Sicherheitspolizei vs Grundrechte ::

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Transkript:

Sicherheitspolizei vs Grundrechte :: verfassungsrechtliche Grenzen der Überwachung nach dem Sicherheitspolizeigesetz Wolfram Proksch W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 1

:: Territorialstaat das (völkerrechtliche) System des sog Westfälischen Realismus sieht den Staat als Territorialmacht mit Souveränität. Cuius regio, eius religio! oder Look at the prince and no farther! der Staat hat die höchste Befehlsgewalt innerhalb seines Staatsgebietes Permanent Court of International Justice (PCIJ), Lotus case, 1925 UN Charter, Art 2 "All law is prima facie territorial. (US Supreme Court, American Banana Co. v. United Fruit Co.) Jurisdiktionen unterscheiden sich freilich hinsichtlich ihrer Formen und Prinzipien territoriale Souveränität ist nach wie vor ein allgemein akzeptiertes und erfolgreiches Prinzip des Friedens W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 2

:: Verfassungsstaat oberstes bzw höchstrangiges Recht eines Staates ist die sog Verfassung. liberal-demokratischen Verfassungen sehen in Rechtsstaaten vor, dass die konstituierte Staatsgewalt zur Begrenzung der Macht auf verschiedene Staatsorgane bzw Gewalten aufgeteilt wird nämlich im Rahmen der sog. Gewaltenteilung : Legislative (Gesetzgebung) Judikative (Rechtsprechung) Exekutive (Verwaltung) die Verfassung regelt neben dem organisatorischen Staatsaufbau, der territorialen Gliederung des Staates oder der Kompetenzverteilung auch das Verhältnis des Staates zu seinen BürgerInnen und deren bedeutendste Rechte und Pflichten. B-VG, BVG (Bundesverfassungsgesetz) StGG (Staatsgrundgesetz) EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 3

:: Grund- und Menschenrechte Grundrechte sind grundlegende Freiheiten der BürgerInnen gegen den Staat. Sie sind primär als Abwehrrechte konzipiert. Sie sollen den Normunterworfenen dauerhaft, beständig und effizient bzw einklagbar (verfassungsgesetzlich gewährleistet) vor Eingriffen des Staates schützen. Grund- und Menschenrechte sind verfassungsgesetzlich geregelt in/im B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) der EMRK (Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) Art 8 (Achtung der Privat- und Familienlebens) Art 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) StGG (Staatsgrundgesetz) Art 10a (Fernmeldegeheimnis) Eingriffe des Staates sind nur im Rahmen der sog. Grundrechtsschranken zulässig. W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 4

:: Problem Kontrollverlust Staaten verlieren die Kontrolle über ihr Territorium bzw ihre BürgerInnen. (Tele-)Kommunikation erfolgt zunehmend grenzüberschreitend und scheinbar unkontrollierbar ; das Internet bzw der dadurch geschaffene Cyberspace ist extra-territorial, nur virtuell räumlich Cyberspace radically undermines the relationship between legally significant (online) phenomena and physical location. The rise of the global computer network is destroying the link between geographical location and: (1) the power of local governments to assert control over online behavior; (2) the effects of online behavior on individuals or things; (3) the legitimacy of the efforts of a local sovereign to enforce rules applicable to global phenomena; and (4) the ability of physical location to give notice of which sets of rules apply. (Johnson/Post, 1996 W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 5

53 Abs 3a SPG (3a) Die Sicherheitsbehörden sind berechtigt, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste ( 92 Abs. 3 Z 1 Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003, BGBl. I Nr. 70) und sonstigen Diensteanbietern ( 3 Z 2 E-Commerce-Gesetz - ECG, BGBl. I Nr. 152/2001) Auskunft zu verlangen über 1. Namen, Anschrift und Teilnehmernummer eines bestimmten Anschlusses, 2. Internetprotokolladresse (IP-Adresse) zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt ihrer Übermittlung sowie 3. Namen und Anschrift eines Benutzers, dem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer konkreten Gefahrensituation rechtfertigen und sie diese Daten als wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben benötigen. Die Bezeichnung eines Anschlusses nach Z 1 kann für die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder die Abwehr gefährlicher Angriffe auch durch Bezugnahme auf ein von diesem Anschluss geführtes Gespräch durch Bezeichnung eines möglichst genauen Zeitraumes und der passiven Teilnehmernummer erfolgen. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskunft unverzüglich und kostenlos zu erteilen. W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 6

53 Abs 3b SPG (3b) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die Sicherheitsbehörden zur Hilfeleistung oder Abwehr dieser Gefahr berechtigt, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste Auskunft über Standortdaten und die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) der von dem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zu verlangen sowie technische Mittel zu ihrer Lokalisierung zum Einsatz zu bringen. Die Sicherheitsbehörde trifft die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit des Auskunftsbegehrens, dessen Dokumentation dem Betreiber unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nachzureichen ist. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskünfte unverzüglich und gegen Ersatz der Kosten nach 7 Z 4 der Überwachungskostenverordnung ÜKVO, BGBl. II Nr. 322/2004, zu erteilen. W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 7

W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 8

:: Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (I) Das Fernmeldegeheimnis ist verfassungsgesetzlich in Art 10a StGG geregelt : Das Fernmeldegeheimnis darf nicht verletzt werden. Ausnahmen von der Bestimmung des vorstehenden Absatzes sind nur auf Grund eines richterlichen Befehles in Gemäßheit bestehender Gesetze zulässig. einfachgesetzlich wurde das Fernmeldegeheimnis in 93 TKG 2003 (idf BGBl I Nr 133/2005) neu geregelt: Demnach unterliegen die Inhaltsdaten, die Verkehrsdaten und die Standortdaten dem so genannten Kommunikationsgeheimnis, welches sich auch auf die Daten erfolgloser Verbindungsversuche erstreckt. nach herrschender Judikatur und Literatur unterliegen auch Verkehrsdaten jedenfalls dem Fernmeldegeheimnis isd Art 10a StGG W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 9

:: Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (II) Die Bestimmungen 53 Abs 3a u 3b SPG berechtigen die Sicherheitsbehörden, von Betreibern öffentlicher Telekommunikationsdienste und von sonstigen Diensteanbietern isd ECG sowohl Auskunft über Stammdaten als auch über Verkehrsdaten und Inhaltsdaten zu verlangen, ohne dass für die beiden letztgenannten Datenkategorien ein richterlicher Befehl notwendig wäre Die in 53 Abs 3a SPG geregelte Verpflichtung, Sicherheitsbehörden über Anfrage Internetprotokolladressen (IP-Adressen) zu einer bestimmten Nachricht und den Zeitpunkt der Übermittlung mitzuteilen (Z 2) und auch Auskunft über Name und Anschrift eines bestimmten Benutzers zu erteilen, dem die IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war (Z 3), geht weit über eine reine Stammdatenabfrage und sogar über eine Verkehrsdatenabfrage hinaus W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 10

:: Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (III) Setzt man die Kenntnis eines bestimmten Kommunikationsverhaltens voraus und werden dazu IP-Adresse und Übermittlungszeit oder auch Name und Anschrift des Benutzers, dem eine IP-Adresse bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, bekannt gegeben, lässt sich in aller Regel auch auf den Inhalt der Nachricht schließen, wenn man etwa wiederum den Inhalt der aufgerufenen Website oder der Newsforen-Einträge kennt. Da die Inhalte einer Website, von Gästebucheinträgen, Newsforen, Blogs etc zu einem bestimmten Zeitpunkt wesentlich leichter nachzuvollziehen sind (vgl etwa Web-Archive wie http://www.archive.org/) als die Inhalte eines mündlich geführten Telefongesprächs, sind auch derartige Daten keineswegs mit jenen Verkehrsdaten vergleichbar, die bei der Führung eines Ferngesprächs anfallen. Die Daten sind informationell angereichert. Die Grenze zwischen Verkehrsdaten und Inhaltsdaten verschwimmt es geht in Wahrheit nicht (nur) um die Frage, ob bzw wann jemand kommuniziert hat, sondern was mit wem kommuniziert wurde (zb welche Inhalte von wem wann heruntergeladen oder zum download bereitgestellt wurden, wer wann welche Website besucht hat, wer welchen Eintrag in einem Forum veröffentlicht hat etc. W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 11

:: Eingriff in das Privat- & Familienleben (I) Art 8 Abs 1 EMRK regelt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs. Auch der Fernmeldeverkehr wird dem Privatleben bzw dem Briefverkehr zugeordnet. Dem Schutzbereich des Art 8 Abs 1 EMRK sind abgesehen von Inhaltsdaten auch sog äußere Gesprächsdaten zuzurechnen. Zu diesen äußeren Gesprächsdaten zählen nach Ansicht des EGMR auch die Nummern beteiligter Anschlüsse sowie Zeitpunkt und Dauer des Gesprächs Malone/Vereinigtes Königreich [EGMR 2.8.1984; EuGZR 1985, 23f] Klass/Bundesrepublik Deutschland [EGMR 6.9.1978; EuGZR 1979, 278ff] Ein Eingriff in die in Art 8 Abs 1 EMRK statuierten Rechte durch eine öffentliche Behörde darf gem Art 8 Abs 2 EMRK nur stattfinden, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 12

:: Eingriff in das Privat- & Familienleben (II) Die Verhältnismäßigkeit ist nach der Rsp des EGMR nur dann gewahrt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer Straftat bestehen die Maßnahme nur die verdächtigten Personen erfasst dasselbe Ziel nicht mit anderen (gelinderen) Maßnahmen erreicht werden kann ein besonderes Verfahren für die Überwachung besteht die Überwachung zeitlich beschränkt ist eine möglichst richterliche Kontrolle der Überwachung erfolgt die überwachte Person nachträglich jedenfalls von der Maßnahme informiert wird, wenn der ursprüngliche Zweck der Überwachung dadurch nicht vereitelt wird FAZIT: 53 Abs 3a u 3b SPG sind viel zu vage, fordern Missbrauch geradezu heraus und greifen völlig unverhältnismäßig in das Grundrecht ein W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 13

.ende RA Dr. Wolfram Proksch Nibelungeng. 11/4, A-1010 Wien +43 (1) 877 04 54 FAX +43 (1) 877 04 56 office@pfr.at www.pfr.at W. Proksch (C) 2008 SPG vs Grundrechte 14