RÜCKBLICK UND DOKUMENTATION ZUR GÄRTNERISCHEN PRODUKTION UND REPRODUKTION IM HAVELLÄNDISCHEN OBSTANBAUGEBIET 1949-1989



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Transkript:

RÜCKBLICK UND DOKUMENTATION ZUR GÄRTNERISCHEN PRODUKTION UND REPRODUKTION IM HAVELLÄNDISCHEN OBSTANBAUGEBIET 1949-1989 von Prof. Dr. sc. Ernst Greulich

2

Rückblick und Dokumentation zur gärtnerischen Produktion und Reproduktion im Havelländischen Obstanbaugebiet von 1949 bis 1989 - Aussagen zur Betriebs- und Produktionsstruktur am Ende der 50er Jahre und notwendige Schlussfolgerungen - Bildung von GPG und LPG zu Beginn der 60er Jahre, eine Basis zur Rekonstruktion und Renaissance der Obstproduktion im HOG - Ausgangssituation und Entscheidungsgrundlagen Prämissen zur Positionierung Notwendige personelle Entscheidungen und Verantwortlichkeiten - Spezielle Aussagen zum Produktionsumfang, zur Technologie und Mechanisierung bei den einzelnen Obst- und Gemüsearten sowie bei der Zierpflanzenproduktion im HOG Aussagen zur Erdbeerproduktion Aussagen zur Apfelproduktion Aussagen zur Birnenproduktion Aussagen zur Pflaumenproduktion Aussagen zur Johannisbeerenproduktion Aussagen zur Süßkirschenproduktion Aussagen zur Sauerkirschenproduktion Aussagen zur Tomatenproduktion im Freiland Aussagen zur Freilandzierpflanzenproduktion Aussagen zur Sanddornproduktion Übersicht zum Obst- und Gemüseaufkommen in den Jahren von 1961-1989 - Aussagen und Aufgaben der IS für Gartenbau P.-J. Lenné Werder und zu den Leistungen für den Gartenbau im Havelland - Aussagen zur Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen (ausgewählte Beispiele) - Aussagen zur individuellen Produktion der Genossenschaftsgärtner - Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen in den Jahren 1989 / 1990 für die gärtnerische Produktion 1

Mögliche oder notwendige Ergänzungen zur Dokumentation - Bedeutende Investitionen zwischen 1960 und 1989 (Aufzählung mit Zahlen und Fakten) Bewässerungseinrichtungen Umfang der Neupflanzungen Lagereinrichtungen Gewächshausanlagen Betriebsberufsschule Erntehelferunterkünfte Neubauwohnungen Verarbeitungsbetriebe, usw. - Institutionen, die den Erneuerungsprozess gefördert und begleitet haben (Aufzählung, Aufgaben) - Nachhaltige Beschlüsse für den gesamten Reproduktionsprozess und für die Investitionspolitik, gerichtet auf die Versorgungsstrategie mit Gemüse, Obst und Zierpflanzen - Das Jugendobjekt Havelobst, Rolle und Aufgaben 2

Vorwort In den Jahren von 1949 bis 1989 war die gärtnerische Produktion in volkswirtschaftliche Entwicklungspläne eingebunden. Es musste geklärt werden, wie die einzelnen Produzenten mit einer gesicherten Perspektive am wirkungsvollsten ihren Beitrag für die Versorgung der Bevölkerung mit Gemüse, Obst und Zierpflanzen leisten können. Diese Aufgabe war auch im traditionsreichen Havelobstbaugebiet aktuell. Strukturveränderungen konnten nicht ausbleiben, wenn das gesamte Gebiet an Leistungsfähigkeit gewinnen sollte. Ohne Rekultivierungsmaßnahmen für Neupflanzungen konnten weder die Erträge erhöht noch moderne Produktionsverfahren eingeführt werden. Im Rückblick sind die Rahmenbedingungen, Probleme und Lösungswege dokumentiert. Die Veränderungen und Ergebnisse werden produktbezogen geschildert. Das umfangreiche Bildmaterial soll dabei an Lebensleistungen und Arbeitsbedingungen in den Genossenschaften erinnern. Es wird bewusst nicht nur über die Produktion einzelner Obstarten berichtet. Im havelländischen Obstanbaugebiet hatte auch das Freilandgemüse und die Freilandzierpflanzenproduktion einen hohen Stellenwert. Die Dokumentation ist sicherlich nicht vollständig. Ergänzungen und Wertungen lassen sich jedoch relativ einfach ein- oder anfügen. Das gilt auch für Berichte über den Neuanfang nach der Auflösung der GPG / LPG. Es wäre wünschenswert, wenn dabei vor allem aktive Zeitzeugen zu Wort kommen, die nicht den jeweiligen Zeitgeist hervorheben wollen. Im zweiten Jahrzehnt nach den gesellschaftlichen Veränderungen im Jahre 1989 müsste der Abstand dazu groß genug sein. Ob die vorgelegte Dokumentation in der jetzigen Fassung in das Obstbaumuseum der Stadt Werder (Havel) gehört oder weiter aufbereitet zur Ausstellung gebracht wird, ist sicherlich eine Ermessensfrage. In jedem Falle bietet der dokumentarische Rückblick ausreichende Anhaltspunkte für sach- und fachbezogene Aussagen, wenn über vierzig Jahre gärtnerische Entwicklung im Havelland zu sprechen ist. Prof. Dr. sc. Ernst Greulich 3

Aussagen zur Betriebs- und Produktionsstruktur am Ende der 50er Jahre und notwendige Schlussfolgerungen Die sozialökonomische Struktur im Havelländischen Obstanbaugebiet war durch eine außerordentliche Zersplitterung der Anbauflächen gekennzeichnet. Statistische Unterlagen aus dem Kreisarchiv Potsdam (Akte Nr. 20.01/22) aus dem Jahre 1952 und Veröffentlichungen von LANGNER, 1943, unterstreichen diese Aussage (siehe Anhang). Hinzu kommt, dass der zweite Weltkrieg auch für die Leistungsfähigkeit der Obst- und Gemüseproduktion ein schweres Erbe hinterlassen hatte. Von den etwa 4.400 ha Obstanbaufläche waren nur noch 30 % der Parzellen in einem gepflegten und ordentlichen Zustand. Bei 40 % gab es ernsthafte Mängel. Die restlichen 30 % waren völlig überaltert und vernachlässigt. So gingen die Erträge zurück. Die Defizite unter den Bedingungen der Kleinparzellenwirtschaft konnten nicht korrigiert werden. Im Gegenteil, die biologischen, anbautechnischen und strukturellen Nachteile der Mischpflanzungen haben sich mit zunehmendem Alter der Bestände verstärkt. Die Handarbeit war dominierend und nicht effektiv. Es konnte weder die Düngung noch der Pflanzenschutz artengerecht und ökologisch vernünftig durchgeführt werden. Maßnahmen zur Erneuerung und Rekultivierung der Produktionsanlagen waren dringend geboten, und zwar im Interesse der Versorgung der Bevölkerung mit Obst, Gemüse und Zierpflanzen, aber auch zum Vorteil der Produzenten selbst. Diese Maßnahmen der Modernisierung mussten grundlegend bedacht werden. Mit der Kleinparzellenwirtschaft, den Mischkulturen und Mischpflanzungen fehlte jedoch die entscheidende Basis zur notwendigen Erneuerung des Obstanbaugebietes. Die Anbaustruktur der Mehrzahl der Produzenten konnte nicht effektiv erneuert werden. Für die Mechanisierung und den Gesamtkomplex der Maßnahmen zur optimalen Ertragsverbesserung waren Neupflanzungen mit entsprechenden Pflanzvorbereitungen nötig. Diese konnten von den einzelnen Produzenten im Alleingang nicht bewältigt werden. Die Erneuerung und Modernisierung wurde deshalb zu einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen und verlangte Schritte zur Gemeinschaftsarbeit. 4

Typische überalterte Mischpflanzungen der 50 er Jahre im Kern des Werderaner Anbaugebietes Aufnahme 1958 5

Erdbeeren, Johannisbeeren, Pfirsiche, Pflaumen und Kirschen auf engstem Raum Wie konnte die Obstproduktion mit solchen Parzellen der ca. 1.000 nebenberuflichen Obstbauern und etwa 1.200 Kleinund Kleinstbetrieben modernisiert werden? Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von LANGNER 1943, der u.a. folgendes schreibt: Es wird sich auch nicht umgehen lassen, dass ein großer Teil der gärtnerischen Siedlungen Elisabethhöhe, Damsdorf, Schenkenberg und Jeserig, die in dem Jahre 1929 / 30 gegründet wurden, der schlechten Bodenverhältnisse und der Kleinheit der Betriebe wegen, für den Erwerbsobstbau trotz der geringen Rentenbelastung verloren gehen wird; denn ein großer Teil der Siedlungen wird lediglich nur noch von der Frau bewirtschaftete, während der Siedler selbst sein Unterkommen in der Industrie gefunden hat, weil er sonst nicht existenzfähig ist. 6

Auszug aus einer Studie H.- J. Koch, Werder 1977 Das HOG in der Vergangenheit Bis zum 2. Weltkrieg entwickelten sich folgende Betriebsformen: 1. Betriebe mit nur familieneigenen Arbeitskräften, 2. Betriebe mit familieneigenen und Erntesaisonarbeitskräften, 3. Betriebe mit familieneigenen und ständigen fremden Arbeitskräften, 4. Betriebe, in denen der Mann einer anderen Beschäftigung nachgeht und in der Erntezeit seinen Urlaub nimmt, sonst aber die Anlage von der Frau betreut wird, 5. Spezielle Klein- und Hausgärten, die aber häufig über den Rahmen der Eigenversorgung hinausgehen. Zur Betriebsstruktur Bei dem ab 1880 verstärkten Anbau von Obst war das der Gemeinde Werder zur Verfügung stehende Land bald vergeben. In immer größerem Maße machten sich Konjunkturerscheinungen im Obstbau breit. Fast jeder Einwohner, auch in anderen Berufen tätige, hatte seine Obstanlage. Werderaner waren es die jetzt Obstanlagen in Petzow, Glindow und anderen Orten anlegten. Beispiele machen Schule und so blieb es nicht aus, dass nach und nach die Einwohner umliegender Orte sich dem Obstbau immer mehr zuwandten. Werderaner Obstbauern wurden auch in Nachbarorten ansässig. Bei der weitern Ausdehnung des Obstbaus stieß man auf die Großgüter der Nachbarschaft. Die Rittergutsbesitzer sahen eine gute Einnahmequelle und begannen kleinere Flächen zu verkaufen bzw. zu verpachten. Der Bodenpreis war immer sehr hoch. Beispielsweise kostete um 1880 ein Morgen der abgeholzten Kämmerei- Heide (zwischen Werder und Kemnitz) 1.200 Mark, mit Obstbäumen und Sträuchern neu bepflanzte Flächen pro Morgen 3.000 Mark. Da immer nur kleinere Flächen gekauft bzw. gepachtet werden konnten, entstanden typische Streubesitzungen. fast jede noch so kleine Fläche wurde bei Erbgang geteilt und damit wurden die einzelnen Anlagen immer kleiner. Durch Kauf neuer Grundstücke vergrößerte sich der Besitz an einzelnen Parzellen. Es gab Betriebe, die sich aus mehr als 5 einzelnen Teilstücken zusammensetzten, wobei die Parzellen teilweise mehr als 10 km vom eigentlichen Hof entfernt lagen. LANGNER schreibt 1943, dass es im Anbaugebiet 1.200 reine Erwerbsobstbaubetriebe gibt mit einer durchschnittlichen Größe, die zwischen 8 und 16 Morgen liegt. Daneben gibt es noch etwa 1.000 nebenberufliche Obstanbauer, die einen anderen Hauptberuf haben, aber für die Obsterzeugung von großer Bedeutung sind. Außerdem noch rund 2.000 Klein- und Kleinstbetriebe. 7

Nach Oeser 1876 lag die durchschnittliche Betriebsgröße bei drei Morgen. Eine genaue Übersicht stammt aus dem Jahre 1925 (Angaben in ha) Gemein de 0,05 0,5 0,5 2,0 2,0 5,0 5,0-10 10-20 20 50 Werder 322 448 138 15 2 - Glindow 62 254 117 4 3 2 Caputh 192 263 13 2 - - Plötzin 7 34 44 14 2 - Hier ist deutlich zu erkennen, dass in der noch jungen Obstbaugemeinde Plötzin im Verhältnis zur Gesamtzahl die mittelgroßen und größeren Betriebe überwiegen. Im Zentrum Werder tritt dagegen die Zersplitterung deutlich in Erscheinung. Die Betriebsgrößengruppen gemäß den Veranlagungsrichtlinien 1955 für den Kreis Potsdam unterteilten sich wie folgt: 0,07 0,15 = 58,41 ha = 2 % 0,15-0,20 = 48,87 ha = 1 % 0,20-0,25 = 89,95 ha = 2 % 0,25-0,50 = 456,30 ha = 11 % 0,50-1,00 = 984,83 ha = 24 % über 1,00 = 2.431,19 ha = 80 % Aus den wenigen Angaben ist zu ersehen, dass sich in der Größenordnung der Betriebe im Laufe von 100 Jahren verhältnismäßig wenig geändert hat. Selbst innerhalb der Betriebe erfolgte nur selten durch Tausch oder Kauf eine Zusammenlegung der auseinanderliegenden Teilstücke. Weiterhin kann festgestellt werden, dass vom Zentrum (Werder) zur Peripherie des Anbaugebietes hin die Betriebsgröße zunimmt. 8

Bildung von GPG und LPG zu Beginn der 60er Jahre eine Basis zur Rekonstruktion und Renaissance der Obstproduktion im Havelland Ausgangssituation und Entscheidungsgrundlagen Mit der vorherrschenden Struktur und mit den pflanzenbaulich sowie technologisch überalterten Obstbeständen gab es für die Vielzahl der kleineren Betriebe im Alleingang keine reale Basis zur längerfristigen Modernisierung der Obstproduktion. Grundlegend notwendige Veränderungen mussten aus pflanzenbaulicher, technischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht mit den Produzenten in Übereinstimmung gebracht werden. Kurzfristig und umfassend sollte die Obst- und Gemüseversorgung aus dem Eigenaufkommen abgesichert werden. Mit dem Musterstatut und mit der Musterbetriebsordnung für die genossenschaftliche Zusammenarbeit konnten die gesellschaftlichen und Individuellen Interessen der Produzenten auf die vorgenannten Ziele ausgerichtet werden. - Prämissen zur Positionierung Im Einzelnen kam es nach der Gründung der Genossenschaften immer wieder darauf an; mit den Mitgliedern überschaubare Strukturveränderungen voranzubringen, die in die Genossenschaft eingebrachten Bestände gemeinsam optimal zu nutzen bei der Rekultivierung der leistungsschwachen Anlagen schrittweise, aber mit Blick auf künftige Neupflanzungen vorzugehen, ein leistungsbezogenes Vergütungssystem einzuführen in den Genossenschaften die Betriebs- und Arbeitsorganisation so zu gestalten, dass die Vorteile der Konzentration und Spezialisierung mit effektiven Formen der Kombination verbunden werden, über die neuen Betriebsgrenzen hinweg effektive Kooperationsbeziehungen zu den Nachbarbetrieben und Dienstleistungseinrichtungen im Anbaugebiet zu schaffen, die unterschiedlichen Erfahrungen, Kenntnisse und die Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitglieder optimal zu bündeln und zu aktivieren, 9

bei der Lösung der Probleme auf die günstigste Rang- und Reihenfolge und Verhältnismäßigkeit zu achten (bei der Rodung, Neupflanzung, Bautätigkeit, beim Technikzukauf, usw.), eine enge Zusammenarbeit mit den wirtschaftsleitenden Organen und den wissenschaftlichen Einrichtungen für die Verwirklichung der Produktionsziele zu nutzen, gezielte und spürbare Veränderungen der Arbeits- und Lebensbedingungen zu schaffen, die Aus- und Weiterbildung für alle Mitglieder einfühlsam, aber zielstrebig für die Betriebsinteressen zu fördern. Notwendige personelle Entscheidungen und Verantwortlichkeiten Nachdem klar war, dass die Bildung der GPG und LPG zu einer geeigneten Betriebsform führt, waren Leiterpersönlichkeiten aus den eigenen Reihen gefragt. Vorsitzende und Mitglieder der Vorstände hatten nach der Wahl einen Vertrauensvorschuss. Sie mussten sich ebenso wie die Genossenschaftsgärtnerinnen und -gärtner mit ihren neuen und veränderten Aufgaben sehr gezielt auseinandersetzen. Es waren im wahrsten Sinne des Wortes Wege ins Neuland. Die personen- und aufgabengebundene Qualifizierung war dabei sehr wichtig. damit erhöhten sich auch die Akzeptanz der gewählten Leiter bei den Mitgliedern und die notwendige Autorität bei Entscheidungen für die Genossenschaften. Mit der entsprechenden Sachkompetenz und mit klaren Zielsetzungen für die Entwicklung der Betriebe konnte dann auch im allgemeinen Geschäftsverkehr und mit der staatlichen Leitung über angemessene Rahmenbedingungen sowie Förderungen verhandelt werden. Im Rückblick auf die komplizierten Anfangsjahre ist festzustellen, dass die Mitglieder der meisten Genossenschaften bei ihrer Wahl der Vorsitzenden richtig und weitsichtig entschieden haben. Die oftmalige Wiederwahl nach der Neugründung z.b. von 1 Hans Kania, GPG Neuer Obstbau, Neufahrland 2 Franz Ramm, GPG Frühling, Werder 3 Gerhard Siele, GPG Pomona, Werder 4 Helmut Pusch, GPG Blütenstadt Werder, haben die vorgenannte Aussage bestätigt. 10

Auch aus anderen Genossenschaften des HOG ist Ähnliches zu berichten. Die Vorsitzenden mussten den gesamten Produktions- und Reproduktionsprozess der jeweiligen Genossenschaft im Auge behalten. Dazu gehörten auch die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die gerechte Vergütung der Mitglieder. Mit den Erfolgen in der Produktion entwickelten sich bei den Genossenschaftsmitgliedern der Stolz auf das Erreichte und die Sicherheit der Einkünfte. Dafür hatten die Produktionsleiter, die Abteilungsleiter, deren Brigadiere und Arbeitsgruppenleiter eine große Verantwortung. Deshalb wurden auch für diesen Personenkreis vielfältige funktionsgerechte Weiterbildungsmöglichkeiten gefördert. Hervorzuheben ist, dass im Rahmen der Qualifikation leitender Genossenschaftsmitglieder zum Gartenbauingenieur schon Anfang der 60er Jahre interessante und richtungweisende Abschlussarbeiten zur Entwicklung und zu den Aufgaben einzelner Betriebe verteidigt wurden. Zwei dieser Themen werden stellvertretend hervorgehoben: KRAUSE, B. und Ramm, F. Vorschläge zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und Rentabilität mit Beispielen aus der GPG Frühling Werder (Havel) und dem Havelobstbaugebiet, 1964; SIELE, G. Die Umgestaltung der GPG Pomona zu einem industriemäßig produzierenden Obstbaubetrieb, 1963. Mit diesen Arbeiten haben die Verfasser in kreativer Weise Probleme und Lösungsvarianten fixiert. Die Richtigkeit und die Bedeutung für die Genossenschaftsmitglieder sowie für die Maßnahmen zur Produktionssteigerung haben sich durch die Ergebnisse in den nachfolgenden Jahren bestätigt. Mit diesen Aussagen kann hervorgehoben werden, dass sich in den GPG und LPG nicht nur die Strukturen und die Produktionsbedingungen positiv verändert haben, auch das Erfahrungspotential, die Fertigkeiten und Fähigkeiten aller Genossenschaftsgärtner konnten optimal gebündelt und genutzt werden, In den drei Jahrzehnten genossenschaftlicher Arbeit haben sich viele ehemalige Produzenten der kleinen Betriebe als Führungskräfte und Spezialisten bewährt. Das waren Lebensleistungen, die auch personengebunden in Erinnerung bleiben sollten. 11

Die nachfolgende Bilddokumentation und die produktbezogene Sachbeschreibung werden zeigen, welche großen Veränderungen mit der Bildung der Genossenschaften und deren Kooperationspartner ermöglicht wurden. Dabei wird nicht übersehen, das wirtschaftsleitende Organe, diverse eigens für das HOG geschaffene Dienstleistungseinrichtungen und wissenschaftliche Institutionen für die Erfüllung der gesteckten Versorgungsziele einen nicht zu unterschätzenden Anteil hatten. Zu nennen sind: MTS, Kreisbetrieb für Landtechnik Produktionsleitung für das HOG beim Kreislandwirtschaftsrat Potsdam Sekretariat des KOV Havelobst Agrarwissenschaftlicher Stützpunkt der HU Berlin für das HOG Büro für Projektierung industriemäßiger Obstanlagen ZBE Düngestoffe, ZBE Melioration, Agrochemisches Zentrum Ing.-Schule für Gartenbau P.- J. Lenné Werder VEB Kombinat OGS Potsdam Fruchtsaft und Konserven, VEB Havelland BZA Kleinmachnow Institut für Gemüseproduktion Großbeeren der DAL Institut für Obstproduktion Dresden- Pillnitz der DAL 12

Aussagen zur Erdbeerproduktion 13

Aussagen zur Erdbeerproduktion Mit der Erdbeerproduktion war es möglich, kurzfristig neue Erkenntnisse in die Produktion zu überführen. Neue Sorten, Qualitätspflanzgut aus der Erhaltungszüchtung und aus der Meristemvermehrung sicherten eine hohe Ertragskapazität. Bis auf die Ernte konnte die Pflanzung, Pflege und Zusatzbewässerung einschließlich des Pflanzenschutzes mechanisiert durchgeführt werden. Die Erträge je Hektar waren auch im Großflächenanbau beachtlich. Im Durchschnitt konnten mehr als 100 dt je Hektar geerntet werden. Spitzenerträge von 140 bis 160 dt je Hektar waren keine Seltenheit. Dabei bewährte sich, dass in Verbindung mit der Gemüseproduktion eine passende Fruchtfolge und eine gute Ackerkultur abgesichert werden konnte. Der Bedarf für die Verarbeitungsindustrie und für die Frischversorgung war nahezu unbegrenzt. Die aufwändige und notwendige Handarbeit bei der Ernte und die naturbedingte relativ kurze Erntezeitspanne verlangten jedoch Eckpunkte, die nicht überschritten werden konnten. Bei der hohen Anbaukonzentration, wie z.b. in der GPG Obstproduktion Werder mit etwa 150 Hektar Anbaufläche, mussten in einer Saison täglich mehr als 1.200 Erntehelfer im Einsatz sein. Der Einsatz sowie die Versorgung der Erntehelfer und der schnelle Abtransport des Erntegutes verlangte in den Betrieben eine perfekte Organisation. Eine besondere Herausforderung war die tägliche Frischdienstlinie für die Märkte und Verkaufsläden in Berlin. Im Rückblick auf die Erdbeerproduktion im Havelland ist noch hervorzuheben: Um den wissenschaftlich- technischen Fortschritt für die Betriebe aktuell und weitsichtig zu sichern, wurde in Werder von der HU Berlin ein Agrarwissenschaftlicher Stützpunkt eingerichtet. Die pflanzenbaulichen, technologischen und technischen Untersuchungen erfolgten unmittelbar vor Ort. Mehrere Forschungsberichte konnten erfolgreich verteidigt werden, so auch die Untersuchungen zu Grenzen und Möglichkeiten der mechanisierten Erdbeerernte (siehe auch Dissertationsschrift von Dr. M. Lindicke, 1975) Da die Erdbeerernte termingebunden und stark witterungsabhängig ist, mussten jährlich ausreichend Erntehelfer zur Verfügung stehen. Staatliche Entscheidungen haben gesichert, dass Studentinnen und Studenten, aber auch Schülerinnen und Schüler aus dem In- und Ausland in großer Zahl zum Einsatz kommen konnten. 14

In besonders kritischen Erntesituationen kamen auch Soldaten der NVA und der Sowjetarmee dazu. Das jährliche Aufkommen aus den Genossenschaften betrug in den 80 er Jahren 3.500 t. Hinzu kam das Aufkommen aus der individuellen Produktion der Genossenschaftsgärtner und Kleingärtner, das über Sammelstellen erfasst wurde. Schülereinsätze aus dem In- und Ausland waren eine große Hilfe für die Genossenschaften, Sie waren aber auch ein kollektives Erlebnis im Lager für Erholung und Arbeit. Der An- und Abtransport sowie die Pausenversorgung mussten gut organisiert sein. Die Funktechnik der Marke RFT war dabei hilfreich. 15

Stroh in den Reihen verhindert Versandung der Früchte nach Regen Für jeden gefüllten Korb gab es eine Marke. Am Ende des Arbeitstages wurde abgerechnet und ausgezahlt 16

Erntehelfer am Bahnhof Werder auf dem Weg zur Erdbeerund Kirschernte Hunderte mussten täglich auf die Felder der Genossenschaften transportiert werden. 17

18

Ertragsentwicklung bei Erdbeeren im KOV Havelobst Jahr 1976-1980 1981-1985 1986 1987 1988 1989 Anbaufläche (ha) 554 427,5 374,3 393,3 380,1 380 Gesamtertrag (t) 1.969,10 2.984,70 3.235,50 4.601,20 3.498,70 3.873,60 Flächenertrag (t/ha) 3,55 6,98 8,64 11,69 9,2 10,19 1

Leistungsvergleich der Erdbeerproduktion im KOV 1989 Betrieb: LPG (O) GPG (O) LPG (O) LPG LPG (O) LPG Gesamt 1988 Damssdorf Werder Groß-Kreutz Neu-Fahrland Marquardt Glindow Anbaufläche (ha) 86 130 20 20 51 73 380 380 Plan (dt) 700 1.225 125 160 480 550 3.240 2.950 erreichter Ertrag (dt) 1.074,5 1.492,6 155,5 161,0 428,8 561,0 3.873,6 3.498,0 % zum Plan 153 122 124 101 89 102 120 119 Einstufg.Punkte Grünes Q" 50 50 50 40 22 15 erreichte Erträge:dt / ha 1989 125 115 78 81 84 77 102 92 dt / ha 1988 118 110 60 71 98 45 92 2

Aussagen zur Apfelproduktion Pirol / Pirella eine wohlschmeckende Herbstsorte mit guten Lagereigenschaften für den Erwerbs- und Liebhaberobstbau 21

Pinova Züchtung aus Dresden-Pillnitz, im Havelland ab 1978 auf Anbauwürdigkeit geprüft, (als Klon Pi-A-11, 124). In Europa seit 1986 im Handel. 22

Aussagen zur Apfelproduktion Die Apfelproduktion hatte für die Versorgung mit Obst in der DDR eine dominante Aufgabe, weil von Ende Juli bis Anfang Juni des folgenden Jahres das Angebot kontinuierlich aufrechterhalten werden sollte. Anbauumfang, Lagerkapazitäten und geeignete Sorten waren in den 60er Jahren und danach auf dieses Ziel auszurichten. Die Erhöhung der Apfelproduktion musste aber auch die Rohstoffbasis für Fruchtsäfte, Pektin und Kompott verbessern. Aus der Sicht der Produzenten war die Apfelproduktion ebenfalls interessant, weil das Anbaurisiko gegenüber dem Weichobst geringer war, bei einem ganzjährig kontinuierlichen Absatz über den gleichen Zeitraum Einnahmen realisierbar sind, es verschiedene Veredlungsunterlagen gab, die für die jeweiligen Bodenbedingungen und Anbausysteme ausgewählt werden konnte, der wissenschaftlich-technische Fortschritt für die Apfelproduktion einen relativ guten Entwicklungsstand hatte und auch gefördert wurde. Das galt für die Apfelsortenzüchtung ebenso wie für den Pflanzenschutz, die Bewässerung und Mechanisierung. Um die vorhandenen Möglichkeiten zur modernen Apfelproduktion optimal zu nutzen, mussten allerdings die dafür notwendigen Rahmenbedingungen komplex erschlossen werden. Zuallererst kam es darauf an, geeignete Flächen zu erschließen, um moderne Neuanlagen zu schaffen. Dazu war sowohl die Rekultivierung der alten Obstbestände erforderlich wie auch die gezielte Einbeziehung vorhandener obstbaulich freier und geeigneter Flächen. Letztere waren meistens nur am Rande des obstbaulichen Kerngebietes möglich. Mit dieser Erfahrung hatten sich Werderaner Obstproduzenten ohnehin schon so weit das möglich war auf Flächen der Nachbargemeinden orientiert. Wenn die Flächenfrage geklärt war, mussten weitsichtige Entscheidungen zum Anbausystem und zur Auswahl der Sorten- Unterlagen- Kombination getroffen werden. Die Auffassungen und Meinungen gingen dazu je nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit sehr oft auseinander. Deshalb war es gut, dass in Neufahrland am Weinberg im Jahre 1958 die legendäre Werdersche Obsthecke geschaffen wurde. (Einzelheiten dazu s. Abbildungen mit Text.) 23

Die 5 ha große Anlage hatte nicht nur während der Aufbruchstimmung in der Obstproduktion Beispielcharakter. H.- J. Koch von der Fachschule für Gartenbau P.- J. Lenné Werder hatte mit H. Kania und seinen Mitgliedern der GPG Neuer Obstbau Neufahrland Partner gefunden, die den neuen Erkenntnissen für ein modernes Anbausystem sehr aufgeschlossen gegenüber standen. Das neue Anbausystem zeichnete sich dadurch aus, dass die ertraglose Zeit wesentlich verringert werden konnte, bei der Ernte und beim Schnitt die Leiter nicht mehr erforderlich war, für den Pflanzenschutz und für die Bodenbearbeitung die Voraussetzungen für einen effektiven Maschineneinsatz verbessert werden konnten, mit der Erhöhung der Baumzahl je Hektar das ertragsfähige Kronenvolumen bodennah erhöht wurde, die Ernte und das Transportverfahren rationeller wurden (Pflückleistungen von 800 kg bis 1.200 kg je Arbeitskraft pro Tag konnten im Durchschnitt erreicht werden.) Mit diesen Erkenntnissen bekam die Apfelproduktion für alle Betriebe des Territoriums wichtige neue Impulse. Im ersten Jahrzehnt nach der Gründung der Genossenschaften waren bei der Apfelneupflanzung die Sorten Helios, James Grieve, Carola. Geheimrat Oldenburg, Breuhahn, Goldparmäne, Cox Orange, Boskoop Auralia, Gelber Köstlicher, aktuell. Nicht in jedem Fall konnte bei den umfangreichen Neupflanzungen grundsätzlich auf Unterkulturen verzichtet werden. Es fehlten die schnellen Erlöse. Gemüse und Erdbeeren mussten zeitweilig einen Ausgleich schaffen, auch für die Auslastung der Arbeitszeit der Genossenschaftsmitglieder war Sorge zu tragen. 24

Neupflanzungen in den 60 er Jahren mit zeitweilig aus ökonomischen Gründen notwendigen Unterkulturen 25

Hans Kania, Vorsitzender der GPG Neuer Obstbau Neufahrland in der Werderschen Obsthecke (1963), viel Binden, wenig Schneiden, so seine Unterweisung an Manfred Kleinert (Praktikant) ITM - ein Spezialtraktor aus Jugoslawien, für moderne Neupflanzungen gut geeignet 26

Studentinnen der Fachschule für Gartenbau P.-J.-Lenné Werder bei der Blütenbonitur in der Werderschen Obsthecke in Neufahrland im Jahr 1968 nach starkem Blütenfrost und Blütenstecherbefall 27

28 In den Jahren von 1974 bis 1978 wurden etwa 5.100 ha Obstanlagen neu gepflanzt. Die Neupflanzungen wurden symbolisch den Jugendlichen übertragen. Es waren Bausteine für das Zentrale Jugendobjekt Havelobst

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Die LPG Damsdorf mußte jährlich in 40 Erntetagen etwa 30.000 t bis 40.000 t Äpfel zur Lagerung und zur Verarbeitung bringen. Dispatcherzentrale in der Lagerstation Plötzin. Die Zeit vom Pflücken bis zum Einlagern sollte nicht länger als 48 Stunden betragen. 30

Nach dem Ministerratsbeschluss im Jahre 1973 zur Entwicklung der Obst- und Gemüseproduktion in der DDR und den Vorgaben aus der Entwicklungskonzeption für das HOG bekam die Apfelproduktion eine neue Dimension. Insgesamt wurden von 1974 bis 1985 im HOG ca. 7.000 ha Apfelanlagen gepflanzt. Für alle Flächen wurde das Regnomatsystem installiert. Vor der Pflanzung wurden jeweils noch bis zu 300 m³ Seeschlamm je Hektar zur nachhaltigen Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit ausgebracht. In der Folge konnten jährlich mehr als 80.000 t Äpfel geerntet werden. An zwei Standorten in Satzkorn und Plötzin betrug die Lagerkapazität insgesamt 46.000 t. In Auswertung der Ertrags-, Lagerungs- und Verarbeitungsergebnisse erfolgten mit den Neupflanzungen, Veränderungen in der Sortenstruktur. Sorten wie Gelber Köstlicher, Idared, Auralia, Gloster und Jonagold wurden dominant. In das Pflanzprogramm konnten aber auch ohne Risiko Neuzüchtungen aus Dresden- Pillnitz, und zwar die Sorten Piros, Pirol, Pilot und Pinova aufgenommen werden. Diese Sorten waren schon als Zuchtklone in Versuchsanlagen der LPG Groß Kreutz und in der LPG Damsdorf erfolgreich erprobt. Sie behaupten sich inzwischen europaweit im Anbau und am Markt (Siehe Abbildungen). Es bestätigt sich im Nachgang eindrucksvoll, dass die enge Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen und den Produktionsbetrieben des HOG sehr erfolgreich gewesen ist. Mit den neuen Größenordnungen der Apfelproduktion wurde die Ernte zu einem Hauptproblem. Innerhalb der Monate September und Oktober mussten täglich mehr als 4.000 bis 5.000 Erntehelfer zum Einsatz kommen. Staatliche Entscheidungen zum Studenteneinsatz und Schülereinsatz waren unumgänglich. Zusätzliche Transportkapazität, für den Erntegut und Personentransport, musste erschlossen werden. Die Erntekampagne wurde zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. Dazu gehörten auch arbeitswirtschaftliche und logistische Projekte sowie Instrumentarien zur Dispatchermäßigen Leitung. Grundlage für den konkreten Einsatz der zusätzlichen Erntehelfer bildete das jeweilige Aufkommen je Betrieb und die durchgeführten Ernteschätzungen für das gesamte Anbaugebiet. So waren zum Beispiel im Jahr 1989 insgesamt in der Erntesaison rund 29.000 Erntehelfer im HOG tätig. 31

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Ein Erntestab beim Kooperationsverband Havelobst begann weit vor der Ernte mit den notwendigen Vorbereitungen und war dann während der Kampagne eine aktive Hilfe für die Genossenschaften. Auch Mitglieder des Jugendverbandes der FDJ gehörten zum Erntestab. Eine wichtige Rolle hatten sie vor allem bei der sozialen und kulturellen Betreuung der zahlreichen Studentinnen und Studenten aus dem Inund Ausland. Alle Genossenschaften hatten für eine ansprechende und solide Unterkunft der Erntehelfer gesorgt. Auch das Umfeld und die Kultureinrichtungen waren jugendgemäß. Jeder Betrieb hatte darüber hinaus eine leistungsfähige Betriebsküche, so dass für die Verpflegung der Erntehelfer ganztätig gesorgt wurde. Die gut organisierte Ernte begann und endete folglich nicht in den Obstanlagen. Insgesamt waren bei der umfangreichen Apfelproduktion Aufgaben und Probleme zu lösen, die über die Betriebsgrenze hinaus volkswirtschaftlich eingeordnet werden mussten. Dazu gehörte der Wege- und Straßenbau ebenso wie die Autobahnanbindung Phöben / Werder in Verbindung mit der Kapazitätserweiterung der Verarbeitungsindustrie in Werder. Gleiches gilt für die Spezialtechnik für die Erntetechnologie. Konstruktion und Fertigung mussten gesondert auf die neuen Bedingungen ausgerichtet werden. Die Abbildungen, insbesondere zum Rabo- System (Rationalisierungsmittelbau Borthen / Dresden) lassen erkennen, wie wichtig und erfolgreich die Zusammenarbeit über die Betriebs- und Bezirksgrenze hinaus gewesen ist. 33

Beschickung und Ausstellen in Einmannbedienung Großkistenstellgerät Rabo 240 34

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36 Kran TIH 445 Verladeleistung je Schicht 90 bis 120 t

Der Rollentieflader wird im Parallelverfahren mit dem Kran TIH 445 in den Baumreihen beladen und fährt dann zum Umschlagplatz. Umschlagplatz in der LPG Dahmsdorf für die Erntemenge bis zu 1000 t täglich 37

Ernte in Großkisten = 360 kg /GK Tägliche Gütekontrolle auf dem Umschlagplatz 38

Rabo 180, ein Multitalent Rabo 180 im Einsatz in der LPG Groß Kreutz und in der LPG Dahmsdorf beim Einsammeln gefüllter Großkisten 39

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Lagereinrichtung am Standort Plötzin Wiegen, Gütekontrolle und Entladen in kürzester Frist, Vorgabe 10-15 Min. je Transporteinheit. Einlagerung erfolgt in den Nachtstunden. 41

Pirol / Pirella Als Klon PiA-1967 in den 80er Jahren im HOG erprobt Pilot Als Klon PiA-3425 Anfang der 80er Jahren im HOG erprobt 42

Aussagen zur Birnenproduktion 43

Aussagen zur Birnenproduktion Der Anbauumfang war und ist noch heute aus mehreren Gründen auch im Havelland begrenzt. Für Sommer- und Herbstsorten ist der Zeitpunkt von der Pfück- zur Genussreife sehr eng und die Transportfähigkeit ungünstig. Die Wintersorten brauchen spezielle Lager- und Reifebedingungen. Diese sind aufwändiger und risikoreicher als bei Äpfeln. Die zur Verfügung stehenden Veredlungsunterlagen für Birnen bieten im Vergleich zum Apfelanbau nicht das breite Anpassungsspektrum für heterogene Bodenverhältnisse. Die Sämlingsunterlagen sind starkwüchsig und die Zeit bis zur ersten Vollernte beträgt 5 bis 6 Jahre. Die Quitten als schwachwüchsige Unterlagen für Birnen sind frostempfindlich. Birnen werden sehr leicht vom Feuerbrand befallen und sind oft der Ausgangsherd für große Schäden im Apfelanbau. Die Apfelanbauer haben aus dieser Sicht mit den Birnenanlagen ihre Probleme. Birnenanlagen sollten- wenn möglich- mit entsprechendem Abstand von großen Apfelanlagen gepflanzt werden und müssen unter strengster Kontrolle bleiben. Trotz dieser Probleme hatten vor allem die GPG Pomona Werder und die GPG Neuer Obstbau Neufahrland größere Birnenanlagen geschaffen. Dabei wurden alte, aber bewährte Sorten gepflanzt. Zum Sortiment gehörten Alexander Lucas, Conference, Vereinsdechantsbirne, Boscs Flaschenbirne, Williams Christbirne. Bei der Kronenerziehung wurden neuere Erkenntnisse genutzt. Eine direkte Übertragbarkeit aus den Erfahrungen der heckenförmigen Kronengestaltung gab es dennoch nicht. An der B1 in Höhe der Abfahrt Plessow sind die Reste der Anpflanzungen von der GPG Pomona noch nach dem Jahre 2005 vorhanden. 44

Birnenproduktion in der GPG Fragaria Werder. Der Feuerbrand verlangte die Reduzierung der Bestände, da sie immer wieder Ausgangsbasis zur neuen Infektion waren. 45

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Aussagen zur Pflaumen und Zwetschenproduktion Der Pflaumen- und Zetschenanbau ist nur noch mit wohlschmeckenden Scharka-Fruchttoleranten Sorten erfolgreich, wie z.b. Katinka, Valjevka, Elena, Presenta. 47

Aussagen zur Pflaumen- und Zwetschkenproduktion Für die Pflaumen und Zwetschkenproduktion gab es in den 50er und 60er Jahren kaum gesonderte Bestände. Sie waren vorherrschend in Mischpflanzungen, meistens als Ersatzpflanzung für einzelne ausgefallene Bäume anderer Obstarten. Dabei gab es die allgemeine Auffassung, dass Pflaumenbäume keine besondere Pflege verlangen und die Anbauansprüche gering sind. Diese Meinung war wohl darauf zurückzuführen, dass z.b. die wurzelechte Sandowsche Pflaume und solche starkwüchsigen Sorten wie The Czar oder Wangenheims Frühzwetschke auf der Unterlage Prunus Myrobalana auch im Nachbau Bestandslücken geschlossen haben. Allerdings waren die genannten Sorten nicht problemlos. So haben z.b. das saure Fruchtfleisch und der z.t. bittere Geschmack den Marktwert der Sandowschen sehr in Frage gestellt. Bei der beliebten Hauszwetschke wie auch bei anderen Sorten gab es Probleme, und zwar mit einer Viruserkrankung Scharka. Scharka ist ein nicht zu bekämpfender Virus, befallene Bäume müssen vernichtet werden. Für Neuanlagen war folglich virusfreies Pflanzmaterial erforderlich, wobei die Anpflanzungen relativ separat in ausreichender Entfernung zu Beständen mit vorhandenem Befallsdruck notwendig wurden. Die GPG Blütenpracht in Glindow und die GPG Pomona in Werder haben diese Vorgaben gezielt beachtet und sind auf Randbereiche des Anbaugebietes ausgewichen. Bei der Sortenwahl wurde versucht, über ein vielfältiges Spektrum die Nachteile einzelner Sorten zu minimieren. Dazu wurden auch Sorten aus Jugoslawien erprobt. Diese genannten Probleme hatten viele Anbaugebiete in ganz Deutschland. Erst in den 80er Jahren begann die Züchtungsarbeit aus Hohenheim / Stuttgart und Geisenheim erfolgreich zu werden, so dass erst Anfang der 90er Jahre wohlschmeckende Scharka- fruchttolerante Sorten zur Verfügung standen. Etwa zur gleichen Zeit kamen neue Veredlungsunterlagen ins Angebot, die den bis dahin zur Verfügung stehenden Veredlungsunterlagen überlegen sind. So war es nicht verwunderlich, dass die Neupflanzungen mit Pflaumen in den 70er und 80er Jahren nur zögerlich erfolgten, obwohl der Bedarf sehr groß war. 48

Aussagen zur Johannisbeerproduktion 49

Aussagen zur Johannisbeerproduktion Die Johannisbeereproduktion hat sich hauptsächlich nach den Anforderungen der Verarbeitungsindustrie gerichtet. Durch die mechanisierte Ernte konnte der Anbau kontinuierlich und spezialisiert durchgeführt werden, das war auch bei der Bodenbearbeitung, der Zusatzbewässerung und im Pflanzenschutz möglich. Die Aufnahmen aus den 80er Jahren zeigen das Ernteverfahren und die Bewässerung in den Beständen der LPG Obstproduktion Groß Kreutz im Territorium der Gemeinde Phöben. Für die mechanisierte Ernte kamen insbesondere rote und weiße Johannisbeeren zum Anbau. Bei der Erntetechnik waren drei verschiedene Herkünfte in der Erprobung. Im Vergleich war eine Exportmaschine aus England mit Maschinen aus Bulgarien und dem Eigenprodukt aus dem Kombinat für Gartentechnik Berlin. Neben dem großflächigen Anbau in den Genossenschaften war darüber hinaus die Johannisbeerproduktion in Hausgärten recht umfangreich. Die schwarzen Johannisbeeren kamen fast ausschließlich aus der individuellen Produktion. Der staatlich gestützte Preis war ein guter Anreiz 50

Johannisbeerproduktion in der LPG Groß Kreutz, Ernte, Beregnung, Düngung und Pflanzenschutz sind mechanisiert. Anbauumfang 117 ha 51

52 Während der mechanisierten Ernte erfolgt gleichzeitig die Qualitätskontrolle und die Vorbereitung zum Abtransport der Johannisbeeren zur Verarbeitung.

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Aussagen zur Süßkirschenproduktion Kordia, eine Hauptanbausorte in Europa, im Havelobstanbaugebiet schon in den 70er Jahren noch unter dem Namen Techlovicka II erprobt. 54

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Aussagen zur Süßkirschenproduktion Die Süßkirschenproduktion hat im Havelland eine lange Tradition. Im Rückblick muss jedoch angemerkt werden, dass Frostschäden im Winter und während der Blüte die Produktionssicherheit und damit auch die finanziellen Ergebnisse in manchem Jahr sehr eingeschränkt haben. Ein weiterer Risikofaktor ist die große Witterungsabhängigkeit während der Erntezeit (Platzen und Fäulnis bei kräftigem oder lang anhaltendem Regen). Hinzu kommt, dass bei der Süßkirschenproduktion die ertragslose Zeit bzw. die Zeit bis zur Vollernte, biologisch bedingt im Verhältnis zu den anderen Obstarten, an längsten dauert. Außerdem ist die Handernte aufwändig und durch die Höhe der Bäume nicht völlig ohne Leiter möglich. Aus all` diesen Gründen mussten die Entscheidungen für Neupflanzungen bei Süßkirschen besonders langfristig und ökonomisch sehr akribisch bedacht sein. Auch für die Sortenauswahl mussten weitsichtige Kriterien fixiert werden. Allerdings war die Auswahl in den 60er und Anfang der 70er Jahre noch auf ältere Sorten begrenzt, die nicht alle ausreichend die erfolgsorientierten Wünsche der Produzenten und Händler erfüllen konnten. das galt leider auch für die gebietstypischen Sorten wie Schmahlfelds Schwarze, Knauffs Schwarze und Kassins Frühe. Die Sorten- und Unterlagenzüchtungen brachten europaweit erst ab Ende der 70er Jahre bemerkenswerte Erneuerungen. Im Interesse der Obstproduzenten und der Verbesserung der Versorgung mit Süßkirschen hat sich Mitte der 60er Jahre eine Arbeitsgemeinschaft Steinobst aus der Wissenschaft und Praxis gebildet. Die Zielsetzung war sehr komplex, und zwar auf biologische, technische, technologische und ökonomische Problemlösungen ausgerichtet. Herr Professor Kramer von der Humboldt- Universität- Berlin, Frau Dr. Mechthild Störtzer, Institut für Obstforschung, Dresden Pillnitz und Herrn Dr. H.-J. Koch von der Ingenieurschule für Gartenbau P.- J. Lenné Werder waren federführend und haben auch international recherchiert und mit wissenschaftlichen Einrichtungen europaweit Kontakte gepflegt. Die Züchtungsarbeiten für Süßkirschen in Naumburg / S. und Dresden- Pillnitz bekamen dadurch neue Impulse 56

W o h i n f ü h r e n d i e W e g e? Süßkirschen auf der Unterlage Prunus avium können ca. 40 Jahre alt werden. Folglich müssen die Aussagen zur Sortenwahl und zur Kronenerziehung sehr langfristig entschieden werden! 57

Neue Sorten, die z.t. noch keinen endgültigen Namen hatten, wurden im Havelland erprobt. Dazu gehört die heutige Spitzensorte Kordia aus Tschechien. Die ersten Anpflanzungen im Havelland liefen noch unter dem Namen Techlovicka II. Bezüglich Platzfestigkeit, Fruchtqualität, Langstieligkeit (hohe Pflückleistung) setzt diese Sorte seit 1965 Maßstäbe. Alle Anbaugebiete in Deutschland, auch in der Schweiz und in Österreich sind bei dieser Sorte des Lobes voll. Im Jahre 1991 berichten H.-J. KOCH und L. GROPE (Gartenbau H. 7/38) über Sortenversuche bei Süßkirschen. Ergebnisse von 180 Sorten aus 15 Beobachtungsjahren werden vorgestellt. Staatlicherseits bekam die damalige Zentralstelle für Sortenwesen, Versuchsstation Marquardt eine großzügige Unterstützung bei einer Sortenvergleichsprüfung. Zur Anpflanzung kamen rund 180 Süßkirschsorten aus dem nationalen und internationalen Sortiment. Mit diesem umfangreichen Versuch sollten qualitativ wertvolle Sorten gefunden werden, die das im Anbau befindliche und z.t. überalterte Sortiment ergänzen und die Erntezeitspanne ausdehnen sollten. Weitere Einzelheiten dazu können der angefügten Veröffentlichung entnommen werden. Nicht nur die Abschlussergebnisse von Untersuchungen, sondern auch Zwischenergebnisse standen den Obstproduzenten im Havelland zur Verfügung. Nicht alle Sorten, die überzeugen konnten, waren für die Pflanzungen aus sortenschutzrechtlichen Gründen zugriffsbereit. Aber das Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen bei neuen Sorten war durch die Versuche in Marquardt bekannt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis wurde schließlich in beachtlichen Neupflanzungen sichtbar. So entstanden in der LPG Damsdorf und Groß Kreutz konzentrierte Neupflanzungen mit Süßkirschen von 125 ha und in die GPG Obstproduktion Werder hat im Jahre 1985 ebenfalls 100 ha Süßkirschen in der Gemarkung Plötzin gepflanzt. Diese Anlagen sind auch noch nach dem Jahre 2000 wirtschaftlich bedeutungsvoll und touristisch während der Blüte ein Höhepunkt. 58

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Ohne Bienen keine guten Erträge 4 bis 5 Völker je Hektar sichern eine gute Bestäubung 60

Aussagen zur Sauerkirschenproduktion 61

Aussagen über die Sauerkirschenproduktion Säfte, Kompott, Konfitüre und Marmelade aus Sauerkirschen waren in de DDR sehr beliebt. Mit den Möglichkeiten der mechanisierten Ernte konnte der Anbau entsprechend umfangreich erfolgen. Die meisten Neupflanzungen waren nach 1974 in der Region Damsdorf, Lehnin, Michelsdorf und darüber hinaus in Groß Kreutz, Schmergow und ebenso in Marquardt und Satzkorn im Anbau. Die größte einheitliche Neupflanzung (ca. 80 ha) erfolgte in den 80er Jahren in der GPG Obstproduktion Werder (an der B1, in Richtung Plötzin). Zum Anbau kamen hauptsächlich die Sorten Kelleris, Schattenmorelle und Fanal. Die jährliche Erntemenge im Anbaugebiet betrug im Durchschnitt 2.800 t. Für die Frischmarktversorgung kam nur die Ernte von Hand in Frage. Die Pflückleistung ist stark abhängig vom Baumertrag, der Fruchtgröße, der Baumhöhe und der Art zu pflücken ( mit oder ohne Stiel). Die maschinelle Ernte bedeutet gegenüber der Handernte eine mindestens 10-fache Steigerung der Arbeitsproduktivität. Voraussetzungen sind, dass ausreichend große Bestände maschinengerechte Anpassungen haben, eine leichte Ablösbarkeit der Früchte vom Stiel gezielt beeinflusst wird, der Baumertrag sorten- und altersgerecht optimal hoch ist. Da die Qualität der Produkte der Verarbeitungsindustrie unmittelbar von der Frische und Ausreife der angelieferten Ware abhängig ist, musste das bei der Organisation des Erntevorganges und der Logistik beachtet werden. Wie in der Industrie wurden Nomogramme zur dispatchermäßigen Organisation und Leitung benutzt (s. Abbildungen). Es kam darauf an, in kürzester Frist zwischen dem 15.07. und dem 10.08. die Früchte der Vermarktung zuzuführen. Auch der Schnitt konnte bei ertragsfähigen Sauerkirschbeständen mechanisch durchgeführt werden, daher kann bei der Sauerkirschproduktion ohne Vorbehalte von der industriemäßigen Produktion gesprochen werden. 62

Großbehälter (bis zu 600 kg Brutto) zum Befüllen bereit gestellt Auffangmaschine E 842 vom Kombinat Gartenbautechnik Berlin im Einsatz. Maschinenleistung : 80 Bäume je Stunde 63

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Parallelverfahren: Rütteln und Auffangen mit der Gerätekombination E 840 (Demonstrationsaufnahme) Auffangen und Transport mittels Ernteband und Elevator 65

Aussagen zur Freilandtomatenproduktion Tomatensaft und Ketschup waren von der Bevölkerung sehr gefragt. Fertigprodukte aus der heimischen Verarbeitungsindustrie hatten einen guten Ruf. Die Rohstoffbasis war zunächst nicht ausreichend, Importe sollten begrenzt bleiben. Es fehlten die notwendigen Valuta für die Importe. Folglich musste das Eigenaufkommen aus der Region im großen Maße erhöht werden. Die Flächenerweiterung und die Erhöhung der Erträge je Flächeneinheit waren anzustreben. Mit der großflächigen Rekultivierung der Altobstbestände konnten geeignete Flächen sowohl für die Tomatenproduktion als auch für den Blumenkohl- und Erdbeeranbau erschlossen werden. Mit diesen drei Kulturen wurde eine Fruchtfolge zwischen den Rodungen und Neupflanzungen eingeführt. Diese Strategie diente zugleich der Aufbesserung der Bodenfruchtbarkeit und der Erschließung finanzieller Mittel für die Erneuerung der Obstanlagen. Es bewährte sich erneut, aus mehreren Gründen, dass auch unter genossenschaftlichen Bedingungen die Obst- und Gemüseproduktion effektiv miteinander verbunden wurde. Mit der Flächenerweiterung für die Tomatenproduktion waren gleichzeitig umfassende Maßnahmen zur Erhöhung der Hektarerträge, zur Ertrags- und Qualitätssicherung sowie zur weiteren Mechanisierung erforderlich. Die Wirkung der einzelnen Faktoren musste in der Komplexität erschlossen werden. Aus diesem Grunde wurde mit Unterstützung des Instituts für Gemüseproduktion Großbeeren der DAL in Berlin an der Ing.- Schule für Gartenbau P.- J.- Lennè eine spezielle Arbeitsgruppe zur Beförderung und wissenschaftlichen Begleitung der rationellen Freilandtomatenproduktion geschaffen. Im Einzelnen wurden Aussagen getroffen zur Sortenauswahl effektiven Jungpflanzenanzucht rationellen Organisation der Pflanzung und Ernte biologisch- chemischen Reifebeeinflussung Düngung, zum Pflanzenschutz und zur rationellen Bewässerung kombinierten mechanisch. chemischen Unkrautbekämpfung 66

Diese Erkenntnisse wurden in Vorbereitung auf das jeweilige Produktionsjahr in den Betrieben ausgewertet und in die Ausbildungsprogramme aufgenommen. Lehrer und Studenten der Ing.- Schule für Gartenbau waren dabei sehr aktiv. Zwei Dissertationsschriften und mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen hatten über die Region hinaus Einfluss auf die Tomatenfreilandproduktion in der DDR. Dazu haben auch Ingenieur- und Meister- Abschlussarbeiten der Studenten aus dem Havelland einen Beitrag geleistet. In Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis haben die Genossenschaften im Ergebnis der Produktion über zwei Jahrzehnte so erweitert, dass die Verarbeitungskapazität beachtlich erhöht werden konnte. Die Tomatenproduktion gehörte bis 1989 in den GPG und LPG zu den gewinnträchtigsten Kulturen mit den stabilsten Erträgen. Die Auszüge aus einer Analyse vom 16.11.1989 geben Auskunft darüber: Anbauumfang und Ergebnisse einzelner Betriebe 1989 Betrieb LPG Marquardt LPG Glindow GPG Werder LPG Neufahrland LPG Damsdorf Anbaufläche Plan Ist Ertrag in ha in t in t idt/ha 75 2.025 2.502 316,7 132 4.000 4.019 303 120 4.100 5.336 446 6 150 211 352 62 3.000 3.641 587,3 Gesamt 395 13.275 15.729 Allgemeine Aussage Trend der Ertragssteigerung und Stabilisierung setzt sich fort (1987, 1988, 1989) Neue Sorten, ertragreicher, Ansprüche an Standort besser beherrscht. Der Umfang der Anbaufläche je Betrieb ist nicht ausschlaggebend für den Ertrag in dt/ ha. Das Ziel, Valuta für Importe einzusparen, wurde erreicht. 67

Maschinelle Buschtomatenpflanzung im Komplexeinsatz mit 3 Maschinen und parallel organisierter Pflanzenbereitstellung Ertragsbestand, der mehr als 350 dt/ha erwarten lässt 68

Studenten der Ing.-Schule Werder gehörten zur ersten Besatzung der Tomaten-Vollerntemaschine aus Bulgarien. Der Einsatz erfolgte zum letzten Erntedurchgang des Bestandes. Fleißige Erntehelfer waren für eine gleichmäßig gute Qualitätsernte unentbehrlich 69

70 Großflächige Zusatzbewässerung der Buschtomaten durch Rollregner

Die Qualitätskontrolle erfolgt während der Ernte und nach Anlieferung bei der Verarbeitungsindustrie 71

Aussagen zur Freilandzierpflanzenproduktion. Die Einnahmen der Obstproduktion sind sehr witterungsabhängig. Deshalb mussten sich die Obstproduzenten schon immer Möglichkeiten für einen Risikoausgleich schaffen. Dazu dienten die Artenvielfalt beim Obst sowie die Unterkulturen, und zwar die Freilandzierpflanzen- und die Gemüseproduktion, damit konnten zugleich die Handarbeitskräfte und insbesondere die Familienangehörigen auch vor und nach den aufwendigen Erntearbeiten ergebniswirksam beschäftigt werden. Dennoch bleibt anzumerken, das durch die Unterkulturen- egal welcher Art die Einführung moderner Anbauverfahren und die Mechanisierung sehr eingeschränkt wurden. Der verstärkte Anbau von Freilandschnittblumen begann Ende des 19. Jahrhunderts. Zum Anbau kamen u.a. Narzissen, Maiblumen, Chrysanthemen, Primeln, Pyrethrum, Bartnelken, Bellis, Gladiolen und Tulpen. Es gab nach dem zweiten Weltkrieg Obstbauern die bei einer Obstfläche von 4 ha, bis zu 1 ha kleinblumige Chrysanthemen als Unterkulturen angepflanzt hatten. Der Absatz erfolgte hauptsächlich in Berlin (ganz Berlin) und in Potsdam. Es gab mehrere Blumenaufkäufer, die den Absatz zu organisieren wussten, auch über die Bezirksgrenzen hinaus. Nach der Bildung der GPG wurde die Freilandzierpflanzenproduktion in der individuellen Produktion zum Teil in den relativ großen Hausgärten oder auf den Flächen, die nicht genossenschaftlich genutzt wurden, fortgesetzt. Das Artenspektrum veränderte sich marktorientiert und in Abhängigkeit von den realisierbaren Preisen. Auch in den Genossenschaften wurde die Tradition der Freilandzierpflanzenproduktion weitergeführt. Mit der zunehmenden Spezialisierung und Mechanisierung in den Genossenschaften entwickelten sich entsprechende Voraussetzungen zur Modernisierung. Die galt insbesondere für Tulpen, Gladiolen, Krokusse, Hyazinthen und Maiblumen, (siehe Produktionszahlen und Fotos aus den 80er Jahren). Nicht unerwähnt kann die Stauden- und Azaleenproduktion in der GPG Blütenstadt Werder bleiben. 72