Umwelt. Weicht die Umgebung von dem idealen Biotop für Thin Clients ab, sollte man aber die Alternativen zumindest gewissenhaft prüfen. Es existiert eine ganze Palette anderer Möglichkeiten, einer großen Zahl von Clients effektiv Herr zu werden. Sparen lässt sich auch mit diesen Ansätzen durchaus, die dabei aber womöglich einige der Nachteile des Server-based Computing vermeiden können. Infos [1] Fraunhofer Institut: Ökologischer Vergleich von PC und Thin Client Arbeitsplatzgeräten, [http:// it. umsicht. fraunhofer. de/ TCecology/] [2] Fraunhofer Institut: Studie PC vs. Thin Client. Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, [http:// cc-asp. fraunhofer. de/ docs/ PCvsTC-de. pdf] [3] IDC zur Desktop-Virtualisierung: [http:// www. idc. com/ germany/ research/ vp_reuner_virtualisierung. jsp] 11