Freiräume sind ein unverzichtbarer Teil des Siedlungsraums

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Transkript:

Freiräume sind ein unverzichtbarer Teil des Siedlungsraums Reto Camenzind reto.camenzind@are.admin.ch Doris Sfar doris.sfar@bwo.admin.ch Attraktive Freiräume sind für die Lebensund Umweltqualität in unseren Agglomerationen essenziell. Obwohl sie häufig nicht bewusst wahrgenommen werden, erfüllen sie im Alltag wichtige Funktionen. Ihr Potenzial wird aber oft nicht ausgeschöpft. Eine Steigerung der Erlebbarkeit, eine bewusste multifunktionale Gestaltung und die Einbettung in ein Planungssystem sind deshalb zentral. In dicht genutzten Räumen braucht es dazu eine integrale Planung der Freiräume, die sich an den vielseitigen Bedürfnissen der Benutzerinnen sowie an den Natur- und Kulturwerten orientiert. 6 forum raumentwicklung 1/2014

Unter Freiräumen versteht man alle Flächen, die unter freiem Himmel liegen, also frei von Hochbauten sind. Sie lassen sich gut den farblichen Kategorien grün, blau und grau zuordnen: Grün steht für unversiegelte Grünflächen, die mehr oder weniger mit Bepflanzungen gestaltet oder naturnah belassen sind. Die blauen Flächen stehen für Gewässer; da sie per se unüberbaubar sind und damit optische Weite schaffen, haben sie einen einzigartigen Wert. Schliesslich gehören auch die so genannten versiegelten, also grauen Flächen zu den Freiflächen: Strassen, Plätze und asphaltierte Areale. In den Agglomerationsräumen mit ihren weniger dicht bebauten Randgebieten und an den Siedlungsrändern, wo grossflächige Transportund Wirtschaftsinfrastrukturen sowie land- und forstwirtschaftlich genutzte Gebiete angesiedelt sind, ist die Vielfalt der Freiräume grösser als in den stark verdichteten Zentren. Freiräume sind zu einem beträchtlichen Teil öffentliche Räume. Oft sind sie aber auch im Besitz von Privaten, insbesondere von Eigentümern von Wohnbauten, Landwirten und Unternehmen. Die Nutzung und die Möglichkeit zur Aneignung sind entscheidend für ihren Wert als Freiraum. Der Alltag im Freiraum Der Stellenwert der Freiräume wird gut fassbar am Beispiel einer typischen Familie, deren Alltag sich in einer Agglomeration abspielt. Zu Tagesbeginn begeben sich die vier Familienmitglieder zu Fuss, per Velo und mit dem öffentlichen Verkehr zur Schule respektive zur Arbeit. Über ein gut ausgebautes und attraktiv gestaltetes Wegund öv-netz erreichen alle Familienmitglieder schnell und sicher ihr Ziel. Dabei haben sie die Möglichkeit, sich gleichzeitig körperlich zu betätigen sowie Zeit und Musse zu finden, um ihre Umwelt zu beobachten. Während der Mittagspause profitiert jeder auf sei- ne Art von vorhandenen Freiräumen: Für Entspannung und Ruhe sorgt der nahegelegene Park, für gesellige Momente die Bistro-Terrasse. Gegebenenfalls unternimmt man im Wald einen kurzen Erholungsspaziergang oder verpflegt sich bei einem improvisierten Picknick zusammen mit den Arbeitskollegen oder Schulkameraden. In den freien Nachmittagsstunden nutzen die Kinder die Grünflächen direkt vor dem Haus. Die Mutter trifft unterwegs zum Quartierladen die betagte Nachbarin, die bei ihrem täglichen Spaziergang die Sitzbänke am Fussweg für einen Schwatz mit anderen Quartierbewohnern nutzt. Am Wochenende verbindet die Familie den Besuch der Grosseltern mit einem Ausflug in die nahegelegene freie Landschaft, wo ein gut ausgebautes Wanderwegnetz fernab vom Verkehr durch Wiesen und Wälder führt. Ein Raum mit vielfältigen Funktio nen Über diese Alltagsfunktionen hinaus sind Freiräume auch wichtig für die Natur und ihre Kreisläufe. Denn aufgrund ihrer Grösse und Ausgestaltung bieten Freiräume vielfältige Nischen für eine Fülle von Pflanzen, Insekten und grösseren Säugetieren. Gerade Arten, die durch die intensive Landnutzung in der Landwirtschaftszone bedroht sind, finden hier häufig ein ihnen zusagendes Milieu. Freiflächen unterstützen somit die Biodiversität und schaffen zudem wichtige Voraussetzungen, damit sich Tiere und Pflanzen den Umweltveränderungen anpassen können. Intakte Freiräume unterstützen aber auch die Bereitstellung zentraler Güter wie Trinkwasser und haben im Siedlungsraum eine regulierende Funktion bezüglich des lokalen Klimas. Weiter verfügen sie sofern gut gestaltet und gebührend gepflegt über einen hohen ästhetischen Wert und wirken damit identitätsstiftend. Diese Qualität fällt bei der Wohnungswahl und gelegentlich auch bei Stand- Einige Instrumente des Bundes zur Stärkung von Freiräumen Der Bund unterstützt mit Modellvorhaben neue innovative Ansätze und Methoden zur nachhaltigen Raum entwicklung. Die Freiraumentwicklung ist dabei ein Schwerpunkt. Das interdepartementale Programm «Projets urbains Gesellschaftliche Integration in Wohngebieten» unterstützt Städte und Agglomerationsgemeinden dabei, die Wohn- und Lebensqualität von belasteten Quartieren aufzuwerten. Das «Nationale Programm Ernährung und Bewegung» zielt auf die Gesundheits- und Bewegungsförderung. Die «Strategie Biodiversität Schweiz» gibt Schwerpunkte vor, um die Vernetzung der Lebensräume zu fördern und Naturerlebnisse in der Agglomeration und Siedlung zu ermöglichen. Die Agglomerationsprogramme Verkehr und Siedlung haben die Abstimmung der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung zum Ziel. Der Bund unterstützt die Umsetzung der Agglomerationsprogramme mit Mitteln aus dem Infrastrukturfonds. Auch in anderen Bereichen wie Wald, Gewässer, Landwirtschaft oder Wohnraum verfügt der Bund über Instrumente mit Schnittstellen zu den Freiräumen. ortentscheiden von Unternehmen ins Gewicht. Insgesamt bilden Freiräume eine unverzichtbare Ergänzung der zunehmend dicht bebauten Gebiete. Sie ermöglichen zahlreiche unterschiedliche Nutzungen, die getrennt oder überlagernd gestaltet sein können. Lokale Identifikationsmöglichkeiten Eine Auswertung der Arealstatistik von 2013 zeigt, dass in Vorortgemeinden über 85 Prozent der Flächen nicht 7

Leitfaden in Agglomerationen Freiraumentwicklung Die Bundesämter für Raumentwicklung (ARE) und Wohnungswesen (BWO) haben 2014 zusammen mit den Bundesämtern für Strassen (ASTRA), Umwelt (BAFU), Gesundheit (BAG), Sport (BASPO) und Landwirtschaft (BLW) sowie unter Einbezug von Kantons- und Gemeindevertretern einen Leitfaden zur Freiraumentwicklung in Agglomerationen herausgegeben. Erhältlich ist die Publikation unter www.are.admin.ch oder www.bwo. admin.ch>publikationen. Sorgfältig angelegte Freiräume tragen viel zur Lebensqualität in neuen Quartieren bei von Hochbauten belegt sind; im urbanen Gebiet sind es immerhin noch 70 Prozent. 60 Prozent dieser Freiflächen sind allerdings versiegelt, Tendenz steigend. Dieser hohe Anteil der Freiräume in den Agglomerationen mag auf den ersten Blick erstaunen. Doch wird der Nutzen für die Bevölkerung dadurch geschmälert, dass das Potenzial dieser Freiflächen oft noch zu wenig erkannt und genutzt wird. Dabei wohnen drei Viertel der Schweizer Be- völkerung in Städten und Agglomerationen; vier Fünftel der Arbeitsplätze befinden sich hier; auch das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahrzehnte konzentriert sich auf den urbanen Raum. Gerade die Zuzüger sei es vom Land oder aus anderen Städten haben einen grossen Bedarf an Identifikationsmöglichkeiten mit ihrem neuen Wohnort. Je mehr sich die Bevölkerung auf ihren Wohnort einlässt und ihre Bedürfnisse nach Freizeit und Erholung lokal erfüllt, umso besser lässt sich auch der Verkehr in Form von umweltverträglichem Langsamverkehr im Nahbereich abwickeln. Attraktive Freiräume leisten zu dieser Entwicklung einen zentralen Beitrag. Angesichts der notwendigen Siedlungsentwicklung nach innen ist es daher besonders wichtig, dass bestehende Freiräume erhalten bleiben und mit neuen Freiraumqualitäten ergänzt werden. 8 forum raumentwicklung 1/2014

Modellvorhaben «Freiraumentwicklung in Agglomerationen» Ein Schwerpunkt der Modellvorhaben zur nachhaltigen Raumentwicklung 2014-2018 ist der Freiraumentwicklung in Agglomerationen gewidmet. Neben dem federführenden Bundesamt für Raumentwicklung beteiligen sich die Bundesämter für Umwelt, Wohnungswesen, Gesundheit, Strassen und Sport an diesem Schwerpunkt. Von 42 eingereichten Modellvorhaben wurden Ende Mai 2014 die folgenden neun Modellvorhaben bekannt gegeben: 1. Modellvorhaben Integrale Freiraumentwicklung Kernagglomeration Schaff hausen (Agglomeration Schaffhausen) 2. Dall Europa all Africa lungo una golena (Locarnese e Vallemaggia) 3. Parco del Laveggio (Mendrisiotto) 4. 2007-2017 : la portée des Plans Paysage : retour d'expérience de l Arve, rivière transfrontalière, 10 ans après (Canton de Genève) 5. Region Sursee-Mittelland Raum für Bewegung, Sport, Freizeit und Gesundheit 6. Freiraum Freiburg (Agglomeration Freiburg) 7. Landschaft für eine Stunde: Aufwertung und Gestaltung der Übergangsräume von Siedlung zu Landschaft (Agglomeration St.Gallen/Arbon-Rorschach) 8. Attraktive Erschliessungen der siedlungsnahen Erholungsräume mit Langsamverkehrsnetzen als Elemente der Lebens- und Standortqualität. Entwicklung von Hilfsmitteln für eine integrale Planung von Freiräumen mittels Langsamverkehrsnetzen (Metropolitanraum Zürich) 9. Freiräume im Spannungsfeld der Akteursinteressen: Baugesetzliche Instrumente und Beteiligungsprozesse für eine akteursgruppenorientierte Freiraumentwicklung (Winterthur) Weitere Informationen: www.are.admin.ch>raumplanung>modellvorhaben Klimaangepasste Stadt- und Siedlungsentwicklung Im Pilotprogramm Anpassung an den Klimawandel wurden im Bereich «Klimaangepasste Stadt- und Siedlungsentwicklung einschliesslich Gesundheitsfragen» Anfang April drei Pilotprojekte ausgewählt. Eines davon, «De l éphémère au durable» der Stadt Sion, weist einen Bezug zur Freiraumentwicklung auf. Weitere Informationen: www.bafu.admin.ch/klimaanpassung>pilotprogramm «Aneigenbarkeit», Erlebbarkeit und Übergangsnutzungen Aber welche Voraussetzungen müssen Freiräume erfüllen, damit sie von der Bevölkerung effektiv genutzt werden können? Was bedeutet das für den planerischen Umgang mit Freiräumen? Freiflächen im Quartier sollten für soziale Kontakte, Sport und andere Erholungsformen nutzbar, Naherholungsgebiete zu Fuss oder mit dem Velo erreichbar sein. Doch intensiv befahrene Strassen, schlechte Erschliessung, monofunktionale Nutzungen, Abstandsgrün sowie restriktive Benutzungsregeln verhindern vielerorts die Nutzung von Freiraumpotenzialen, die an sich vorhanden sind. Die öffentliche «Aneigenbarkeit» respektive Benutzbarkeit und die damit verbundene, direkte Erlebbarkeit von Freiflächen sind wichtige Kriterien für ihre Qualität. Natur vor der Haustür, Farben und Düfte im Rhythmus der Jahreszeiten, naturnahe Spielflächen und vielseitige Begegnungsorte für alle Altersgruppen sind vielerorts Mangelware Freiräume können dies zur Verfügung stellen. Auch verwaiste Räume wie Brachen, die der Öffentlichkeit nur selten mittels Übergangsnutzungen zugänglich gemacht werden, könnten temporär wichtige Funktionen wahrnehmen. Für solche Gebiete bietet es sich an, aktiv Verein- 9

barungen mit interessierten Nutzern anzuregen. Multifunktionalität als zentrales Prinzip Aus raumplanerischer Sicht gilt es, sich Gedanken zu machen, wie Freiräume im Sinn einer Positivplanung integral geplant, geschaffen und aufgewertet werden können. Neue Freiräume entstehen oft als Umgebungsraum privater Gebäude. Deshalb gilt es, Wege zu finden, um vermehrt auch solche Räume in die öffentliche Planung und Nutzung einzubeziehen. Dazu braucht es eine integrale Betrachtung, die nicht nur die Grenzen von privat und öffentlich, sondern mit einer regionalen Optik auch die Quartiergrenzen überschreitet. Agglomerationsprogramme sind das Instrument der Wahl, um eine solche bereichsübergreifende, auf funktionale Räu- me ausgerichtete Planung in die Wege zu leiten, und zwar vom übergreifenden strategischen Entwurf für Verkehr, Siedlung und Landschaft bis hin zur lokalen Umsetzung. Die Bedürfnisse künftiger Generationen sind heute allerdings nur schwer abschätzbar. Freiräume müssen deshalb nicht nur vielseitig, sondern zugleich auch veränderbar gestaltet sein. Es gilt, die Bedürfnisse der verschiedenen aktuellen und zukünftigen Nutzergruppen zu berücksichtigen und sich auch Gedanken zum Unterhalt der Freiräume zu machen. Als Instrument für den Einbezug der Nutzer in die Gestaltung lokaler Freiräume haben sich Mitwirkungsformen bewährt, die von der Konzeption bis zum laufenden Betrieb reichen. Zur Partizipation sind Bevölkerung und Grundeigentümer gleichermassen eingeladen. Dabei bleibt die Wahrung der Multifunktionalität ein zentrales Ziel. Doris Sfar, 1957, studierte Geografie und Ethnologie an der Universität Neuenburg. Seit 2011 ist sie Leiterin des Bereichs Grundlagen und Information im Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) und verantwortlich für dessen Forschungstätigkeiten. Zu ihren thematischen Schwerpunkten gehören wohnungspolitische Fragestellungen sowie Themen rund um die räumliche und gesellschaftliche Entwicklung im urbanen Kontext. Reto Camenzind, 1963, ist Raumplaner NDS ETH und dipl. Biologe. Er setzt sich im ARE unter anderem mit Landschaftsthemen, der Freiraumentwicklung und mit Zweitwohnungen auseinander. Vor 2003 arbeitete er als Raumplaner im Kanton Bern und in der Fachstelle Stadtökologie im Ökozentrum Bern. Im Kanton Schwyz war er für die Pflege und den Unterhalt von kantonalen Naturschutzgebieten zuständig. 10 forum raumentwicklung 1/2014