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Es gilt das gesprochene Wort! Kultur- und Heimattage der Banater Schwaben am 29. Juli 2017, um 18.00 Uhr in Würzburg Rede von Barbara Stamm, MdL Präsidentin des Bayerischen Landtags u. Schirmherrin Sehr geehrter Herr Leber, [Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender Landsmannschaft Banater Schwaben] sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schuchardt, sehr geehrter Herr Kaupa, [Vorsitzender des Kreisverbands Würzburg der Landsmannschaft der Banater Schwaben] sehr geehrte Damen und Herren, allen Gästen, die aus nah und fern zu den Kultur- und Heimattagen der Banater Schwaben nach Würzburg gekommen sind, sage ich auch im Namen des Bayerischen Landtags ein herzliches Grüß Gott. Die Kultur- und Heimattage haben auch heuer wieder eine große Anziehungskraft entfalten können. Die Menschen interessieren sich für die Kultur und die Traditionen der Banater Schwaben. Die große Teilnehmerzahl ist zudem ein deutliches Zeichen der engen Verbundenheit der Banater Schwaben in Bayern untereinander. Und sicher trägt auch der Veranstaltungsort, das wunderschöne Würzburg, dazu bei, dass wieder so viele Besucherinnen und Besucher gekommen sind. Aus Kultur_Heimattag_Banater_Schwaben Seite 1 von 14

2 vielen Gründen ist diese Stadt dafür überaus passend: Unter den Aussiedlern und Spätaussiedlern haben viele Banater Schwaben hier eine neue Heimat gefunden. Sie sind heute bestens integriert und bringen sich in vielfältiger Weise ins Stadtleben ein. Mit der Pflege ihres großartigen Brauchtums sind sie seit vielen Jahren eine wunderbare Bereicherung für unsere Stadt. Und darüber hinaus haben wir in Würzburg ja mit dem Banater Heimathaus und dem Trachtenpuppen-Museum eine Institution, die die reiche Geschichte und Tradition der Banater Schwaben in verdienstvoller Weise bewahrt. Wenn wir heuer das 30-jährige Jubiläum des Banater Heimathauses begehen, geschieht das in großer Dankbarkeit all denen gegenüber, die sich seit Jahrzehnten für diese wichtige Einrichtung engagieren. Anrede Über die Jahre hat sich zwischen der Landsmannschaft der Banater Schwaben und mir eine enge freundschaftliche Bindung entwickelt. Wir haben uns bei vielen verschiedenen Anlässen getroffen, haben an wichtigen Gedenktagen gemeinsam innegehalten, aber auch bei freudigen Ereignissen wie der Banater Kerweih zusammen gefeiert. Darum ist es mir ein echtes Herzensanliegen, heute hier bei Ihnen zu sein Seite 2 von 14

3 und sehr gerne habe ich die Schirmherrschaft über die 19. Kultur- und Heimattage übernommen. Anrede Veranstaltungen wie die heutige sind immer auch Anlass, sich zu vergegenwärtigen, welche Integrationsleistung nach dem Zweiten Weltkrieg zu erbringen war. Über 12 Millionen Deutsche zogen ab Herbst 1944 buchstäblich ins Elend, in Armut und Hilflosigkeit. Sie kamen nach Kriegsende als Ausgewiesene und Vertriebene aus Pommern, Ostpreußen, Schlesien, aus dem Sudetenland, aus dem Banat und anderen deutschen Siedlungsgebieten. Zwei Millionen verloren auf dem Weg nach Westen ihr Leben. Eine Zahl, die uns auch heute noch fassungslos macht, die sich der menschlichen Vorstellungskraft entzieht. Acht Millionen Menschen fanden in der alten Bundesrepublik eine neue Heimat; in Bayern machte der Anteil der Heimatvertriebenen schließlich gut ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus. Aber das Entscheidende können solche Statistiken gar nicht zum Ausdruck bringen: nämlich die Einzel-Schicksale, die hinter diesen Zahlen stehen, die schrecklichen Erfahrungen und Ängste, aber auch die millionenfache Hoffnung auf Seite 3 von 14

4 die Zukunft, nachdem man wenigstens das Leben gerettet hatte. Bedenkt man diese schlimme Ausgangssituation, so ist es umso bemerkenswerter, dass die Vertriebenen bei aller Trauer um den Verlust ihrer alten Heimat sich entschlossen daranmachten, am Aufbau der neuen Heimat tatkräftig mitzuwirken. Ihre Hilfe wurde dringend gebraucht, schließlich bot Bayern nach dem Krieg schon der dort ansässigen Bevölkerung kaum die notwendige Lebensgrundlage. Sie werden mir sicher zustimmen, wenn ich in aller Deutlichkeit feststelle: Die größte Leistung, die von den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam erbracht wurde, war die gelungene Integration dieser vielen Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge. Sie war eine immense Herausforderung des sich neu formierenden deutschen Staatswesens nach der Katastrophe des Jahres 1945. Von Beginn an war dies ein Gemeinschaftswerk der Heimatverbliebenen wie der Heimatvertriebenen. In keinem anderen Land Deutschlands ist nach dem Zweiten Weltkrieg der Modernisierungsschub so prägnant ausgefallen wie in Bayern. Hier fanden damals rund zwei Millionen Vertriebene aus verschiedenen Seite 4 von 14

5 Regionen Aufnahme. Für die gerade im Aufbau befindliche Verwaltung mögen sie eine Belastung gewesen sein. Doch diesen Menschen, die in ihrer Mehrzahl aus hochindustrialisierten Gebieten kamen, ist der Wandel Bayerns von einem überwiegend agrarisch strukturierten Land zu einem hochentwickelten Gemeinwesen in erheblichem Maße mit zu verdanken. Die Landsmannschaften boten ihren Angehörigen die notwendige Nestwärme in einer neuen, noch ungewohnten Umgebung. In einer Zeit, als von einem Wirtschaftswunder noch kein Mensch zu träumen gewagt hat, boten die regelmäßigen Treffen mit Menschen, die man von früher kannte und die denselben kulturellen Hintergrund hatten, einen wichtigen Halt. Die Heimatvertrieben waren bereit, sich in der neuen Heimat zu integrieren. Und dieser Prozess sollte so erfolgreich verlaufen, dass im Freistaat die Heimatvertriebenen zum vierten bayerischen Stamm wurden und sich seitdem mit ihrer neuen Heimat auch identifizieren. Zugleich pflegten sie die innere Bindung zur alten Heimat egal ob sie aus dem Banat, aus Schlesien, dem Sudentenland, Siebenbürgen oder einer anderen Region kamen. Sie verstanden es als bleibende Aufgabe, das Verbrechen, dessen Opfer sie geworden Seite 5 von 14

6 waren, laut beim Namen zu nennen und ihr Heimatrecht einzufordern. Seit dem Jahr 2014 gibt es nun in Bayern einen Gedenktag, an dem wir gemeinsam all dieser Entwicklungen gedenken können. Mit ihm möchten wir die Erinnerung an diese Ereignisse für künftige Generationen lebendig halten und zu Verantwortung und Versöhnung mahnen. Daher hat Ministerpräsident Horst Seehofer den zweiten Sonntag im September zum jährlichen Bayerischen Gedenktag für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation erklärt. In seiner Proklamation heißt es, ich zitiere: Dieser Gedenktag ist ein Beitrag zum demokratischen Bewusstsein in unserem Land und dient dem Auftrag der Völkerverständigung in Europa. Er relativiert nicht das Gedenken an andere Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkrieges. Er ist vielmehr ein Tag der Erinnerung und der Mahnung zur Wahrung der Menschenrechte, für Frieden und Freiheit. Vertreibung und Deportation sollen im Sinn der Charta der deutschen Heimatvertriebenen als Mittel der Politik geächtet bleiben. Der Bayerische Gedenktag für die Seite 6 von 14

7 Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation würdigt zugleich die gelungene Integration und die Aufbauleistung der Heimatvertriebenen, Aussiedler und Spätaussiedler in Bayern. Soweit die Worte unseres Ministerpräsidenten. Anrede Heimat ist in unserer Gesellschaft wieder ein großes Thema. Die Zeiten, in denen mit Heimat nur Folkloristisches oder Ewiggestriges verbunden wurde, sind lange vorbei. Die Menschen bekennen sich wieder dazu, dass Heimat für sie von grundlegender Bedeutung ist. Eine Bindung aufzubauen zu einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Region, das gehört zum Menschen einfach dazu. Menschen brauchen dieses Gefühl von Zugehörigkeit. Sie müssen sich irgendwo verankert wissen. Heimat so habe ich einmal gelesen Heimat ist, wo wir unseren Lebensfaden festgemacht haben. In dieser Definition schwingt auch etwas Aktives mit: Wir sind nicht nur durch den Ort unserer Geburt oder wo wir aufwachsen irgendwo verwurzelt, wir verwurzeln uns auch selbst. Seinen Lebensfaden festmachen, das ist an verschiedenen Orten oder in verschiedenen Seite 7 von 14

8 Lebenskreisen möglich. Heimat in diesem Sinne hat nicht nur etwas mit Landschaften, mit Sprache und Kultur zu tun, sondern auch mit Menschen, zu denen wir eine vertrauensvolle Beziehung entwickeln, und mit beruflichen oder anderen Aufgaben, die uns fordern und erfüllen. Der Dichter Emil Rittershaus hat es ja so schön formuliert: Du wirst nur da die Heimat finden, wo's gleichgestimmte Herzen gibt! Aber natürlich ist Heimat zunächst und vor allem der Ort, an dem wir geboren sind und wo wir aufwachsen. Sie ist der Raum, in den wir ganz selbstverständlich hineinwachsen und der uns deshalb von klein auf vertraut ist. Sie ist der Umkreis, in dem wir unsere ersten Erfahrungen sammeln und von dem aus wir die Welt entdecken. Heimat ist das Umfeld, das uns in Kindheit und Jugend prägt, und das wir schon allein deshalb nicht vergessen können. Und die Erinnerung daran kann uns auch niemand nehmen. Doch so bedeutungsvoll die ursprüngliche Heimat immer ist einen Ort zum Verankern können wir auch woanders finden. Es gibt nicht nur die erste, es gibt auch eine zweite Heimat. Millionen von Menschen haben es erfahren und bewiesen: Millionen von Flüchtlingen, die Seite 8 von 14

9 wie die Deutschen der ehemaligen Ostgebiete gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat fliehen mussten oder vertrieben wurden; sowie Millionen von Auswanderern, die in fremde Regionen aufbrachen, weil sie sich dort bessere Lebensmöglichkeiten erhofften. Es ist nicht leicht, seinen Lebensfaden wieder neu festzumachen. Und es fällt wohl besonders schwer, wenn diese Lebensänderung nicht aus freiem Entschluss erfolgte, sondern einem aufgezwungen wurde. Es dauert in jedem Fall, bis die Fremde einem vertraut wird, und es dauert noch länger, sich wieder irgendwo zu Hause zu fühlen. Bei aller Wehmut über den Verlust der ursprünglichen Heimat es ist möglich, eine zweite Heimat zu finden. Und wenn es der ersten Generation noch nicht so richtig gelingt, am neuen Ort heimisch zu werden, so glückt es doch der zweiten. Auch das haben die Deutschen gezeigt, die am Ende des Zweiten Weltkriegs von heute auf morgen ihre Heimat verlassen mussten. Sie hatten alles verloren, was ihr bisheriges Leben ausmachte, und waren von schrecklichen Erfahrungen und Erlebnissen traumatisiert. Aber es ist ihnen gelungen, einen Neuanfang zu machen und sich eine neue Existenz aufzubauen. Und gerade unter den jungen Menschen Seite 9 von 14

10 weiß heute kaum einer mehr, wer damals alteingesessen und wer neu zugezogen war. Es ist möglich, eine neue Heimat zu finden oder vielleicht besser gesagt sich eine neue Heimat zu schaffen. Es ist möglich, weil neue Bindungen eingegangen werden, Bindungen beruflicher Art, Bindungen an andere Menschen, Bindungen durch die Übernahme neuer Aufgaben. Wer so Land und Leute kennen lernt und neue Beziehungen knüpft, schafft sich einen neuen Lebensmittelpunkt. Und damit entsteht auch wieder ein Gefühl von Zugehörigkeit. Wer sich woanders ein neues Haus einrichtet, wird sich mit der Zeit auch innerlich im neuen Ort einrichten. Und die Banater Schwaben haben das hier in Würzburg in beeindruckender Weise verstanden. Menschen brauchen einen Ort, an dem sie sich zu Hause fühlen. Gerade heute, in einer Welt, in der sich alles immer rascher wandelt, brauchen sie einen festen Bezugspunkt und einen ruhenden Pol. Das ist die Familie oder der Freundeskreis, und das ist der Ort, an dem man sich auskennt, wo sich Veränderungen nicht weit über dem eigenen Kopf hinweg vollziehen und man auch selber noch ein Wörtchen mitreden kann. Seite 10 von 14

11 Heimat hat etwas mit der eigenen Identität zu tun. Heimat prägt die Menschen, so wie die Menschen ihre Heimat prägen. Nach den eigenen Wurzeln zu fragen bedeutet, etwas über sich selbst zu erfahren. Und erst dieses Wissen ermöglicht es einem auch, sich mit den eigenen Traditionen und der eigenen Geschichte auseinander zu setzen, um so seinen eigenen Platz zu finden oder seine eigene Rolle zu bestimmen. Ich habe vorher schon darauf hingewiesen: Einrichtungen wie das Banater Heimathaus hier in Würzburg leisten einen unschätzbaren Beitrag, das reiche Brauchtum und die traditionsreiche Geschichte zu bewahren. Und die Landsmannschaften sorgen dafür, dass die Traditionen auch lebendig gehalten werden. Ein Blick in das Programm der diesjährigen Kultur- und Heimattage ist dafür einmal mehr der beeindruckende Beweis. Man merkt hier sehr deutlich, dass Sie etwas bewahren möchten, was ihnen ein echtes Herzensanliegen ist. Auch die Enkel und Urenkel der Vertriebenen interessieren sich dafür, wo die Großeltern herkamen; und die jungen Menschen von heute möchten wissen, welche Entwicklung ihr eigenes Land Seite 11 von 14

12 genommen hat und wie Europa zu dem geworden ist, wie es sich heute darstellt. Manches aus der Vergangenheit kommt erst jetzt zur Sprache. In der alten Bundesrepublik wurde zwar, anders als in der DDR, wo die Vertriebenen einfach als Umsiedler galten, über Flucht und Vertreibung geredet und auch geforscht. Doch erst seit kurzer Zeit ist es wieder ein Thema, das in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird. In der europäischen Geschichte ist viel Unrecht geschehen Unrecht, das noch längst nicht alles aufgearbeitet ist. In einem Kontinent mit so vielen Kriegen und Grenzverschiebungen kann es gar nicht anders sein, als dass Heimat ein sensibles Thema war und ist. Umso wichtiger ist es gerade heute die Perspektive zu weiten. Mit Blick auf Europa muss es mehr denn je unser Ziel sein, aus den Fehlern und Versäumnissen der Vergangenheit zu lernen. Ziel muss ein Europa sein, das in allen Mitgliedsstaaten die Menschenrechte wahrt. Ein Europa, das sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzt. Gerade diejenigen, die Schlimmes erleiden mussten, wissen, wie mühsam der Weg dorthin manchmal ist und dass dafür die Mitwirkung aller gebraucht wird. Seite 12 von 14

13 An ihren Kultur- und Heimattagen erinnern die Banater Schwaben an ihre angestammte Heimat, an ihren Verlust und damit auch daran, was Heimat bedeutet. Dabei geht es ihnen nicht nur um ihr Schicksal, sondern um das Schicksal aller Vertriebenen weltweit. Denn gerade in den letzten Jahren müssen wir wieder in schrecklicher Weise erleben, dass Menschen vor Krieg, Gewalt und Perspektivlosigkeit flüchten müssen und zur Flucht gezwungen werden. Sensibler zu werden für die Not und die Belange dieser Menschen, auch dazu kann der heutige Tag einen wichtigen Beitrag liefern. Anrede Ich möchte allen, die sich unermüdlich dafür engagiert haben, dass die 19. Kultur- und Heimattage der Banater Schwaben hier in Würzburg stattfinden können, sehr herzlich danken. Stellvertretend darf ich Sie, sehr geehrter Herr Leber, und Sie, sehr geehrter Herr Kaupa, nennen. Man kann ja nur erahnen, wie viel ehrenamtliches Engagement bei der Planung und Vorbereitung von Ihnen und den Mitgliedern Ihres Verbandes geleistet worden ist. Ein herzliches Vergelt`s Gott dafür. Seite 13 von 14

14 Lassen Sie mich mit den Worten Friedrich Rückerts schließen. Er hat einmal sehr treffen gedichtet: Was irgend gelten will und walten, muss in der Welt zusammenhalten. Bayern fühlt sich mit den Banater Schwaben und allen Heimatvertriebenen tief verbunden. Und ich darf Ihnen versichern, dass unser enges und vertrauensvolles Miteinander auch weiterhin das Fundament für das Zusammenleben in unserer schönen Heimat sein wird. Ich danke Ihnen. Seite 14 von 14