Unterschiedlich hohe Schmerzensgelder bei Männern und Frauen



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Unterschiedlich hohe Schmerzensgelder bei Männern und Frauen RA Dr. Hans-Berndt Ziegler, FA für Medizinrecht und stud. iur Özhan Cayukli, Marburg Nach Art. 3 Abs. 2 GG sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden (Art. 3 Abs. 3 GG). Die Auswertung der gängigen Schmerzensgeldtabellen zeigt, dass dieses Postulat von den Gerichten bei der Bemessung von Schmerzensgeldbeträgen nicht eingehalten wird. Wenn es um Verletzungen der Geschlechtsorgane geht, werden Männern deutlich höhere Schmerzensgeldbeträge zugesprochen als Frauen. Im folgenden werden zunächst die entsprechenden Entscheidungen gelistet und dann der Frage nachgegangen, warum Gerichte bei der Bezifferung der Schmerzensgeldsummen in vergleichbaren Fällen bei Männern und Frauen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. A. Einleitung Die Lektüre von Schmerzensgeldentscheidungen, die Narben betreffen, zeigt, dass verletzte Frauen unter vergleichbaren Bedingungen höhere Schmerzensgelder als verletzte Männer bekommen. Für eine deutlich sichtbare Narbe auf der Stirn als Folge eines Faustschlags hat das Amtsgericht Aachen für den verletzten Mann 750 EUR ausgeworfen, einer Frau sprach das Amtsgericht Mannheim für eine unschöne Narbe am Unterarm, die durch einen Hundebiss entstand, 2.000 EUR zu. 1 Für eine lange Narbe in der rechten Gesichtshälfte trotz einer Mithaftung von 70 % hat das Amtsgericht Dresden einer Frau 2.500 EUR gewährt. 2 In einigen Entscheidungen, die noch sensiblere Bereiche betreffen, werden diese unterschiedlichen Beträge damit gerechtfertigt, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts und der Bedeutung der weiblichen Schönheit härter betroffen seien. Die Wertschätzung und das Ansehen einer jungen Frau hingen nämlich nicht unwesentlich vom äußeren Erscheinungsbild ab. 3 Im Hinblick auf eine 2,5 5 cm große Bisswunde am rechten Busen eines 17-jährigen Mädchens führt das Amtsgericht Duisburg aus, die Narbe an der Brust sei im bekleideten Zustand zwar nicht zu sehen, dennoch sei nachvollziehbar, dass die Klägerin hierdurch in der Wahrnehmung der eigenen Weiblichkeit in einer nicht unerheblichen Weise beeinträchtigt sei. 4 Solche Differenzierungen und die dafür gegebenen Begründungen sind weder überzeugend, noch sind sie mit dem Grundgesetz und dem Gleichbehandlungsgesetz in Einklang zu bringen. 5 Sie sind möglicherweise ein Ausgleich dafür, dass sich die Situation bei Verletzung der primären Geschlechtsorgane genau umgekehrt darstellt. Hier werden Frauen durch geringere Schmerzensgelder benachteiligt. 6 Die primären Geschlechtsorgane von Mann und Frau sind unterschiedlich. Dennoch rechtfertigen sich gravierende Unterschiede in der Höhe des Schmerzensgelds bei halbwegs vergleichbaren Verletzungsfolgen nicht. Dies gilt z.b. für den Verlust eines Hodens oder eines Eileiters. Da in beiden Fällen die Zeugungsfähigkeit weiterbesteht, weil es sich um paarige Organe handelt, kann man den Verlust eines Hodens beim Mann mit dem Verlust eines Eileiters bei einer Frau vergleichen (siehe unter B.). Gleiches gilt für den Verlust der Zeugungsfähigkeit (siehe unter C.) oder schwereren Verletzungen, bei denen der Verlust der Zeugungsfähigkeit noch mit Inkontinenz und Mastdarmentleerungsstörungen verbunden ist (siehe unter D.) oder bei leichten, vorübergehenden Verletzungen im Genitalbereich (siehe unter E.). Überprüft man die Schmerzensgeldtabellen 7 in diesen Bereichen, ergibt sich exemplarisch folgendes Bild. B. Verlust eines Hodens / Eileiters I. Verlust eines Hodens 10.000 EUR OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.1985 8 U 100/83, VersR 1986, 659 8 10.000 EUR OLG Köln, Urt. v. 21.4.1997 12 U 114/96, NJWE-VHR 1998, 273 9 1 AG Mannheim, zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, SchmerzensgeldBeträge, 31. Aufl. 2013, Nr. 3034. 2 AG Dresden, zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 1683. 3 OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 11.11.1993 12 U 162/92, zitiert bei juris. 4 Hacks/Wellner/Häcker, SchmerzensgeldBeträge, 31. Aufl. 2013, Nr. 3063. 5 In diesem Sinn auch OLG Köln, Urt. v. 7.1.2000 19 U 62/99 zum vorübergehenden Verlust des Haupthaares nach Frisörbehandlung, zitiert bei juris: Bei der Bemessung darf jedoch nicht verkannt werden, dass das Schmerzensgeld ausschließlich dem Ausgleich erlittener körperlicher und seelischer Schäden dient, nicht aber dem Ausgleich für Verletzungen des eigenen Schönheitsideals. 6 Jäger/Luckey, Schmerzensgeld, 6. Aufl. 2011, S. 603. 7 Z.B. Hacks/Wellner/Häcker, SchmerzensgeldBeträge, 31. Aufl. 2013; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld 6. Aufl. 2011; Slizyk, Beck'sche Schmerzensgeld-Tabelle 2012, 8. Aufl. 2012; Geigel/Pardey, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2001, Kap. 7 Rn 57 86; Celler Schmerzensgeldsammlung (http:// app.olg-ce.niedersachsen.de/cms/page/schmerzensgeld.php?sort=betrag). 8 Nr. 624. 9 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 72. 424

12.500 EUR OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1997 1 U 1983/97, NJWE-VHR 1998, 19; VersR 1998, 594 10 13.750 EUR OLG Brandenburg, Urt. v. 14.11.2001 1 U 12/01, VersR 2002, 313 11 15.000 EUR LG Regensburg, Urt. v. 23.7.2007 4 O 2167/06, VersR 2007, 1709 12 15.000 EUR LG Ulm 6 O 332/04, n.v. 13 15.000 EUR OLG Brandenburg, Urt. v. 15.7.2010 12 U 232/09, VersR 2011, 267 14 18.000 EUR OLG Köln, Urt. v. 23.1.2002 5 U 85/01, VersR 2003, 860 15 II. Verlust eines Eileiters 2.556,46 EUR LG Aachen, Urt. v. 5.2.1992 4 O 359/89, VersR 1992, 877 16 4.000 EUR OLG Brandenburg, Urt. v. 18.6.2009 12 U 213/08, VersR 2009, 1540 17 6.000 EUR LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.1.2008 11 O 8426/05, GesR 2008, 297 18 15.000 EUR LG Hagen 12 O 53/89, juris 19 Schmerzensgeldbeträge für den Verlust eines Hodens beginnen beim Mann bei 10.000 EUR, bei der Frau beginnen die Tabellenbeträge für den Verlust des Eileiters mit 2.500 EUR. Die Höchstsumme, die bei den Männern bei derzeit 18.000 EUR liegt, wird bei den Frauen nicht erreicht. Hier sind es 15.000 EUR. C. Verlust der Zeugungsfähigkeit / Sterilisation I. Verlust der Zeugungsfähigkeit beim Mann 20.000 EUR OLG Koblenz, Urt. v. 17.1.2006 5 U 676/05, n.v. 20 20.000 EUR OLG Koblenz, Urt. v. 15.12.2005 5 U 676/05, MDR 2006, 992 21 25.000 EUR OLG Celle, Urt. v. 11.2.1991 1 U 71/89, VersR 1992, 749 22 30.000 EUR LG Chemnitz, Urt. v. 26.1.2007 4 O 243/04 23 50.000 EUR OLG Celle, Urt. v. 9.7.2001 1 U 64/00, OLGR Celle 2001, 250 24 50.000 EUR OLG Naumburg, Urt. v. 15.10.2007 1 U 46/07, VersR 2008, 652 25 51.129,19 EUR OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.2.1988 1 U 31/86, VersR 1988, 752 26 60.000 EUR LG Stuttgart, Urt. v. 21.10.2005 27 O 292/05, n.v. 27 II. Verlust der Zeugungsfähigkeit bei der Frau 2.500 EUR OLG Hamm 3 U 122/02, VersR 2004, 386 28 3.000 EUR OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 30.5.2006 8 U 155/03, juris 29 7.669,38 EUR OLG München, Urt. v. 14.2.2002 1 U 3495/01, VersR 2002, 717 m. Anm. Jaeger 30 10.000 EUR OLG Hamm, Urt. v. 26.6.2000 6 U 116/99, OLGR 2000, 372 31 15.000 EUR OLG Koblenz, Urt. v. 13.7.2006 5 U 290/06, VersR 2007, 796 32 15.000 EUR OLG Koblenz, VersR 2007, 796; NJW 2006, 2928; MDR 2007, 32 33 17.500 EUR LG Rostock, Urt. v. 3.7.1997 10 O 14/97, n.v. 34 17.500 EUR OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.10.1989 8 U 60/88, VersR 1990, 852 35 20.000 EUR OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.1994 8 U 137/93, VersR 1995, 1316 36 20.000 EUR OLG Oldenburg, Urt. v. 25.6.1991 5 U 141/90, n.v. 37 25.000 EUR LG Darmstadt, Urt. v. 29.6.2005 9 O 478/04, n.v. 38 25.000 EUR OLG Köln, Urt. v. 19.3.2003 5 U 159/02, VersR 2004, 926 39 10 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 865. 11 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 867. 12 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 868. 13 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 73. 14 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 869. 15 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 871. 16 Slizyk, Beck sche Schmerzensgeld-Tabelle 2012, 8. Aufl. 2012, Nr. 1541. 17 Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 6. Aufl. 2011, S. 608, E 514. 18 Jaeger/Luckey, ebenda, S. 609, E 516, Bespr. in MedR 2009, 226. 19 Nr. 893. 20 Slizyk, Beck sche Schmerzensgeld-Tabelle 2012, 8. Aufl. 2012, Nr. 3514. 21 Terbille, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 1. Aufl. 2009, 11 Rn 89a; OLG Koblenz MDR 2006, 992 = NJOZ 2006, 178. 22 Nr. 1447. 23 Vieweg/Lorz in: jurispk-bgb, 5. Aufl. 2010, 253 BGB Rn 224. 24 Nr. 1457. 25 Slizyk, Beck sche Schmerzensgeld-Tabelle 2012, 8. Aufl. 2012, Nr. 3804. 26 Slizyk, ebenda, Nr. 981. 27 Nr. 250. 28 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 881. 29 Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 6. Aufl. 2011, S. 604, E 504. 30 Jaeger/Luckey, ebenda, S. 609, E 517. 31 Jaeger/Luckey, ebenda, S. 605, E 506. 32 Nr. 3140. 33 Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 6. Aufl. 2011, S. 609, E 518. 34 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, SchmerzensgeldBeträge, 30. Aufl. 2012, Nr. 2015. 35 Nr. 3141. 36 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 3142. 37 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 897. 38 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 3143. 39 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 898. 425

zfs 8/13 40.000 EUR OLG Köln, Urt. v. 25.4.2007 5 U 180/05, VersR 2008, 1072 40 40.000 EUR OLG München, Urt. v. 12.3.2009 1 U 2709/07, VersR 2009, 1408 41 45.000 EUR OLG Oldenburg, Urt. v. 2.8.2006 5 U 16/06, NJW-RR 2007, 1468 42 50.000 EUR LG Darmstadt, Urt. v. 21.2.1992 1 O 532/90, juris 43 50.000 EUR LG Mainz, Urt. v. 24.6.2010 2 O 312/06, n.v. 44 Die Entscheidungen in diesem Bereich sind weniger vergleichbar als die unter B., weil die Zeugungsunfähigkeit viele verschiedene Ursachen haben kann. Sie kann auf einer Sterilisation, auf der Entfernung der Gebärmutter, für die es wiederum unterschiedliche Indikationen gibt, auf Unfällen und auf Behandlungsfehlern beruhen. Dennoch fällt auch hier auf, dass die Schmerzensgeldbeträge bei Männern erst mit 20.000 EUR beginnen, während der Verlust der Zeugungsfähigkeit bei Frauen schon im Bereich von 2.500 EUR beginnt. Auch hier wird der Höchstwert 60.000 EUR bei Männern von den Frauen mit 50.000 EUR nicht erreicht. Außerdem gibt es zahlreiche Entscheidungen bei Frauen, die unter der Summe von 25.000 EUR liegen. D. Verlust der Zeugungsfähigkeit verbunden mit Inkontinenz und Mastdarmentleerungsstçrungen I. Mann 100.000 EUR LG Köln, Urt. v. 6.9.2006 25 O 346/02, juris 45 180.000 EUR OLG Koblenz, Urt. v. 29.10.2009 5 U 55/09, VersR 2010, 480 46 II. Frau 10.000 EUR OLG Köln, Urt. v. 20.9.1990 18 U 23/89, VersR 1992, 888 47 20.000 EUR OLG Bremen, Urt. v. 21.12.1999 3 U 42/99, VersR 2001, 340 48 Bei gravierenden Verletzungsmustern gibt es weniger Entscheidungen. Auch hier ist die Vergleichbarkeit eingeschränkt, aber die Werte driften weit auseinander. Insbesondere der Vergleich der Urteile des LG Köln vom 6.9.2006 49 und des OLG Bremen vom 21.12.1999 50 macht dies deutlich. In beiden Fällen lag ein Cauda-Syndrom vor. Der Mann bekam 100.000 EUR, die Frau 20.000 EUR, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Fall des Mannes tatsächlich wohl schwerwiegender war. E. Vorübergehende Beeinträchtigung der Sexualität I. Mann 2.500 EUR AG Wilhelmshaven, Urt. v. 8.5.2001 6 C 1016/99 (II), n.v. 51 II. Frau 1.500 EUR OLG Frankfurt, Urt. v. 28.10.1997 8 U 80/97, VersR 1998, 1282 52 Die tendenzielle Ungleichbehandlung wird auch bei vorübergehenden Verletzungen im Geschlechtsbereich deutlich. Für einen Bluterguss am linken Hodensack sowie Prellung des Hodens und Nebenhodens links anlässlich eines Fußballspiels sprach das AG Wilhelmshaven 43 dem verletzten Fußballer 2.500 EUR zu. Das OLG Frankfurt 44 hingegen meinte, dass bei einer unsachgemäß durchgeführten Dammnaht bei einer Frau, bei der die Scheide der Klägerin nur noch für einen Finger durchlässig war und sich in einem narbigen Zustand befand, 1.500 EUR ausreichend seien. Dass der Frau in diesem Fall weniger zugesprochen wurde, ist nicht nachvollziehbar und erschließt sich auch nicht aus den Urteilsgründen. F. Gründe der Ungleichbehandlung Im Vergleich zu zahlreichen Entscheidungen, die es für HWS- Distorsionen nach Verkehrsunfällen gibt, sind die Entscheidungen, die einen Geschlechtsbezug haben, seltener. Statistisch sind die oben gewonnenen Ergebnisse möglicherweise deshalb nicht aussagekräftig. Dennoch lässt sich eine Tendenz nicht verleugnen, 53 so dass die Frage gestellt werden muss, wo die Gründe für die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen liegen. Angesichts der Verteilung von Männern und Frauen auf den Richterbänken könnte man die Ursache dort suchen. Zu Beginn der 80er Jahre war noch nicht einmal jede zehnte Richterstelle mit einer Frau besetzt. Die zitierten Entscheidungen sind aber sämtlich neueren Datums. Vor zehn Jahren lag der Frauenanteil unter den Richtern bereits bei 35 %. Heute sind es 51 %; beim Richternachwuchs gar 68 %. 54 Hier liegt die Ursache also nicht. Inzwischen sind auch nicht mehr haltbare Differenzierungen zwischen Männern und Frauen von der Rechtsprechung selbst beseitigt worden. Während die Beeinträchtigung der Heiratsaussichten bei einer Frau Ende der 50er Jahre noch ein ent- 40 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 3144. 41 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 84. 42 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 3145. 43 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 88. 44 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 89. 45 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 2079. 46 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 1877. 47 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 889. 48 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 1332. 49 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 2079. 50 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 1332. 51 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 863. 52 Zitiert in Hacks/Wellner/Häcker, ebenda, Nr. 877. 53 Jäger/Luckey fordern in diesem Zusammenhang bewusst provokativ dazu auf: Anwälte und Richter/innen sollten der unterschiedlichen Behandlung von Männern und Frauen im Genitalbereich endlich ein Ende bereiten!, Jäger/Luckey, Schmerzensgeld, 6. Aufl. 2011, S. 603. 54 Die ZEIT, 4.8.2011, Nr. 32. 426

scheidendes Kriterium war, 55 hat man heute erkannt, dass Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG und das AGG der Verwendung dieses Kriteriums entgegenstehen. 56 Auch der Blick auf andere Bereiche des Rechts zeigt, dass trotz der hier aufgelisteten Fehlentwicklung grundsätzlich Einigkeit darüber besteht, Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts zu vermeiden. Der oder die Täterin, die im Bereich des Strafrechts den Tatbestand des 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht, bei dem die Körperverletzung den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit zur Folge hat, wird nicht härter oder milder bestraft, je nachdem, ob das Opfer männlich oder weiblich ist. Die im Versicherungsrecht bestehenden Unterschiede, nach denen Frauen höhere Versicherungsbeträge im Lebens- oder Krankenversicherungsrecht zahlen mussten, sind Geschichte. Heute gibt es Unisextarife. 57 Dass es dennoch zu ungerechtfertigten Benachteiligungen bei der Bemessung des Schmerzensgelds wegen Verletzung von Geschlechtsorganen kommt, hängt nicht mit offener Diskriminierung zusammen, sondern damit, dass es für die Bemessung von Schmerzensgeld in Wahrheit rationale, nachvollziehbare Kriterien, an denen Zahlen festgemacht werden können, nicht gibt. Deshalb enthalten die meisten Entscheidungen zur Höhe des Schmerzensgelds auch keine nachvollziehbare Begründung. Meist tauchen Formulierungen wie die folgende auf, die letztlich nichts darüber aussagen, wie das Gericht gerade auf den Betrag kommt, den es für gerechtfertigt hält. So hat das Landgericht Aachen bei der fehlerhaften Teilresektion eines Eileiters ausgeführt: Bemessungsgrundlage für das nach 847 Abs. 1 BGB von der Beklagten zu zahlende Schmerzensgeld, über dessen Höhe gemäß 287 ZPO zu befinden ist, sind das Ausmaß der durch die versäumte Diagnosestellung in einem Zeitraum von zwei Wochen bei der Klägerin entstandenen Schmerzen und der bei ihr durch die vorgenommene Tubenteilresektion verbleibende Dauerschaden. Ferner Grad des Verschuldens und die gesamten Umstände des Falles. Diese Beeinträchtigungen rechtfertigen nach Auffassung der Kammer eine billige Entschädigung in Geld in Höhe von 5.000 DM. 58 Wie das Gericht die 5.000 DM errechnet hat, erschließt sich nicht. Das Ergebnis ist deshalb monetär billig und juristisch unbillig. Oft wird auf vergleichbare Entscheidungen in den einschlägigen Schmerzensgeldtabellen hingewiesen. 59 Dieser Weg führt aber in die Irre, weil die verwiesenen Entscheidungen in der gleichen irrationalen Weise entstanden sind. Eine mangelhafte Begründung kann nicht dadurch ersetzt werden, dass auf Entscheidungen verwiesen wird, die ebenfalls mangelhaft begründet sind. 60 Zudem ist eine Vergleichbarkeit praktisch nie gegeben. Sie wäre gegeben, wenn Geschlecht, Alter, Beruf, Vorschädigungen, Empfindlichkeit, Einkommen und Vermögensverhältnisse des Geschädigten sowie Verschulden, Einkommen und Vermögensverhältnisse des Schädigers sowie die sonstigen von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien übereinstimmten. Das ist nie der Fall. Die Schmerzensgeldtabellen sollen eine ungefähre Richtschnur bieten. 61 In ihnen sind Kurzbeschreibungen der erlittenen Verletzungen, der Dauerschäden und gegebenenfalls der besonderen Umstände des jeweiligen Falls sowie die gewährten Schmerzensgeldbeträge enthalten. Das legt nahe, mit ihrer Hilfe Entscheidungsgesichtspunkte für vergleichbare Fälle finden zu können. Aus den oben aufgelisteten Tabellenbeträgen ergibt sich indessen, dass für vergleichbare Verletzungen sehr unterschiedliche Summen ausgeworfen werden. Welcher Betrag im jeweils zu beurteilenden Fall angemessen ist, bleibt offen. Die Geschädigten orientieren sich häufig an den oberen Beträgen; die Schädiger oder ihre Versicherungen an den unteren. Schon aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Anknüpfung an die Tabellenwerte nicht nur subjektiv belastet ist, sondern im Wesentlichen willkürlich erfolgt. Der bloße Verweis auf ähnliche Entscheidungen kann aber keine Hilfe bei der Ermittlung des angemessenen Wertes sein, wenn unklar ist, ob und wie der Ausgangswert entstanden ist und ob er überhaupt richtig oder nicht willkürlich ermittelt wurde. Ein weiteres wesentliches Argument gegen die Tabellenrelevanz besteht darin, dass die Tabellen nicht die tatsächliche Regulierungspraxis wiedergeben. Unproblematische Fälle, die zwischen den Parteien außergerichtlich verglichen werden, erscheinen in den Tabellen nicht, sondern nur im streitigen Verfahren ergangene Urteile. Nur diese werden veröffentlicht. Da insbesondere im Arzthaftungsrecht der überwiegende Teil der Verfahren außergerichtlich erledigt wird, 62 sind die Tabellenbeträge nicht repräsentativ. 63 55 Entscheidung des BGH v. 13.3.1959 VI ZR 72/58, zitiert bei juris: Die Heirat eröffnet der Frau die Möglichkeit, ihre natürliche Erfüllung als Gattin und Mutter zu finden. Wird daher durch körperliche Beschädigung die Aussicht der Frau auf eine Eheschließung vermindert, so kann das nicht nur einen Vermögensschaden im Sinne von 842 BGB, sondern auch eine zumindest nicht weniger beachtenswerte seelische Beeinträchtigung bedeuten, die dem Ausgleich und der Genugtuung nach 847 BGB zugänglich ist. 56 Weimar, VersR 1961, 782 f.; Hanseatisches OLG v. 19.8.1986 7 U 64/85 zitiert bei juris: Das vom Landgericht ins Feld geführte Argument der verminderten Heiratschancen kann nicht mehr berücksichtigt werden. Nie ins Feld geführt wurde zu Recht der Umstand, dass Frauen Schmerzen angeblich besser ertragen und deshalb nur ein geringeres Schmerzensgeld beanspruchen könnten. 57 EuGH v. 1.3.2011, EuZW 2001, 301; Heese, Offene Preisdiskriminierung und zivilrechtliches Benachteiligungsverbot, NJW 2012, 572 ff. 58 LG Aachen, Urt. v. 5.2.1992 4 O 359/89 zitiert bei juris. 59 OLG Celle, OLGR 2001, 162, KGR 2002, 98 = NZV 2002, 230: Die praktisch weitgehende Anlehnung der Rechtsprechung an die auf der Zusammenstellung von Entscheidungen beruhenden Schmerzensgeldtabellen ist deshalb unumgänglich. ; Hanseatisches OLG, Urt. v. 19.8.1986 7 U 64/85 zitiert bei juris. 60 Der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann hat seine Heilslehre mit dem Satz Similia similibus curentur (Ähnliches muss mit Ähnlichem geheilt werden) untermauert. Dennoch hat die Homöopathie bis heute den wissenschaftlichen Beweis für ihre Existenzberechtigung nicht erbracht. Mit der Relevanz der Schmerzensgeldtabellen ist es nicht anders. 61 Palandt/Heinrichs 253 Rn 16; MüKo-BGB/Oetker 253 Rn 37; Bamberger/Roth/Spindler 253 Rn 28. 62 Circa 92 % nach Weidinger, Aus der Praxis der Haftpflichtversicherung für Ärzte und Krankenhäuser Statistik Neue Risiken und Qualitätsmanagement, MedR 2006, 571 ff. 63 Zu den Einzelheiten: Ziegler/Ehl, Bein ab arm dran, JurRundschau 2009, 3. 427

Aus der Praxis zfs 8/13 Darüber hinaus müssten wenigstens die Verletzungsfolgen jeweils mit den Tabellenbeträgen des anderen Geschlechts abgeglichen werden. Geschlechtsspezifische Verletzungen bei Frauen werden aber derzeit nicht mit solchen bei Männern verglichen, wenngleich aber (noch) überwiegend von ihnen beurteilt. Dabei ist die benachteiligende Tendenz bisher nicht aufgefallen. Die Lösung kann und darf aber auch nicht darin liegen, dass man neidvoll auf das andere Geschlecht schielt, sondern es muss die Höhe des Schmerzensgelds ohne Tabellenbezug geschlechtsunspezifisch und nach nachvollziehbaren Kriterien im Einzelfall begründet werden. Zahlen könnten die Gliedertaxen der Unfallversicherungen bieten. Aber sie haben ebenfalls nur einen irrationalen Hintergrund. Warum kosten der Verlust eines Beines bis unterhalb des Knies und der Verlust eines Auges das Gleiche? Für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit eines Beines bis unterhalb des Knies erhält der Geschädigte ebenso für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit eines Auges 50 % der Versicherungssumme. 64 Die Beträge sind von der Versicherungswirtschaft betriebswirtschaftlich kalkuliert worden, um die Entschädigungsleistung in vertretbaren, Gewinn bringenden Grenzen zu halten. Am individuellen Leid des Geschädigten orientieren sie sich nicht. G. Fazit Die Schwierigkeit bei der Bemessung von Schmerzensgeld besteht darin, die vom Bundesgerichtshof für maßgeblich erachteten Kriterien in Zahlen umzusetzen. Nach der Entscheidung des großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1955, die heute noch maßgeblich ist, 65 kommt es auf die erlittenen Schmerzen, die Schwere der Verletzungen, ein verletzungsbedingtes Leiden, das Alter des Verletzten, den Verlauf des Heilungsprozesses, die Dauer des Leidens, den Grad des Verschuldens und auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten an. Wie sich das in Euro und Cent auswirkt, sagt der Bundesgerichtshof allerdings nicht. Im Strafrecht bestand früher bei der Strafzumessung ein ähnliches Problem. Hier kommt es nach 46 StGB auf die Beweggründe und die Ziele des Täters, seine Gesinnung, den bei der Tat aufgewendeten Willen, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters sowie seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an. Soll eine Geldstrafe verhängt werden, müssen auch diese Kriterien in Zahlen umgesetzt werden. Das ist mit den im Strafrecht inzwischen vorgeschriebenen Tagessätzen, 66 die vom Einkommen des Täters abhängig sind, kein Problem. Die Strafrechtler sind den Zivilrechtlern hier weit voraus. Will man auch bei der Bemessung der Schmerzensgelder im Zivilrecht Einzelfallgerechtigkeit erhalten, ist es angezeigt, auch hier Tagessätze zu installieren, die sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten und den im Übrigen vom Bundesgerichtshof genannten Kriterien orientieren. 64 Die Leistung ist also von der versicherten Summe abhängig. Bei einer Versicherungssumme von 100.000 EUR ergibt sich bei einem 50-prozentigen Invaliditätsgrad ein Betrag in Höhe von jeweils 50.000 EUR für das Auge und den Unterschenkel. 65 BGH NJW 55, 1675. 66 LK/Häger Vor. 40 Rn 2, 40 Rn 9 ff. m.w.n. Aus der Praxis Verteidigung in Bußgeldverfahren nach Verkehrsunfällen im Straßenverkehr RA Dr. jur. Ingo E. Fromm, FA für Strafrecht, Koblenz Eine nicht unerhebliche Anzahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren entfällt auf Verkehrsunfälle mit Personen- und/ oder Sachschäden im Straßenverkehr. Die hohe bußgeldrechtliche Relevanz wird an der Gesamtzahl von 2 376 346 polizeilich erfasster Straßenverkehrsunfälle im Jahr 2012 deutlich. 1 Während die Unfälle zum einen von den Kfz-Haftpflichtversicherungen zivilrechtlich reguliert werden müssen und oftmals vor den Zivilgerichten landen, kann das Verhalten des von der Polizei bzw. Bußgeldstelle als verantwortlich ausgemachten Verkehrsteilnehmers zudem bußgeldbewehrt sein. Auch bußgeldrechtlich muss demnach über die Unfallschuld vor dem zuständigen Amtsgericht ggf. gesondert verhandelt werden. Der Beitrag untersucht, welche Schnittstellen zwischen dem Zivilverfahren (Unfallregulierung) und dem Ordnungswidrigkeitenverfahren bestehen können und zeigt auf, dass bei der Verteidigung in bußgeldrechtlichen Verfahren nach Verkehrsunfällen bestimmte Besonderheiten zu beachten sind. Im Schwerpunkt sollen die wichtigsten Verteidigungslinien vorgestellt und Wege aufgezeigt werden, das Verfahren zur Einstellung zu bringen 1 www.destatis.de vom 28.2.2012. 428