Unsicherheiten geologischer Untergrundmodelle

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Transkript:

Unsicherheiten geologischer Untergrundmodelle Bernd Loske DMT GmbH & Co. KG Keywords: Geothermie, Untergrundmodelle, Bohrungsdaten, seismische Datenbearbeitung, Migration, Bohrungsverlauf, Störungsflächen, öffentliche Datenverfügbarkeit Zusammenfassung Trotz limitierter Datenbasis wird von geologischen Untergrundmodellen für geothermische Vorhaben eine sehr hohe Genauigkeit erwartet. Dabei entstehen Unsicherheiten in der Tiefenprognose und laterale Unschärfen aus der Verwendung von seismischen Stapelgeschwindigkeiten und durch Migrationseffekte. Aber auch Bohrungsinformationen stellen keine harten Daten dar. Ohne Kenntnis des Bohrlochverlaufs und bei Annahme eines vertikalen Pfades kann die wahre Raumlage in 3000m Tiefe über 200m von der Lotrechten bei einem Tiefenfehler von über 10m abweichen. Durch Interpolationseffekte zwischen 2D Seismiklinien und Bohrungsaufschlüssen können sich die Lageunsicherheiten weiter verstärken. Erfahrungsgemäß beträgt bei Vorliegen von 2D Seismik und nur wenigen guten Bohrungsinformationen der mögliche Fehler in der Tiefenprognose im Bereich von ±5%, was in 3000m Tiefe ±150m bedeutet. Bei 3D Seismik kann eine Halbierung des Fehlers erreicht werden. Für eine weitere Verminderung stehen die notwendigen wissenschaftlichtechnischen Mittel zur Verfügung. Als Haupthindernis werden eher die Restriktionen gesehen, die sich aus der nicht-öffentlichen Datenvorhaltung ergeben. 1. Einleitung Geothermische Vorhaben verlangen eine hohe Genauigkeit der geologischen Gebirgsmodelle. Eine möglichst gute Kenntnis über die Tiefenlage der Aquifere und der Position tektonischer Strukturen ist von großer Wichtigkeit für die Voraussage zu erwartender Temperaturen und für eine erfolgreiche Bohrpfadplanung. Fast immer resultieren die Modelle aus der Interpretation seismischer Daten und aus Bohrungsinformationen. Während die Abschätzung von Unsicherheiten, die sich aus der Zeit- Tiefen-Wandlung seismischer Daten oft thematisiert wird, werden Unschärfen in der Bestimmung lateraler Positionen beispielsweise von Störungen häufig vernachlässigt. Hier spielt das Verstehen über Auswirkungen von Migrationsprozessen während der seismischen Datenbearbeitung eine wichtige Rolle. Aber auch die räumlichen Koordinatenbestimmungen aus Bohrungsdaten sind nicht genau. Auch hier können neben der Tiefenlage zum Teil beträchtliche Unsicherheiten in Bezug auf die laterale Position auftreten. Nicht zu vergessen sei auch die Mehrdeutigkeit von 2D Kartierungen oder 3D Modellierungen, die sich aus dem jeweils gewählten Interpretationsansatz und seinen Methoden ergeben. Letztendlich ergeben sich sowohl aus seismischen Daten, Bohrungen und Interpretationsmethoden die gleichen Unsicherheiten in Bezug auf die Lagebestimmung (d.h. die laterale Position) und die wahre Tiefenlage (Abb. 1). Allerdings können die Dimensionen sehr stark voneinander abweichen.

Zielsetzung des Vortages ist es, die Gründe für die Unsicherheiten zu benennen, sie zu quantifizieren und Möglichkeiten zu ihrer Verminderung aufzuzeigen. Unsicherheitsbereiche geologischer Untergrundmodelle Bohrungen Seismik Interpretation Lagebestimmung (Bohrungsverlauf) Lagebestimmung (Migration) Lagebestimmung (Störungsverlauf) Tiefenbestimmung Tiefenbestimmung (Zeit-Tiefen-Wandlung) Tiefenbestimmung (Kartierung) Abb. 1: Unsicherheitsbereiche geologischer Untergrundmodelle 2. Unsicherheiten von Bohrungsdaten Die Raumkoordinaten von Bohrungen werden oft als harte Daten betrachtet; sind es aber häufig nicht. Vor allem werden ältere Bohrungen, für die keine Bohrungsverlaufsdaten zur Verfügung stehen, als vertikal angenommen. Es gibt aber keine exakt vertikale Bohrungen. Ein Bohrexperiment zeigte beim Versuch, vertikal zu bohren, bei 1700m eine Neigung von 8 (Bulant et al 2007). Nimmt man etwas vorsichtigere Abweichungen von der Vertikalen in der Größenordnung von 5 an, so ergeben sich dennoch mit zunehmender Tiefe beträchtliche Unsicherheitsbereiche zur Bestimmung der tatsächlichen Position (Abb. 2). So kann bei einer senkrechten Bohrung in einer für die Geothermie üblichen Tiefe von 3000m die wahre Lage eines Durchstoßungspunkt in einem Radius von rund 260m um den Bohransatzpunkt an der Oberfläche liegen. Dagegen ist der Tiefenfehler mit 11m relativ gering. Mit heutigen Messmethoden können die Bohrungslagen mit einer Genauigkeit von etwa 0,5 ermittelt werden. In diesem Fall beträgt die laterale Unsicherheit in 3000m Tiefe etwas mehr als 26m und in der Vertikalen 0,1m. Weitere, wenn auch nicht so große Unsicherheiten, bestehen in der Messtechnik zur Teufenbestimmung (Logger s Depth vs. Driller s Depth). Aber selbst diese können zum Beispiel bei einem Frac-Job sehr wichtig werden.

Abb. 2: Resultierende laterale und horizontale Abweichung von einer vertikalen Bohrung bei 5 Neigung 3. Unsicherheiten von seismischen Daten Dass beim Weg von der Aufzeichnung eines in die Erde emittierten akustischen Signals - das z.t. mehrfach gebrochen und reflektiert sein kann - bis zur Erzeugung eines hochauflösenden Datenvolumens, kein 1:1 Abbild des Untergrundes entstehen kann, dürfte allgemein bekannt und akzeptiert werden und soll hier nicht repetiert werden. Es sollen hier zwei Problembereiche dargestellt werden: die Migration und die Zeit-Tiefen- Wandlung. Durch die Migration sollen seismische Reflektoren an ihrer wahren geologischen Position abgebildet werden. Es handelt sich dabei um mathematische Verfahren, durch die der "Lauf" der seismischen Signale rechnerisch bis zum Zeitpunkt bzw. Ort ihrer Entstehung zurückverfolgt wird. Voraussetzung dafür ist, dass die Geschwindigkeit bekannt ist, bzw. eine angenommen werden muss. Es gib eine Vielzahl von methodischen Ansätzen und Algorithmen mit dem Ziel, der wahren Lage in teils sehr aufwendigen Verfahren möglich nahe zu kommen. Bei horizontal gelagerten Schichten ist solch eine Lagekorrektur nicht nötig (Abb. 3): Die dargestellte seismische Spur bezeichnet den Common Depth Point (CDP), auch Common Reflection Point (CRP) genannt, der sich auf halbem Weg zwischen Quelle und Empfänger befindet. Bei geneigten Reflektoren, und das ist der Regelfall, ist die Situation komplexer und die Lösung ist nicht mehr eindeutig (Abb. 4). Die wahre Position des Reflektors kann überall auf der eingezeichneten Halbkugel sein. So können auf einer seismischen 2D Linie Signale aufgezeichnet sein, die nicht auf der Schnittlinie liegen, sondern von seitwärts kommen (sogenannte off-line Effekte). Dieser Effekt tritt besonders auf Linien in Richtung des Schichtstreichens auf. Welche Auswirkungen eine fehlerhafte Annahme von Geschwindigkeiten beim Migrationsprozeß hat, ist sehr anschaulich in Jones (2010) gezeigt (Abb. 5). In einem einfachen Drei-Schichten- 3

Modell führt bei einem Geschwindigkeitsfehler von 3% nur für die oberste Schicht in 5000m Tiefe zu einem Lagefehler von 50m in vertikaler und lateraler Richtung. Bei einem Fehler von 8% gar bis zu 120m in der Tiefe und 150m in der Horizontalen. Abb. 3: Seismische Reflektion an einer horizontal gelagerten Schicht Abb. 4: Seismische Reflektion an einer geneigten Schicht

120m 150m Abb. 5: Lageveränderungen in Abhängigkeit von Migrationsgeschwindigkeiten (nach Jones 2010) Während die lateralen Unsicherheiten bei einer seismischen Interpretation häufig nicht thematisiert werden, wird die Tiefenlage von Schichtgrenzen oft als das Qualitätsmerkmal des Untergrundmodells seitens des Auftraggebers betrachtet. Die Qualität des Tiefenmodells, das aus der Zeit-Tiefen-Wandlung entsteht, ist von den verfügbaren Geschwindigkeitsdaten abhängig. Daher ist ein Geschwindigkeitsmodell nur in den seltensten Fällen final, sondern verlangt mit neuen Daten eine Überarbeitung. Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Datenquellen für die Zeit-Tiefen- Wandlung: Bohrungsmessungen o Sonic, Geophonversenkmessung, VSP (Abb. 6) Seismische Datenbearbeitung o Stapelgeschwindigkeiten (Abb. 7) Die aus Bohrungen durch Geophonversenkmessungen ( checkshots ), VSPs oder Sonic-Sonden ermittelten Geschwindigkeiten liefern ein genaues vertikales Geschwindigkeitsprofil, sind jedoch meist in zu geringer Zahl verfügbar, um laterale Geschwindigkeitsvariationen zu beschreiben. Diese Genauigkeit können die während der seismischen Datenbearbeitung in meist regelmäßigen Profilabständen ermittelten Stapelgeschwindigkeiten nicht bieten, zeigen dafür aber laterale Variationen an. 5

Die seismischen Geschwindigkeiten dienen in erster Linie dazu, seismische Spuren konstruktiv überlagern zu können. Um die Hyperbeln einer Einzelspur (die durch den wachsenden Abstand zwischen Quelle und Empfänger zustande kommen) in einen gradlinigen Reflektor zu überführen, wird eine Laufzeitkorrektur (Normal Move Out) vorgenommen. Für diesen Vorgang müssen Geschwindigkeiten (die sogenannten Stapelgeschwindigkeiten) bestimmt werden. Die Stapelgeschwindigkeiten haben also ihre Verwendung darin, ein möglichst scharfes Abbild der Reflektoren zu liefern (im Englischen Imaging ) und im schon behandelten Migrationsprozess eine möglichst genaue Positionierung in lateraler Richtung zu liefern. Sie dienen also nicht dazu, die Geschwindigkeitsverteilung in der vertikalen Richtung zu erfassen ( Depthing ). Daher sollte es nicht überraschen, dass eine Tiefenprognose, die sich allein auf seismische Geschwindigkeiten stützen muss, Unsicherheiten in einer Größenordnung bis maximal ±10% aufweisen können, wobei sie bei einem typischen 2D Seismik Projekt in der Geothermie häufig um die 5% liegen. Die Erfahrung zeigt, dass sich bei Stapelgeschwindigkeiten aus einer 3D Seismik der Fehler deutlich auf unter 3% verringern lässt. Liegt statt einer Geophonversenkmessung nur eine Sonic-Messung vor, ist weiterhin zu bedenken, dass diese durch die Bohrlocheigenschaften (Ausbrüche) beeinflusst sein können, dass unterschiedliche Frequenzbereiche zwischen Sonic und Reflexionsseismik sowie Anisotropieeffekte bestehen. Abb. 6: Geschwindigkeitsmessungen in Bohrungen (linke Abb. RESOLUTION RESOURCES INTERNATIONAL)

Abb. 7: Verwendung von seismischen Stapelgeschwindigkeiten zur NMO (Normal Move Out) Korrektur (linke Abb, http://seismics.geophysik.uni-muenchen.de/resources/seism_proc/abb_20.gif, rechte Abb. GAJEWSKI 2010) 4 Interpretatorische Unsicherheiten Daten des Untergrundes sind eigentlich nie in einer solchen Menge und Dichte verfügbar, um ohne eine Auslegung (das Wort Interpretation stammt aus dem Lateinischen interpretatio = Auslegung, Übersetzung, Erklärung) auszukommen. Es soll hier gar nicht auf mögliche Fehler bei der Zuordnung von seismischen Reflektoren zu geologischen Schichtgrenzen oder auf die Schwierigkeiten, Störungen zwischen 2D Linien zu korrelieren, eingegangen werden. Hier soll aufgezeigt werden, wie auch bei richtiger Interpretation durch Interpolationseffekte die bei 2D Seismik wesentlich stärker als bei 3D Seismik zum Tragen kommen - Unsicherheiten in Schichttiefen und in der Position von Störungen erzeugt werden können. Wie bei Bohrungen und Seismik bestehen wiederum laterale und vertikale Unsicherheiten. Die Minimierung lateraler Unsicherheiten ist insbesondere für die Positionsbestimmung von Störungen in der Geothermie von großer Wichtigkeit. Einerseits erwartet man in der Nähe von Störungen Schwächezonen mit verbesserten Zuflusseigenschaften, andererseits kann das ungeplante Durchörtern einer Störung in einer Bohrung zu einem Schichtausfall gerade der besten Schichtglieder führen. Bei 2D Seismik muss zwischen den Profilen interpoliert werden und mit zunehmender Entfernung vom Profil vergrößern sich die Unsicherheiten noch zusätzlich zu den ohnehin schon aus Bohrungen und Seismik bestehenden. Für jede Kartierung des Verlaufs von Störungslinien existiert daher ein Unsicherheitskorridor. Es sollten aber zumindest nicht noch zusätzliche Fehler dadurch verursacht werden, indem die geometrischen Beziehungen zwischen der dargestellten Oberfläche und der Störungsflache unberücksichtigt bleiben. Für die in der Geothermie geforderte Genauigkeit ist es unabdingbar, die Beziehungen zwischen beiden Flächenelementen dreidimensional zu betrachten. 7

Es ist sicherlich ein vernünftiger Ansatz, bei der Interpolation eine möglichst einfache Geometrie anzunehmen, aber die nicht selten zu beobachtende Kartierung von mit dem Lineal gezogenen Störungslinien kann nur in den seltensten Fällen korrekt sein. Denn - Störungslinien sind nur gerade Linien bei konstantem Einfallen von Störungsfläche und Horizont - ansonsten sind Störungslinien gekrümmt. In Abb. 8 wird deutlich, dass eine geometrisch richtige Kartierung zu beträchtlichen Lagekorrekturen führen kann. Nicht zu unterschätzen sind auch Unterschiede auf einer Tiefenstrukturkarte, die sich allein aus der Anwendung verschiedener Kartieralgorithmen ergeben (Abb. 9). Seismische Linien Abb. 8: Lagekorrektur einer Störungslinie durch 3D Störungsmodellierung links: kartierte geradlinige Störung durch lineare Interpolation zwischen seismischen Linien, Mitte: 3D Darstellung einer konstruierten planaren Störungsfläche, Isohypsen (blau) wie in linker Abb. und gekrümmte Störungslinie (rot) als Schnittlinie zwischen Tiefen- und Störungsfläche, rechts: geometrisch korrekte Position der Störungslinie (Kartenquelle: BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, INFRASTRUKTUR, VERKEHR UND TECHNOLOGIE 2005)

Abb. 9: Isohypsenkarte unter Anwendung unterschiedlicher Interpolationsalgorithmen 5 Fazit Es ist aufgezeigt worden, dass geologische Untergrundmodelle mit nicht unerheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Bei einem nicht untypischen Geothermieprojekt, bei dem einige seismische 2D Linien und eine Kontrollbohrung vorliegen, ist mit Unsicherheiten in der Tiefenprognose von ±5%, in Extremfällen mit höheren Unschärfen zu rechnen. In Abb. 10 ist aufgezeigt, wie sich ein Fehler von 5% in absoluten Meterangaben in Abhängigkeit von der Tiefenlage darstellt. Mit einer 3D Seismik kann häufig eine Halbierung der Unsicherheiten erreicht werden. 9

Tiefe Erdoberfläche 1000m ±50m 2000m ±100m 3000m 4000m Fehlerbereich bei 5% Unsicherheit ±150m ±200m Abb. 10: Darstellung eines Tiefenfehlers von 5% in Abhängigkeit der Tiefenlage Ziel des Vortrages sollte sein, die Sensibilität für sie zu stärken. Ziel des seismischen Datenbearbeiters und des geowissenschaftlichen Interpreten sollte es sein, die Unsicherheiten durch eine gewissenhafte Methodenauswahl und -anwendung zu minimieren, aber auch, sie transparent zu beschreiben. Während die wissenschaftlich-technischen Mittel zur Verfügung stehen, sieht der Autor die größten Restriktionen in der Verfügbarkeit einer quantitativ ausreichenden und qualitativ genügenden Datenbasis. Regionale Studien, die über die eigene Erlaubnisfeldgrenzen schauen, sind nötig, um beispielsweise zu einer besseren Kalibrierung der seismischen Geschwindigkeitsmodelle zu kommen. Dazu sind möglichst umfassende Bohrungsdaten (und Seismik) nötig. Eine vergleichbare Studie der DGMK zur Oberkreide und Buntsandstein in Norddeutschland basiert auf der Untersuchung von 59 Bohrungen (DGMK 2000). Leider ist eine solche Studie für die Geothermie heute kaum möglich. Haupthindernis ist die nichtöffentliche Vorhaltung der notwendigen Daten. Anders als bei unseren Nachbarn in den Niederlanden würde allein die Datenbeschaffung sehr zeit- und kostenintensiv sein. Der Autor vertritt die Meinung, dass eine Veröffentlichungspflicht einen beträchtlichen Schub für die Geothermie aber auch für Exploration unkonventioneller Gas- und Ölressourcen - ergeben würde und die geologischen Projektrisiken signifikant vermindern würde.

Quellenangaben BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, INFRASTRUKTUR, VERKEHR UND TECHNOLOGIE (Hrsg.): Bayerischer Geothermieatlas Hydrothermale Energiegewinnung, 194 S., München (2005). BULANT,P., EISNER, L., PSENCIK, L. & LE CALVEZ, V.: Importance of borehole deviation surveys for monitoring of hydraulic fracturing treatments, Geophysical Prospecting, 55, (2007), 891-899. DEUTSCHE WISSENSCHAFTLICHE GESELLSCHAFT FÜR ERDÖL, ERDGAS UND KOHLE E.V. (DGMK): Optimierung von Geschwindigkeitsparametern für die Zeit-/Tiefenkonversion. DGMK Forschungsbericht 534, 95 S., Hamburg (2000). GAJEWSKI, D.: Angewandte Geophysik II, Vorlesungsskript, http://www.geophysics.zmaw.de/fileadmin/documents/teaching/skripten/skript.pdf, Universität Hamburg (2010), (abgerufen am.21.09.2010) JONES, I.F.: An Introduction to: Velocity Model Building, EAGE Publications, 295 S., Houten (2010). RESOLUTION RESOURCES INTERNATIONAL (RRI): http://www.rrinc.com/frame%20pages/tech%20pages/seismic/vsp.jpg, (abgerufen am.21.09.2010) Am Technologiepark 1, 45307 Essen Bernd.Loske@dmt.de 11