Nicht erkannt und unbehandelt: Schmerzen bei Menschen mit Demenz 7. Fachtagung Palliative Geriatrie Berlin 12.Oktober 2012

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Transkript:

Nicht erkannt und unbehandelt: Schmerzen bei Menschen mit Demenz 7. Fachtagung Palliative Geriatrie Berlin 12.Oktober 2012 Dr. Martina Schmidl 2012 1

86% der Pflegeheimpatienten haben in den letzten drei Monaten ihres Lebens Schmerzen Reynolds K. et al J Palliat Med. 2002; 5(6): 895-901 Fast die Hälfte der Demenzkranken erhielt keine oder nur eine unzureichende Schmerztherapie! Shega, J.W./ Hougham, G./ Stocking, C.B./ Cox-Hanley, D./ Sachs G.(2006): Management of Noncancer Pain in Community-Dwelling Persons with Dementia. In: Journal of the American Geriatrics Society 2006/54/12, S. 1892 Dr. Martina Schmidl 2012 2

Schmerzen werden nicht erkannt! Dr. Martina Schmidl 2012 3

Demenz ist kein Analgetikum! Siegel, N.R. 2006 Deutscher Schmerztag in Frankfurt am Main Martina Schmidl 2012 4

Schmerzen werden nicht erkannt weil...... die Kontaktaufnahme scheitert... die Kommunikation misslingt Dr. Martina Schmidl 2012 5

Was macht die Kommunikation mit Demenzkranken so schwierig? Wir sind gewohnt auf der rationalen Ebene zu kommunizieren Der demente Mensch ist jedoch fast ausschließlich auf der Gefühlsebene erreichbar Dr. Martina Schmidl 2012 6

Misslingt die Kommunikation, werden Schmerzfolgestörungen häufig für unabhängige Störungen gehalten und anstelle der Schmerzen behandelt! Martina Schmidl 2012 7

Nicht-Körperliche Schmerzen Der Schmerz des Mangels an Mitgefühl und Wertschätzung Der Schmerz nicht verstanden zu werden Der Schmerz der Ohnmacht Der Schmerz der Einsamkeit Der Schmerz sich selber zu verlieren Der Schmerz keine Vergangenheit und keine Zukunft zu haben Der Schmerz des Ortswechsels... Dr. Martina Schmidl 2012 8

Frau Trude Wo bin ich hier nur hinein geraten? Ich habe doch nichts schlechtes gemacht, ich war doch immer anständig! Dr. Martina Schmidl 2012

HAT DIE PATIENTIN SCHMERZEN? Jede Verhaltensänderung kann bedeuten, dass die Patientin Schmerzen hat. Die Beobachtung der Patientin und ihres Verhaltens gibt uns Hinweise auf ihr Befinden. Angehörige und/ oder Pflegende erkennen Schmerzen in der Regel besser als Ärzte. Dr. Martina Schmidl 2012 10

Assessment-Instrumente zur Fremdbeobachtung Retrospektive Analyse eines längeren Beobachtungsraumes unter Einbeziehung des ganzen Betreuerteams durch ECPA (oder BISAD) Doloplus 2 Erfassung des Verhaltens während einer bestimmten Aktivität ; hängt stark von der der Bezugsperson und von Umgebungsfaktoren ab Pain Aid (oder BESD) Dr. Martina Schmidl 2012 11

Schmerzerfassungsinstrumente für demenzkranke Menschen Der unbestrittene Nutzen der Beobachtungsskalen liegt darin, dass im Betreuungsteam die Aufmerksamkeit für Verhaltensauffälligkeiten und deren Zusammenhang mit möglichen Schmerzen geschärft und die interdisziplinäre Kommunikation gefördert wird Roland Kunz (2011) Schmerzmanagement bei älteren und kognitiv beeinträchtigten Menschen, S.61 In: Kojer, Schmidl (Hg) Demenz und Palliative Geriatrie in der Praxis, Springer Verlag Dr. Martina Schmidl 2012 12

Was spricht gegen diese Skalen? Nur scheinbar objektiv Fragt immer dieselben (wenigen) Aspekte ab Gefahr der schematischen Routinearbeit Das trügerische Gefühl alles gemacht zu haben Wenn er 4 Punkte hat, kann er keine Schmerzen haben! Ersatz für Kommunikation Entwertung der individuellen Beobachtungsgabe der Betreuenden Dr. Martina Schmidl 2012 13

Die existierenden Tools sind immer noch im Frühstadium der Entwicklung und Testung. Bis heute gibt es kein standardisiertes Tool in Englisch, das für die breite Anwendung empfohlen werden kann Herr et al. (2006) Tools for assessment of pain in nonverbal older adults with dementia: a state-of-science review. J Pain Symptom Manage 31:170-192 Dr. Martina Schmidl 2012 14

Multidimensionale und multiprofessionelle Schmerzerfassung Schmerzbefragung Suche nach Schmerzursachen Körperliche Seelische Umgebungsfaktoren Beobachten des Verhaltens Schmerzbeobachtung durch andere Personen Probatorische Analgetikagabe Kontinuierliche Beobachtung und Neueinschätzung Dr. Martina Schmidl 2012 15

Den eigenen Sinnen vertrauen! Zu Sinnen kommen! Dr. Martina Schmidl 2012 16