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DNotI Deutsches Notarinstitut Fax - Abfrage Gutachten des Deutschen Notarinstituts Dokumentnummer: 1502# letzte Aktualisierung: 10. April 1997 Gutachten ErbStG 14 Berücksichtigung früherer Erwerber innerhalb der 10-Jahres-Frist; alter Einheitswert oder neuer Ertragswert; Freibetrag I. Zum Sachverhalt Im Jahre 1994 haben drei Kinder von ihrer Mutter Grundbesitz erhalten. Dabei wurde der jedem Kind zustehende Steuerfreibetrag in Höhe von jeweils DM 90.000,-- voll ausgeschöpft. Das derzeitige Barvermögen der Mutter beläuft sich auf ca. 1.2 Mio DM, wovon jedes Kind 1/3 erhalten soll. II. Fragestellung 1. Nach welchem Bewertungsprinzip wird die Steuer für den letzten Erwerb errechnet? 2. Sind unter Berücksichtigung des Vorerwerbes 1994 die Steuerfreibeträge der Kinder voll ausgeschöpft oder steht den Kindern noch ein Freibetrag zu? III. Zur Rechtslage 1. Die von Ihnen aufgeworfenen Fragen können nicht pauschal nur unter Betrachtung der einzelnen Erwerbsvorgänge beantwortet werden. Vielmehr stellt sich die Frage aufgrund der Änderung des Bewertungsverfahrens für Grundstücke sowie der Steuerfreibeträge im Zusammenhang mit dem gesamten Berechnungsverfahren der anfallenden Steuer bei mehreren innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallenden Vermögensvorteilen im Sinne des 14 ErbStG. Zu dieser von Ihnen

Seite 2 aufgeworfenen Problematik gibt es im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz 1997 selbstverständlich noch keine Rechtsprechung, aber auch keine ausdrücklichen Kommentierungen in den Erbschaftsteuerkommentaren und nur spärliche erste Literaturhinweise. Zwar kann auf die Rechtsprechung und Kommentierung zu der letzten Änderung des Erbschaftsteuergesetzes 1974 zurückgegriffen werden. Dort gab es aber keine ausdrückliche Änderung der Grundstücksbewertung, sondern nur der Freibeträge und Steuerklassen. Allerdings wurde auch von den Einheitswerten 1959 auf die Einheitswerte 1964 umgestellt. Da sich auch 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG vom Wortlaut her geändert hat und S. 3 im Abs. 1 ergänzt wurde, sind die Kommentierungen nur unter Einschränkungen verwertbar. Insofern ist die Rechtslage noch unsicher (Felix, Neues- (Kompromiß-) Steuerrecht und aktuelle Erbschaftsteuerplanung, Kösdi 1/97, S. 10971, der die Regelung des 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG 1996 für unklar hält), so daß Gestaltungssicherheit nur durch eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt zu erreichen wäre. 2. Die Regelung des 14 ErbStG läuft für die dort genannten Zusammenrechnungsfälle auf die Anordnung eines erhöhten Steuersatzes für den jeweils letzten Erwerb hinaus (Meincke, Erbschaftsteuergesetz, 10. Aufl. 1994, 14 Rn. 1). 14 ErbStG erhöht insofern den Steuersatz für den jeweils letzten Erwerb und nimmt Einfluß auf die Freibetragsberechnung. Nach dem Regelungskonzept des 14 ErbStG werden alle Erwerbe, die derselbe Empfänger innerhalb von 10 Jahren von demselben Geber erhält, im Ergebnis so besteuert, als seien sie als Teil eines einheitlichen zu besteuernden Gesamterwerbs an den Empfänger gelangt. D. h., daß für alle Erwerber innerhalb des 10-Jahres-Zeitraumes zusammen nur ein Freibetrag zur Verfügung steht (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 2). Auch der Steuersatz ist so zu bemessen, daß er die auf den Gesamterwerb entfallende Steuer deckt. Dennoch bleiben die Einzelerwerbe grundsätzlich selbständige steuerpflichtige Vorgänge (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 3). Nur die Berechnung der Steuer für den jeweils letzten Erwerb wird diesbezüglich geändert. Bezüglich der grundsätzlichen Systematik der Berechnung der Erbschaftsteuer nach 14 ErbStG dürfen wir auf die in Kopie beiliegenden Berechnungsbeispiele aus Moench (Erbschaft- und Schenkungsteuer - Kommentar, Stand: Juni 1996, 14 Rn. 11 ff.) sowie Meincke (a.a.o., 14 Rn. 18) verweisen. 3. Bezüglich der einzelnen Berechnungsschritte ist u. E. grundsätzlich zu differenzieren zwischen der Hinzurechnung der früheren Erwerbe zum letzten Erwerb (früher 14 Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz ErbStG jetzt 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG) und der Anrechnung der fiktiven Steuer für den früheren Erwerb (bisher 14 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz ErbStG jetzt 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG). a) Die früheren Erwerbe werden mit ihrem Bruttobetrag vor Abzug des Freibetrages dem späteren Erwerb hinzugesetzt (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 9). Erst von dem Gesamtbetrag der Erwerbe wird dann der Freibetrag zum Abzug gebracht. Dabei muß von der Systematik des 14 ErbStG sowohl bisher, als auch in Zukunft auf den so ermittelten Gesamtbetrag aller innerhalb der 10-Jahres-Frist relevanten Erwerbe die neue Rechtslage angewandt werden.

Seite 3 Daher ist es konsequent, hier nicht nur die veränderten Steuersätze sowie Steuerklassen, sondern auch den veränderten erhöhten Freibetrag hier abzusetzen. So wird aus dem Gesamtbetrag unter Abzug der Freibeträge ( 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG) die Bemessungsgrundlage entwickelt, aus der sich unter Anwendung des maßgeblichen (neuen) Steuersatzes die Steuer für den Gesamtbetrag ergibt. Zur Ermittlung der Steuer für den Gesamtbetrag ist allein die Sicht zum Zeitpunkt des letzten Erwerbs entscheidend. Daher wird auch die Höhe des Freibetrages, der den Gesamtbetrag kürzt, nach den Verhältnissen bei der Steuerentstehung für den Letzterwerb bestimmt (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 10). Die früheren Erwerbe werden sowohl nach dem bisherigen Gesetzeswortlaut als auch nach dem neuen 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG nicht zum jetzigen, sondern mit ihrem früheren Wert dem Letzterwerb hinzugerechnet. Wertänderungen bleiben dabei unberücksichtigt (Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz - Kommentar, Stand: Juni 1996, 14 Rn. 23). Dies betrifft sowohl die tatsächlichen Wertveränderungen als auch eine diesbezügliche Änderung der Gesetzeslage. In bezug auf den Wert der früheren Erwerbe kommt es bei der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe also auf den Rechtszustand im Zeitpunkt des jeweiligen Erwerbs an (Kapp/Ebeling, a.a.o., 14 Rn. 23). Dies gilt auch für Wertänderungen, die auf veränderte Bewertungsregelungen im Bewertungsgesetz zurückzuführen sind. Soweit also Zuwendungen von Grundbesitz aus der Zeit vor dem 1.1.1996 mit Zuwendungen, die nach diesem Zeitpunkt erfolgen, zusammengerechnet werden, bleiben für die Vorschenkungen auch die Einheitswerte nach den Wertverhältnissen 1964 (Westen) bzw. 1935 (Osten) maßgebend (Begründung, BMF-Entwurf zu 14 Abs. 1 1. Halbsatz; so auch Moench, 14 Rz. 26; Kapp/Ebeling, a.a.o., 14 Rn. 14, 23; Meincke, a.a.o., 14 Rz. 12). Allerdings hat der Wert, der bei der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb seinerzeit tatsächlich zugrundegelegt worden ist, für die Zusammenrechnung keine Verbindlichkeit (BFH, BStBl. II 1991, 522). Vielmehr sind die früheren Erwerbe mit den Ihnen damals zukommenden Werten anzusetzen, wie sie sich zur Zeit des Letzterwerbs aus der Rückschau als richtig erweisen (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 10). Damit ist allerdings nur gemeint, daß die Wertfestsetzung geändert werden kann, wenn bei derselben zum Zeitpunkt des Vorerwerbes eine fehlerhafte Berechnung stattfand oder fehlerhafte tatsächliche Gegebenheiten zugrundegelegt wurden. b) Davon zu unterscheiden ist grundsätzlich die Frage der Anrechnung der fiktiven Steuer für den früheren Erwerb (bisher 14 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz jetzt 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG). Hierbei stellt sich wieder die Frage, welcher Freibetrag bei der Berechnung der fiktiven Steuer abzuziehen ist und welche Wertverhältnisse bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage heranzuziehen sind.

Seite 4 (1) Bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage der Abzugssteuer führt die Bewertung der früheren Erwerbe zur Ermittlung eines Bruttobetrages, der anschließend um den vollen Freibetrag zu kürzen ist (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 12). Die Abzugssteuer ist als Steuer für die früheren Erwerbe ein Teil der Steuer für den Gesamterwerb. Dabei wird der Freibetrag nach den Verhältnissen zur Zeit des Letzterwerbes berechnet. Dies stellt der neue Wortlaut des 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG u. E. nochmals ausdrücklich klar: von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wären. Dies wurde bei wortlautgemäßer Anwendung des 14 Abs. 1 ErbStG 1974 ebenfalls schon so gesehen (vgl. Kapp/Ebeling, a.a.o., 14 Rn. 15; Meincke, a.a.o., 14 Rn. 12; Troll, Erbschaftsteuergesetz - Kommentar, Stand: September 1996, 14 Rn. 10, S. 19). Demgegenüber kam die Rechtsprechung unter Abweichung von dem eindeutigen Wortlaut des 14 Abs. 1 zu dem Ergebnis, daß auch hier noch der niedrigere alte Freibetrag abzuziehen ist, wie er zur Zeit der früheren Zuwendung maßgebend war (BFH BStBl. II 1977, 664; Troll, a.a.o., 14 Rn. 10; Kapp/Ebeling, a.a.o., 14 Rn. 15). Dies wurde damit begründet, daß die nach dem Gesetzeszweck gebotene einmalige Auswirkung des Freibetrages nicht gewährleistet würde, wenn man die abzuziehende Steuer unter Berücksichtigung des erhöhten Freibetrages errechnen würde (Kapp/Ebeling, a.a.o., 14 Rn. 15). Denn die Freibetragserhöhung würde alsdann insoweit nicht zur Auswirkung kommen, als der in der Zeit vor der Freibetragserhöhung angefallene Erwerb den damals geltenden Freibetrag überschritten hat. Daher ist der BFH in seinem Urteil v. 30.3.1977 unter Abweichung von dem eindeutigen Wortlaut des 14 Abs. 1 ErbStG zu folgendem Ergebnis gekommen: Unter diesen Umständen bedarf 14 Abs. 1 ErbStG 1974 einer Auslegung, die gewährleistet, daß die Freibetragserhöhung sich bei Vorliegen entsprechender Erwerbe aus der Zeit nach dem 31.12.1973 voll auswirken kann. Dieses Ergebnis wird dadurch herbeigeführt, daß die abzuziehende fiktive Steuer auf die Erwerbe vor dem 1.1.1974 unter Anwendung des neuen Tarifs lediglich unter Berücksichtigung des früher geltenden Freibetrages berechnet wird. In dem Nichtzulassungsbeschwerdebeschluß vom 18.9.1995 (BStBl. II 1985, 710) hat der BFH unter Fortführung seiner Überlegungen im Urteil von 1977 entschieden, daß die Freibetragserhöhung bei der Errechnung der fiktiven Steuer nur insoweit nicht in Betracht kommt, als sie sich in der Vergangenheit noch nicht auswirken konnte (Kapp/Ebeling, a.a.o., 14 Rn. 16). Abschließend hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 26.2.1993 (HFR 1993, 329) ausgeführt:

Seite 5 Die Vorerwerbe aus der Zeit vor dem 1.1.1974 werden lediglich zum Zwecke der Ermittlung des für den Erwerb von Todes wegen maßgeblichen Steuersatzes so behandelt, als seien sie erst mit dem Erbfall angefallen. Die Anrechnung des Vorerwerbs führt mithin zu einer Erhöhung des Steuersatzes des durch den Erbfall erworbenen Vermögens. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Beibehaltung der ursprünglichen Steuersätze ist indessen mit dem Gesetzesbeschluß des Bundestages entfallen. Diese Rechtsprechung des BFH zugunsten des Steuerpflichtigen blieb aber schon bisher nicht unkritisiert (vgl. Meincke, a.a.o., 14 Rn. 14). Der BFH hielte damit den Anrechnungsbetrag so hoch, daß er im Einzelfall die Steuer für den Gesamterwerb erreicht und damit den Letzterwerb praktisch steuerfrei stellt, was schwerlich richtig sein könne. Das FG Rheinland- Pfalz (EFG 82, 84) hat anschließend daran bei der Anrechnung im Interesse des Steuerpflichtigen auch nicht die jetzigen, sondern die früheren höheren Sätze zugrundegelegt. Demgegenüber hat der BFH (BStBl. II 1977, 664; II 1989, 733) die Steuersätze, soweit diese erhöht worden sind, nach dem neuesten jetzigen Stand herangezogen. Bezüglich der Steuerklassenzuordnung ließ der BFH (BStBl. II 1987, 717) weiterhin die frühere ungünstige Steuerklasse im Anrechnungsverfahren durchgreifen, soweit diese in einer dem Steuerpflichtigen grundsätzlich günstigen Weise verändert wurde, die sich aber im Anrechnungsverfahren ungünstig auswirken muß. (2) Der Gesetzgeber wollte diese uneinheitliche Anwendung bezüglich der Frage, nach welcher Rechtslage die Höhe der anzurechnenden Steuer zu bemessen ist, durch die Neufassung des 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG klarstellen. So führt die Gesetzesbegründung insbesondere aus: Die Änderungen stellen das ursprüngliche Gesetzeskonzept der Vorschrift wieder her, das der Bundesfinanzhof durch eine unsystematische Interpretation weitgehend aufgegeben hat (zuletzt Urteil v. 31.5.1989, BStBl. II, 733). Insofern ist u. E. bei der Errechnung der abziehbaren Steuer für die früheren Erwerbe durchgängig von den geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs auszugehen. Dies bedeutet u. E. für den Freibetrag, daß hier der erhöhte Freibetrag in Höhe von 400.000,-- DM abzuziehen ist (vgl. ebenso das beiliegende Berechnungsbeispiel aus Schwerpunktthema Erbfolgebesteuerung November/Dezember 1996, S. 28). Sozusagen als Ausgleich hat der Gesetzgeber in 14 Abs. 1 S. 3 ergänzt. Anstelle der - durch Abzug der erhöhten Freibeträge regelmäßig sehr geringen - fiktiven abzugsfähigen Steuer nach S. 2 ist die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist.

Seite 6 (3) Fraglich ist jedoch, ob dieses einheitliche Abstellen auf die geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs auch die Frage der Bewertung des früheren Erwerbes für die Berechnung der abzuziehenden Steuer betrifft. Nach der bisherigen Rechtslage wird diesbezüglich wohl einheitlich nicht nur bei der Hinzurechnung der früheren Erwerbe, sondern auch bei der Errechnung der Bemessungsgrundlage der Abzugssteuer auf den früheren Wert abgestellt (Meincke, a.a.o., 14 Rn. 12, mit Verweis auf Moench, a.a.o., 14 Rn. 26). Dies bestimme das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, da es den Rückgriff auf die früheren Werte nur für die Ermittlung des Gesamtbetrages der Erwerbe vorsehe. Doch liege es in der Logik der gesetzlichen Bestimmung, den Teil des Gesamtbetrages, der auf die früheren Erwerbe entfällt, nach denselben Grundsätzen zu bewerten, die für die Ermittlung des Gesamtbetrages vorgeschrieben sind. Demgegenüber führt der bei Meincke zitierte Moench (a.a.o., 14 Rn. 26, Stand: Juni 1996!) - wohl schon unter dem Eindruck der neuen Gesetzesformulierung - aus: Von der Steuer, die sich auf der Grundlage der Gesamtbereicherung ergibt, ist die Steuer abzuziehen, die für die nach ihrem früheren Wert anzusetzenden Vorschenkungen auf der Grundlage der zuletzt geltenden Vorschriften zu erheben gewesen wäre. Auch diese Bestimmung hat im Hinblick auf das ErbStG 1974 große Bedeutung. Die für den früheren Erwerb entrichtete Steuer deckt sich nur dann mit der anzurechnenden fiktiven Steuer, wenn sich in der Zwischenzeit die Freibeträge, der Steuersatz und die Wertermittlungsvorschriften nicht geändert haben. Hier erwähnt Moench ausdrücklich auch die Veränderung der Wertermittlungsvorschriften, die eine Diskrepanz zwischen der tatsächlich gezahlten Steuer und der fiktiven Steuer ergeben könne. Dies würde keinen Sinn machen, wenn bezüglich der Wertermittlungsvorschriften in jedem Fall auf die alte Rechtslage zurückgegriffen werden sollte. Troll (a.a.o., 14 Rn. 10) führt pauschal ohne Differenzierung zwischen der Zusammenrechnung der Erwerbe und der Berechnung der abzugsfähigen Steuer aus: Nach 14 Abs. 1 ErbStG müssen die früheren Zuwendungen zwar mit ihrem früheren Wert berücksichtigt werden, für alle übrigen Besteuerungsmerkmale kommt es jedoch auf die Verhältnisse vom Zeitpunkt des letzten Erwerbs an. 4. Nach dem oben Gesagten, ist u. E. die Rechtslage bezüglich der Bewertung der Vorerwerbe bei der Berechnung der abzugsfähigen Steuer unsicher. Es stellt sich nämlich grundsätzlich die Frage,

Seite 7 ob durch die Klarstellung in 14 Abs. 1 S. 2, daß die Steuer abgezogen [werden soll], die auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre, nur die neuen höheren Freibeträge abzuziehen sind (zuungunsten des Steuerpflichtigen) oder auch geregelt ist, daß das neue zu einer höheren Bewertung führende Bewertungsverfahren bei Grundstücken Anwendung findet (zugunsten des Steuerpflichtigen). Aus dem BMF war aus einer telefonischen unverbindlichen Stellungnahme zu vernehmen, daß hier eindeutig wie bisher beabsichtigt war, auf den alten Wert zum Zeitpunkt der früheren Erwerbe abzustellen. Dies sei bereits bei der Umstellung des Jahressteuergesetzes 1974 von den Einheitswerten 1959 auf 1964 so gewesen und wurde auch bei den wiedervereinigungsbedingten Übergangsregelungen dergestalt berücksichtigt ( 37 a ErbStG). Dies sei gleichermaßen nach der alten Rechtslage wie nach dem Jahressteuergesetz 1997 auch bei sämtlichen sonstigen Wertveränderungen der Fall. Der frühere Abs. 1 S. 1 bildete genauso wie der jetzige S. 1 und S. 2 bezüglich der Werte der früheren Erwerbe eine Einheit, daß jeweils von dem gleichen Wert bei der Hinzurechnung und bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die abzugsfähige Steuer auszugehen sei. 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG solle insofern keine Neuregelung beinhalten. Diese Meinung läßt sich m. E. aber nicht ohne weiteres aus der oben zitierten Gesetzesbegründung, die nur auf die Klarstellung bezüglich der bisherigen BFH-Rechtsprechung zum Freibetrag, zu den Steuertarifen und zu den Steuerklassenzuordnungen Bezug nimmt, ableiten. Auch die Systematik des 14 ErbStG verbietet eine andere dem Steuerpflichtigen gegenüber, freundlichere Interpretation m. E. nicht. Jedoch ist schon aus fiskalischen Gründen u. E. nicht damit zu rechnen, daß sich die Finanzverwaltung der hier als möglich angedeuteten Interpretation des neuen 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG anschließen wird. Rechtsprechung und Kommentierung liegen diesbezüglich noch nicht vor. Dieses Gutachten ist nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt. Es gelten die allgemeinen Leistungsgrundsätze des Instituts. Literatur: Moench/Kien-Hümbert, Erbschaft- und Schenkungsteuer, 17. Ergänzung - Juni 1996, S. 8 ff. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 10. Aufl., S. 511 ff.