Kommunale Radverkehrspolitik Konzepte Strategien - Beispiele Tagung am 16. Oktober 2014 in Nürnberg Konkurrenz im Straßenraum: Auto, Rad, Fußgänger Dipl.-Ing. Dankmar Alrutz Planungsgemeinschaft Verkehr PGV-Alrutz, Hannover Folie 1
PGV Wegweisend für den Radverkehr Mitwirkung am Nationalen Radverkehrsplan (NRVP 2020) Zahlreiche Forschungsprojekte zur Sicherheit und Förderung des Radverkehrs FGSV-Gremien: Mitarbeit an Regelwerken (u.a. RASt 06, ERA 2010) Radverkehrskonzepte für viele Gemeinden, Städte und Landkreise Folie 2
Themen Nutzungsansprüche und Flächenanforderungen Aussagen der Regelwerke Radverkehrsführungen im Straßenraum Neue Entwicklungen der Radverkehrsführungen Fazit Folie 3
Flächenansprüche an den Straßenraum Gehen und Verweilen Rad fahren und parken Auto fahren und parken Lieferverkehr Aufenthaltsnutzung Geschäftsauslagen, Gastronomie Straßenraumgestaltung, Begrünung Technische Straßenraumausstattung Folie 4
Flächenbedarf Sehr unterschiedliche Flächenbedarfe der einzelnen Nutzungsansprüche Platzbedarf für jeweils 60 Personen Quelle: Cycling Promotion Fund Folie 5
Flächenstatistik Aktuelle Studie aus Berlin: Nur 3 % der Verkehrsflächen reine Radverkehrsflächen 58% dienen vorrangig dem Kfz-Verkehr Sinnvolle Statistik? Wollen und können wir wirklich alles separieren? Bei begrenzten Flächen nicht sinnvoll. Quelle: Flächen-Gerechtigkeits-Report Folie 6
Alltag in vielen Städten Mimimalmaße für den Radverkehr: Wo es eng wird, trifft es zuerst den Fuß- und Radverkehr. Folie 7
Radwege mit geringem Standard verbinden schlechten Fahrkomfort mit geringem Sicherheitsniveau Zukünftig mehr und schnellerer Radverkehr (Pedelecs): Investitionen in Minimalelemente heute können sich morgen als Fehlinvestitionen erweisen. Folie 8
Praxisbeispiel: Radweg ohne Benutzungspflicht 2% des Radverkehrs fuhren auf der Fahrbahn Hohe Unfallbelastung des Radweges. Objektive Sicherheit (Unfälle) und subjektives Sicherheitsgefühl stimmen nicht überein. Zwischenzeitlich Rückbau des Radweges Anlage von Schutzstreifen Gute Akzeptanz Tendenz Unfallabnahme P. Gwiasda Folie 9
Regelwerke: RASt 06 Stadtgestalterisch anzustrebende Straßenraumgliederung durch Städtebauliche Bemessung: Angestrebte Proportionen: 30 : 40 : 30 Straßenraumgestaltung vom Rand aus: Erforderliche Flächen durch Randnutzungen Erforderliche Flächen für Fuß- und Radverkehr Verkehrlich erforderliche Fahrbahnbreite Folie 10
RASt 06: Beispiel Typische Entwurfssituationen Ausgewogene Flächenaufteilung unter Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche Kfz/h Straßen -raumbreite 15,5 17,5 20,7 21,2 6.4 Gehweg/ Radfahrer frei + Schutzstreifen 6.5 Gehweg/ Radfahrer frei + Schutzstreifen 6.6 Radfahrstreifen 6.7 Radweg RASt 06 Folie 11 12,5 13,0 17,5 6.1 Gehweg/ Radfahrer frei 6.2 Schutzstreifen 6.3 Schutzstreifen 21,2 6.8 Radfahrstreifen
ERA 2010: Wahl der Führungsform Differenzierte Herleitung der Einsatzbedingungen für die Radverkehrsführungen auf Hauptverkehrsstraßen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen ERA 1. Schritt 2. Schritt Vorauswahl Prüfung der Realisierbarkeit Kriterien: vor allem Stärke und Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs Kriterien: Flächenbedarf, ggf. weitere Ausschlusskriterien Ausgabe 2010 3. Schritt abschließender Vergleich geeigneter Führungsformen Kriterien: Stärke und Geschwindigkeit des Kfz- Verkehrs, Schwerverkehr, Flächenverfügbarkeit, Parken, Anschlussknoten, Längsneigung, Linienführung Folie 12 12
ERA 2010: Vorauswahl der Führungsform (1. Schritt) Quelle: ERA 2010 Schutzstreifen Gehweg, Rad frei Michael Haase Michael Haase Radweg ohne Benutzungspflicht Radfahrstreifen Radweg mit Benutzungspflicht Michael Haase Michael Haase Michael Haase Fahrbahn Michael Haase Belastungsbereiche nach Stärke und Geschwindigkeit des Kfz-Verkehrs Folie 13 13
ERA 2010: Wahl der Führungsform nach Flächenkriterium 2. Schritt Prüfung der Realisierbarkeit ERA enthält zu jeder Führungsform Flächenbedarf u. Ausschluss-kriterien Beispiele für Flächenbedarf als Ausschlusskriterium: Radfahrstreifen (beidseitig):fahrbahnbreite < 8,50 m Schutzstreifen (beidseitig): Fahrbahnbreite < 7,00 m Zweirichtungsradweg (einseitig): Seitenraumbreite < 4,50 m Folie 14 14
Breitenanforderungen für Radverkehrsanlagen (jeweils zzgl. Sicherheitstrennstreifen) Einrichtungsradweg 2,00 m (1,60 m) Zweirichtungsradweg 3,00 m (2,00 m) Radfahrstreifen 1,85 m Schutzstreifen 1,50 m (1,25 m) Gemeinsamer Geh- und Radweg 4,00 m (2,50 m) Folie 15
Übersicht Radverkehrsführungen Wer die Wahl hat, hat die Chance! Radweg ohne Benutzungspflicht Radweg mit Benutzungspflicht Gemeinsamer Geh- und Radweg Radfahrstreifen Gehweg/Radverkehr frei Schutzstreifen Folie 16
StVO: Anforderungen an die Radwegebenutzungspflicht Radverkehr ist Fahrverkehr und hat deshalb im Regelfall die Fahrbahn zu benutzen. Eine Radwegebenutzungspflicht darf nur bei einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefahrenlage angeordnet werden. Eine Anordnung der Radwegebenutzungspflicht ist an hohe Anforderungen gebunden und deshalb verkehrsrechtlich der Ausnahmefall. Die Anordnung der Benutzungspflicht ist in jedem örtlichen Einzelfall zu prüfen und zu begründen. Folie 17
Grundsätze der Radverkehrsführung nach ERA 2010 Ausreichende Breiten! Keine Addition von Minimalelementen Kein Ausklammern von Problembereichen! Folie 18
Grundsätze der Radverkehrsführung Sicherheitsräume schaffen! Sichtkontakt gewährleisten! Folie 19
Bauliche Radwege Radwege gewährleisten objektive und subjektive Sicherheit, sofern Sicherheits- und Qualitätsstandards eingehalten werden! Regelbreite 2,00 m, bei geringer Radverkehrsstärke 1,60 m Sicherheitstrennstreifen 0,75 m (min. 0,50 m zum fließenden Kfz- Verkehr) Ausreichende Gehwegbreiten Hoher Flächenbedarf; bei Umbau vorhandener Straße hohe Kosten Folie 20
Radwege ohne Benutzungspflicht: Keine Möglichkeit zum Flächensparen Auch Radwege ohne Benutzungspflicht werden von den meisten Radfahrern weiterhin benutzt. Sie müssen deshalb allen Sicherheitsanforderungen genügen. Nach ERA wird deshalb nicht nach der Benutzungspflicht unterschieden. Radwege ohne Benutzungspflicht sind keine Radwege 2. Klasse Folie 21
Bewältigung hoher Radverkehrsstärken: Kopenhagen Standardelement: Bordsteinradwege im Einrichtungsverkehr Breite 2,50-3,00 m Bord zur Fahrbahn und zum Gehweg Praktisch kein Linksfahren auf dem Radweg Folie 22
Radfahrstreifen Gutes Sicherheitsniveau durch Sichtkontakt zum Kfz-Verkehr auch bei hohen Verkehrsstärken! Auch auf hochbelasteten Straßen einsetzbar Regelbreite 1,85 m incl. Breitstrich (bei starkem Kfz-Verkehr: Breite mind. 2,00 m) Sicherheitsraum zu parkenden Kfz Folie 23
Radfahrstreifen Flächenreserven nutzen Überbreite Richtungsfahrbahne RASt 06: Fahrbahnbreite 5,00 5,50 m Leistungsfähigkeit 1.800-2.600 Kfz/h Folie 24
Schutzstreifen für den Radverkehr Chancen für enge Straßenräume! Schutzstreifen dürfen von Kfz nur bei Bedarf überfahren werden.. Regelbreite 1,50 m, mindestens 1,25 m Sicherheitsraum zu parkenden Kfz. Folie 25
Schutzstreifen Flächenreserven nutzen Überbreiter Richtungsfahrstreifen: 1,50 m Schutzstreifen und 4,50 5,50 m Fahrstreifen Einstreifige Richtungsfahrbahn: 1,50 m Schutzstreifen und mind. 2,25 m Fahrgasse (besser 2,50 m) Folie 26
Überbreiter Fahrstreifen: Beispiel Rheinstraße (Karlsruhe) Knapp 12.000 Kfz/Tag und Fahrtrichtung Einsatz von Schutzstreifen, da keine Flächenverfügbarkeit für getrennte Radverkehrsführung Ummarkierung von 2 Richtungsfahrstreifen in einen überbreiten Fahrstreifen Erfahrungen: Weniger Konflikte für Radverkehr Kaum Einbußen an Leistungsfähigkeit für den Kfz- Verkehr Stadt Karlsruhe Stadt Karlsruhe Folie 27
Schutzstreifen Keine Addition von Mindestelementen Sicherheitsraum zu parkenden Kfz unter Sicherheitsaspekten wichtig. Folie 28
Gemeinsame Geh- und Radwege Generell innerorts die Ausnahme! Regelbreite innerorts: 3,00 m bzw. 4,00 m; mindestens 2,50 m Nur bei geringem Rad- und Fußverkehr Weitere Ausschlusskriterien nach ERA: u.a. starkes Gefälle, viele Zufahrten mit ungünstiger Sicht Folie 29
Gehwege mit Zulassung des Radverkehrs Gefahr einer inflationären Anwendung als kostengünstiges Instrument (trotz geringen Standards) Lösung geht dann zu Lasten des Fußverkehrs Aber oft auch nicht zufriedenstellende Bedingungen für den Radverkehr ( Schrittgeschwindigkeit ). Folie 30
Radverkehrsführung in Knotenpunkten Begreifbarkeit und Sichtkontakt bedeutet Sicherheit! Folie 31
Knotenpunkte mit Lichtsignalanlage Grundsatz: Radverkehr nach vorn! Radverkehr richtet sich nach den Signalen für den Fahrverkehr oder nach eigenen Signalen Grünvorlauf Vorgezogene Haltlinie Aufgeweitete Radaufstellstreifen W. Angenendt Folie 32
Knotenpunkte mit LSA - Radfahrschleuse Radverkehr ordnet sich konfliktfrei vor dem Kfz-Verkehr in die Abbiegefahrstreifen ein. Stadt Münster Stadt Münster Folie 33
Knotenpunkte mit LSA - Aufgeweitete Radaufstellstreifen Geeignet für die schwächer belasteten Knotenpunktzufahrten Sicherheits- und Leistungsfähigkeitsvorteile Stadt Münster Stadt Münster Stadt Münster Folie 34
Radverkehr geradeaus im Rechtsabbiegestreifen Beispiel Leipzig Folie 35
Einbahnstraßen Nicht für den Radverkehr! Keine Sicherheitsprobleme im Begegnungsverkehr in Tempo 30-Zonen Deutliche Reduktion der Gehwegnutzung durch gegen gerichteten Radverkehr Einbahnstraße Vz 220 StVO mit Zusatzzeichen frei Vz 267 StVO mit Zusatzzeichen Folie 36
Fahrradstraßen Öffentlichkeitswirksam und attraktiv! Radfahrer dürfen nebeneinander fahren Zul. Höchstgeschwindigkeit 30 km/h Folie 37
Radrouten über Nebenstraßen Bei attraktiver Führung hohe Leistungsfähigkeit verbunden mit hoher Sicherheit und gutem Fahrkomfort Beispiel Karlsruhe: Cityrouten zur Umfahrung und Anbindung des zentralen Geschäftsbereiches (Fußgängerzone) Folie 38
Neue Entwicklungen: Duale Führungsformen Gehweg/Radverkehr frei und Schutzstreifen Übergang benutzungspflichtige in nicht benutzungspflichtige Radverkehrsführung Folie 39
Neue Entwicklungen Radschnellwege Neues Netzelement in der Radverkehrsplanung für Entfernungsbereiche bis zu etwa 15 km Zielgruppe: Alltagsradverkehr (vor allem Berufsund Ausbildungswege) in Verdichtungsräumen Radschnellwege sollen ein sicheres Befahren auch bei hohen Geschwindigkeiten ermöglichen. Sie sind aber keine Radautobahnen, sondern integrierter Bestandteil kommunaler Radverkehrsnetze. Beispiel: Radschnellweg Göttingen S. Janssen Folie 40
Neue Entwicklungen - Schutzstreifen außerorts Modellvorhaben 2012-2014 des Bundes mit Beteiligung von 6 Bundesländern (18 Strecken) Straßen mit bis zu 4.000 Kfz/Tag Einstreifige Kernfahrbahn Zulässige Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h Ergebnisse ab Mitte 2015 Urbanus Urbanus Folie 41
Fazit Bei Flächenkonkurrenzen im Straßenraum sind alle Nutzungsansprüche im Straßenraum zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Belange der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer. Eine Addition aller Flächenansprüche führt in der Regel zu keinen befriedigenden Lösungen. Keine Addition von Minimalelementen Insbesondere für den Radverkehr gibt es zahlreiche entwurfstechnische und betriebliche Möglichkeiten, auch bei beengten Verhältnissen zu guten Lösungen zu kommen. Radverkehr ist Fahrverkehr. Eine Mischung mit Fußverkehr muss deshalb die Ausnahme sein. Regelung der Radwegebenutzungspflicht auch als Chance betrachten: Duale Führungsformen können den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Folie 42
Vielen Dank für Ihr Interesse! Dankmar Alrutz Planungsgemeinschaft Verkehr - PGV-Alrutz Adelheidstraße 9b 30171 Hannover Tel.: 0511 / 220 601 80 Email: Alrutz@pgv-hannover.de www.pgv-hannover.de Folie 43