BAK-Stellungnahme zur einschlägigen Diskussion bezüglich Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegung in TTIP

Ähnliche Dokumente
Investitionsschutz und EU- Freihandelsabkommen

Eingangsstatement von Herrn Staatsminister zum Thema. Investitionsschutz in TTIP. für die Podiumsdiskussion im Rahmen der Bitburger Gespräche

Fraktion im Kreistag Esslingen Antrag: DIE LINKE beantragt zur Kreistagssitzung am Donnerstag, dem 9. Oktober 2014 den Tagesordnungspunkt Gefährdung k

August 2015 AK Positionspapier. Elisabeth Beer. TTIP & CETA: Investitionsschutz.

VERFAHREN FÜR DIE BEILEGUNG VON STREITIGKEITEN ZWISCHEN INVESTOR UND STAAT IN LAUFENDEN HANDELSVERHANDLUNGEN

Positionspapier der S&D Fraktion zu den Verfahren für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat in laufenden Handelsverhandlungen

KEIN FREIHANDEL UM JEDEN PREIS. 10 Gründe gegen das geplante Abkommen mit den USA

Nationalrat, XXV. GP 12. Oktober Sitzung / 1

Umwelt und freier Handel Das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP) Jutta Wieding

Der Bundesrat hat in seiner 924. Sitzung am 11. Juli 2014 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.

Soziale Sicherung im Freihandel:

CETA steht insbesondere aus folgenden Gründen im Widerspruch zur Beschlusslage der SPD und sollte deshalb abgelehnt werden:

CETA Aktuell. Rechtliche und handelspolitische Aspekte

Herzlich willkommen. zur Vorstellung der SRU-Stellungnahme. 25. Februar 2015 Auditorium Friedrichstraße, Berlin

10974/16 CAS/AF/ESS/mfa DGC 1A

Konsultationsankündigung

TTIP und ihre Auswirkungen auf Österreich

TTIP. Freier Handel - alles sicher?!

HANDEL. Handel. #EUTrade. 1 #EUTrade

Freier Handel Alles sicher?!

Entschließung des Bundesrates anlässlich des öffentlichen

TTIP Worum geht es? Eine-Welt-Verein/ WELTLADEN E.Frasch

Aktuelle Problemfelder und Reformvorschläge aus juristischer Sicht

Gabriel muss bei CETA Farbe bekennen

LE 2: Die Rechtsnatur der Europäischen Union und ihre Rechtsordnung

CETA KEINE SONDERKLAGERECHTE FÜR KONZERNE

CETA auf der Zielgeraden

Rede. Grußwort. Transatlantisches Wirtschaftsforum 23. Februar 2015 Haus der Deutschen Wirtschaft

NACHHALTIGKEITSKAPITEL: LÖSUNG ODER LEGITIMIERUNGSSTRATEGIE?

Rede von Herrn Staatsminister. zum Thema. Der Investitionsschutz in TTIP. bei der vbw-veranstaltung Potenziale des Freihandelsabkommens mit den USA

Stopp TTIP, CETA & TISA!

Freihandelsabkommen und Schiedsgerichtsbarkeit Opfer eines opportunistischen Populismus?

Fragen zum Kapitel Nachhaltige Entwicklung im CETA

Freihandelsabkommen. Freier Handel gegen soziale Sicherheit oder freier Handel mit sozialer Sicherheit?

Antrag der Fraktion DIE LINKE: CETA-Handelsabkommen ablehnen

Dialog International Chancen des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (CETA)

TTIP zerstört alles wofür Europa je gekämpft hat!

Investitionsbestimmungen im Freihandelsabkommen EU-Kanada (CETA)

TTIP Chancen und Risiken

Jörg Hofmann Erster Vorsitzender der IG Metall

Jurgita Baur. Die Kompetenz. der Europäischen Union. für ausländische Direktinvestitionen. am Beispiel der Freihandelsabkommen. mit Kanada und den USA

Government Relations Handels- & Industriepolitik Investitionsschiedsgerichtsbarkeit in der politischen Diskussion in Europa die Sicht der Industrie.

ARBEIT. LEBEN. GERECHTIGKEIT. TTIP, CETA und TiSA Freie Fahrt für die Multis?

Auswirkungen von TTIP und CETA auf den Rechtsrahmen für öffentliche Dienstleistungen in Europa

STELLUNGNAHME. Vorbemerkung

Reiner Hoffmann Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Parteien, die die Schiedsgerichtsbarkeit der ICC in Anspruch nehmen wollen, wird empfohlen, die folgende Musterklausel in ihre Verträge aufzunehmen:

TTIP und TISA Nur ein Handel mit Dienstleistungen?

Zentrum für europäisches Recht und Politik Der Vertrag von Lissabon

DRINGLICHKEITSANTRAG

Sehr geehrte Damen und Herren!

Stellungnahme der ProDG-Fraktion/Lydia Klinkenberg Plenarsitzung vom Es gilt das gesprochene Wort!

Investitionsschutz und Schiedsgerichtsbarkeit

Auswertung der Umfrage zum geplanten Handelsund Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA

TTIP-Serie VII: TTIP und das Investitionsrecht. Für eine Modernisierung des Rettungsbootes

Demokratie weltweit. Materialien zur Politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen.

namens der Bundesregierung beantworte ich die o. a. Kleine Anfrage wie folgt:

533/J XXII. GP. Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich. ANFRAGE

Europarecht. V. Rechtschutz im Unionsrecht

FAIR HANDELN! Der internationale Handel muss allen nutzen TTIP darf nicht zu Lasten der Beschäftigten, der Umwelt oder der Verbraucher gehen.

SPD-Kreistagsfraktion Kleve Bündnis 90/Die Grünen-Kreistagsfraktion Kleve

Als Mitglied von Democracy International unterstützt Mehr Demokratie e.v. die hier getroffenen Aussagen.

Transatlantic Trade- and Investment Partnership. von Steffen Stierle

Verfassungsprinzipien. Freiheit und Gleichheit

TTIP: Zur Diskussion über die Streiterledigung durch internationale Schiedsgerichte

Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

Freihandelsabkommen und Schiedsgerichtsbarkeit Opfer eines opportunistischen Populismus?

Rechtsschutz bei Investitionsstreitigkeiten vor ICSID-Schiedsgerichten dargestellt am Beispiel des Verfahrens Vattenfall II

MEDIaTIONSKlaUSEln DER ICC

KONZEPTPAPIER. Investitionen in der TTIP und darüber hinaus: der Reformkurs

NUR FAIRER HANDEL IST FREIER HANDEL

Änderungsantrag 6 Anne-Marie Mineur, Emmanuel Maurel, Eleonora Forenza, Paloma López Bermejo, Rina Ronja Kari, Patrick Le Hyaric, Younous Omarjee

Die EU-rechtlichen Schranken bei der Regulierung von Ferien- und Zweitwohnsitzen. RA Dr. Lothar Stix, LL.M. LL.M.

Greenpeace-Parteien-Check zu EU-Handelspolitik: Die Antworten im Detail (Stand: )

Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen Neufassung 2000

Wir können CETA noch stoppen! Bundesverfassungsgericht und Bundesrat

Verfahrensgrundrechte (vorgezogen wegen Gerichtsbesuchen am 28./ )

Wiederholungsfragen zu Kapitel 2

Das Freihandelsabkommen

Auslandsinvestitionspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union

Anzahl der Mitgliedsstaaten der WTO. WTO (engl. Abkürzung für...) Quiz-Karten WTO

NUR FAIRER HANDEL IST FREIER HANDEL

EUROPARAT MINISTERKOMITEE

Kann die EU allein Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abschließen? EuGH-Gutachten zum Freihandelsabkommen mit Singapur

Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA TTIP: Transatlantic Trade and Investment Partnership

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu den TTIP-Verhandlungen

Empfehlung für einen BESCHLUSS DES RATES

LE 2: Die Rechtsnatur der Europäischen Union und ihre Rechtsordnung

CETA AUF EINEN BLICK:

Seite 3: Tabellarische Übersicht: Die vorgeschlagenen Artikel bezüglich der Zugehörigkeit zur Union im Vergleich zu den bestehenden Verträgen

TTIP, CETA und TiSA GEWERKSCHAFTLICHE POSITIONEN ZU DEN GEPLANTEN FREIHANDELSABKOMMEN

Rendite vor Gesundheit

Abtreibung. Frage 1: Vorlage (1/7) Vorlage (2/7) Übungen im Europarecht Fall 2 vom 3. Oktober Sich stellende Fragen.

TTIP. Kritik am geplanten Freihandelsabkommen zwischen EU und USA

Die Kontrolle der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit

TTIP - Öffentliche Online-Konsultation der EU-Kommission zur Vereinbarung einer Investor-Staat-Schiedsgerichtbarkeit

Anne Jakob. Die Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten sowie Tunesien, Marokko und Algerien

... UND WER VERTRITT MICH?

JA zu TTIP! Chancen nutzen, Interessen wahren, Zukunft gestalten

Transkript:

Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Abteilung C2/5 Export- und Investitoinspolitik Stubenring 1 1010 Wien Ihr Zeichen Unser Zeichen Bearbeiter/in Tel 501 65 Fax 501 65 Datum - EU-GSt/Be/Ab Beer DW 2464 DW 42464 10.03.2015 BAK-Stellungnahme zur einschlägigen Diskussion bezüglich Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegung in TTIP Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesarbeitskammer (BAK) bedankt sich für die Möglichkeit, ihre Position zu Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegung in TTIP zur Vorbereitung der österreichischen Haltung im Rahmen des Trade Policy Committee vorzulegen. Grundsätzlich fordern wir das BMWFW auf, die Position des österreichischen Nationalrates zu TTIP und CETA auf Ratsebene und damit auch im Rahmen des Trade Policy Committee einzubringen. Der Nationalrat hat am 24.9.2014 mit großer Mehrheit eine Entschließung verabschiedet, in der es heißt: Die Sinnhaftigkeit der Aufnahme von ISDS-Klauseln bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar. Auch in dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu den EU-Handelsabkommen mit den USA und Kanada wurden in der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer die Aufnahme von Investitionsschutzbestimmungen und privilegierte Klagerechte für Investoren im TTIP dezidiert abgelehnt (gemeinsamer Antrag Nr 1, Kurswechsel in der europäischen Handelspolitik: ökologisch, sozial, demokratisch vom 27.11.2014). Auch wenn zurzeit keine konkreten Vorschläge zu Verbesserungsmöglichkeiten des bestehenden Ansatzes der Europäischen Kommission zu den angekündigten vier Kernbereichen vorliegen, auf die die Bundesarbeitskammer konkret Bezug nehmen könnte, wollen wir unsere prinzipielle Ablehnung von Investitionsschutzbestimmungen und Investor-Staat- Streitbeilegung in TTIP und auch anderen Handels- und Investitionsabkommen der Europäischen Union gerne inhaltlich begründen, in der Erwartung, dass sie in die BMWFW-Argumentation einfließt.

Seite 2 1. Investitionsschutzbestimmungen Wir lehnen Investitionsschutzbestimmungen in TTIP sowie grundsätzlich auch in anderen EU-Handels- und/oder Investitionsabkommen ab, weil - die nationalen und unionalen Rechtsordnungen in Europa und den USA bereits heute für die Einhaltung jener Grundsätze sorgen, die durch Investitionsschutzbestimmungen garantiert werden sollen. Sowohl in der EU als auch in den USA sind Eigentumsrechte und Gleichbehandlung stark verankert; - die europäischen und US-amerikanischen Rechtssysteme bereits Kompensationszahlungen im Falle direkter und, unter bestimmten Umständen, indirekter Enteignung vorsehen. Dieses stabile Gleichgewicht zwischen Investorenschutz und Regelungsrecht der Staaten darf nicht zu Gunsten von ausländischen InvestorInnen ausgehebelt werden; - die europäische Wirtschaft, welche die weitaus größte Stütze für den heimischen Arbeitsmarkt ist, durch Ungleichbehandlung schlechter gestellt wäre und im Binnenmarkt bedeutende Wettbewerbsnachteile erleiden würde; - die Klausel gerechte und billige Behandlung von InvestorInnen als Einfallstor genützt wird, um gegen demokratisch zustande gekommene Regulierungen im Interesse des Gemeinwohls vorzugehen, so sie ihre wirtschaftlichen Interessen gefährdet sehen; - die privilegierten Rechte von InvestorInnen das souveräne Regulierungsrecht auf Kosten des Allgemeinwohls, der demokratiepolitischen Handlungsspielräume und der SteuerzahlerInnen einschränken; - keinerlei Balance zwischen Rechten und Pflichten für ausländische Investoren angestrebt wird; - die wirtschaftspolitisch erhofften Effekte des Investitionsschutzes in Form erhöhter Direktinvestitionsströme in das Gastland empirisch schon zwischen Industrie- und Entwicklungsländern kaum nachweisbar sind; daher werden diese zwischen entwickelten Industriestaaten erst recht nicht eintreten. Wir meinen, dass ein über die Grundrechte hinausgehender Schutz vor Enteignung keine staatliche Aufgabe ist, da es privatwirtschaftliche Alternativen dazu gibt. Beispielsweise kann der von Seiten der InvestorInnen vielgepriesene Marktmechanismus in Form von privaten Versicherungsverträgen dazu eingesetzt werden. 1.1. Schutz des staatlichen Regulierungsrechts Verschiedenste Vorschläge, wie das staatliche Regulierungsrecht besser abgesichert werden kann, werden derzeit in der Öffentlichkeit diskutiert. Schon dies zeigt auf, dass Investitionsschutzbestimmungen demokratische Prinzipien wie Volkssouveränität, Gleichheit und Mehrheitsprinzip gefährden können. Diese Gefährdung lehnen wir vehement ab. In unseren westlichen Demokratien findet bei Regulierungsinitiativen der faire Ausgleich von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Interessen im Rahmen von parlamentarischen Entschei-

Seite 3 dungsprozessen statt. Insofern sollte sich die Frage, wie ein staatliches Regulierungsrecht im Nachhinein zu schützen sei, gar nicht stellen. Regeln, die sich aus einem demokratischen Abstimmungsprozess (demokratischen und parlamentarischen Willensbildungsprozess) ergeben und somit das öffentliche Interesse und den Willen von Millionen Menschen widerspiegeln, sind stets stärker zu gewichten als privatwirtschaftliche Partikularinteressen. Auch sollen soziale Grundrechte und Menschenrechte grundsätzlich nicht durch die wirtschaftliche Grundfreiheit eingeschränkt werden können. Die Vorstellung, wünschenswerte Regulierungsmaßnahmen definitorisch so abzusichern, dass Investorenklagen ausgeschlossen werden können, ist illusorisch. Selbst wenn alle sensiblen Politikbereiche aus dem Anwendungsbereich des Investitionsschutzes ausgenommen werden, finden sich juristische Schlupflöcher und Staaten müssten sich gegen Schadensersatzklagen verteidigen. Auch sind in Verhandlungen mit Vertragsparteien Kompromisse zu machen, womit ideale Formulierungen nicht durchsetzbar sind. Aufgrund dieser Überlegungen ist der einzig überzeugende Ansatz, staatlichen Regulierungsrechten einen entsprechenden Schutz zu bieten und keine privilegierten Investitionsschutzverpflichtungen einzugehen. 2. Investor-Staat-Streitbeilegung So Handelsabkommen keine Investitionsschutzbestimmungen enthalten, bedarf es auch keiner Durchsetzungsmechanismen. Wir lehnen aber den Investor-Staat- Streitbeilegungsmechanismus prinzipiell ab, weil - er privilegierten Unternehmen die Umgehung der nationalen Gerichte und Schaffung einer privatisierten Gerichtsbarkeit ermöglicht; - damit dem Rest der Welt symbolisiert werden würde, dass auch den europäischen Rechtssystemen nicht zu vertrauen ist, obwohl das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit einer der entscheidenden Kriterien der EU-Mitgliedschaft darstellt; - die Investitionsrisiken privilegierter Unternehmen vergesellschaftet würden und somit die SteuerzahlerInnen für das Unternehmensrisiko haften sollen; - er im Kern ein parteiisches und undemokratisches System ist, das ausländischen InvestorInnen besondere Rechte gewährt, die kein anderer Teil der Gesellschaft hat; - er das Regulierungsrecht von Staaten und Behörden einschränkt, indem er eine abschreckende Wirkung auf demokratische Verfahren entfalten kann ( regulatory chill ). Allein die bloße Androhung von Schadensersatzzahlungen kann bewirken, dass Regelungen im öffentlichen Interesse abgeschwächt oder gar unterlassen werden; - im Zuge einer fairen und gerechten Gerichtsbarkeit (Grundsatz für alle Mitgliedstaaten) beiden Parteien dieselben Rechte und Pflichten erwachsen müssen; diese Ausgeglichenheit bei ISDS aber zwischen a.) ausländischen InvestorInnen und dem Staat und b.) ausländischen und inländischen InvestorInnen nicht gegeben ist.

Seite 4 2.1. Etablierung und Funktionsweise von Schiedsgerichten Die öffentliche Meinung über die für Investorenklagen zuständigen Schiedsgerichte ist verheerend: Sie werden als nicht demokratisch legitimierte Geheimgerichte, die mit parteilichen Schiedsrichtern in intransparenten Verfahren entscheiden, wahrgenommen. Punktuelle Verbesserungen können das System aber nicht reformieren, denn die Ursache liegt ua in der Asymmetrie des Systems. Solange nur InvestorInnen klagen können, haben Schiedsrichter, unabhängig von ihrer Qualifikation und ihrem Beruf, ein wirtschaftliches Interesse an Klagen, für deren Schlichtung sie bezahlt werden. Die Schiedsurteile sind strukturell gehalten, weil primär aus Investorenschutz-Perspektive die einzelnen Fälle zu bewerten sind. Unparteiische und faire Schiedsgerichte scheinen vor diesem Hintergrund als eine Illusion. Schiedsgerichte sind nicht geeignet, Sachverhalte zu lösen, die im Kern Dispute um öffentliche Interessen sind, deren Lösung zu den staatlichen Kernfunktionen zählt. Einer der Gründe sind die fehlenden institutionellen Schutzmaßnahmen, wie prozessuale Fairness für all jene, deren Rechte betroffen sind. Auch hat die Schiedsgerichtspraxis gezeigt, dass öffentliches Interesse oder Menschenrechte im Rahmen der Abwägungsentscheidung keine ausreichende Anwendung finden. 2.2. Beziehung zwischen nationalen Gerichtsverfahren und ISDS Unter diesem Kernbereich wollen wir die Rechtskonformität von ISDS im europäischen Rechtssystem diskutieren. Kommissionspräsident Juncker hat in seiner Rede am 22.10.2014 vor dem Europäischen Parlament versichert:... meine Kommission wird nicht akzeptieren, dass die Rechtsprechung der Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten durch Sonderregelungen für Investorenklagen eingeschränkt wird. Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz müssen auch in diesem Kontext gelten. Wir gehen davon aus, dass diese Erklärung die rote Linie für Verhandlungen der EU über Handels- und Investitionsabkommen ist. Die Rechtsmäßigkeit von ISDS ziehen wir in Zweifel, weil die transnationale Schiedsgerichtsbarkeit mit den geplanten Abkommen eine ganz neue Dimension bekommt. Mehr als 40 Prozent der europäischen Außenwirtschaftsbeziehungen würden allein von TTIP und CETA erfasst werden, wobei die Unternehmen bei Streitfällen Schiedsgerichte anstelle von ordentlichen Gerichten anrufen könnten. Unter immer mehr RechtsexpertInnen wird dies als unvereinbar mit der europäischen Verfassungsordnung diskutiert. Darüber hinaus verbietet das gegenwärtige Unionsrecht Schiedsgerichte in der vorgesehenen Form, weil der EuGH die Zulässigkeit von Gerichten außerhalb der europäischen Gerichtshierarchie streng beschränkt. Schiedsgerichte wie das ISDS dürfen nur eingesetzt werden, wenn sie verpflichtet sind, strittige Fragen dem EuGH vorzulegen, womit sie ihm untergeordnet bleiben.

Seite 5 2.3. Überprüfung schiedsgerichtlicher Entscheidungen im Rahmen eines Berufungsmechanismus Eine Berufungsinstanz würde eine der fehlenden institutionellen Schutzmechanismen von ISDS besser regeln. Ein praktikabler Vorschlag ist, gegen Entscheidungen des Schiedsgerichts ein Rechtsmittel zu den ordentlichen Zivilgerichten in den beteiligten Vertragsstaaten zu ermöglichen. Dies entspricht einer bereits in vielen Rechtsbereichen geübten Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit, kreiert keine neuen unbekannten Rechtswege und gewährleistet demokratische Legitimität und Verfassungsmäßigkeit des ordentlichen Rechtsweges. Doch verbleiben nach wie vor schwerwiegende Mängel im Schiedsgerichtssystem ISDS. Auch ist mit nichts zu rechtfertigen, eine funktionierende rechtsstaatliche Gerichtsbarkeit durch ein paralleles Justizsystem, das zu Gunsten multinationaler Unternehmen agiert, zurückzudrängen dies insbesondere, als die europäische Wirtschaft sowie die Kommission wiederholt aufgefordert wurden, konkrete Fälle darzulegen, wo ausländische InvestorInnen vor nationalen Gerichten unfair behandelt wurden. Dieser Beweis konnte bis heute nicht erbracht werden. Die Bundesarbeitskammer möchte abschließend festhalten, dass wir die jetzt eingeleiteten Beratungen der Europäischen Kommission als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, aber nichtsdestotrotz als unglaubwürdig erachten. Die Kommission setzt ihre Investitionspolitik-Verhandlungen mit den Ländern Singapur, Japan, China, Vietnam, Myanmar fort, ohne die Ergebnisse der jetzt eingeleiteten Diskussion abzuwarten, um diese auch in ihre Verhandlungen aufzunehmen. Darüber hinaus hat sie das CETA-Abkommen als ausverhandelt erklärt, obwohl dem Investitions-Kapitel genau die angesprochenen Probleme anhaften. Es ist zu befürchten, dass am Ende des Tages die EU ein äußerst heterogenes Investitionsregime, das mehr als 80 Prozent der transnationalen Wirtschaftsbeziehungen abdeckt, haben wird. Multinationale Konzerne werden ein leichtes Spiel haben, gegen ihnen unliebsame Regulierungen im öffentlichen Interesse vorgehen zu können. Wir ersuchen um Berücksichtigung der BAK-Position in den Beratungen auf europäischer Ebene und stehen für Rückfragen jederzeit zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen VP Günther Goach iv des Präsidenten Maria Kubitschek iv des Direktors fdrda fdrda