Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen



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Technische Universität Dresden Fakultät Bauingenieurwesen Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik 37. Dresdner Wasserbaukolloquium 2014 Simulationsverfahren und Modelle für Wasserbau und Wasserwirtschaft Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen Antje Bornschein Die Breschenentwicklung bei einem Dammbruch, insbesondere die Endbreschengröße, die Breschenbildungsdauer und der maximale Breschenausfluss sind abhängig vom Dammmaterial, der Dammhöhe und dem potentiellen Ausflussvolumen. Zu Dammbrüchen gibt es sowohl zahlreiche Dokumentationen von historischen Fällen als auch von hydraulischen Modellversuchen, aus denen empirische Beziehungen zur Berechnung dieser Parameter abgeleitet wurden. Es steht jedoch die Frage im Raum, ob diese für homogene Dämme entwickelten Beziehungen auch für Dämme mit Dichtungselementen angewendet werden können. Deshalb wurden hydraulischen Modellversuche zum Bruchverhalten von Dämmen ohne und mit Dichtungen infolge Überströmung durchgeführt. Im Folgenden soll ein Überblick über die durchgeführten und noch anstehenden Versuche gegeben werden, sowie erste Ergebnisse präsentiert werden. Stichworte: Dammbruch, Dämme mit Dichtungen, Breschenentwicklung 1 Einleitung Dammbruchszenarien sind Teil von Risikostudien für Talsperren und Deiche. Sowohl die Schnelligkeit eines hypothetischen Dammbruches als auch die Endbreschengröße sind abhängig vom Dammmaterial, der Dammhöhe und dem potentiellen Ausflussvolumen. Sie beeinflussen den maximalen Breschenausfluss und damit eine sich im Unterwasser ausbreitenden hypothetische Talsperrenbruchwelle maßgeblich. Block 4 Saal 3 Abbildung 1: Querschnitt eines Dammes mit Innendichtung (links) und mit Außendichtung (rechts) Aus experimentellen Modelluntersuchungen mit Erddämmen geht hervor, dass ein Damm mit einem Dichtungskern (Innendichtung) bei Überströmung schneller erodiert als ein homogener Damm. Erklären lässt sich dieses Phänomen dadurch, dass der erosionsstabilere Kern eine Art Überfallkante bildet, hinter der

304 Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen eine erhöhte Turbulenz auftritt (Bechteler & Kuhlisch 1998). Die Folge einer Hinterspülung der Dichtungselemente (vgl. Abbildung 2) ist zum einen, dass der Wasserstand im Reservoir zunächst während des Bruchprozesses hoch bleibt und die Wasserstandsdifferenz zwischen der Wasser- und der Luftseite des Dammes beim Versagen des Dichtungselementes, das sich dann sehr schnell vollziehen kann, immer noch groß ist. Zum anderen führen Wirbel direkt hinter der Abbruchkante zu einer verstärkten Mobilisierung des Dammmaterials und damit zu einem schnelleren Bruch. Abbildung 2: Hinterspülung einer Innendichtung (links) bzw. einer Außendichtung (rechts) bei einer Dammüberströmung mit rückschreitender Erosion (Prinzipskizze) Welche Auswirkungen Außenhautdichtungen auf den Bruchvorgang haben, ist noch nicht hinreichend untersucht worden. Es ist jedoch eine analoge Beeinflussung der Breschenerosion wie bei Kerndichtungen und damit einer Verkürzung der eigentlichen Breschenbildungszeit denkbar. Um dies zu klären, wurden im Hubert-Engels-Labor am Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik der Technischen Universität Dresden Modellversuche durchgeführt. 2 Modellversuche 2.1 Versuchsaufbau Für die Modellversuche wurde ein 14,64 m langer und 2 m breiter horizontaler Kanal aus Forex-Platte gebaut. Die Seitenwände waren 0,6 m hoch und durch ein Tragwerk aus Holzbalken zusätzlich abgestützt. Der größte Teil des Kanales wird durch das Reservoir eingenommen. Der Versuchsaufbau ist in Abbildung 3 dargestellt. Tabelle 1 Übersicht Versuchsreihen (bisherige Versuche) Versuchsreihe Böschungsneigung Anzahl Versuche ohne Dichtung Anzahl Versuche mit Dichtung 1 1:2,5 5 3 2 1:4 3

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 50 37. Dresdner Wasserbaukolloquium 2014 Simulationsverfahren und Modelle für Wasserbau und Wasserwirtschaft 305 Abbildung 3: Skizze Versuchstand und Messgeräte für Versuchsreihe 1 (Längsschnitt, Maßangaben in [m]) Für alle Versuchsreihen wurde ein 0,4 m hoher Sanddamm eingebaut. Die Kronenbreite betrug 0,1 m. Die Neigung der luft- und der wasserseitige Böschung sowie die Anzahl der Versuche sind in Tabelle 1 aufgeführt. Es wurde sowohl Versuche mit Innendichtung als auch mit einer Außendichtung durchgeführt. Als Dichtungsmaterial wurde Lehm verwendet. Die Außendichtung war eine ca. 1 cm dicke Lehmschicht, die nachträglich auf die Wasserseite des Dammes aufgebracht wurde. Die Innendichtung war eine ca. 5 cm dicke Lehmschicht, die zeitgleich mit den beiden Stützkörpern aufgebaut wurde. 2.2 Messmethoden Während der Versuche wurde der zeitabhängig Wasserstand mit kapazitiven Pegeln an 6 bzw. 4 Stellen im Reservoir (Kanalmitte) gemessen (vgl. Abbildung 4, links). Die Auflösung der Pegel betrug 120 mm/v bei einem Maximalwert von 5 V. Die Aufzeichnungsrate für die Messwerte wurde mit 10 Hz festgelegt. Block 4 Saal 3 Abbildung 4: Wasserstandsmessgerät (links) und Vermessung der Bresche mit dem 3Doptischen System von AICON

306 Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen Der Bruchvorgang wurde mit einer Netzwerkkamera von ABUS (Typ TVIP52501) aufgezeichnet. Gefilmt wurde die Luftseite des Modelldammes. Die Kamera zeichnete MPEG-4-Dateien mit einer Auflösung von 1920 x 1080 Bildpunkten und einer Bildrate von 25 pro Sekunde auf. Zusätzlich wurden bei einigen Versuchen Filme aufgezeichnet, die den Bruchvorgang auf der Wasserseite dokumentieren. Nach den Versuchen wurde die Form der Bresche vermessen. Die Lage der Bruchkanten und die Form des Breschenquerschnittes wurden punktweise ermittelt. Des Weiteren wurde die gesamte Bresche mit einem 3D-optischen System von AICON vermessen (vgl. Abbildung 4, rechts). 2.3 Versuchsdurchführung Vor jedem Versuch wurde auf der Dammkrone eine standardisierte Initialbresche, an der bei einer Überströmung die Erosion beginnen sollte, eingetieft. Diese war ca. 0,02 m tief und 0,05 m breit. Zu Beginn wurde das Reservoir mit Wasser gefüllt. Wenn der Wasserstand die Sohle der Initialbresche erreicht hatte, wurde die Wasserzuführung gestoppt. Um einen störungsfreie Wasseroberfläche zu Beginn des Versuches zu erhalten wurde eine Zeit lang gewartet, bis kleinere Oberflächenwellen abgeklungen waren. Dann wurde mit der Wasserstandsmessung begonnen, die Videoaufzeichnung gestartet und noch etwas Wasser in das Reservoir gelassen, um den Überströmungsvorgang zu beginnen. Abbildung 5: Beginn der Erosion auf der Luftseite des Dammes (Blick nach unterstrom) Abbildung 5 zeigt eine sich auf der Dammluftseite ausbildende Erosionsrinne am Beginn des Bruchvorganges. Am Dammfuß ist die Ablagerung des in der Bresche mobilisierten Materials zu erkennen.

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 50 37. Dresdner Wasserbaukolloquium 2014 Simulationsverfahren und Modelle für Wasserbau und Wasserwirtschaft 307 3 Auswertung 3.1 Messwertanalyse Die folgenden Ausführungen berücksichtigen nur Versuche der Versuchsreihe 1, also den Modelldamm mit einer Böschungsneigung 1:2,5. Die Messergebnisse der Versuchsreihe 2 werden noch ausgewertet. Während der Modellversuche konnte deutlich beobachtet werden, wie die Dichtungselemente den Strömungsvorgang beeinflussen. Beispielhaft ist in Abbildung 6 zu sehen, wie die herauskragenden Lehmkerndichtung den Abfluss einschnürt. Der luftseitige Stützkörper hat sich schon von der Dichtung gelöst. Block 4 Saal 3 Abbildung 6: Damm mit Lehmkerndichtung während der Breschenbildung Bei der Endbreschenform zeigte sich dieser deutliche Einfluss der Dichtungselemente ebenfalls. Abbildung 7 zeigt beispielhaft die Endbresche für den Damm mit Innendichtung. Deutlich zu erkennen ist die in den Breschenquerschnitt hereinragende Lehmdichtung, die maßgeblich die Form beeinflusst. In Abbildung 8 ist der Vergleich der Querschnittsfläche der Bresche in Dammmitte für einen homogenen Damm, einen Damm mit Außendichtung und einen Damm mit Innendichtung zu sehen. Während die Breschengröße für einen homogenen Damm und einen Damm mit Außendichtung ähnlich sind, ergibt sich für den Damm mit Innendichtung eine deutlich kleiner Endbresche. Diese ist sowohl schmaler als auch nicht so tief, was beides zu einer deutlich kleineren Querschnittfläche beitragen. Für Ver-

308 Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen gleichszwecke wurde während der Auswertung die mittlere Breite einer flächengleichen rechteckförmigen Bresche ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 aufgeführt. Abbildung 7: Endbresche (Blick auf die Luftseite, Versuchsreihe 1, Damm mit Innendichtung, deutlich erkennbar ist die Lehmkerndichtung, die die Bresche begrenzt) Endbreschenquerschnitt in Abhängigkeit vom Dammaufbau Abbildung 8: Endbreschenquerschnitt in Abhängigkeit vom Dammaufbau Darüber hinaus verbleibt bei einem Damm mit Innendichtung durch die geringere Breschentiefe deutlich mehr Wasser im Reservoir und das ausfließende Volumen ist geringer (vgl. Tabelle 2). Das ausfließende Volumen ist gleich dem Volumen der sich bei einem Talsperrenbruch im Tal abwärts ausbreitenden Flutwelle und hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitung des Überflutungsgebietes. In der weiteren Auswertung sollen die Videos zur Ermittlung der zeitlichen Breschenentwicklung analysiert werden. Dazu gehört insbesondere die zeitliche Vergrößerung der Breschenbreite in Höhe der Dammkrone.

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 50 37. Dresdner Wasserbaukolloquium 2014 Simulationsverfahren und Modelle für Wasserbau und Wasserwirtschaft 309 Tabelle 2 Messwerte für Breschengröße und maximaler Breschenausfluss Test Modelldamm Querschnittsfläche Bresche, gemessen [m²] Mittlere Breschenbreite, gemessen [m] Maximaler Breschenausfluss [m³/s] ausgeflossenes Volumen [m³] 5 homogen 0,275 0,89 0,0465 7.27 6 Außendichtung 0,288 0,96 0,0678 7.04 8 Kerndichtung 0,206 0,74 0,0615 6.60 Die Messwerte des Wasserstandes im Reservoir wurden zur Ermittlung der Ausflussganglinie benutzt. Dafür wurde das zeitabhängige Volumen im Reservoir bestimmt und einen Differenzenbildung durchgeführt. In Abbildung 9 sind die so ermittelten Ausflussganglinien für zwei Versuche mit einem homogenen Damm, für einen Damm mit Außendichtung und einen Damm mit Innendichtung dargestellt. Block 4 Saal 3 Abbildung 9: Aus den Messwerten ermittelte Ausflussganglinien für Modelldämme mit und ohne Dichtung Die Ergebnisse für die beiden Tests mit homogenen Dämmen zeigen eine sehr gute Übereinstimmung und belegen die Wiederholbarkeit der Versuche. Die

310 Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen Prozesse laufen sehr schnell ab. Nach ca. 300 Sekunden ist der maßgebliche Ausflussprozess beendet. Der maximale Breschenausfluss für Dämme mit Dichtungen ist deutlich größer als bei homogenen Dämme (vgl. auch Tabelle 2). Für den Damm mit Außendichtung betrug der Scheitelabfluss 146 % und für den Damm mit Kerndichtung 132 % in Bezug auf den maximalen Ausfluss bei einem homogenen Damm. Auch das ausgeflossene Volumen variiert. So verbleibt bei einem Damm mit Kerndichtung deutlich mehr Wasser im Reservoir. 3.2 Vergleich mit bestehenden Modellen Empirische Berechnungsmodelle für die mittlere Breschenbreite und den maximalen Abfluss aus einer hypothetischen Bresche berücksichtigen vielfach nur homogene Dämme. Dem Einfluss von verschiedenen Dammmaterialien wird im Allgemeinen keine Rechnung getragen. Diese Formeln, die z. B. in DSO 1998 zusammengefasst sind, können jedoch nicht ohne weiteres auf kleine Dämme übertragen werden, da die zu Grunde liegenden Daten historischer Dammbrüche deutlich größere Absperrbauwerke berücksichtigen. Deshalb wurde für eine erste Vergleichsrechnung das Programm HECRAS des US Army Corps of Engineers (http://www.hec.usace.army.mil/software/hecras/) gewählt, dass ein Dammbruchmodel enthält. Das numerische Modell entsprach dem hydraulischen Modellversuch mit seinem 2 m breiten Kanal und einem 0,4 m hohen homogenen Damm. Um Instabilitäten der numerischen Lösung zu vermeiden, wurde die Kanalsohle jedoch rauer angenommen und der unterhalb des Dammes liegende Kanalabschnitt mit einem sehr kleinen Längsgefälle von 0,33 eingegeben. Der Endbreschenquerschnitt wurde entsprechend der Messergebnisse bei den Versuchen mit einem homogenen Damm (Test 1 und Test 5) eingegeben. Für die Breschenbildungsdauer wurden Werte von t B = 72; 90; 108; 126 s angenommen. Die mit HECRAS berechneten Ganglinien sind zusammen mit den gemessenen Breschenausflussganglinien in Abbildung 10 dargestellt. Je länger die in HECRAS angenommenen Breschenbildungsdauer, desto später tritt der Wellenscheitel auf und desto geringer ist der Scheitelabfluss.

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen, Heft 50 37. Dresdner Wasserbaukolloquium 2014 Simulationsverfahren und Modelle für Wasserbau und Wasserwirtschaft 311 Abbildung 10: Breschenausfluss für einen homogenen Damm: Vergleich zwischen den gemessenen und mit HECRAS berechneten Ganglinien (unter Annahme von vier verschiedenen Breschenbildungsdauern) Vom Eintrittszeitpunkt des maximalen Abflusses würde eine Breschenbildungsdauer von 72 s sehr gut zu den Versuchsergebnissen passen. Doch selbst bei einer angenommen Breschenbildungsdauer von 126 s wird der Wellenscheitel immer noch überschätzt. Das liegt vornehmlich an der Annahme einer linearen Öffnungsfunktion für die Breschenbildung. Diese Annahme resultiert in zu großen Scheitelabflüssen für die Ausflussganglinie. Für weitere Untersuchungen soll die Öffnungsfunktion verändert werden. Block 4 Saal 3 4 Zusammenfassung und Ausblick Die Versuche zeigen einen signifikanten Einfluss von Dichtungen in Dämmen auf das Bruchverhalten und den maximalen Breschenausfluss. Letzteres wird weniger durch eine größere Endbreschengröße als durch den schnelleren Bruchverlauf hervorgerufen. Bei der Erstellung von Bruchszenarien in Talsperrenbruchstudien muss dies berücksichtigt werden.

312 Breschenentwicklung bei Dämmen mit Dichtungen Eine erste numerische Nachrechnung erfolgte mit dem Programm HECRAS, das insbesondere im US-amerikanischen Raum vielfach für Talsperrenbruchstudien angewendet wird. Weitere Überprüfung der Messergebnisse mit numerischen Programmen sollten insbesondere 3D-Modelle beinhalten, um auch die Dichtungselemente bzw. die dreidimensionalen Strömungsvorgänge in den Modellen berücksichtigen zu können. Derzeit werden noch Versuche der zweiten Versuchsreihe (Damm mit Böschungsneigung 1:4) durchgeführt und ausgewertete. Die Versuche wurden im Rahmen eines Stipendiums im Maria-Reiche- Förderprogramm durchgeführt. Sachmittel für den Aufbau des hydraulischen Modellversuches wurden dankenswerterweise durch die Gesellschaft der Förderer des Hubert-Engels-Institutes für Wasserbau und Technische Hydromechanik e.v. zur Verfügung gestellt. Der Versuchstand konnte zur Langen Nachte der Wissenschaft am 5.7.2013 eingeweiht werden und wurde ebenfalls im Rahmen der universitären Lehre eingesetzt. 5 Literatur Bechteler, W.; Kuhlisch, H. (1998): Physical 3D-Simulations of Erosion-Caused Dam- Breaks. In: Proceedings of the international CADAM-Workshop, München BWG (2002): Sicherheit der Stauanlagen Richtlinien des BWG Directives de l OFEG Direttive dell UFAG, Version 1.1, Biel, Schweiz DSO (1998): Prediction of Embankment Dam Breach Parameters. U.S. Department of Interior, Bureau of Reclamation, Dam Safety Office, DSO-98-004 Autor: Dr.-Ing. Antje Bornschein Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik Technische Universität Dresden 01062 Dresden Tel.: +49 351 46334696 Fax: +49 351 46337181 E-Mail: antje.bornschein@tu-dresden.de